Alexandra Hiersemann

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Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir in Bayern wussten es schon längst, und die Damen und Herren in Berlin sind gerade dabei, es zu lernen. Die Damen und Herren der CSU-Fraktion bestätigen es Tag für Tag neu. Sie bestätigen, dass die Staatsregierung und mit ihr die CSU weiterhin eine Strategie betreibt, die nur auf ein einziges Thema setzt, nämlich das Schüren von Angst in der Bevölkerung, um den Ruf nach vermeintlich mehr Sicherheit durch die Staatsregierung am Kochen zu halten. Das machen Sie mit einem Parteivorsitzenden und Bundesinnenminister, der jeglichen Anstand verloren hat.
Sie von der CSU soufflieren ihm auch noch mit einem interessanten Änderungsantrag. Zu diesem werde ich gleich noch etwas sagen. Zunächst gehe ich auf den Gesetzentwurf ein.
In der Erfüllung der Wunschliste Ihres Ministerpräsidenten wollen Sie ein Bayerisches Landesamt für angebliches Asyl schaffen, für das Bayern keine Zuständigkeit hat. Sie wollen ein Amt für gnadenlose
Abschiebung schaffen, für dessen Aufgabe es genügend vorhandene Behörden in Bayern gibt. Sie bedienen weiter ungeniert verantwortungslos die Ängste der Menschen, obwohl die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr um 20 % zurückgegangen sind.
Das ist mehr als verantwortungslos. Die Taktik, die Sie anwenden, ist demokratie- und rechtsstaatsfeindlich. Auch ist das Verhalten menschenverachtend denjenigen gegenüber, von denen Sie glauben, Sie könnten sie damit zurückgewinnen.
Die Flüchtlingszahlen sind zurückgegangen. Demnach gibt es überhaupt keinen objektiven Grund für diese Panikmache, die Sie seit Monaten betreiben. In meinem Landkreis werden Unterkünfte immer leerer, und Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge müssen geschlossen werden. Auch in Bamberg steht eine große Zahl von Unterbringungsmöglichkeiten leer. Die Unterkunft in Bamberg ist nach Ihrem Wunsch der Prototyp für die künftige Unterbringung von Geflüchteten. Trotzdem pferchen Sie die Menschen dort zu dritt oder zu viert in die Zimmer, damit deutlich wird, was Ihre menschenfeindliche Politik bedeutet.
Mit Ihren neu erfundenen Begriffen wie "Asyltourismus", "Anti-Abschiebe-Industrie" und "Asylgehalt" vergiften Sie Umgang, Menschlichkeit und Sprache. Sie wollen diese verrohte Sprache salonfähig machen.
Tatsächlich aber geht es nur um Ihre durchsichtige Strategie. Sie bespielen das Thema Asyl weiter, um denen, die zur AfD gehen könnten oder dank Ihnen vermutlich schon dort sind, vorzugaukeln, die CSU mache die bessere und die rechtere Rechtsaußenpolitik. Das von Ihnen geforderte Landesamt hat nichts mit Asyl zu tun. Es ist ausschließlich für die Abschiebung geplant. Das haben Sie uns ja bereits in der Ersten Lesung erklärt. Herr Kollege Straub, Sie haben das hier und erst kürzlich im Verfassungsausschuss bestätigt: Vor allem die Passbeschaffung und die Flugkoordinierung seien wichtige Zuständigkeiten des Amtes. Es ist ein Hohn, das Wort Asyl hierfür zu verwenden. Es mag sein, dass die schwarze Seite des Asyls die Abschiebung ist. Aber dies als Begründung dafür zu nehmen, das Abschiebeamt mit dem Titel Asyl zu überschreiben, ist wirklich die Krönung.
Der Präsident der Diakonie Bayern hat diese Bezeichnung für das Amt zu Recht als völkerrechtlich missbräuchlich kritisiert. Aber Sie scheuen beim Beugen von Sprache vor nichts zurück.
Weil Ihr neues Landesamt noch viel sinnloser wäre, wenn Sie nicht behaupten könnten, dass es unter anderem für die Passbeschaffung zuständig sei, haben Sie eine Ausnahmeregelung im Ergebnis des Koalitionsausschusses durchgesetzt. Dort wurde nämlich vereinbart, dass bei Rückführungen künftig nur der Bund zur Vermeidung von Verzögerungen tätig werden soll. Dies geschieht aber eben nur, sofern die Länder dies wünschen. In Bayern sieht es folgendermaßen aus: Bayerischer Landeswunsch statt Vermeidung von Verzögerung. Bayerische Landtagswahlen statt halbwegs vernünftiger Lösungen.
Sie machen das nur, weil Sie wichtig sein wollen, aus keinem anderen Grund. Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, ich bedaure sagen zu müssen, dass sogenannte Vereinbarungen mit Ihnen nichts wert sind. Das zeigen die Posse der letzten Woche und der gestrige Tag. Mit diesem Amt streben Sie erneut einen bayerischen Alleingang an, der weder der Sache noch der sinnvollen Verfahrensbeschleunigung dient. Sie wollen eine Show auf bayerisch. Seit gestern müssen Sie sich bei all dem an den zynischen und menschenverachtenden Äußerungen des Herrn Seehofer messen lassen.
Die Damen und Herren von der CSU-Fraktion legen nun noch einen auf das Landesamt drauf und stellen einen Änderungsantrag. Das fällt Ihnen mitten im Gesetzgebungsverfahren ein. Jetzt wollen Sie ein Landesamt, das sogar selber Abschiebehaftplätze errichten kann. Bisher wird die Abschiebehaft durch die Justizverwaltung in Amtshilfe für die Innenbehörden vollzogen, in Gebäuden des Justizvollzugs und mit dessen Beamtenschaft. Sie erweitern plötzlich das System, obwohl Bayern bundesweit bereits 30 % der Haftplätze zur Verfügung stellt, wie Minister Bausback stolz berichtet hat, und obwohl die Flüchtlingszahlen zurückgegangen sind. Damit schaffen Sie verschiedene Formen der Abschiebehaft. Die eine Form bleibt weiterhin unter dem Dach des Justizvollzugs und in dessen Anstalten. Daneben wird es die neue Form der Abschiebehaft unter dem Dach des Innenministeriums mittels eines Landesamtes geben. Sie machen eine Tür auf, mit der Sie jederzeit ein Gebäude entweder direkt in Flüchtlingseinrichtungen oder daneben zur Abschiebehaftanstalt erklären können. Das können die JVAs nämlich nicht. Diese müssen nämlich erst bauen. Das dauert der CSU-Fraktion aber zu
lange. Kollege Straub hat das gerade bestätigt. Die neuen Einrichtungen werden nach Ihren Worten "spezielle Hafteinrichtungen". Sie sollen nach Ihren Worten "vorrangig für den kurzfristigen Ausreisegewahrsam", also für 48 Stunden und ohne richterlichen Beschluss genutzt werden. Dabei sollen die Polizei und die Justizvollzugsbeamten in Amtshilfe tätig werden. Aber dafür gibt es ja überhaupt keine Beamten. Da Sie von dieser Tatsache wissen, sieht der Antrag vor, dass auch sogenannte Beauftragte in den speziellen Hafteinrichtungen tätig werden können. Das sind nicht die Spezialbeauftragten, die die Staatsregierung erst vor Kurzem gekürt hat, sondern sogenannte private Security-Dienste. Es wird also Schwarze Sheriffs in speziellen Hafteinrichtungen geben. Hier möchte man wirklich nicht weiter denken, aber leider muss man das tun.
Ihnen reichen also 30 % der bundesweiten Abschiebehaftplätze trotz abnehmender Flüchtlingszahlen immer noch nicht. Sie rüsten weiter auf. Diese Plätze wollen Sie natürlich auch füllen, koste es, was es wolle.
Interessant ist auch der Zeitpunkt Ihres Änderungsantrags. Erst tyrannisiert Ihr Parteivorsitzender und Bundesinnenminister die gesamte Republik und die Bundesregierung mit einem sogenannten Masterplan, den bisher vor Kurzem niemand kannte. Außerdem war der gestrige Masterplan nach einer gestrigen Aussage von Herrn Seehofer nicht mit dem Koalitionspartner abgesprochen. Dann verspricht er seinen Rücktritt und nimmt das einen Tag später wieder zurück. Gleichzeitig schafft die CSU im Landtag am selben Tag, nämlich am 2. Juli, durch die Hintertür Teile der Grundlagen, die unsere Republik immer weiter spalten. Die CSU-Fraktion sekundiert einem Bundesinnenminister, der heute nicht weiß, was er morgen will.
Während sich also in Berlin die vernünftigen Mitglieder der Koalition darum bemühen, das Chaos zu lichten, das Ihre Leute in Berlin und hier angerichtet haben, machen Sie unbeirrt von angeblichen Kompromissen weiter. Sie suggerieren den Menschen, es brauche noch mehr Abschiebungen und natürlich auch mehr Haftplätze, in denen dann Schwarze Sheriffs faktisch das Sagen haben. All das passiert natürlich unter dem Kreuz, das Sie zuvor noch aufhängen lassen. Wir wissen alle, dass Sie nicht aufhören werden. Sie werden nicht aufhören, diese Koalition zu spalten, Angst zu schüren und damit den Bestand der Bundesregierung und diese Republik zu gefährden. Vielleicht können Sie so mit Ihrer Schwesterpartei umgehen. Geschwisterliches Verhalten ist ja nicht immer so zart besaitet. Kolleginnen und Kollegen der CSU
Fraktion, vergessen Sie bei all dem aber nicht, dass auch meine Partei in Berlin hierzu mitredet. Unsere Geduld und unsere Bereitschaft, die Vorgehensweise der CSU und das unanständige Verhalten weiter hinzunehmen, sind zu Ende.
Am 4. Juli wurden zum 69. Geburtstag des Bundesinnenministers 69 Afghanen aus der Abschiebehaft abgeschoben. Er rühmt sich dessen vor laufender Kamera. Das ist wirklich widerlich und erinnert an die dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte.
Einer dieser Abgeschobenen war ein junger Flüchtling, der acht Jahre in Bayern gelebt hat. Er ließ sich hier nach gründlicher Unterweisung taufen und war bestens integriert, als er vor Kurzem in bayerische Abschiebehaft kam. Aus Verzweiflung versuchte er dort, sich selbst zu verletzen und wurde zum Geburtstag von Herrn Seehofer nach Afghanistan abgeschoben. Dort hat er kein einziges Familienmitglied oder irgendeine Unterstützung. Besonders nachdem er Christ geworden ist, hat er dort Allerschrecklichstes zu befürchten. Die Bibel, die er von seinem Pfarrer geschenkt bekommen hat, hat man ihm in der Abschiebehaft weggenommen. Man hat sie verplombt und nach Afghanistan geschickt. Ein weiterer 23-jähriger Mann wurde nach Afghanistan abgeschoben. Sie haben diesen mit über 50 Menschen allein aus Bayern in einen Abschiebeflieger gesteckt. Auch dieser hat acht Jahre in Deutschland gelebt, war integriert und hat sich, wie wir heute alle gelesen haben, nach seiner Rückkehr in Kabul erhängt. Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CSU und von der Staatsregierung, Sie schaffen Unrecht.
Herr Kollege Freller, Sie schaffen Unrecht, wenn Sie jemals wieder von Bayern als Ihrem christlichen Abendland reden und sich nicht gleichzeitig dabei schämen. Hören Sie endlich auf damit. Wir lehnen den Antrag der CSU wie auch den Gesetzentwurf der Staatsregierung ab.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht aus dem Petitionsausschuss gibt mir die Gelegenheit, mich dem Dank des Kollegen Dr. Schwartz sehr herzlich anzuschließen. Ich möchte auch allen danken, die mit diesen zahlreichen Petitionen, wie gerade dargestellt, befasst sind. Allen voran darf auch ich herzlich der ehemaligen Ausschussvorsitzenden, Frau Sylvia Stierstorfer, danken, ebenso wie Ihnen, lieber Herr Kollege Dr. Schwartz. Ich denke – das ist auch bei Ihnen zum Ausdruck gekommen –, dass uns allen trotz der politisch notwendigen Auseinandersetzung in der Sache der faire Umgang miteinander wichtig ist.
Ich schätze ebenfalls die gegenseitige Verlässlichkeit. – Vielen Dank.
Einen herzlichen Dank richte ich auch an den Leiter des Ausschussbüros für Eingaben und Beschwerden, Herrn Wilhelm, der es wohl nicht immer ganz leicht mit uns hat. Dennoch bringt er nicht nur seine hohe fachliche Kompetenz und Geduld ein, sondern muss sich hin und wieder sogar stellvertretend für uns den Unmut der enttäuschten Petenten gefallen lassen, beispielsweise beim Tag der offenen Tür im Landtag.
