Vielen Dank, Herr Kollege Straub. – Meine Damen und Herren, bevor ich Frau Kollegin Hiersemann das Wort erteile, habe ich noch einen Hinweis. Die Liste der Tagesordnungspunkte, die heute ohne Aussprache erledigt werden, ist wieder um einen Punkt länger geworden. Die Fraktionen sind übereingekommen, zum Tagesordnungspunkt 31 – das ist der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Änderung des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes – auf die Aussprache zu verzichten, aber eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Hiermit ist dieser Hinweis gegeben. – Jetzt darf ich Frau Kollegin Hiersemann das Wort erteilen. Bitte sehr.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir in Bayern wussten es schon längst, und die Damen und Herren in Berlin sind gerade dabei, es zu lernen. Die Damen und Herren der CSU-Fraktion bestätigen es Tag für Tag neu. Sie bestätigen, dass die Staatsregierung und mit ihr die CSU weiterhin eine Strategie betreibt, die nur auf ein einziges Thema setzt, nämlich das Schüren von Angst in der Bevölkerung, um den Ruf nach vermeintlich mehr Sicherheit durch die Staatsregierung am Kochen zu halten. Das machen Sie mit einem Parteivorsitzenden und Bundesinnenminister, der jeglichen Anstand verloren hat.
Sie von der CSU soufflieren ihm auch noch mit einem interessanten Änderungsantrag. Zu diesem werde ich gleich noch etwas sagen. Zunächst gehe ich auf den Gesetzentwurf ein.
In der Erfüllung der Wunschliste Ihres Ministerpräsidenten wollen Sie ein Bayerisches Landesamt für angebliches Asyl schaffen, für das Bayern keine Zuständigkeit hat. Sie wollen ein Amt für gnadenlose
Abschiebung schaffen, für dessen Aufgabe es genügend vorhandene Behörden in Bayern gibt. Sie bedienen weiter ungeniert verantwortungslos die Ängste der Menschen, obwohl die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr um 20 % zurückgegangen sind.
Das ist mehr als verantwortungslos. Die Taktik, die Sie anwenden, ist demokratie- und rechtsstaatsfeindlich. Auch ist das Verhalten menschenverachtend denjenigen gegenüber, von denen Sie glauben, Sie könnten sie damit zurückgewinnen.
Die Flüchtlingszahlen sind zurückgegangen. Demnach gibt es überhaupt keinen objektiven Grund für diese Panikmache, die Sie seit Monaten betreiben. In meinem Landkreis werden Unterkünfte immer leerer, und Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge müssen geschlossen werden. Auch in Bamberg steht eine große Zahl von Unterbringungsmöglichkeiten leer. Die Unterkunft in Bamberg ist nach Ihrem Wunsch der Prototyp für die künftige Unterbringung von Geflüchteten. Trotzdem pferchen Sie die Menschen dort zu dritt oder zu viert in die Zimmer, damit deutlich wird, was Ihre menschenfeindliche Politik bedeutet.
Mit Ihren neu erfundenen Begriffen wie "Asyltourismus", "Anti-Abschiebe-Industrie" und "Asylgehalt" vergiften Sie Umgang, Menschlichkeit und Sprache. Sie wollen diese verrohte Sprache salonfähig machen.
Tatsächlich aber geht es nur um Ihre durchsichtige Strategie. Sie bespielen das Thema Asyl weiter, um denen, die zur AfD gehen könnten oder dank Ihnen vermutlich schon dort sind, vorzugaukeln, die CSU mache die bessere und die rechtere Rechtsaußenpolitik. Das von Ihnen geforderte Landesamt hat nichts mit Asyl zu tun. Es ist ausschließlich für die Abschiebung geplant. Das haben Sie uns ja bereits in der Ersten Lesung erklärt. Herr Kollege Straub, Sie haben das hier und erst kürzlich im Verfassungsausschuss bestätigt: Vor allem die Passbeschaffung und die Flugkoordinierung seien wichtige Zuständigkeiten des Amtes. Es ist ein Hohn, das Wort Asyl hierfür zu verwenden. Es mag sein, dass die schwarze Seite des Asyls die Abschiebung ist. Aber dies als Begründung dafür zu nehmen, das Abschiebeamt mit dem Titel Asyl zu überschreiben, ist wirklich die Krönung.
