Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, die Plätze einzunehmen. – Ich eröffne die 97. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Ihnen noch Änderungen im Vorstand der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bekannt geben. Frau Kollegin Katharina Schulze wurde in der vergangenen Woche zur neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt.
Sie sind gerade noch rechtzeitig hereingekommen. – In das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden wählte die Fraktionsversammlung Herrn Kollegen Jürgen Mistol.
Im Namen des gesamten Hauses gratuliere ich Ihnen beiden herzlich zur Ihrer Wahl und wünsche Ihnen für Ihre neuen Aufgaben viel Erfolg.
Frau Kollegin Margarete Bause danke ich für die geleistete Arbeit in der Funktion der Fraktionsvorsitzenden, die sie in diesem Hohen Haus insgesamt über 16 Jahre innehatte. Auch ihr wünsche ich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen für die Zukunft alles Gute für ihre weitere parlamentarische Arbeit.
Jetzt darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Heute feiert Frau Kollegin Sylvia Stierstorfer Geburtstag. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben. Da sie krank zu Hause liegt, wünschen wir ihr auch gute Genesung.
Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, teile ich Ihnen gemäß § 26 unserer Geschäftsordnung folgende Ausschussumbesetzung mit: Frau Carolina Trautner wird anstelle von Herrn Markus Blume neues Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Pflege. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrem neuen Tätigkeitsfeld.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Isabell Zacharias, Franz Schindler u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes Studierende in die Hochschulleitung (Drs. 17/15338) Erste Lesung
Für die Begründung des Gesetzentwurfs stehen 5 Minuten zur Verfügung. Die Gesamtredezeit der Fraktionen im Rahmen der Aussprache beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Begründung und Aussprache werden miteinander verbunden. Damit stehen 11 Minuten Redezeit für die SPD-Fraktion zur Verfügung.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Ihnen, Frau Kollegin Zacharias von der SPD-Fraktion, das Wort. – Sie waren etwas eilig, aber die kleine Vorrede zur Information der Kolleginnen und Kollegen war notwendig. – Sie haben das Wort.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Präsident, Sie wissen, dass ich es immer eilig habe; denn auch thematisch ist Eile geboten.
Hohes Haus, Kolleginnen und Kollegen! Es war einmal ein Präsident im hohen Norden; der hat festgestellt, dass die Mitwirkungsrechte der Studierenden nicht toll sind. Sie saßen zwar in Gremien, aber er hat gespürt und auch gemerkt und realisiert, dass bei Mitwirkung, Mitsprache und Partizipation an Prozessentwicklung noch Luft nach oben ist, und hat einfach für sich beschlossen: Ich will Studierende in der Hochschulleitung. Das war in Brandenburg. Seit diesem Tag gibt es Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten aus der Runde der Studierenden. Dem sind Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Niedersachsen nachgefolgt.
Worum geht es mir? – Kolleginnen und Kollegen, es geht darum: Bayern ist bei der Mitsprache von Studierenden, aber übrigens nebenbei bemerkt auch von Eltern, von Lehrerinnen und Lehrern und von Schülerinnen und Schülern, eine Wüste. Bayern ist hinsichtlich der Mitsprache auf allen Ebenen eine Wüste. Wir stellen fest, dass Studierende bayernweit in den Universitäten und Hochschulen natürlich in den Gremien, im
Senat, in irgendwelchen Konventen sitzen. Das stimmt. Sie sind einer oder zwei von 20, von 30 oder 40. Sie sind grundsätzlich immer in der absoluten Minderheit und haben kaum Möglichkeiten, ihre Sicht der Dinge einzubringen. Sie engagieren sich mit viel Verve und mit viel Liebe, wie wir im Hohen Haus auch. Die Studierenden da draußen in unseren Universitäten und Hochschulen in Bayern haben aber zu wenig Mitspracherechte. Kolleginnen und Kollegen, dabei sehe ich Sie, die wenigen von der CSU, an. Draußen steht auch noch Horst Seehofer. Eigentlich wollte ich dem Ministerpräsidenten auf den Weg mitgeben: Mitsprache ist ein demokratisches Gut. Das gilt auch für die CSU.
Sie, die CSU, hat Anfang der Siebzigerjahre die Verfasste Studierendenschaft abgeschafft. Seit 1974 haben wir in Bayern keinen AStA mehr. Das heißt, Studierende haben in Bayern eine sehr viel geringere Mitsprache als in den anderen 15 Bundesländern. Kolleginnen und Kollegen, in 15 Bundesländern können Studierende mitreden; hier in Bayern nicht.