Ebenso herzlich danke ich den Angehörigen des Stenografischen Dienstes, die im Ausschuss mit nicht immer druckreifen Aussagen von uns umzugehen haben. Stellvertretend für die Offizianten danke ich insbesondere unserem Offizianten Herrn Höhenberger. Seine bloße Anwesenheit und seine freundliche Ruhe vor und im Ausschusssaal haben eindeutig positive Effekte auf die naturgemäß emotional betroffenen Petentinnen und Petenten.
Dank dem Vorsitzenden des Ausschusses, der den umfassenden Zahlenbericht und das Material erläutert hat, werde ich darauf nicht noch mal eingehen. Dennoch möchte ich ein paar Punkte streifen – das wird Sie nicht verwundern –, die ich in unserem so guten Petitionssystem als verbesserungswürdig erwähnen möchte. Im Bayerischen Landtag sind wir zu Recht stolz auf das System, in dem Petitionen behandelt werden. Dazu zählt die Öffentlichkeit im Petitionsausschuss und in den Fachausschüssen, das Rederecht der Petenten und die Tatsache, dass sich die Abgeordneten selber mit jedem Einzelfall auseinandersetzen.
Im Petitionsausschuss treten Fragen auf, die für die Arbeit des Parlaments auch über den konkreten Einzelfall einer Petition hinaus durchaus Bedeutung haben. In seiner ursprünglichen Absicht ist das Petitionsrecht ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat, das sich in den Beschwerden der Bürgerschaft ausdrückt. Zunehmend hat es dabei den Charakter eines politischen Mitwirkungsrechts erhalten. Manche nennen es das Volksbegehren im Kleinen. Durch beides erfahren wir Abgeordnete, ob und gegebenenfalls wo Probleme oder gar Missstände in diesem schönen Freistaat auftreten. Auf der Homepage des Bayerischen Landtags steht es leicht verständlich: Die Abgeordneten können ihre Kontrollaufgabe gegenüber Regierung und Verwaltung in sehr konkreter Weise ausüben. Warum sage ich das? – Ich sage das alles so ausführlich, weil man dennoch manchmal den Eindruck bekommen muss: Nicht allen Mitgliedern dieses Hauses ist immer bewusst, dass sie die Staatsregierung zu kontrollieren haben und nicht umgekehrt.
Weil es in der Natur der Sache liegen mag, dass es enge Beziehungen zwischen der Mehrheitsfraktion und der von ihr getragenen Staatsregierung gibt, findet zu jeder Petition vor ihrer Behandlung ein sogenanntes Briefing statt. Die Vertreter der Ministerien machen dann die Mitglieder der Mehrheitsfraktion, vorsichtig formuliert, darauf aufmerksam, mit welchem Ergebnis aus Sicht der Ministerien der jeweilige Einzelfall bitte schön entschieden werden möge. Da gerät die Kontrollfunktion des Parlaments manchmal leicht ein wenig aus dem Blick, obwohl Kontrolle an sich nichts Schlechtes ist – im Gegenteil. Die Verteilung der Staatsgewalt auf mehrere Organe zum Zweck der Machtbegrenzung sichert die Freiheit. Daran muss man hin und wieder erinnern, auch wenn in der Ausschusssitzung vor lauter Eifer der Ministeriumsvertreter gelegentlich Voten für die Entscheidung des Ausschusses vorgegeben werden. Nennen wir es so: Die Ministerien regen im Ausschuss dringend an, wie der Ausschuss verfahren möge. So ist die Gewaltenteilung jedoch gerade nicht gedacht.
Sicherlich könnten theoretisch auch meine Fraktion oder die anderen Oppositionsfraktionen von der Möglichkeit des Briefings durch die Staatsregierung Gebrauch machen, aber das wollen wir nicht. Wir sind nämlich der festen Überzeugung, dass es unsere Verpflichtung als Abgeordnete ist, uns unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit zunächst selber eine Meinung zu bilden, ohne uns ausschließlich auf die Stellungnahme der Staatsregierung zu verlassen, deren Handeln wir nämlich zu überprüfen haben. Es liegt an uns, wie wir damit umgehen, ob wir Akteneinsicht beantragen oder einen Ortstermin anberaumen. Letzteres – Kollege Dr. Schwartz hat es dargestellt – geschieht im Petitionsausschuss häufig und erweist sich meist als sehr sinnvoll. Vom Recht auf Akteneinsicht machen wir dagegen so gut wie gar nicht Gebrauch. Das könnten wir in Zukunft aber ändern. Nach meinem Wissen ist im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen zweimal in dieser Legislaturperiode vom Recht auf Akteneinsicht Gebrauch gemacht worden. Im Petitionsausschuss haben wir das zumindest in dieser Legislaturperiode bisher nicht getan.
Trotz dieser aus unserer Sicht manchmal etwas engen Allianz zwischen einem Teil des Petitionsausschusses und der Staatsregierung sehen wir von der Opposition aber auch durchaus die ungeheure Arbeit, die hinter den Stellungnahmen der Ministerien steht und danken den Beamtinnen und Beamten sehr herzlich dafür. Dasselbe gilt für die Vertreterinnen und Vertreter, die im Ausschuss unsere Fragen mit meist gro
ßer Geduld und hoher fachlicher Kompetenz beantworten.
Herr Kollege Dr. Schwartz hat die umfangreiche Statistik des Ausschusses dargelegt. Derartiges Material lebt jedoch nicht von den Zahlen allein, sondern macht im Untertext Inhaltliches deutlich. Das zeigt sich besonders bei der Auflistung der sogenannten Massen- und Sammelpetitionen. 48 der 66 Petitionen, die jeweils eine Unterstützerzahl von mehr als 100 hatten, waren einer ausländer- oder asylrechtlichen Fragestellung zuzuordnen. Das Petitum auf Nummer 1 der Rangliste richtete sich auf die Erteilung von Arbeitserlaubnissen für Flüchtlinge während des laufenden Asylverfahrens. Diese Petition haben 64.000 Menschen unterzeichnet. Acht der ersten zehn Petitionen auf dieser Liste haben sich für Aufenthaltsduldungen, für die Verbesserung der Flüchtlingssituation und für Arbeitserlaubnisse ausgesprochen. Dies zeigt nebenbei bemerkt, wieder einmal, wie viele engagierte Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfer in Bayern größten Einsatz erbringen.
Der Petitionsausschuss ist auch dafür da, die Stimmung, die im Lande bei den Menschen herrscht, aufzunehmen. Er ist ein Seismograf in unterschiedlichen Bereichen. Das hat Herr Kollege Dr. Schwartz bereits gesagt. Dasselbe gilt für die vielen Petitionen aus dem kommunalen Bereich zu baurechtlichen Fragen. Ortstermine der Kolleginnen und Kollegen haben schon häufig zu sinnvollen Ergebnissen führen können. Der Petitionsausschuss übernimmt dabei oft auch unter Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung die Vermittlerfunktion, wenn in dem einen oder anderen Fall die beteiligten Personen tatsächlich nicht mehr bereit sind, sich ohne Unterstützung gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Ebenfalls positiv möchte ich unsere Diskussionskultur im Petitionsausschuss herausstellen. Jeder von uns ringt oft um Einzelfälle, und niemand von uns macht es sich leicht in dem Wissen, dass menschliche Schicksale im Mittelpunkt stehen. Dass das Miteinander hierbei zumindest hin und wieder auch über Fraktionsgrenzen hinweg möglich ist, zeichnet diesen Ausschuss aus meiner Sicht ganz besonders aus.
Dies haben wir nicht zuletzt auch anlässlich einiger Petitionen feststellen können, bei denen die Petenten während des laufenden Petitionsverfahrens abgeschoben wurden. Hier war und ist es unser einhelliges Selbstverständnis als Parlamentarier, dass die gute Übung der Vergangenheit zu achten ist. Deshalb mein dringender Appell an die Staatsregierung, die heute leider nur spärlich vertreten ist, dass während laufender Petitionen vonseiten der Staatsregierung keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden dürfen.
Zum Schluss noch ein paar Worte zum Bürgerbeauftragten der Staatsregierung, von dem in letzter Zeit in diesem Hohen Hause immer wieder die Rede gewesen ist. Da möchte ich daran erinnern, was die Aufgabe eines jeden von uns Abgeordneten hier ist. Der maßgebliche Kommentator zum Bayerischen Petitionsgesetz, der Leitende Ministerialrat Dr. Klaus Unterpaul, hat es auf den Punkt gebracht: Petitionen sind der Dialog zwischen Repräsentanten und Repräsentierten.
Dieser Dialog aber muss unmittelbar sein. Deswegen wollen meine Fraktion und ich dafür keinen Sonderbeauftragten. Wir von der SPD finden, dass dieser Dialog ohne Einschaltung eines solchen Sonderbürgerbeauftragten stattfinden sollte. Natürlich achte ich die Tätigkeit des Kollegen Holetschek. Er mag sich auch gern mit den Administrativpetitionen beschäftigen, die an die Staatsregierung gehen; denn die hat ihn schließlich auch beauftragt, nicht dieses Hohe Haus.
Aber wir hier im Landtag sind selber Bürgerbeauftragte, 180 an der Zahl. Das Recht des Parlaments – Kollege Schwartz hat auch darauf hingewiesen – ist: Wir müssen und können das selber tun und uns direkt mit diesen Eingaben der Bürgerinnen und Bürger beschäftigen. Das gehört zum Kern unserer Arbeit. Deshalb sind und bleiben die Legislativpetitionen eben auch unser Geschäft, vor allem das Geschäft des Petitionsausschusses.
Herr Staatsminister, Sie haben von der Kundgebung in Ihrer Heimatstadt am vergangenen Samstag berichtet, die offensichtlich angemeldet war, denn sonst wäre sie vermutlich aufgelöst worden. Der Begriff Kundgebung ist hoch gegriffen. Das wäre Ihnen bewusst, wenn Sie da gewesen wären. Es waren zweieinhalb Handvoll Vertreter der LINKEN.
Sie haben berichtet, dass zwei Mitglieder meiner Partei dort Redebeiträge geleistet haben. Sie sind beide übrigens nicht Mitglieder dieses Hohen Hauses; das nur der Vollständigkeit halber. Wären Sie bitte so freundlich, umfassend zu berichten, dass beide zum PsychKHG gesprochen haben und nicht zum PAG.
Nach Ihrer Darstellung musste man den Eindruck bekommen, beide hätten sich mit noch dazu falschen Aussagen nicht distanziert von falschen Aussagen derer, die diese Kundgebung veranstaltet haben.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Seit Amtsantritt des Ministerpräsidenten scheint es fast täglich Geschenke vom weiß-blauen Himmel zu regnen. Das sind jedoch Geschenke, die sich beim Auspacken als leere Hüllen entpuppen. Eines dieser Geschenke ist also das neue Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen. Es soll dazu dienen, den Aufenthalt von abgelehnten Flüchtlingen so schnell wie möglich zu beenden. Zuvor soll es die zentrale Passbeschaffung erledigen. Dies bedeutet nichts anderes, als dass beispielsweise Afghanen zu der für sie teilweise unmöglichen Beschaffung einer Tazkira verpflichtet werden. Minister Herrmann hat es bereits vorgetragen; das spart mir Zeit. Schubaufträge, Flugbuchungen und die Koordinierung von Sammelabschiebungen können durchgeführt werden. Kurz gesagt: Es soll eine Behörde ausschließlich für die Abschiebung von Flüchtlingen sein.
Das ist ein vergiftetes Geschenk an die Menschen in diesem Land. Es ist nur dafür geeignet, die zu bestärken, die fürchten, es wimmle geradezu von gefährlichen Straftätern unter den Flüchtlingen. Der Gesetz
entwurf will vorgaukeln: Nun schafft die Staatsregierung endlich eine Ordnung.
Diese Ordnung gab es offenbar aus Sicht der Staatsregierung bisher nicht gut genug. Aber wie es mit Geschenken, die man überhastet besorgt, so ist – in diesem Fall für die extrem rechte Wählerschaft vor dem Wahltag –, sind diese auch Anlass zu Enttäuschungen. So ist es auch mit diesem Landesamtsgeschenk. Sein Aufgabenbereich ist nämlich nichts anderes als die Abschiebung. Deshalb sollte das Geschenk bitte auch so heißen, meine Damen und Herren von der CSU. Sie wollen damit nämlich nichts für Asyl oder gar Integration tun, auch nicht für die Menschen, die man aus diversen Gründen gar nicht abschieben kann, auch dann nicht, wenn ihr Asylantrag schon abgelehnt wurde.
