Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

Stattdessen gibt es nun einen einsamen Vorschlag, der den Eindruck erwecken soll, als würde es ein Mehr an Demokratie geben, wenn die Amtszeit des Ministerpräsidenten begrenzt wird. Meine Damen und Herren, eine Amtszeitbegrenzung ist nicht automatisch ein Mehr an Demokratie. Wer wollte das ernsthaft behaupten, auch wenn Dr. Söder das auf Twitter tut? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden in der Demokratie, welche Partei sie wählen und welchem Ministerpräsidentenkandidaten sie damit ihre Stimme geben. Eine Amtszeitbegrenzung heißt de facto nicht mehr Demokratie, sondern weniger Demokratie, denn hier darf der Bürger nicht entscheiden, weil das Gesetz es ihm verwehrt.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Es sollen doch die Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden, ob ein Ministerpräsident einen guten Job macht oder nicht. Das ist nicht davon abhängig, ob er 41 oder 80 Jahre alt ist. Konrad Adenauer hat noch im hohen Alter, wie heute rückblickend gesagt wird, bei der europäischen Einigung einen guten Job gemacht.

Es spielt auch keine Rolle, ob jemand acht oder zwölf Jahre im Amt ist. Wenn man einen guten Job macht, darf man ihn auch gerne fortsetzen. Darüber entscheidet eben nicht ein Gesetz und auch nicht ein Ministerpräsident in einsamem Dekret, der sich monarchengleich gibt und so tut, als würde er Demut zeigen. Nein, in der Demokratie entscheidet der Bürger, die Bürgerin oder das Parlament.

Ein weiterer Punkt: Anders als im präsidentiellen System der Vereinigten Staaten von Amerika wählen die Bürgerinnen und Bürger Bayerns ihren Regierungschef eben nicht direkt. Das macht das Parlament. Im parlamentarischen System hat der Regent eine deutlich schwächere Position als beispielsweise in den USA – und das ist auch gut so. Es gibt deshalb keinen Sinn, wenn Dr. Söder jetzt so tut, als wäre Bayern noch eine Monarchie. Das suggeriert er nämlich, und manche gehen ihm auf dem Leim. Nach genauerem Hinsehen tun sie das aber nicht mehr. Die Amtszeit

begrenzung erfolgt in der parlamentarischen Demokratie durch Wahlen.

Dr. Söder setzt sich mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump gleich.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Karl Freller (CSU): Ach so ein Schmarrn! Das gibt’s doch nicht!)

Es gibt bei allen erkennbaren Parallelen natürlich einen maßgeblichen Unterschied: Direkte Wahl in Amerika, aber der Ministerpräsident in Bayern wird von uns, vom Parlament gewählt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte deshalb von diesem monarchistischen Gehabe ein Stück weit Abstand nehmen. Beides ist nicht gleichzusetzen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Gerade weil der bayerische Ministerpräsident wie auf Twitter verkündet – er hat sich ja selbst in Interviews mit dem US-Präsidenten gleichgesetzt – –

(Isabell Zacharias (SPD): Allerdings! – Zurufe von der CSU)

Er war’s, nicht ich! Das sage ich, weil Sie jetzt hier so protestieren. Er hat gesagt: Wenn es die Amerikaner können, soll ich es bitte auch dürfen. Er hat es gesagt.

In dem Augenblick muss man dann schon sagen: Dahinter steckt eine Hybris sondergleichen. Der Gedanke der Amtszeitbegrenzung ist auch nicht konsequent. Was ist mit uns Parlamentariern? Was ist mit den Ministern hier im Kabinett? Was ist mit Landräten und Bürgermeistern, was ist mit Stadt- und Gemeinderäten? – All das soll nicht behandelt werden. Damit wird suggeriert, der Ministerpräsident in Bayern habe eine besonders starke Stellung,

(Ingrid Heckner (CSU): Hat er ja!)

die eines Monarchen – 100 Jahre nach Ausrufung des Freistaats! Das ist mitnichten der Fall. Daraus ergibt sich die Haltung, die hier deutlich wird. Meine Damen und Herren, das ist keine Demut, das ist Arroganz.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Isabell Zacharias (SPD): Bravo!)

Im Übrigen weiß jeder von uns hier im Raum: Eine Amtszeitbegrenzung ist nicht automatisch damit verbunden, dass Demokratie gestärkt wird.

Nehmen wir mal Mexiko. Mexiko scheint eines der wenigen oder das einzige Land auf der Welt zu sein, das eine Begrenzung der Amtszeit sowohl des Staats

chefs wie auch der Parlamentarier kennt. In der Verfassung ist dort geregelt, dass Abgeordnete nach nur einer Wahlperiode aus dem Parlament ausscheiden müssen. Auch der Präsident darf nur eine Wahlperiode im Amt bleiben. Das ist eine radikale Form der Amtszeitbegrenzung. Sie hat aber nicht verhindern können, dass gerade Mexiko mit der jahrzehntelangen Herrschaft einer Partei lange Zeit als Musterbeispiel für politische Erstarrung und Korruption galt und gilt. Das ist noch heute so. Wir müssen die Parteienherrschaft beschränken. Meine Damen und Herren, das gilt für Mexiko, und das gilt auch für Bayern.