Der Präsident der Diakonie Bayern hat diese Bezeichnung für das Amt zu Recht als völkerrechtlich missbräuchlich kritisiert. Aber Sie scheuen beim Beugen von Sprache vor nichts zurück.
Weil Ihr neues Landesamt noch viel sinnloser wäre, wenn Sie nicht behaupten könnten, dass es unter anderem für die Passbeschaffung zuständig sei, haben Sie eine Ausnahmeregelung im Ergebnis des Koalitionsausschusses durchgesetzt. Dort wurde nämlich vereinbart, dass bei Rückführungen künftig nur der Bund zur Vermeidung von Verzögerungen tätig werden soll. Dies geschieht aber eben nur, sofern die Länder dies wünschen. In Bayern sieht es folgendermaßen aus: Bayerischer Landeswunsch statt Vermeidung von Verzögerung. Bayerische Landtagswahlen statt halbwegs vernünftiger Lösungen.
Sie machen das nur, weil Sie wichtig sein wollen, aus keinem anderen Grund. Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, ich bedaure sagen zu müssen, dass sogenannte Vereinbarungen mit Ihnen nichts wert sind. Das zeigen die Posse der letzten Woche und der gestrige Tag. Mit diesem Amt streben Sie erneut einen bayerischen Alleingang an, der weder der Sache noch der sinnvollen Verfahrensbeschleunigung dient. Sie wollen eine Show auf bayerisch. Seit gestern müssen Sie sich bei all dem an den zynischen und menschenverachtenden Äußerungen des Herrn Seehofer messen lassen.
Die Damen und Herren von der CSU-Fraktion legen nun noch einen auf das Landesamt drauf und stellen einen Änderungsantrag. Das fällt Ihnen mitten im Gesetzgebungsverfahren ein. Jetzt wollen Sie ein Landesamt, das sogar selber Abschiebehaftplätze errichten kann. Bisher wird die Abschiebehaft durch die Justizverwaltung in Amtshilfe für die Innenbehörden vollzogen, in Gebäuden des Justizvollzugs und mit dessen Beamtenschaft. Sie erweitern plötzlich das System, obwohl Bayern bundesweit bereits 30 % der Haftplätze zur Verfügung stellt, wie Minister Bausback stolz berichtet hat, und obwohl die Flüchtlingszahlen zurückgegangen sind. Damit schaffen Sie verschiedene Formen der Abschiebehaft. Die eine Form bleibt weiterhin unter dem Dach des Justizvollzugs und in dessen Anstalten. Daneben wird es die neue Form der Abschiebehaft unter dem Dach des Innenministeriums mittels eines Landesamtes geben. Sie machen eine Tür auf, mit der Sie jederzeit ein Gebäude entweder direkt in Flüchtlingseinrichtungen oder daneben zur Abschiebehaftanstalt erklären können. Das können die JVAs nämlich nicht. Diese müssen nämlich erst bauen. Das dauert der CSU-Fraktion aber zu
lange. Kollege Straub hat das gerade bestätigt. Die neuen Einrichtungen werden nach Ihren Worten "spezielle Hafteinrichtungen". Sie sollen nach Ihren Worten "vorrangig für den kurzfristigen Ausreisegewahrsam", also für 48 Stunden und ohne richterlichen Beschluss genutzt werden. Dabei sollen die Polizei und die Justizvollzugsbeamten in Amtshilfe tätig werden. Aber dafür gibt es ja überhaupt keine Beamten. Da Sie von dieser Tatsache wissen, sieht der Antrag vor, dass auch sogenannte Beauftragte in den speziellen Hafteinrichtungen tätig werden können. Das sind nicht die Spezialbeauftragten, die die Staatsregierung erst vor Kurzem gekürt hat, sondern sogenannte private Security-Dienste. Es wird also Schwarze Sheriffs in speziellen Hafteinrichtungen geben. Hier möchte man wirklich nicht weiter denken, aber leider muss man das tun.
Ihnen reichen also 30 % der bundesweiten Abschiebehaftplätze trotz abnehmender Flüchtlingszahlen immer noch nicht. Sie rüsten weiter auf. Diese Plätze wollen Sie natürlich auch füllen, koste es, was es wolle.