Würden Sie es mit dem Begriff Asyl wirklich ernst meinen, dann würde dieses Amt die Kommunen bei der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge unterstützen. Es würde den Zigtausend ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern helfen, die täglich Integrationsarbeit leisten und sich mühevoll durch die immer komplizierter werdenden Regelungen, vor allem in Bayern, kämpfen müssen. Dieses Amt könnte noch viel mehr Positives leisten.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, aber all dies wollen Sie nicht. Herr Minister, mit Verlaub, auch der geplante Personalbestand ist Augenwischerei. Die Behörde soll inklusive der ZAB über einen Personalbestand von etwa 1.000 Stellen verfügen – so sagen Sie. Aber die ZAB haben überhaupt keinen vollen Personalbestand. Im Rechts- und Verfassungsausschuss hat man uns genau erklärt, dass auch nach drei Jahren gerade einmal etwa 70 % der vorgesehenen Stellen in den ZAB besetzt sind. Man hat dort ausführlich und wortreich von einem Vertreter des Innenministeriums gehört, die ZAB seien extrem wichtig. Man hat sie erfunden, um zum Beispiel die hochkomplexen Rückführungsaufgaben zu erfüllen. Offenbar wurde das aus Sicht der Staatsregierung nicht gut genug gemacht; denn deshalb kommt jetzt das neue oberzentrale Landesamt, quasi maximal oberzentral über den zentralen Ausländerbehörden.
Man möchte meinen, neben den Geschenken regnet es auch Beamte vom Himmel. Sie haben keine Ahnung, von wo Sie die Beamten für die Zentralen Ausländerbehörden oder die zusätzlich 120 Beamten für das Landesamt herbekommen sollen.
Tatsächlich ist dieses Geschenk eine leere Hülle, ein Knallbonbon, das von außen allenfalls für die AfDWähler hübsch aussehen soll, aber beim Öffnen nur kurz und laut Peng macht.
Oder vielleicht soll es auch so laufen wie bei den Pflegegeldanträgen beim neuen Landesamt für Pflege. Da sollen nämlich die Beamten für die Bearbeitung eines Pflegegeldantrages eine Nebenamtsvergütung von zwei Euro pro Fall zusätzlich bekommen, nur dafür, dass sie ihre Arbeit machen.
Das ist eine besondere Wahlkampfhilfe für die CSU. Bekommt der Beamte des Abschiebeamtes vielleicht 2,50 Euro extra für jeden zusätzlich gefüllten Platz bei der Sammelabschiebung? Oder was genau ist der Plan, außer Wahlkampfgetöse für die Wählerschaft der AfD?
Dass über all dem noch das Wort "Asyl" verwendet wird, ist wirklich die Krönung des Missbrauchs von Sprache zu Wahlkampfzwecken, ebenso wie die Aussage des Ministerpräsidenten, es handele sich um – Zitat – "unser Bayern-BAMF". Das "B" in BAMF steht für "Bund". Ein "unser Bayern-BAMF" ist ein Widerspruch in sich; denn mit Asyl oder gar mit Integration hat das überhaupt nichts zu tun. Die Kompetenz zur Bearbeitung von Asylverfahren liegt beim Bund, und Integration wollen Sie ganz sicher nicht.
Der Präsident der Diakonie in Bayern hat es auf den Punkt gebracht, als er im März sagte: Mit dieser Bezeichnung wird "das hohe Gut des... geschützten Rechts auf Asyl in Misskredit gebracht." Da wollen Sie sicherlich nicht sagen, Michael Bammessel sei unbedarft und von Lügenpropaganda in die Irre geführt. Er weiß genau wie alle anderen großen Wohlfahrtsverbände, was er sagt; denn diese Verbände sind seit Jahren dazu da, die Asylsozialberatung zum Teil mit eigenen Mitteln durchzuführen – eine staatliche Aufgabe! Und als Dank dafür hat der Freistaat Bayern gerade Stellen in diesem Bereich teilweise gekürzt.
Dieser Bereich sollte unterstützt werden durch ein Landesamt für Integration. Das wäre etwas, worüber wir reden könnten. Kolleginnen und Kollegen von der CSU und sehr geehrter Herr Minister, Sie schaffen kein Landesamt für Asyl – das können Sie gar nicht, und das wollen Sie auch nicht –. Sie schaffen ein Amt für Sammelabschiebungen, um wieder einmal dem rechten Rand zu Gefallen zu sein und dort Ängste zu schüren, und in den Eingangsbereich hängen Sie dann noch ein hübsches großes Kreuz.
Wenn das kein Populismus ist! Wenn das nicht unanständig ist, noch dazu im Zusammenhang mit der Kreuzdebatte der letzten Wochen, dann weiß ich nicht, was Populismus ist.
Wenn Sie dabei sind, die beiden Gesetzentwürfe, die eben besprochen worden sind, zurückzuziehen, schlage ich vor, nehmen Sie dieses Landesamt gleich mit.
Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, dass die angesprochene Problematik nicht ausschließlich die Bestattung von Menschen aus anderen Regionen betrifft, sondern auch die Tatsache, dass ein hoher Anteil von über 50 % der deutschen Christen die Einäscherung bevorzugt und dafür die Sargpflicht vorgeschrieben ist? Da hilft uns also der Verweis auf Saudi-Arabien oder andere arabische Länder nicht weiter. Offensichtlich wird auch verkannt, dass es nicht um das Verbot einer Sargbestattung geht, sondern um die freie Wahl auch für deutsche Christen. Christentum und christliche Tradition werden ja anschließend noch Debattengegenstand in diesem Hohen Hause sein. Da ist überhaupt nicht zu erkennen, warum die über 50 % der deutschen Christen, die sich gerne verbrennen lassen möchten, das mit einem Sarg bewerkstelligen lassen müssen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren von der CSU, zunächst hätten wir Ihnen für diesen Antrag fast danken wollen. Nach diesem schier unglaublichen Redebeitrag von Frau Kollegin Wittmann entfällt dieser unser Dank angesichts des Tons, den Sie, Frau Wittmann, vorgegeben haben.
Frau Wittmann, gegen Ihren Ton und den Inhalt Ihrer Rede und gegen Ihre Beschimpfungen verwahre ich mich aufs Schärfste. Sie haben in unverschämter Art und Weise gegen Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt und gegen deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesprochen.
Frau Wittmann, Ihr Ton zeigt sehr genau, was sich in Ihrer Fraktion und Ihrer Partei gerade abspielt. Er zeigt, was die Motive für Ihr politisches Handeln sind. Sie haben den Hintergrund geschildert. Eine Kindertagesstätte hat neben den Gebräuchen des christlichen Osterfestes, neben dem Basteln von Osterhasen auch den irischen St. Patrick‘s Day gefeiert. In dieser Kita hat man also schlicht gesagt: Erweitern wir doch einmal den Horizont, vermitteln wir den Kindern, dass in anderen Ländern andere Feste, auch christliche Feste, gefeiert werden. Das ist im Übrigen auch das, was der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan aus Ihrem Bayerischen Sozialministerium besagt. Dort heißt es, die Kinder sollen eine Grundhaltung lernen, die Individualität und Verschiedenheit auch in Bezug auf religiös weltanschauliche Zugehörigkeit als wertvoll erachtet. Vermittelt werden sollen Wertschätzung und Offenheit gegenüber anderen. – Wertschätzung und Offenheit, Frau Kollegin Wittmann!
Es ging schlicht um einen Gedenktag, und zwar für einen katholischen Heiligen. Sie aber, Frau Wittmann, haben den Nerv, St. Patrick als einen Schutzheiligen der betrunkenen Biertrinker in den Dreck zu ziehen. Dagegen verwahre ich mich, auch wenn ich Protestantin bin.
Ein Sturm der Entrüstung brach also los in Markt Schwaben, angeführt von einer örtlichen CSU-Gemeinderätin, die sich auf ihrem Facebook-Account über das AWO-Vorhaben beschwerte: Wir sind in Bayern. Hier wird Ostern gefeiert, und zwar nur Ostern. Ostern, Ostern, Ostern – nichts als Ostern. Deshalb kommen Sie nun mit Ihrem Antrag daher. Die Staatsregierung soll sich gegen den Untergang des Abendlandes stemmen. Er steht zwar nicht bevor, aber Sie brauchen solche Themen, um zu zeigen, wie gut Sie AfD können.
Also bemühen Sie schon wieder die von Ihnen bereits beim Bayerischen Integrationsgesetz kreierte christlich-jüdisch-abendländische Kultur, die Sie in Gefahr sehen. Frau Wittmann, Sie sagen, Sie seien sogar stolz auf das Zustandekommen dieses Gesetzes in diesem Hause. Sie haben die Diskussion in der Sitzung im Dezember 2016 um 22.30 Uhr eingestellt und waren nicht mehr bereit, Argumente auszutauschen. Es ist eine Schande für Ihre Fraktion, darauf noch stolz zu sein.
Sie bemühen die christlich-jüdisch-abendländische Kultur. Im Verlauf des Texts Ihres Antrags fällt dann das Jüdische in Ihrer Abendlanddefinition weg. Da ist Ihnen wohl aufgefallen, dass Jüdinnen und Juden naturgemäß kein christliches Osterfest feiern.
Vor allem aber ist Ihnen bewusst geworden, dass Jüdinnen und Juden in der Geschichte des Christentums im Wesentlichen unermessliches Leid auch unter dem Zeichen des Kreuzes erfahren haben. Wo immer der Begriff "christlich-jüdisch" von Ihnen benutzt wird, muss auch immer wieder gesagt werden, dass Menschen jüdischen Glaubens von Christen über Jahrhunderte in Europa, vor allem in Deutschland und Bayern, ausgegrenzt, verfolgt und ermordet worden sind. Vielleicht hat Ihnen wie auch mir ein Theologieprofessor als Kirchenvertreter gesagt: Es gibt in der Kirche gar keine Vorstellung eines christlich-jüdischen Abendlandes. Das ist eine Fiktion. Das gab es wohl noch nie.
Christliche Feste leben durch ihre Inhalte. Herr Kollege Streibl hat das gesagt. Die Inhalte müssen auch gelebt werden. Die Erinnerung an Sankt Martin ist aber nicht viel wert, wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, eine Politik machen, die nicht von der Bereitschaft des Teilens mit anderen geprägt ist.
Ihr besorgter Antrag läuft auch aus christlicher Sicht in die inhaltliche Leere, wenn Sie Kindern in Markt Schwaben und anderswo christlichen Feiertage als Teil Ihres Abendlandes vermitteln wollen, aber gleichzeitig mit Ihrer Politik Kinder, die auf der Flucht sind, ausblenden. Sie schicken gut integrierte Flüchtlingskinder mit ihren Eltern in zerstörte Länder zurück. Deshalb hören Sie endlich auf mit Ihrem verzweifelten Versuch, Ihre sogenannte Leitkultur zu füllen. Hören Sie auf, dafür andere Menschen und andere Religionen zu vereinnahmen.
Die Staatsregierung soll sich nun um das Osterfest und um Sankt Martin als Teil der christlich-abendländischen Kultur in Kindertagesstätten kümmern. Warum eigentlich nicht um Weihnachten? Ist Weihnachten nicht in Gefahr? Haben Sie Weihnachten vergessen? Warum nicht Weihnachten? Worum geht es Ihnen eigentlich? Geht es Ihnen um den Osterhasen? Geht es Ihnen um das Suchen von Ostereiern? – Dies hat, wie wir alle wissen, vom Ursprung her nichts mit den Inhalten des christlichen Osterfestes zu tun. Oder wollen Sie nicht eigentlich etwas ganz anderes sagen? – Sie blasen einen winzigen Vorgang auf und behaupten, dass christliche Feste in Kindertageseinrichtungen von Kindern nicht mehr erfahren werden könnten, weshalb sie durch die Staatsregierung gerettet werden müssten. Auf diesem Wege wollen Sie erneut diese gerade bei Ihnen so beliebte Ausgrenzung anderer, vor allem der Angehörigen des Islam, fördern.