Ich will uns in Erinnerung rufen, welches Hauptargument ins Feld geführt wird – das ist nicht meine Meinung und auch nicht meine Art der Sprache. Die CSU argumentiert gerne, dass die Studierenden das Geld, das sie zur Verfügung gestellt bekommen, eigentlich nur in Alkohol umgesetzt hätten. Das ist nicht mein Verständnis. Studierende sind aufgeweckte, intelligente, großartige junge Menschen. Wir müssen sie an Demokratie auch in Hochschulen und Universitäten teilhaben lassen.
Deswegen übernehmen wir gerne diese Idee und haben einen Gesetzentwurf eingebracht. Darin geht es darum, dass Hochschulen in die Lage versetzt werden können – das ist eine Kann-Lösung –, aus der Mitte der Professorinnen und Professoren, der wissenschaftlichen sowie der künstlerischen Mitarbeiter aus dem sogenannten – ein doofes Wort, aber sie werden so genannt – Mittelbau und jetzt ergänzend – das ist die Neuerung – aus der Gruppe der Studierenden jemanden in die Hochschulleitung zu berufen. Ich finde es spannend, der größten Statusgruppe, die bisher nicht in der Hochschulleitung vertreten ist, einen Sitz zu geben oder diese Möglichkeit einzuräumen mit der Idee, frühzeitig in Gesamtkomplexe eingebunden zu werden, die Grenzen und Möglichkeiten kennenzulernen und vor allem die Kommunikationswege von Studierenden zur Hochschulleitung und von der Hoch
schulleitung zu den Studierenden deutlich zu verkürzen. Diese Wege sind nämlich oft lang, und die Gruppe der Studierenden kann Entscheidungen der Hochschulleitung oft nicht nachvollziehen. Es ist spannend, hier eins zu eins einen Austausch anbieten zu können.
Kolleginnen und Kollegen, ich möchte damit nicht die Verfasste Studierendenschaft aushebeln; diese brauchen wir auch. Studierende in der Hochschulleitung wären übrigens nicht der verlängerte Arm des AStA; sie würden vielmehr die Sicht der Studierenden in die Hochschulleitung einbringen.
Wir brauchen mehr Mitsprache in der Mitsprachewüste Bayern. Studierende gehören in die Hochschulleitung, um die Kommunikation in beide Richtungen zu intensivieren bzw. zu beschleunigen und um generell mehr Demokratie an die Hochschulen zu bringen. Wenn wir einerseits mehr Autonomie, das heißt mehr Selbstständigkeit für die Hochschulen und Universitäten fordern, dann brauchen sie andererseits demokratische Strukturen bis nach ganz oben.
Die Ausgestaltung obliegt jeder Universität und jeder Hochschule selbst. So wäre es möglich, die Studierende bzw. den Studierenden für ein Jahr zu berufen. Auch die Bezahlung muss von uns nicht vorgegeben werden. Eine Hochschule entscheidet sich vielleicht für den 1,4-fachen BAföG-Satz, eine andere greift auf Stiftungsgelder zurück. Das ist der Kreativität jeder Hochschule und jeder Universität, des tertiären Bildungssystems, anheimgestellt.
Wir – die Bayern-SPD, die SPD-Landtagsfraktion und ich persönlich – möchten diese Diskussion führen. Ich hoffe auf eine Revolution in Bayern, damit die Studierenden auf der Grundlage einer Kann-Lösung in die Hochschulleitungen hineinkommen. Unterstützen Sie uns! Mitsprache ist in der Demokratie ein hohes Gut; derzeit ist sie mehr denn je geboten.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Westphal von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Verehrtes Präsidium, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gleich vorweg darf ich Folgendes ausführen: Diesem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD werden wir seitens der CSU-Fraktion nicht zustimmen können. Ich möchte kurz die Gründe für unsere Ablehnung erläutern.
Wie stellt sich in Bayern die Situation in Bezug auf die Hochschulleitungen derzeit dar? – Bislang ist eine
Hochschulleitung aus dem Präsidenten oder der Präsidentin, bis zu vier weiteren gewählten Mitgliedern und dem Kanzler oder der Kanzlerin zusammengesetzt. Die Hochschulleitung besteht damit aus Professoren sowie aus wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern.