(Beifall bei der SPD – Peter Winter (CSU): Das bestimmt immer noch der Wähler! – Weitere Zurufe von der CSU)

Ihre Herrschaft müssen wir beschränken, die Herrschaft der CSU. Die absolute Mehrheit muss ein Ende finden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zurufe)

Im Übrigen ist natürlich jede Menge Fake News unterwegs. Ich bedanke mich beim Redner von der CSU, dass er das wahrhaftig dargestellt hat. Es geht nämlich nicht darum, dass die Amtszeit des Ministerpräsidenten hier in Bayern auf zehn Jahre begrenzt wird. Es sind zwei Wiederwahlen möglich. Das heißt, im längsten Fall könnte ein Ministerpräsident 14 Jahre und 11 Monate im Amt sein. Wer da dann von zehn Jahren Amtszeitbegrenzung schreit, der soll bitte den Gesetzentwurf lesen. Darum geht es nämlich nicht. Vorsicht, Falle! Der Gesetzentwurf der CSU sieht etwas anderes vor.

(Zuruf von der CSU – Heiterkeit bei der SPD)

Ein weiterer Punkt: Meine Damen und Herren, ist eine Wiederwahl ausgeschlossen, so nimmt die Rechenschaftspflicht des Ministerpräsidenten gegenüber dem Parlament und der Bevölkerung ab. Klar, der macht in seiner zweiten Amtszeit, was er will. Die monarchistischen Strukturen werden verstärkt statt minimiert und die Macht der Ministerialbürokratie, die hier hinter ihnen sitzt, die sogenannte Verwaltung, über die gerade die CSU-Fraktion immer wieder gerne schimpft, wird in einem solchen System nicht kleiner. Sie wird größer. Meine Damen und Herren, wollen Sie das? – Ganz gewiss nicht.

(Isabell Zacharias (SPD): Ich auch nicht!)

Der Erfahrungsverlust ist groß. Ich muss Ihnen jetzt noch etwas sagen, weil es mich wundert, dass Sie so wenig Geschichtsbewusstsein mitbringen.

Die historische Erfahrung zeigt: Bayern entledigt sich seiner Ministerpräsidenten durchaus konsequent. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU-Fraktion, ich bin sicher: Am 14. Oktober um 18.00 Uhr werden Sie die Ersten sein, die seine Amtszeit begrenzen, wenn er unter 40 % fällt. Die Amtszeitbegrenzung, sie naht doch schon. Die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt nicht hier sind, sondern unten das Fußballspiel England gegen Kroatien schauen, tuscheln doch schon, was eigentlich die untere Grenze für seine Amtszeitbegrenzung ist: 40 %, 39 %, 38 % oder 37 %.

(Beifall bei der SPD – Ingrid Heckner (CSU): Unverschämtheit! – Peter Winter (CSU): Das wird bei Ihnen genauso gehen!)

Deshalb brauchen wir diese Amtszeitbegrenzung nicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, nun noch etwas zur Historie. In Bayern gab es zehn Ministerpräsidenten: Fritz Schäffer ein paar Tage lang, Günther Beckstein ein Jahr – die Parallelen sind unverkennbar: Franke, Nürnberg, evangelisch!

(Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN)

Zehn Monate vor der Landtagswahl ins Amt gekommen,

(Zuruf des Abgeordneten Peter Winter (CSU))

hektischer Aktionismus! Der eine räumt den Transrapid zum Münchner Flughafen ab, der andere bringt einen Gesetzentwurf nach dem anderen auf den Weg, sodass selbst die Parlamentarier der eigenen Fraktion nicht mehr wissen, wo es lang geht.

(Zuruf des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Weitere Amtsvorgänger: Hanns Seidel, drei Jahre im Amt, Hoegner vier Jahre, Streibl fünf Jahre, Seehofer etwas mehr als neun, Strauß zehn Jahre. Meine Damen und Herren, gut zuhören!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die bayerischen Ministerpräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg waren im Durchschnitt 7,7 Jahre lang im Amt. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Amtszeitbegrenzung von zehn Jahren ja wenig sinnhaft, sondern wieder eine Spur arrogant. Es ist geradezu anmaßend, dass Dr. Söder königsgleich für sich selbst noch mal 25 % gegenüber dem bisherigen Durchschnitt seit 1945 oben drauf legen will. Ich bin deshalb

davon überzeugt: Seine Amtszeit wird 10 Monate dauern. Die Wählerinnen und Wähler werden seine Amtszeit am 14. Oktober begrenzen. Meine Damen und Herren, das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Florian von Brunn (SPD): Bravo!)

Jetzt noch ein paar offene Worte zu den Themen Demut und Demokratie.

(Peter Winter (CSU): Dann fangen Sie mal mit Demut an!)

Sie haben hier in den letzten fünf Jahren mit allen Möglichkeiten, die sich Ihnen geboten haben, durchregiert, ohne bei einer Verfassungsänderung auch mal auf die drei Oppositionsparteien zuzukommen und zu fragen, ob sie dabei sind. Sie hätten ja eigentlich wissen müssen, dass es einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Sie haben Wochen nach der Ersten Lesung mit uns den ersten Kontakt aufgenommen und tatsächlich anmaßend geglaubt, wir würden darauf eingehen.

(Zuruf von der CSU: Ihr habt es doch gesehen gehabt!)

Ja, in einem Interview. Entschuldigen Sie bitte: Ist das Ihr parlamentarisches Verständnis von Demokratie,

(Isabell Zacharias (SPD): Ja, das ist so!)

dass man sich über die Medien miteinander unterhält? Das können Sie gerne mit Herrn Seehofer und Frau Merkel so handhaben. Der Usus im Parlament ist normalerweise ein anderer.

(Beifall bei der SPD – Florian von Brunn (SPD): Bravo!)