Seien Sie doch wenigstens ehrlich. Sie wollen wieder behaupten, der Islam gehöre nicht zu Deutschland und schon gar nicht zu Bayern. Dazu hängen Sie sich – Frau Wittmann, ich habe nicht glauben können, dass auch Sie das tun – an Fake-Meldungen dran. Das sind Fake-Meldungen, die seit Jahren zehntausendfach verbreitet durch das Internet geistern, wonach die Sankt-Martin-Umzüge angeblich in Lichterfeste umbenannt werden sollten. Ihren Ursprung hat diese Meldung vor circa zehn Jahren in Wien genommen. Dort entstand die Fake-Meldung, dass die Flüchtlinge und der Islam dafür verantwortlich seien. Deshalb verweisen Sie auch mitten im März auf Sankt Martin in Ihrem Antrag. Das hat Methode bei Ihnen. Auch Alexander Dobrindt hat im Januar dieses Jahres
wir erinnern uns – diese Falschmeldungen in seiner Revolutionskomitee-Meldung verbreitet.
Ihr Antrag ist auch bemerkenswert, weil er so unschuldig daherzukommen scheint. Gerade deshalb ist er so unglaublich heuchlerisch.
Ostern, Sankt Martin und das Christliche bemühen Sie, wenn Sie glauben, dass Sie sich damit des Rückhalts der Kirchen versichern können. Glauben Sie mir, da irren Sie sich. Sie sprechen plötzlich allen Ernstes von der Bewahrung christlicher Traditionen, nachdem die Vertreter der CSU vor wenigen Tagen im Verfassungsausschuss eine Petition mit dem Wunsch auf Geltung des katholischen Feiertags Maria Himmelfahrt für alle Kommunen in Bayern abgelehnt haben. Es wurde gesagt, es bestehe kein Bedarf, dass auch in Kommunen mit überwiegend protestantischer Bevölkerung dieser Tag als Feiertag gefeiert wird – von Katholiken und Protestanten zusammen.
An dieser Stelle besteht also kein Bedarf für das Christliche. Sie holen es heraus, wenn Sie argumentativ nicht mehr weiter wissen. In derselben Sitzung haben Sie erneut versucht, anders als Herr Kollege von Lerchenfeld heute, die Sargpflicht in Bayern als etwas Urchristliches darzustellen. Es handle sich um ein christliches Kulturgut, das man nicht aufgeben dürfe. Das trifft nachweislich nicht zu. Sie ignorieren die Haltung der christlichen Kirchen, die das deutlich verneinen. Sie bleiben hartnäckig dabei. Das tun Sie wider besseres Wissen.
Trotz Ihrer offenbar so großen Sorge um christliche Traditionen und deren Vermittlung lehnen Sie seit 1995 jeden Antrag auf Wiedereinführung des Buß- und Bettages ab – im Übrigen gegen den Wunsch beider christlicher Kirchen und aus Gründen, die weit entfernt von einem christlichen Abendland sind.
Wir wissen es alle: Ihnen geht es um etwas völlig anderes. Tatsächlich lassen Sie keine Gelegenheit aus, schon einmal vorsorglich AfD-Anträge zu stellen, um am rechten Rand zu fischen. Die CSU-Gemeinderätin in Markt Schwaben hat gemerkt, was passiert, wenn man das sogenannte "gesunde deutsche Volksempfinden" herbeiruft. Laut Presse sagte sie danach, sie habe so einen Aufruhr nicht im Sinn gehabt. Auch auf die Freundschaftsanfragen diverser AfD-Sympathisanten auf Facebook hätte sie gerne verzichtet. Das gilt auch für Kommentare, die sich mit der Rettung des Abendlandes befassen. Das sagt Ihre CSU-Gemeinderätin. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wollen darauf nicht verzichten. Sie hoffen auf Freundschaftsanfragen von der rechten Seite und auf Wählerstimmen genau von dort.
Ihnen scheinen kein Anlass zu gering und kein Mittel zu unappetitlich zu sein. Wenn es zusätzlich zu den österlichen Gebräuchen eine St.-Patrick´s-Feier in einer Kindertageseinrichtung in Markt Schwaben gibt, muss halt diese herhalten. Ob Sie Ihr Ziel auf diese Weise erreichen werden, bezweifle ich sehr. Ich kann Ihnen für meine Fraktion verbindlich zusagen, dass wir Ihnen auch künftig derartig durchsichtigen Populismus nicht werden durchgehen lassen. Für meine Fraktion stelle ich fest, dass wir für die Vermittlung von religiösen und kulturellen Inhalten stehen. Aber zu all dem gehören auch die Religionen, Sitten und das Brauchtum anderer Kinder aus anderen Ländern. Offenheit und Wertschätzung gegenüber anderen sind das Gegenteil von Heuchelei. Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil er an Heuchelei nicht zu überbieten ist.
Der Antrag der FREIEN WÄHLER ist sicherlich gut gemeint, aber er strotzt vor Selbstverständlichkeiten. Der Antrag beinhaltet Punkte, die bekannt sind. Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, Sie haben offensichtlich versucht, sich noch schnell auf den Zug zu schwingen, mit dem die CSU gerade unterwegs ist, nach dem Motto: Es kann nicht schaden draußen im Lande. Deshalb lehnen wir aus vergleichbaren Gründen auch Ihren Antrag ab. Auch Sie benutzen diesen völlig verschwurbelten Begriff der christlich-jüdisch-abendländischen Kultur. – Vielen Dank und frohe Ostern!
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche wurden neun Afghanen wieder in einem Sammelflieger aus Bayern abgeschoben. Nur zwei von ihnen waren Straftäter. Ganz sicher scheint sich die Staatsregierung im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens nicht zu sein; denn laut Presseberichten soll erst in Kabul geprüft werden, ob es eine Entscheidung gegen diese Abschiebungen gab. Einer der Abgeschobenen hat sechs Jahre in Bayreuth gelebt, ohne sich etwas zuschulden kommen zu lassen. Aber er wurde abgeschoben, weil er – Herr Straub nennt das beharrlich Verweigerung – seine Tazkira, das afghanische Dokument, zu spät vorgelegt hat.
Zumindest einige der in den letzten Monaten Abgeschobenen und zahlreiche junge Geflüchtete, die sich noch in Bayern befinden, könnten hier eine Ausbildung machen und später als gelebte Entwicklungshilfe quasi beim Aufbau ihres Landes mithelfen. Dass es einen Anspruch aus dem Bundesintegrationsgesetz auf Duldung während einer Ausbildung mit weiteren zwei Jahren Beschäftigung gibt, interessiert die Staatsregierung nicht. Planungssicherung für die Betriebe sollten dieses Bundesintegrationsgesetz und die 3+2-Regelung schaffen. Integration durch Ausbildung und Arbeit sollte erleichtert werden, dies insbesondere in Kenntnis dessen, dass viele Flüchtlinge entweder Jahre warten müssen, bis ihr Asylverfahren endlich abgeschlossen ist, oder dass manche trotz ablehnenden Asylbescheids nicht abgeschoben werden dürfen.
Das Innenministerium reagiert weiterhin darauf so, wie es seit dem 1. September 2016 reagiert, mit dem Versuch der Verhinderung durch zahlreiche, immer weiter erschwerende und auch die Behörden irritierende Innenministerielle Schreiben und trifft damit auch die mittelständischen Betriebe, die sich für junge Geflüchtete als Auszubildende einsetzen.
Es ist schon erwähnt worden: Die Vertreter des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, der IHK Schwaben und des Bayerischen Handwerktags haben in einem Fachgespräch hier im Landtag berichtet, wie viele große Hemmschwellen in Bayern aufgebaut werden. Da ist die Rede von Irritationen bei den Unternehmen. Da ist die Rede von einem Ermessensspielraum der Ausländerbehörden, der nach Einschätzung der IHKs immer nur negativ ausgelegt werde. Das Wort Mogelpackungen fällt. Arbeitserlaubnisse für Menschen aus Afghanistan und aus Afrika würden verzögert. Die Identitätsklärung sei trotz der Zusammenarbeit mit den Heimatländern äußerst schwierig. Sie können das alles und Weiteres in der "Bayerischen Staatszeitung" aus dem Juli 2017 nachlesen.
Was in Bayern bei den Vorgaben zur Identitätsklärung erwartet wird, ist in den meisten Fällen schlicht unerfüllbar, Herr Straub, vor allem wenn es um die Beschaffung der berühmten Tazkira geht. Ich nenne das Beispiel eines minderjährigen Flüchtlings aus Afghanistan, der in Erlangen von Pflegeeltern exzellent betreut wird. Obwohl er mit seinen Pflegeeltern absolut alles, was nur irgendwie denkbar war, getan hat, um die Tazkira zu besorgen, wurde ihm keine Ausbildungserlaubnis erteilt. Seit März 2017 hatte er das Angebot eines Ausbildungsplatzes. Laut erster Auskunft der Ausländerbehörde war die Vorlage einer Tazkira nicht erforderlich, da sie ohnehin keine große Aussagekraft habe.
Zum Antrag auf Ausbildungserlaubnis wurde von seinen Pflegeeltern zigmal nachgefragt, ob noch Unterlagen fehlen. Dies blieb von der Behörde schlicht ebenso unbeantwortet wie meine schriftliche Nachfrage an die Zentrale Ausländerbehörde Mittelfranken hierzu. In einem Telefonat teilte mir der zuständige Sachbearbeiter mürrisch mit, er beabsichtige, den Antrag auf Ausbildung abzulehnen. Dies stützte er erneut auf ein IMS des Innenministeriums, in dem die Bleibewahrscheinlichkeit bei Afghanen mit 50 % und damit als zu gering eingestuft wurde. Aber der Sachbearbeiter teilte mir mit, er könne nicht entscheiden; denn das Innenministerium habe die Sache gestoppt, weil der Arbeitgeber beim Herrn Innenminister um Unterstützung gebeten habe. Meine Nachfrage bei der Beamtin im Innenministerium daraufhin ließ diese am Telefon ratlos stottern. Sie sagte mir zu, mich zu informieren, wenn die Sache dem Minister vorgelegt worden sei. Das war im Juni 2017. Seitdem habe ich von ihr nichts gehört oder gelesen.
Im Juli schließlich erfolgte die Ablehnung der Ausbildungserlaubnis. Die Begründung war der Hammer. Sie lautete: mangelnde Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung, da die Tazkira in der erforderlichen beglaubigten Form fehle; denn das vorgelegte Dokument entsprach nicht dem, was die Regierung von Oberbayern für die Passbeschaffung in ihrem Informationsblatt als so einfach darstellt. Deshalb sagt die ZAB Mittelfranken: Wenn man etwas so einfach zu Beschaffendes nicht vorlegt, hat man nicht ausreichend mitgewirkt. Ich glaube nicht, dass Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sich das Infoblatt der Regierung von Oberbayern jemals angeschaut haben.
Wenn der Flüchtling endlich einen Termin im Generalkonsulat in München bekommen hat, muss er dort erstens persönlich die Tazkira beantragen. Ausgestellt werden kann diese zweitens nur vom Innenministerium in Kabul. Dazu braucht es drittens eine Kopie der Tazkira von väterlichen Verwandten. Nach Antragstellung über das Generalkonsulat muss die Tazkira viertens beim Innenministerium in Kabul abgeholt werden. Das Infoblatt der Regierung sagt dazu: "Sollte kein Verwandter verfügbar sein, empfiehlt sich die Beauftragung eines Rechtsanwalts in Afghanistan."
Netterweise enthält das Infoblatt gleich eine Liste mit Namen von Anwälten, die einen Vorschuss zwischen 1.500 Euro und 3.000 Euro verlangen. Wie ein Geflüchteter, der nicht arbeiten darf, das aufbringen soll, bleibt ein Geheimnis.
Ist all das geglückt, dann muss die Tazkira – fünftens – zur Beglaubigung zum Außenministerium in Kabul gebracht werden – durch diesen Rechtsanwalt oder eben durch einen verfügbaren Verwandten. Die Regierung von Oberbayern behauptet, das dauere eine Woche bis vier Wochen und koste 10 Euro, den Anwalt nicht mitgerechnet. Das ist schlicht lächerlich. Es ist entweder weltfremd, oder es hat Methode, Kolleginnen und Kollegen von der CSU.
Wenn all das an irgendeiner Stelle nicht klappt, wird behauptet, der Flüchtling habe bei der Passersatzbeschaffung nicht genügend mitgewirkt, und schon fällt er in die Ablehnungsschublade. So gelangte dieser junge Mann aus Bayreuth in den Abschiebeflieger.
Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie, Herr Straub, haben immer noch den Nerv zu behaupten, das alles seien Menschen, die nicht genug täten, um ein Ausweispapier aus ihrem Herkunftsland zu erhalten. Sagen Sie, worum es Ihnen geht. Sie wollen Integration verhindern. Sie wollen überhaupt nichts für die Integration dieser Menschen tun.