Die SPD-Fraktion möchte mit ihrem Gesetzentwurf die Möglichkeit schaffen, dass zukünftig bis zu fünf weitere gewählte Mitglieder der Hochschulleitung angehören, damit die Studenten berücksichtigt werden können. In der "Süddeutschen Zeitung" vom 13. Februar 2017 war zu lesen, dass die SPD diese Regelung als Hilfskonstruktion auf dem Weg zu einer Verfassten Studierendenschaft sehe, was entsprechende Folgen hätte, etwa Zwangsmitgliedschaft und Pflichtbeiträge.
Frau Kollegin Zacharias hat nicht ausgeführt, dass bislang in ganz Deutschland lediglich vier Universitäten bzw. Hochschulen ein derartiges System eingeführt haben. Bei uns in Bayern besteht zudem keine Notwendigkeit einer derartigen Änderung, weil wir den Studierenden bereits umfangreiche Mitwirkungsrechte geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Artikel 138 Absatz 2 Satz 2 der Bayerischen Verfassung sieht vor, dass die Studierenden an der Selbstverwaltung der Hochschulen zu beteiligen sind, "soweit es sich um ihre Angelegenheiten handelt." Daraus folgt, dass ihnen Mitwirkungsrechte bei Weitem nicht in allen Angelegenheiten der Hochschule gewährt werden sollen.
Die Mitwirkung vollzieht sich auf zwei Ebenen: Die Studierenden sind zum einen in den gewählten Hochschulgremien vertreten, zu denen der Senat, der Hochschulrat, der Fakultätsrat und der Berufungsausschuss gehören. Sie gehören zum anderen den studentischen Gremien an, zum Beispiel dem Studentischen Konvent, der Fachschaftsvertretung und dem Sprecherinnen- und Sprecherrat. Für die Erfüllung dieser Aufgaben sind Mittel in den Haushalt eingestellt worden.
Darüber hinaus hat das zuständige Staatsministerium auf der Basis von Artikel 106 Absatz 2 Satz 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes die Möglichkeit, abweichende Regelungen für die Studierendenvertretung zu treffen. Diese Regelungen sind an die Bedürfnisse der Hochschulen und ihrer Studenten angepasst. Die Erfahrungen, die wir in Bayern damit gesammelt haben, zeigen, dass keineswegs einheitliche Strukturen erforderlich sind.
Mit der Möglichkeit, abweichende Regelungen zu treffen, gibt es genau die Flexibilität, um den örtlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. An den einzelnen Hochschulen und Universitäten werden die bereits bestehenden Freiräume sehr unterschiedlich genutzt. An der Universität Augsburg sind neben den regulären Organisationsstrukturen eine studentische Universitätsversammlung, ein Allgemeiner Studierendenausschuss und ein Ältestenrat eingeführt worden. An der Technischen Universität München dagegen ist die Struktur gestrafft worden; dem Fachschaftsrat kommt dort eine zentrale Stellung zu. Die Reihe der Beispiele ließe sich fortführen. Sie zeigen, dass im Rahmen der Möglichkeiten, die wir in Bayern bereits haben, jeder das für ihn passende Modell auswählen kann.
Der Gesetzentwurf ist nicht zielführend. Ich möchte erläutern, warum wir dieser Auffassung sind. Wer die Aufgaben und die finanzielle Verantwortung der Hochschulleitung anschaut, der erkennt, dass sie eine langfristige, perspektivische Steuerung vornehmen muss. Die Mitglieder der Hochschulleitung benötigen einen umfassenden Überblick über die Entwicklungen in der Vergangenheit und in der Gegenwart sowie über die wahrscheinlichen Entwicklungen in der Zukunft. Dazu bedarf es personeller Kontinuität, was nicht zuletzt aufgrund der begrenzten Studiendauer mit Studierenden sicherlich nicht zu erreichen ist. Weiterhin ist zu beachten, dass größere Gremien nicht mit größerer Effizienz einhergehen.
Die Arbeit in der Hochschulleitung ist zudem überaus umfangreich und verursacht eine hohe zeitliche Belastung; denn neben der eigentlichen Leitungsfunktion kommen die Arbeit in übergreifenden Beiräten und Gremien sowie nicht zuletzt repräsentative Aufgaben in verschiedenen Bereichen hinzu. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine derartige zeitliche Belastung einem Studierenden zum Nachteil gereichen würde.
Ich komme zum Fazit: Die CSU-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf ablehnen, weil die vorgeschlagene Änderung nicht notwendig ist. Umfangreiche Mitwirkungsmöglichkeiten sind gegeben.
Die Möglichkeit, abweichende Regelungen zu treffen, existiert bereits. Aus den genannten Gründen ist der Gesetzentwurf nicht zielführend.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Professor Piazolo das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.