Interessant ist auch der Zeitpunkt Ihres Änderungsantrags. Erst tyrannisiert Ihr Parteivorsitzender und Bundesinnenminister die gesamte Republik und die Bundesregierung mit einem sogenannten Masterplan, den bisher vor Kurzem niemand kannte. Außerdem war der gestrige Masterplan nach einer gestrigen Aussage von Herrn Seehofer nicht mit dem Koalitionspartner abgesprochen. Dann verspricht er seinen Rücktritt und nimmt das einen Tag später wieder zurück. Gleichzeitig schafft die CSU im Landtag am selben Tag, nämlich am 2. Juli, durch die Hintertür Teile der Grundlagen, die unsere Republik immer weiter spalten. Die CSU-Fraktion sekundiert einem Bundesinnenminister, der heute nicht weiß, was er morgen will.
Während sich also in Berlin die vernünftigen Mitglieder der Koalition darum bemühen, das Chaos zu lichten, das Ihre Leute in Berlin und hier angerichtet haben, machen Sie unbeirrt von angeblichen Kompromissen weiter. Sie suggerieren den Menschen, es brauche noch mehr Abschiebungen und natürlich auch mehr Haftplätze, in denen dann Schwarze Sheriffs faktisch das Sagen haben. All das passiert natürlich unter dem Kreuz, das Sie zuvor noch aufhängen lassen. Wir wissen alle, dass Sie nicht aufhören werden. Sie werden nicht aufhören, diese Koalition zu spalten, Angst zu schüren und damit den Bestand der Bundesregierung und diese Republik zu gefährden. Vielleicht können Sie so mit Ihrer Schwesterpartei umgehen. Geschwisterliches Verhalten ist ja nicht immer so zart besaitet. Kolleginnen und Kollegen der CSU
Fraktion, vergessen Sie bei all dem aber nicht, dass auch meine Partei in Berlin hierzu mitredet. Unsere Geduld und unsere Bereitschaft, die Vorgehensweise der CSU und das unanständige Verhalten weiter hinzunehmen, sind zu Ende.
Am 4. Juli wurden zum 69. Geburtstag des Bundesinnenministers 69 Afghanen aus der Abschiebehaft abgeschoben. Er rühmt sich dessen vor laufender Kamera. Das ist wirklich widerlich und erinnert an die dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte.
Einer dieser Abgeschobenen war ein junger Flüchtling, der acht Jahre in Bayern gelebt hat. Er ließ sich hier nach gründlicher Unterweisung taufen und war bestens integriert, als er vor Kurzem in bayerische Abschiebehaft kam. Aus Verzweiflung versuchte er dort, sich selbst zu verletzen und wurde zum Geburtstag von Herrn Seehofer nach Afghanistan abgeschoben. Dort hat er kein einziges Familienmitglied oder irgendeine Unterstützung. Besonders nachdem er Christ geworden ist, hat er dort Allerschrecklichstes zu befürchten. Die Bibel, die er von seinem Pfarrer geschenkt bekommen hat, hat man ihm in der Abschiebehaft weggenommen. Man hat sie verplombt und nach Afghanistan geschickt. Ein weiterer 23-jähriger Mann wurde nach Afghanistan abgeschoben. Sie haben diesen mit über 50 Menschen allein aus Bayern in einen Abschiebeflieger gesteckt. Auch dieser hat acht Jahre in Deutschland gelebt, war integriert und hat sich, wie wir heute alle gelesen haben, nach seiner Rückkehr in Kabul erhängt. Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CSU und von der Staatsregierung, Sie schaffen Unrecht.
Herr Kollege Freller, Sie schaffen Unrecht, wenn Sie jemals wieder von Bayern als Ihrem christlichen Abendland reden und sich nicht gleichzeitig dabei schämen. Hören Sie endlich auf damit. Wir lehnen den Antrag der CSU wie auch den Gesetzentwurf der Staatsregierung ab.
Danke schön. – Ohne Ansehen der Person darf ich nochmals darauf hinweisen, dass wir uns im Ältestenrat darauf geeinigt haben, uns sachlich zu unterhalten.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ganz sachlich könnte ich mich jetzt einfach nur den Ausführungen von Frau Hiersemann anschließen, was ich auch tue.