Deshalb greift der Antrag der GRÜNEN diese Problematik völlig zu Recht erneut auf.
Da die Weihnachtswünsche in diesem Hohen Haus hin- und herfliegen, hier auch mein Weihnachtswunsch an Sie, Herr Kollege Straub: Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage. Ich wünsche Ihnen, dass Sie nie in Ihrem Leben in eine Situation kommen mögen, in der Sie unter solch erschwerten Umständen eine Geburtsurkunde oder ein ähnliches Ausweisdokument beschaffen müssen.
Ich kann Ihnen genau das sagen, was uns die IHKs in dem Fachgespräch gesagt haben. Natürlich gibt es zum Teil Unterlagen, aber es gibt eben auch Fälle, in denen dies – –
Wollen Sie die Antwort hören oder nicht, Herr Kollege?
Haben Sie es schon einmal versucht?
Haben Sie jemals schon einmal in dieses Infoblatt hineingeschaut? Nie im Leben!
Herr Straub, wollen Sie von mir jetzt eine Antwort haben oder nicht?
Dann erklären Sie Ihren Fraktionskollegen, dass ich jetzt entweder antworten oder mich durch Zwischenrufe stören lassen kann – wie Sie möchten.
In der "Bayerischen Staatszeitung" vom Juli 2017 können Sie die Namen der Vertreter der IHKs genau nachlesen, die davon gesprochen haben, welch eine Betteltour das ist und wie das verhindert wird. Dort steht, welche Schwierigkeiten den IHKs und den Betrieben im Hinblick auf die Arbeitsverträge zum Teil in den Weg gelegt werden.
Es ist völlig sinnlos, jetzt darauf zu verweisen, dass soundso viele Fälle genehmigt worden sind. Ich sage: Es könnten viel mehr Fälle genehmigt werden. Das wird aus der mittelständischen Wirtschaft berichtet. Das entspricht im Übrigen auch Ihrer und meiner Erfahrung im Petitionsausschuss.
Liebe Frau Kollegin Kamm, ich stimme Ihnen zu, dass in diesem Leben manches einfach und manches schwierig ist bzw. dass manches weniger kompliziert ist und anderes komplizierter, insbesondere Debatten über diese Thematik in diesem Hause.
Ich muss mir das nicht vorstellen können. Ich weiß, dass viele Ehrenamtliche ungeheuer viel Zeit und zum Teil auch private Mittel investieren. Das weiß ich auch von den Pflegeeltern aus Erlangen, die auf den Innenminister gehofft haben. Viele Ehrenamtliche verbinden sich eben auch emotional ungeheuer stark mit den jungen Leuten, für die sie sich einzusetzen versuchen. Deshalb kann ich mir den von Ihnen geschilderten Fall vorstellen.
Aber es ist unerheblich, ob ich mir das vorstellen kann. Erheblich ist, dass wir diese Praxis hier in Bayern endlich ändern.
Herr Staatssekretär, ich hätte zwei Punkte. Sollten die Zahlen, die Sie gerade genannt haben, stimmen, dann verstehe ich nicht, warum es hier keinen lauten Widerspruch gegen die Zahlen gibt,
die in der Presse mitgeteilt wurden und die völlig anders lauten. In der Presse ist von neun abgeschobenen Afghanen aus Bayern die Rede, von denen nur zwei Straftäter sind. Die eine Straftat bezieht sich auf die Problematik der Passersatzbeschaffung.
Zu dem Flüchtling aus Bayreuth, den Sie und Herr Kollege Straub als hartnäckigen Verweigerer bezeichnet haben, ist zu sagen, dass dieser seine Papiere verspätet vorgelegt hat. Das ist wohl zutreffend. Wir haben vorhin gehört, warum das so lange dauert und dass das nicht ganz so einfach ist, wie immer behauptet wird. Dieses Papier ist dann, ich sage es einmal vorsichtig, bei den Behörden verschwunden. Das ist sicherlich nicht absichtlich passiert. Er ist dann ohne diese Papiere zurückgeschickt, also abgeschoben worden. Das ist ein starkes Stück. Dazu hätte ich gerne von Ihnen eine Aussage.
Zu dem, was wir heute vorgetragen haben, hören wir von Ihnen immer, wir sollten mit den Einzelfällen zu Ihnen oder zum Minister kommen. Ich kann das nicht mehr hören. Es geht nicht darum, dass wir von Ihnen oder dem Minister einen Gnadenakt haben wollen,
sondern wir wollen, dass das Bundesrecht hier in der gleichen Weise wie in anderen Bundesländern angewendet wird. Hier soll nicht versucht werden, etwas zu verhindern, sondern es sollte mit allen Mitteln, die den Behörden zur Verfügung stehen, versucht werden, den Menschen zu helfen, von ihrem Anspruch nach dem Bundesintegrationsgesetz Gebrauch zu machen. Tun Sie bitte nicht immer so, als ob Sie oder der Herr Minister im Alleingang ein paar Fälle positiv regeln könnten.
Ich habe noch eine Frage: Wenn diese letzte Abschiebung so unproblematisch war, warum hat dann der Minister im Gespräch mit den Kirchen und dem Verein "Matteo", der sich ausschließlich und heftig für solche Fälle engagiert, nur schwammige Ausführungen über den Fall des Flüchtlings aus Bayreuth des Inhalts gemacht, man würde diesen Fall noch einmal überprüfen? Das hat uns der Verein "Matteo" mitgeteilt. Können Sie das bestätigen, bzw. haben Sie auf diese Frage eine Antwort?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reagieren mit unserem Antrag auf die seit Monaten gehäuft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Menschen, genauer gegen Verantwortliche aus den Kirchen, die in Einzelfällen Flüchtlingen für eine begrenzte Zeit Kirchenasyl gewähren. Als sich vor Jahren die Zahl der Flüchtlinge aus den bekannten Gründen steigerte, wurde im Februar 2015 eine Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchen geschlossen. Hierbei haben die Kirchen zugestimmt, die Einzelfälle von Asyl gegenüber dem BAMF zu melden, wobei das BAMF im Gegenzug gegebenenfalls eine erneute eingehende Prüfung dieses Falles zusicherte.
Diese Vereinbarung wurde in den letzten eineinhalb Jahren mehrfach bewertet, und ihre Weiterführung wurde auch vonseiten des Bundesinnenministers ausdrücklich befürwortet. Noch hat sie also Bestand, und
das muss man laut und deutlich sagen, wenn man sich betrachtet, was derzeit passiert; denn seit einigen Monaten hat sich die Lage für die Pfarrerinnen und Pfarrer, für die Ordensleute und für Pastoralreferenten deutlich verändert. Nunmehr wird ein Pfarrer nach dem anderen wegen des Verdachts der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gemäß § 95 Absatz 1 Nummer 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Beschuldigtenvernehmung geladen. Hierbei werden nicht nur die aktuellen Fälle von Kirchenasyl ermittelt, sondern auch die vergangenen und sogar solche, die schon längst abgeschlossen sind. Gegen einen Pfarrer wird gleich in drei Fällen ermittelt, obwohl zwei dieser Fälle schon seit Jahren beendet sind. Es soll also deutlich und unmissverständlich durchgegriffen werden.
Was ist passiert? – Die Anzahl der Kirchenasyle ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, sagt der Justizminister. Das ist richtig, und es ist auch logisch; denn auch die Anzahl der Flüchtlinge ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Wie viele genau es sind, kann das Justizministerium nicht sagen. Aber es sind ihm eindeutig zu viele, und es sind proportional mehr als in anderen Bundesländern. Das hat übrigens nicht zuletzt auch etwas damit zu tun, dass es in Bayern extrem viele hoch engagierte Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfer gibt, die nicht mehr bereit sind, die rigide Flüchtlingspolitik, wie sie in Bayern, zum Teil auch durch kreative Auslegungen des IMS des Innenministeriums, herrscht, hinzunehmen.
Diese Ehrenamtlichen haben angefangen, sich zusammenzuschließen, zum Beispiel im Tutzinger Appell, in dem sich immerhin circa 50 Unterstützerkreise bzw. Flüchtlingshelferorganisationen Luft machen und mit Recht beschweren, weil ihnen bei ihrer meistens ehrenamtlichen Arbeit mit Flüchtlingen ständig zusätzliche Steine in den Weg gelegt werden. Auch bei dem Tutzinger Appell spielt ein Pfarrer eine maßgebliche Rolle. Schon wieder diese Kirche also.
Deswegen hat die Bayerische Staatsregierung, genauer das Justizministerium beschlossen, mit diesem ungeliebten Kirchenasyl einmal ordentlich aufzuräumen. Schließlich hat Minister Söder schon am 11. November 2016 deutlich gemacht, was er von kirchlicher Arbeit hält: Die Kirchen sollen sich nicht in die Politik einmischen. Basta. Die Botschaft ist also: Haltet euch raus, ihr Kirchen, ihr Pfarrer und alle die, die ihr fälschlich glaubt, politisch handeln zu dürfen.
Nun macht sich der Justizminister stark und führt diese Botschaft weiter; denn da sich die vielen Ehren- und Hauptamtlichen in den Kirchen einfach nicht raushalten wollen, wurde nun die nächste Stufe der dramaturgischen Rakete gezündet. Sie soll zeigen, wer
hier über Menschlichkeit und wer hier über Gewissen bestimmt.
Die nächste Stufe zeigt sich in derzeit zahlreichen Ermittlungsverfahren gegen die Pfarrerschaft, von denen Staatsminister Bausback sagt, man möge sich doch bitte nicht so aufregen; schließlich gelte das Legalitätsprinzip, und in Rede stehe die Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt. Aber, so sagt Minister Bausback, man gehe hier ganz behutsam vor. Kein Grund zur Aufregung, findet er in einer Pressemitteilung. "Behutsam" heißt in der Praxis, dass manche Pfarrer geladen werden und manche nicht, andere täglich auf die Ladung warten und niemand in der Kirche versteht, was hier eigentlich passiert; denn alle haben sich doch entsprechend dem Kompromiss mit dem BAMF aus dem Jahr 2015 verhalten.
Das Legalitätsprinzip gilt natürlich. Es galt übrigens auch in den letzten Jahrzehnten, in der Zeit, als Kirchenverantwortliche nicht oder nur in ganz besonderen Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt wurden, weil eben bei den Betroffenen die Gewissensentscheidung eine Bedeutung hatte. Die, die jetzt als Beschuldigte vernommen werden, fragen sich, warum denn etwas, was über Jahrzehnte respektiert wurde, nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt gelten soll. Erst wird also vereinbart, dass Kirchenasyle dem BAMF zu melden sind, und einige Zeit später werden dann die, die gemeldet haben, strafrechtlich verfolgt.
Was kommt denn nun als Nächstes? Was haben für Kirchenasyl Verantwortliche in Bayern als Nächstes zu erwarten? In den Kirchengemeinden verfestigt sich der Eindruck, worum und wohin es gehen soll: um Einschüchterung, um eine Drohkulisse, die aufgebaut wird, um die Aufkündigung eines alten Schutzrechts, das sich im Spannungsfeld zwischen verfolgten Menschen und den staatlichen Behörden abspielt und bei dem die Kirchen von alters her Mittler sind. Der Staat zeigt nun, wo es langgehen soll. Der Staat zeigt, was er will. Wer wird es da in Zukunft noch wagen, Kirchenasyl zu gewähren?
Aber nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer, auch die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte und der Kirchenvorstände stellen deutliche Fragen; denn es gibt sehr klare Vorgaben für die Gewährung von Kirchenasyl. Da sitzen nicht nur ein paar Gutmenschen beim Tee zusammen. Da wird genau geprüft und abgewogen, ehe ein Kirchenasyl entschieden wird. Bei der Entscheidung geht es vor allem um den Gesichtspunkt des besonderen Einzelfalls, um Gewissensfragen der handelnden Personen und nicht zuletzt um die Aspekte der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Es sind übrigens Gremienentscheidungen in einer Kirchengemeinde, ob Kirchenasyl gewährt wird. In der Logik des
Justizministeriums müsste man auch darüber nachdenken, ob man nicht auch die Kirchenvorsteher und Pfarrgemeinderäte, die das Kirchenasyl mitverantworten, strafrechtlich verfolgen müsste. Ich bin übrigens auch Kirchenvorsteherin und habe auch schon an derartigen Entscheidungen mitgewirkt.
Die Kritiker des Kirchenasyls sagen, das sei ein alter Zopf, der weg müsse, weil nur staatliche Stellen über die Gewährung von Asyl entscheiden dürften. Sie verkennen hierbei vollständig die Hintergründe und vor allem das Ziel einer solchen Maßnahme. Das Kirchenasyl geht als früheres Heiligtumsasyl in seinen Ursprüngen auf die Nähe zu einer religiösen Stätte, zu einem Gebäude zurück. Es steht nicht außerhalb der Rechtsordnung, und niemand in der Kirche betrachtet es als Paralleljustiz. Vielmehr stellt es einen Schutzraum dar, um die Zeit und die Möglichkeit zu schaffen, damit menschlich besonders sensible Einzelfälle von Behördenseite nochmals überprüft werden können. Flüchtlinge werden hierbei nicht versteckt. Die Behörden wissen genau, wo sich die Flüchtlinge aufhalten; denn sie werden ja gemeldet. Ein Untertauchen liegt demnach gerade nicht vor. Die Kirche beruft sich dabei gerade nicht auf ein vermeintlich eigenes Asylrecht, sondern sie verhilft mit ihrem Verhalten dem staatlichen Asylrecht zu seiner Geltung. Kirchenasyl verläuft so gesehen öffentlich, symbolisch und vor allem gewaltfrei. Immerhin wurde ein extrem hoher Prozentsatz dieser Einzelfälle nach erneuter Prüfung mit einem positiven Ergebnis beendet. Die Zahlen hierzu differieren. Manche, zum Beispiel die Bundesarbeitsgemeinschaft für Asyl und andere Kirchenasylexperten, sprechen von bis zu 90 %. Die meisten Fälle davon sind Dublin-Fälle.
Mit unserem Antrag fordern wir nun nichts anderes, als dass die althergebrachten Grundsätze dieses Schutzrechts und die Menschen, die diese an maßgeblicher Stelle vertreten, weiterhin respektiert werden. Immerhin muss man sagen, dass auch der bayerische Innenminister trotz der vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten bisher Respekt vor dem Institut des Kirchenasyls gezeigt hat, obwohl er nicht immer für seine besondere Milde in derartigen Fragen bekannt ist.
Dass nun der Justizminister eine Drohkulisse aufbaut, ist nicht nur unverständlich, sondern es schadet, und zwar nicht nur den Betroffenen, sondern dem Gemeinwesen als Ganzem.
Wir fordern nicht mehr und nicht weniger, als dass Respekt und Achtung auch weiterhin gelten sollen, wie es in der Vergangenheit, als das Legalitätsprinzip
auch galt, möglich war. Justizbehörden, die Kirchenvertreter und deren Gewissensentscheidung mit Ermittlungen überziehen, mögen sich zwar auf den Buchstaben des geltenden Rechts berufen, sie dürfen aber nicht glauben, sie würden damit den Rechtsstaat stärken.
Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CSU, die Sie nicht müde werden, sich des großen "C" in Ihrem Parteinamen zu rühmen, Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen sich vor und nach dieser Abstimmung über unseren Antrag zum Kirchenasyl überlegen, was Sie Ihrer Pfarrerschaft daheim in Ihren Stimmkreisen erzählen wollen, von denen einige unter den Beschuldigten sind. Sie müssen sich ferner überlegen, wie Sie den hoch engagierten kirchennahen Helferkreisen bei Ihnen daheim erklären wollen, dass Pfarrer, Nonnen, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten nunmehr für ihre Gewissensentscheidung kriminalisiert werden. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie müssen uns und den Menschen daheim erklären, wie Sie diese Kriminalisierung von Pfarrerinnen und Pfarrern in Ihr Bild vom christlich geprägten Bayern einfügen wollen. Das ist nämlich dasselbe Christentum, das Sie in der Sitzung im Dezember zum Bayerischen Integrationsgesetz länglich bemüht haben, als Sie darüber mit uns noch diskutiert haben.
Aus all diesen Gründen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Den Anträgen der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER werden wir ebenfalls zustimmen.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben Ihren großen Respekt gegenüber dem Kirchenasyl deutlich gemacht. Das glaube ich Ihnen auch. Streckenweise hätte man annehmen können, dass Sie unserem Antrag am Ende zustimmen müssten. Deshalb habe ich eine Frage. Sie haben Ihren
Respekt zum Ausdruck gebracht und diesen Respekt damit verbunden, dass die Kirchen vom Kirchenasyl mit allergrößter Zurückhaltung Gebrauch machen. Das ist der Fall. Ich glaube, das ist unstrittig. Wir kennen die begrenzte Anzahl von Fällen. Sie haben sich jedoch nicht dazu geäußert, warum aktuell im Gegensatz zur Vergangenheit gehäuft Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Das ist unstrittig. Mir ist bewusst, dass an Ihrer Stelle jetzt eigentlich der Justizminister stehen müsste. Deshalb bin ich ein wenig erstaunt, dass Sie dort stehen. Dazu haben Sie sich jedoch überhaupt nicht geäußert. Wenn Ihr Respekt vor dem Kirchenasyl so groß ist, muss sich dieser Respekt auch auf die Verantwortlichen, die Kirchenasyl gewähren und nunmehr mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu rechnen haben, erstrecken.
Bitte beantworten Sie mir nach Ihren Ausführungen eine Frage: Ist es richtig, dass die CSU-Fraktion im Bundestag einer öffentlichen Anhörung der Präsidenten der Bundesnachrichtendienste im Kontrollgremium zugestimmt hat? – Dies steht im Widerspruch zur Ablehnung des Antrags der SPD.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Heute Abend sollen in einer weiteren Sammelabschiebung am Flughafen hier in München 50 Afghanen nach Kabul geschickt werden. Das ist angesichts der Situation, die in Afghanistan herrscht, unfassbar. Es ist unerträglich und ruft nicht nur bei uns, sondern auch bei vielen Menschen in der Bevölkerung, bei den vielen, die sich für die Integration von Geflüchteten und jungen Heranwachsenden engagieren, und nicht zuletzt bei den christlichen Kirchen schärfste Kritik hervor.
Sowohl der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, als auch die Evangelische Landessynode in Bayern, deren Mitglied der Konsynodale und Staatsminister Söder ist, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, kritisieren Abschiebungen nach Afghanistan zumindest zum jetzigen Zeitpunkt auf das Allerschärfste. Sie kritisieren sie, weil die Menschen Gefahr laufen, in einem bewaffneten Konflikt, der immer weiter außer Kontrolle gerät, erpresst, verfolgt, gefoltert, verwundet, in Sippenhaft genommen oder getötet zu werden.
Deshalb beantragen wir, die Abschiebung afghanischer Staatsbürger für wenigstens drei Monate auszusetzen; denn die Abschiebung von Menschen nach Afghanistan in Sicherheit und Würde kann derzeit nicht sichergestellt werden. Das gesamte Staatsgebiet dort ist von einem innerstaatlichen Konflikt betroffen, und was wesentlich ist: Sogenannte sichere Ge
biete können überhaupt nicht konkretisiert werden. Die Sicherheitslage, so heißt es, gilt als volatil. Volatil, das ist das elegante Fremdwort für "schwankend" bzw. "wechselnd", und es bedeutet nichts anderes, als dass es morgen dort lebensgefährlich sein kann, wo Bayern heute Abend 50 Menschen in einem Sammeltransportflieger als vermeintlich sicher hinschicken wird. Anschläge und bewaffnete Konflikte gibt es in ganz Afghanistan. Die als stabil geltenden Regionen verwandeln sich in Regionen mit militärischen Auseinandersetzungen. Allein circa 12.000 zivile Opfer nennt der UNHCR für das Jahr 2016, und, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, jedes dritte Opfer ist ein Kind. Diese Zahlen sind laut Angaben der UN sogar zu niedrig.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie können sich dem nicht mehr ernsthaft verschließen, was der UNHCR im Dezember 2016 beschrieben hat. Nun müssen Sie endlich einmal Farbe bekennen und sagen, wie Sie es mit der Humanität halten, wenn es um Leib und Leben von Menschen geht.
Wir fordern mit unserem Antrag einen dreimonatigen Abschiebestopp. Diese Möglichkeit gibt § 60a Absatz 1 Aufenthaltsgesetz. Schleswig-Holstein hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Berlin schiebt keine Afghanen ab, sofern sie nicht straffällig geworden sind. Andere Bundesländer prüfen zumindest den Einzelfall sehr sorgfältig und denken über einen Abschiebestopp nach. Bremen, Thüringen, RheinlandPfalz und Niedersachsen sehen Abschiebungen nach Afghanistan zum jetzigen Zeitpunkt sehr kritisch.
Aber in Bayern ist es wieder einmal anders. In Bayern befanden sich in den sogenannten Rückführungstransporten – Rückführung nennt man das – in den letzten Monaten Menschen, die hier schon so gut wie integriert waren, deren Arbeitgeber sich mit allergrößtem Engagement und mit unbefristeten Arbeitsverträgen zum Teil für das Hierbleiben dieser Menschen eingesetzt haben und die die Welt nun nicht mehr verstehen. In diesen Sammeltransporten saßen auch Menschen, die während laufender Petitionsverfahren morgens abgeholt und abgeschoben wurden. Das zeigt übrigens mal wieder, was die Staatsregierung von parlamentarischer Kontrolle hält.
Eine eventuelle Neubewertung der Sicherheitslage und ein Beschluss der Innenministerkonferenz wären dringend erforderlich. Aber die Innenministerkonferenz wird erst am 12. Juni tagen. § 60a des Aufent
haltsgesetzes lässt für die Länder nur maximal diese drei Monate zu. Aber wenigstens diese drei Monate könnten wir heute hier gemeinsam als Dauer für einen Abschiebestopp beschließen. Natürlich nehmen auch wir in unserem Antrag Straftäter, sofern sie rechtskräftig zu mehr als 50 Tagessätzen verurteilt sind, genauso wie die sogenannten Gefährder aus. Außerdem fordern wir in unserem Antrag, dass die Ausländerbehörden angewiesen werden, von den Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes besseren Gebrauch zu machen; denn es gibt Möglichkeiten, jungen Geflüchteten bzw. Heranwachsenden Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen, ebenso wie es Möglichkeiten gibt, geduldeten Ausländern Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen, wenn sie entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des § 25b des Aufenthaltsgesetzes hier gut integriert sind. Und es gibt die humanitären Gründe.
Vielleicht schickt das Innenministerium zur Abwechslung mal ein IMS an seine Ausländerbehörden, das nicht verwirrt und verengt, sondern das die wirkliche Einzelfallprüfung nach den in unserem Antrag benannten Vorschriften wieder betont. Ich ahne, was mir Kollege Straub gleich vorhalten wird; denn wir führen diese Diskussion fast wöchentlich im Petitionsausschuss. Dann kennt man das gegenseitige Repertoire. Sie, Herr Kollege Straub, werden sagen, das macht ja alles der Bund, und da ist die SPD mit in der Regierung.
Hier, zu § 60a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes, sind aber die Länder gefragt, Herr Kollege Straub. Sie betonen im Petitionsausschuss immer, Sie könnten gar nicht, das könne nur der Bund, Sie würden ja vielleicht, wenn Sie könnten, aber Sie können nicht. Heute können Sie, Herr Kollege Straub.
Es geht um Menschen, die hier in Sicherheit sind und die Bayern zurück in erhebliche konkrete Gefahr schicken will, schickt und geschickt hat. Da genügt es nicht, nach Berlin zu schauen. Da müssen alle in diesem Hause in allererster Linie ihr Gewissen bemühen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU.
Bundesinnenminister de Maizière hat ausgeführt: Die normale zivile Bevölkerung sei zwar Opfer, aber nicht Ziel von Anschlägen der Taliban. Deshalb – mit dieser Begründung – hält er Abschiebungen dorthin für vertretbar. Diese Aussage ist nicht nur falsch, sondern zutiefst menschenverachtend. Kommt es denn wirklich darauf an, ob man irrtümlich Opfer einer Autobombe wird oder zielgerichtet von den Taliban und zunehmend von der Terrormiliz des IS getötet wird, weil
man Künstler, Übersetzer oder einfach nur ein Mädchen ist, das in die Schule gehen möchte? Kommt es darauf an, Kolleginnen und Kollegen von der CSU? Was würde denn ein dreimonatiger Abschiebestopp für Afghanen, die nicht straffällig geworden sind, für einen Schaden anrichten?