Ich möchte aber auch noch ein paar eigene Gedanken ausführen. Herr Straub, Sie haben gesagt, das Landesamt für Asyl und Rückführungen sei dringend notwendig. Diesen Eindruck kann man vor allem dann bekommen, wenn man die Situation dahingehend betrachtet, was verlautbart und politisch aufgebaut wird. Darüber hinaus gibt es aber auch insofern Gründe, als das BAMF als solches in der Vergangenheit nicht immer optimal gearbeitet und funktioniert hat. Es gibt Berichte, wonach im BAMF Ausweispapiere von rückreisewilligen Syrern und anderen Flüchtlingen verloren gegangen sind, sodass diese Papiere erst wieder umständlich beschafft werden mussten, die Verfahren zu lange dauerten und eine gewisse Konfusion herrschte. Das mag alles richtig sein.
Aber heute muss man auch fragen: Wer ist der oberste Chef des BAMF? Das ist letztlich der Bundesinnenminister. Das BAMF wird nun von einem bayerischen Staatsbeamten geleitet. Das BAMF ist also in besten Händen, das heißt, entsprechend dem Slogan der CSU aufgebaut. Das BAMF könnte also jetzt die Arbeit so, wie es die CSU will, erledigen.
Deswegen erschließt es sich nicht, wofür wir dann noch den kleinen Bruder, das Bayern-BAMF, brauchen, wenn doch das BAMF so gut aufgestellt ist. Für was soll dann der kleine Bruder gut sein?
Das erschließt sich mir vor allem mit Blick auf Folgendes nicht: Man spricht vom Landesamt für Asyl mit dem Zusatz "Rückführungen". Eigentlich müsste man sagen "Landesamt für Rückführungen"; denn dieser Begriff wäre korrekter und ehrlicher, da der Begriff "Asyl" etwas verschleiert. Einer unserer Grundsätze lautet: Asyl genießt, wer politisch verfolgt ist. Dieser Grundsatz ist einzuhalten.
Dann müsste man natürlich auch fragen, was dieses Landesamt für Asyl für tatsächlich Asylberechtigte tut,
also für diejenigen, die wirklich politisch verfolgt sind und eine Bleibeperspektive haben. Was tut dieses Landesamt in den Herkunftsländern, damit dort die Personen nicht politisch verfolgt werden? Auch solche Aufgaben könnte dieses Landesamt lösen, wenn es dazu eine bundeseinheitliche Legitimation hätte. Es gibt hierzu also einige Fragen.
Sie wollen dieses Landesamt für Asyl und Rückführungen mit 1.000 Stellen ausstatten. Hierbei stellt sich die Frage, woher Sie diese 1.000 Stellen bzw. Personen nehmen, die dort arbeiten sollen. Das ist wieder nur eine Scheinpolitik, die darauf aufbaut, die Menschen, deren Ängste Sie geschürt haben, wieder zu beruhigen. Wenn Sie aber wirklich etwas Sinnvolles tun wollen, sollten Sie das Geld, das hier für einen bürokratischen Aufbau verwendet wird, unseren Landratsämtern zur Verfügung stellen, um 1.000 Stellen zu schaffen.
Wir sollten dieses Geld unseren kommunalen Behörden geben; denn es gibt in Bayern wohl kein Landratsamt, das wegen der Zuwanderung, der Asylproblematik bzw. der Flüchtlinge nicht zusätzliche Stellen schaffen musste. Auf diesen Kosten bleiben die Landratsämter sitzen. Doch jetzt bildet man ein LandesBAMF, wobei der Staat selbst einen Staatsapparat aufbaut, aber die Kommunen hängen lässt. Das halte ich für äußerst unehrlich; denn man könnte die für diese Aufgaben zuständigen Kommunen und Landratsämter, die eine gute Arbeit leisten, mit diesen Mitteln unterstützen. Das ist legitime Aufgabe. Dazu braucht man kein neues BAMF und kein neues Gesetz. Man kann Gutes und Sinnvolles tun, indem man das Geld denjenigen zur Verfügung stellt, die draußen an der Front die Arbeit machen. Dafür sollte man sich einsetzen und die Kommunen nicht im Stich zu lassen.