Tatsächlich wollen Sie ein Exempel statuieren. Sie wollen zeigen, wer die Macht hat und Sie wollen den Arbeitgebern, die verzweifelt versuchen, Auszubildende zu finden und die teilweise schon angefangen haben, junge Afghanen zu schulen, zeigen, dass sie sich gefälligst andere für ihre offenen Auszubildendenstellen suchen sollen. Es ist unsere Pflicht aus humanitären oder christlichen Gründen – das möge hier jeder für sich selber entscheiden –, soweit wie möglich sicherzustellen, dass wir nicht Menschen in Lebensgefahr und Tod schicken, nur um die Abschiebestatistik in Bayern vielleicht minimal hochzuschrauben. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, bitte nehmen auch Sie heute diese Pflicht angemessen wahr und stimmen Sie unserem Antrag zu. – Den Anträgen der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER werden wir natürlich zustimmen, da sie mit unseren Forderungen inhaltlich völlig übereinstimmen.
Herr Kollege Straub – vielleicht ist es mir entgangen –, Sie haben kein Wort zu unserem Antrag im Hinblick auf die Möglichkeit der Länder verloren, Beschlüsse nach § 60a Absatz 1
Aufenthaltsgesetz zu treffen. Bitte sagen Sie kurz etwas dazu.
Würden Sie darüber hinaus bitte freundlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass wir diese Thematik, wann immer wir es möchten, durch Anträge im Plenum, in den Ausschüssen und selbstverständlich auch bei Petitionen im Petitionsausschuss diskutieren werden, weil wir uns nicht einfach mit dem Verweis auf Berlin herausmogeln. Auch wenn Sie uns hundertmal unsere SPD-Minister vorwerfen,
nehme ich für mich in Anspruch – die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion tun das auch für sich –, dass unser Gewissen in Einzelfällen auch einmal eine andere Entscheidung treffen kann. Das habe ich heute darzustellen versucht.
Für Sie heißt es immer nur: Die anderen haben entschieden – und fertig.
Aber ich würde gerne noch etwas zu § 60a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes von Ihnen hören.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Artikel 12 will Ausländerinnen und Ausländern und in Absatz 2 übrigens auch den Inländern Leistungen kürzen und versagen. Er ist diskriminierend, rechtlich falsch und entspricht konsequent der Drohkulisse, die dieses unsägliche Gesetz aufstellen will. Völlig unklar bleibt zum einen, was Artikel 12 mit landesrechtlichen Regelungen und
Ansprüchen meint. Warum benennen Sie diese Leistungen denn eigentlich nicht konkret? – Ihre Begründung ist völlig vernebelt. Alles, was nicht durch Bundesgesetz determiniert sei, so hieß es in den Ausschussberatungen und in der Gesetzesbegründung, wollen Sie kürzen und streichen können. Aber Sie benennen nicht, was das genau ist; denn Sie wollen drohen. Sie wollen nicht deutlich machen, und Sie wollen nicht begründen. Sie denken, Sie hätten das nicht nötig, weil Sie die Macht haben.
Wie der gesamte Gesetzentwurf baut auch diese Regelung in Sprache und Duktus ein Katastrophenszenario auf, das der Realität nicht entspricht, das aber Angst erzeugen soll. Artikel 12 suggeriert, dass Ausländer und Ausländerinnen ihre Ausweispapiere absichtlich vernichten oder wegwerfen, sich ihrer in irgendeiner Form entledigen würden, um sich bei uns Leistungen zu erschleichen. Für diese von der Staatsregierung unterstellten Fälle werden dann die zu ergreifenden Maßnahmen und Konsequenzen vorgegeben. Diese erzeugen Angst und stellen die Menschen unter Generalverdacht. Die Gesetzesbegründung ergeht sich in diskriminierenden Formulierungen wie zum Beispiel der des sogenannten "Massenansturms von Asylbewerbern ohne Papiere". Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das ist übelste Stimmungsmache.
Artikel 12 stellt alle, die kommen und gekommen sind, unter den Verdacht des Betrugs. Aber die Staatsregierung weiß selber sehr genau, dass es ziemlich unmöglich ist, einem Menschen zu beweisen, dass er sich absichtlich seiner Ausweispapiere entledigt hat, um sich hier Leistungen zu erschleichen, und hat dies in den Ausschussberatungen auch zugegeben. Das sagt die Begründung da nämlich bemerkenswert offen. Sie sagt, dass kein großer Anwendungsbereich denkbar wäre, weil man es eben gar nicht belegen kann. Die Begründung sagt, dass die Vorschrift aber präventiv und psychologisch wirken solle. Psychologische Kriegsführung also, Abschreckung, Drohung. Deshalb also all das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, weil Sie einschüchtern und abschrecken wollen. Und das nennen Sie Integrationsgesetz.
In Absatz 2 definiert der Entwurf den Gedanken der Verwirkung neu. Artikel 12 sagt nämlich im Klartext, dass jemand, der keinen Pass hat, Leistungsansprüche verwirkt, also Ansprüche auf Leistungen verwirkt, die noch nicht einmal definiert sind. Aber "verwirkt" heißt tatsächlich nichts anderes, als dass der Anspruch weg ist, den man vorher aber zumindest ge
habt haben muss. Dieser Anspruch kommt aufgrund der Verwirkung dann allerdings auch nicht wieder.
Ob der Ausländer seinen Pass weggeworfen hat, ob er ihn auf der Flucht verloren hat – wie wollen Sie das eigentlich beweisen können? – Mit dieser Vorschrift, der neu eingeführten Verwirkung mit neuer Definition, geben Sie nun der öffentlichen Verwaltung Mittel in die Hand, Schlussfolgerungen aus Sachverhalten zu ziehen, die überhaupt nicht belegt werden können. Die Verwaltung sagt dann: Es gibt eigentlich einen Anspruch; aber den hast du jetzt verwirkt. Der ist für dich nicht mehr durchsetzbar, weil ich – Verwaltung – nicht davon überzeugt bin, dass du eine zuverlässig angegebene Identität hast, und weil ich – Verwaltung – glaube, dass du deine Papiere weggeworfen hast, um hier Leistungen zu erschleichen. – Und wenn der Ausländer nach zwei Tagen vielleicht kommt, weil er seinen Pass nun gefunden hat und endlich einen der wenigen Deutschkurse machen will, dann sagt die Verwaltung: Pech gehabt, lieber Ausländer! Anspruch verwirkt. – Oder die Verwaltung kriegt vielleicht eine Weisung des Sozialministeriums, sie möge es wie die CSU machen und gar nicht mehr sprechen.
Ist das nun Ihre Vorstellung von Werteordnung des christlichen Abendlandes, ist das nun Ihre Vorstellung Ihrer vernebelten Leitkultur? – Und dieser Absatz 2 gilt tatsächlich auch für Inländer; das ist im Ausschuss ausdrücklich wiederholt gesagt worden. Welche praktische Relevanz ist denn hierfür gegeben? Was soll das denn eigentlich? – Schade, lieber Herr Kollege Straub, dass Sie nicht mehr reden dürfen. Sie hätten es mir vielleicht heute Abend noch erklären können.
Schließlich ist der Absatz 3 noch zu erwähnen. Hier werden die bußgeldbewehrten unbestimmbaren Verstöße der folgenden Artikel 13 und 14 zusätzlich mit Leistungskürzungen belegt. Das kommt faktisch einer Doppelbestrafung gleich. Der Ausländer, der erstens ein Bußgeld erhalten hat, weil er Ihrer unklaren Leitkultur auch nur gleichgültig gegenübersteht, erhält nun zweitens zusätzlich eine Leistungskürzung, zum Beispiel keinen Deutschkurs. Das ist es also, was Sie unter Integrationsbemühungen verstehen.
Insgesamt weist die Begründung zu diesem völlig unnötigen und falschen Artikel 12 mehrfach darauf hin, dass man die Regelung verfassungskonform auslegen müsse. Ja, was denn sonst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU? – Offenbar halten Sie die Vorschrift selber für nicht verfassungsmäßig sicher. Sie sagen, der unbedingte, grundrechtlich verbürgte Anspruch bleibe natürlich bestehen. Das tut er aller
dings auch ohne Ihren unsäglichen Gesetzentwurf, und das tut er schon deshalb, weil wir Menschen ohne Pass nach unserer Werteordnung und sogar nach Ihrer Leitkultur nicht verhungern lassen.
Bertolt Brecht hat die Haltung der CSU und ihre Prioritätensetzung offenbar erahnt und karikiert:
Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustand kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.
Das ist Ihre Haltung von der CSU; das zeigt sich in dem gesamten Gesetzentwurf und auch in diesem Artikel 12. Ich kann deshalb nur sagen: Er ist diskriminierend, er ist menschenverachtend und falsch. Er gehört gestrichen. Wenn Sie schon die Rede heute verweigern, heben Sie wenigstens Ihre Hände für unseren Antrag und stimmen Sie zu, dass dieser Artikel 12 Ihres Entwurfs gestrichen wird.
Ich denke, heute Abend ist nicht der Zeitpunkt, zu dem wir noch ernsthaft in verfassungsrechtlich tiefe Diskussionen einsteigen können. Aber ganz sicherlich ist er wie der gesamte Gesetzentwurf hoch problematisch, weil Begriffe gebraucht werden, die völlig unbestimmte Rechtsbegriffe sind. Deshalb wird sicherlich etliches aus diesem Gesetzentwurf, möglicherweise auch Artikel 12, noch diesbezüglich überprüft werden.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Straub, ich freue mich eigentlich immer, wenn ich Sie reden höre; denn Ihre Redebeiträge sind so verlässlich. Erstens: Wir danken der Staatsregierung. Zweitens: Die Staatsregierung hat recht. Drittens: wie erstens.
Es ist schade; denn wenn Frau Kollegin Kamm oder ich oder auch jemand anderes in diesem Hause eine andere Meinung als Sie vertreten, dann kommt von Ihnen, Herr Straub, immer gleich: Sie haben das nicht kapiert. Es könnte doch auch umgekehrt der Fall sein. Vielleicht versuchen wir deshalb jetzt, noch einmal zur Sachfrage des Antrags zurückzukommen und nicht zur Qualität der Bayerischen Staatsregierung.
Die zuständigen Ausländerbehörden sind weiterhin unter dem Deckmantel der Vollzugshilfe durch das
IMS angewiesen, das Bundesrecht höchst restriktiv auszulegen. Letztlich führt das dazu, dass die 3plus-2-Regelung, also der Rechtsanspruch, den das Bundesintegrationsgesetz vorsieht und den die Große Koalition in Berlin gemeinsam beschlossen hat, in Bayern letztlich kaum greifen kann. Tatsache ist, dass nach Bundesrecht nur dann keine Aufenthaltsduldung zu Aufenthaltszwecken erteilt wird, wenn Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bereits konkret bevorstehen. Das IMS, unter kreativer Nutzung der deutschen Sprache, legt diese Regelung nun aus. Man hat folgenden Trick gefunden: Nicht wenige junge Flüchtlinge mussten einen sogenannten informativen Hinweis unterschreiben. Darin werden sie darauf hingewiesen, dass ihre Beschäftigung im Falle der rechtskräftigen Ablehnung im Asylverfahren unter Umständen versagt werden kann. Dieser Hinweis, den die Flüchtlinge unterschrieben haben, kann gegebenenfalls später, je nach Bedarf und je nach Ermessen der Ausländerbehörde, aus der Schublade geholt werden. Für den Fall, dass der Asylantrag abgelehnt ist, heißt es dann: Das haben Sie gewusst, wir haben Sie informiert, im Falle der Ablehnung können konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen. – Schon, zack, zack, ist die 3-plus-2-Regelung ausgehebelt und das, obwohl es inzwischen Rechtsprechung gibt, wie beispielsweise die des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, die besagt: Nur wenn der Flug für die Abschiebung kurz bevorsteht, stehen konkrete Maßnahmen zur Abschiebung bevor, und nur dann kann die 3-plus-2-Regelung abgelehnt werden.
Aus einem Rechtsanspruch nach dem Bundesintegrationsgesetz wird durch solche Auslegungstricks ein Gnadenakt mit Ermessensentscheidung bayerischer Behörden gemacht. Weil diese Praxis den verschärften Unmut der bayerischen Wirtschaft hervorgerufen hat, gab es einen Brandbrief an den Herrn Ministerpräsidenten.
Alles nur ein Missverständnis, sagte der bayerische Innenminister, als wir das letzte Mal hier im Plenum über dieses Thema gesprochen haben. Die Wirtschaft habe das ganz falsch verstanden. Deshalb gab es am 15.11.2016 einen Runden Tisch mit dem Innenminister und den Wirtschaftsverbänden. In seiner Antwort, auch auf meine Anfrage zum Plenum, schreibt der Innenminister: "Die Missverständnisse konnten ausgeräumt werden." – Das freut mich natürlich sehr. Ich hätte nur gerne gewusst, was sind denn diese Missverständnisse? Sie bestehen hier offensichtlich auch auf Seiten der Opposition. Vielleicht könnten sie auch bei uns ausgeräumt werden. Was heißt es nun, wenn Missverständnisse, von denen wir nicht wissen, welche es waren, angeblich ausgeräumt worden sind? Gilt jetzt der Rechtsanspruch 3-plus-2 des Bundesgesetzes, sofern die weiteren Voraussetzungen des
Bundesintegrationsgesetzes vorliegen? Oder gilt dieser Rechtsanspruch nicht, weil er durch Auslegungstricks mittels des IMS im Ermessen der bayerischen Behörden verschwunden ist? Trotz dieser angeblich ausgeräumten Missverständnisse sollen nun – Frau Kollegin Kamm hat es erwähnt – in jedem Regierungsbezirk mit örtlichen Vertretern der Wirtschaft Gespräche geführt werden. Es ist schon bemerkenswert, was so ein IMS alles an Missverständnissen auslösen kann. Tatsache ist nämlich, dass aus den Betrieben scharfe Kritik kommt. Tatsache ist auch, dass sich die Betriebe mit großer Arbeit, viel Mühe und Engagement darum kümmern, junge Flüchtlinge und Auszubildende in Arbeit zu bringen. Diese Betriebe haben keinerlei Sicherheit – deshalb der Unmut –, ob die Ausbildung überhaupt zu Ende geführt werden kann, geschweige denn eine Sicherheit, ob in Folge der Ausbildung die jungen Leute weitere zwei Jahre zur Verfügung stehen, wie es das Bundesgesetz vorsieht.
Eigentlich ist geplant, bis 2019 circa 60.000 Flüchtlinge in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Bayern zu integrieren. So wird das aber nicht funktionieren, meine Damen und Herren von der CSU. Der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages weist darauf hin, dass extrem große Verunsicherung herrsche und dass das Innenministerium weit über das Ziel hinausgeschossen sei. Das sagt der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages. Mittlerweile gibt es nämlich Betriebe, die trotz der Tatsache, dass sie händeringend Auszubildende suchen, allein wegen dieser großen Verunsicherung keine jungen Flüchtlinge mehr ausbilden wollen.
Es gibt auch Hinweise, dass bei jungen Flüchtlingen, die an der Berufsschule sind – –
Bitte? Wollen Sie die Betriebe namentlich genannt haben? – Sie brauchen doch nur die Zeitung aufzuschlagen, da lesen Sie ständig Zitate von Vertretern der IHK und der Handwerkskammer.
Es gibt auch Hinweise, dass bei jungen Flüchtlingen, die an der Berufsschule sind, von den Ausländerbehörden schlicht der Abschluss der erforderlichen Verträge blockiert wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, bitte lassen Sie Ihre Blockadehaltung jetzt endlich fallen. Bei dem wenigen, was Sie gestern in der sogenannten Aussprache im Rechtsausschuss gesagt haben –
und das war weiß Gott wenig –, haben Sie immerhin gesagt: Sie wollen sich um Integration derer bemühen, die hier sind. Ich kann Sie nur bitten: Tun Sie das heute. Zeigen Sie, dass Sie das wirklich wollen, und stimmen Sie mit uns dem Antrag der GRÜNEN zu.
Wir haben ja gerade versucht, Ihnen die Aspekte zu nennen, bei denen wir der Ansicht sind, dass Sie nicht rechtlich korrekt handeln, weil Sie eben nicht Bundesrecht eins zu eins vollziehen.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie weisen in diesem Hause immer wieder darauf hin, wie viele Millionen für Flüchtlinge gezahlt werden. Immer wieder heißt es, andere Länder zahlen weniger. Dann können wir die Diskussion über diese Thematik grundsätzlich einstellen. Das ist doch einfach undifferenziert. So können wir über diese Fragen doch nicht miteinander reden.
Sie haben gesagt, ein Schreiben an die Wirtschaft geht demnächst raus. Es ist offensichtlich eine Konsequenz des Runden Tisches, bei dem die Missverständnisse, deren Inhalt wir nicht kennen, ausgeräumt worden sind. Können Sie uns etwas zu den Missverständnissen und zu dem Schreiben, das demnächst an die Wirtschaft rausgehen wird, sagen? Das wäre für uns auch interessant. Vielleicht können wir ja dadurch noch etwas lernen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Dringlichkeitsantrag meiner Fraktion greift einen mehr als bemerkenswerten Sachverhalt auf und zeigt das gespaltene – man muss fast sagen: doppelzüngige – Verhalten von CSU und Staatsregierung. Erst hat die CSU als Teil des Gesetzgebers am Bundesintegrationsgesetz mitgewirkt. Nun versucht sie, als Bayerische Staatsregierung einen wesentlichen Punkt dieses Gesetzes – genauer: die sogenannte 3-plus-2Regelung – über eine Weisung des Innenministeriums an die Ausländerbehörden faktisch auszuhebeln.
Mit der Änderung der §§ 18a und 60a des Aufenthaltsgesetzes hat der Bundesgesetzgeber nämlich eine Grundsatzentscheidung getroffen. Ausländer sollen nach der sogenannten 3-plus-2-Regelung dann eine Duldung erhalten, wenn sie eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnehmen oder schon aufgenommen haben. Sehr geehrter Herr Minister Herrmann, dieses Bundesrecht gilt auch in Bayern!
Den Flüchtlingen gesteht das Gesetz nach der dreijährigen Berufsausbildung weitere zwei Jahre zur Beschäftigung in diesem – ihrem erlernten – Beruf zu. Gleichzeitig sollen die Ausbildungsbetriebe Sicherheit und Planbarkeit erhalten. Das war übrigens auch der dringende Wunsch der bayerischen Wirtschaft, die sich um Auszubildende und um die Integration von Flüchtlingen bemüht.
Zum einen ist dies also eine Maßnahme zur Integration in unsere Gesellschaft. Ebenso kann der nunmehr ausgebildete und praxiserfahrene Flüchtling, der in sein Herkunftsland zurückkehrt, dort mit seinen zusätzlich erworbenen Kompetenzen eine große Hilfe sein. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, eine bessere Entwicklungshilfe kann es doch kaum geben!
Soweit also zum Bundesintegrationsgesetz.
Nun hat dies alles – diese Sicht auf Flüchtlinge und deren Integration – aber der Bayerischen Staatsregierung so gar nicht gefallen. Deshalb ging am 1. September dieses Jahres ein Innenministerielles Schreiben an die zuständigen Ausländerbehörden. Kurz gesagt schreibt dieses als Weisung das fest, was genau das Gegenteil des vom Bundesgesetzgeber Gewollten ist. Das IMS hebelt das Bundesrecht – konkret: § 60a Absatz 2 Satz 4 des Aufenthaltsgesetzes – fast vollständig aus. Das tut es sehr wortreich und schwer verständlich auf über 40 Seiten. Man muss zugeben: Da hat sich jemand in Ihrem Haus, Herr Minister Herrmann, richtig viel Mühe gemacht. Aber dieses IMS ist nicht dazu gedacht, bayerischen Behörden den Vollzug des Bundesrechts zu erklären. Es ist vielmehr dazu gedacht, den Vollzug des Bundesrechts in Teilen zu behindern oder sogar unmöglich zu machen. Dies lässt sich einfach belegen.
In seiner ersten Hälfte sagt die Weisung ein kräftiges Nein zur 3-plus-2-Regelung. Nach dem Bundesrecht kann und muss eine Duldung für Auszubildende nämlich dann erteilt werden, wenn "konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen." Die Bayerische Staatsregierung gibt nun in ihrer Weisheit – in ihrer Weisung – dazu eine Art Verständnishilfe für die Ausländerbehörden und behauptet, derartige konkrete Maßnahmen seien schon dann gegeben, wenn die Ausländerbehörde sie "auch nur eingeleitet hat", also schon dann, wenn die Vorladung zur Behörde vielleicht nur erfolgt ist, um den Ausländer auf seine Passbeschaffungspflicht hinzuweisen. Schon das also soll als konkrete Maßnahme zur Folge haben, dass eine Duldung als Auszubildender nicht gewährt werden kann. Daneben werden in dem IMS durch große Interpretationskünste des Ministeriums weitere restriktive Einschränkungen vorgenommen. All das führt dazu, dass der durch Bundesrecht eingeführte Rechtsanspruch in Bayern so gut wie ins Leere führt.
Sehr geehrte Damen und Herren von der CSU, all das ist nicht, wie die Staatsregierung vorgibt, eine Hilfe für den Vollzug des Bundesrechts. Das ist vielmehr eine Verhinderungshilfe und lässt faktisch kaum einen Anwendungsfall für die sogenannte Ausbildungsduldung übrig.
Aber weil die Damen und Herren der Staatsregierung das genau wissen, kommt das IMS gegen Ende doch zu einem, wenn auch verklausulierten, "Vielleicht" der zugesagten Ausbildungsduldung: Ja, vielleicht doch, aber nur dann, wenn wir es in Bayern so wollen. Die Weisung nähert sich im letzten Drittel ihres beträchtlichen Umfangs dem Ermessen der Ausländerbehörden. Die Beschäftigungserlaubnis bzw. Ausbildungs
duldung soll plötzlich vielleicht doch möglich sein, nämlich dann, wenn trotz aller sogenannten konkreten Maßnahmen mit einer tatsächlichen Abschiebung in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne. Dann kann zum Beispiel für das letzte Ausbildungsjahr eine Duldung erteilt werden – oder für eines der beiden ersten Ausbildungsjahre, je nach Ermessen der Behörde.
Nur zur Erinnerung: Das Bundesintegrationsgesetz sagt "3 plus 2". Das macht in der Summe 5, nicht 1. Diese Feststellung gilt auch in Bayern, sehr geehrter Herr Minister Herrmann.
Wie das Innenministerium natürlich genau weiß, wollen 3 plus 2 Jahre auch die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern. Die Bayerische Staatsregierung hat nämlich im Oktober 2015 mit der bayerischen Wirtschaft sogar eine Vereinbarung zur Integration durch Ausbildung und Arbeit geschlossen. Jüngst haben sich aber die Industrie- und Handelskammern mit einem Brief bei Ministerpräsident Seehofer beschwert, weil es jetzt erhebliche Verunsicherung in den Betrieben gibt. Sie schreiben, das Vorgehen durch die ministerielle Weisung sei unvereinbar mit dem Grundsatz und der Intention des Modells "3 plus 2". Das sagt die bayerische Wirtschaft.
Unter diesen Voraussetzungen sei es zudem zweifelhaft, ob die Industrie- und Handelskammern ihre Zusagen wie vereinbart einlösen könnten. Die Weisung des Ministeriums behindere in hohem Maße die Integrationsbemühungen der bayerischen Wirtschaft. Das sagt die bayerische Wirtschaft.
In vielen Ausbildungsbetrieben mit Geflüchteten fragt man sich nun: Bleibt er, oder geht er? Wenn er bleiben darf, wie lange darf er bleiben?
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist es wirklich das, was Sie wollen? Wollen Sie das wirklich daheim Ihren kleinen und mittelständischen Betrieben sagen? Wie wollen Sie denen denn das erklären, obwohl Sie doch sonst immer behaupten, die Integration liege Ihnen so sehr am Herzen, und obwohl Sie eine Obergrenze an Flüchtlingen, die Sie ins Land lassen wollen, extra mit der Begründung fordern, diese müssten auch integriert werden können?
Insgesamt besagt diese Weisung des Ministeriums sehr deutlich: Bloß nicht, wie das Bundesrecht es will, einen Rechtsanspruch für die Betroffenen schaffen! Die Betroffenen sollen stattdessen von der Großzügigkeit der bayerischen Behörden abhängen, von Jahr
zu Jahr. Das ist aus der Sicht der Staatsregierung ebenso konsequent wie falsch; denn es beweist wieder einmal, dass in dieser Bayerischen Staatsregierung obrigkeitsstaatliches Denken vorherrscht.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, aus einem Rechtsanspruch soll ein Bittgesuch werden. Die Staatsregierung will sich das Bundesrecht, das von der CSU mitbeschlossen wurde, gefügig machen, und das durch eine interne Weisung.
Wir fordern Sie alle hier auf, dies nicht einfach hinzunehmen. Wir bitten Sie zu sehen, was hier passiert, und fordern Sie auf, darauf zu reagieren. Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit auch Geflüchtete eine Ausbildung machen können und bayerische Behörden dabei mitwirken können!