Protokoll der Sitzung vom 03.04.2014

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 14. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. – Ich fahre in der Sitzung erst fort, wenn alle in der Lage waren, ihre Plätze einzunehmen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Präzise formuliert!)

Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch einen Glückwunsch aussprechen. Am 2. April feierte Herr Kollege Peter Winter einen runden Geburtstag, und heute feiert Herr Kollege Alexander Muthmann seinen Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche den jetzt abwesenden Kollegen im Namen des gesamten Hauses und auch persönlich alles Gute und viel Erfolg für ihre parlamentarischen Aufgaben in der Hoffnung, dass ihnen dies durch Kollegen mitgeteilt wird.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Alle Konzepte liegen auf dem Tisch - wie geht es weiter mit dem G 9 in Bayern?"

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER vorschlagsberechtigt.

Zur Information: In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen - das nur zur Erinnerung an unsere Regeln.

Jetzt hat als erster Redner Kollege Felbinger von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Minister! Das

Thema ist leicht verdauliche Kost heute früh, sollte man meinen. Die Weiterentwicklung des Gymnasiums liegt uns allen am Herzen. Wenn man in den letzten Tagen die Tageszeitungen aufschlug, so stand dort zu lesen in der "Lindauer Zeitung": Lehrer wollen Schülern mehr Zeit lassen, im "Münchner Merkur": G 9 soll der Regelfall werden, die "Augsburger Allgemeine" titelt: Seehofers G-9-Dilemma und die "Nürnberger Nachrichten" sagen gar: Spaenle bekommt Nachhilfe.

(Volkmar Halbleib (SPD): Er sitzt auf der Regierungsbank neben dem Ministerpräsidenten!)

Wenn man das Radio anstellt, dann läuft im Viertelstundentakt auf Bayern 5 das gleiche Thema. Dort behauptet ein zu diesem Thema bisher ideen- und konzeptloser Kultusminister, weil er selbst keine Vorstellung von der Zukunft des Gymnasiums hat: Wer jetzt die Unterschrift leistet zum Volksbegehren der FREIEN WÄHLER, der unterschreibt ein handwerklich schlechtes Konzept, das für Landstandorte gefährlich ist.

Da muss ich schon sagen, Herr Minister Spaenle: Wer wie Sie ein missratenes Flexibilisierungskonzept vorlegt, das lediglich 0,2 % der bayerischen Gymnasiasten wahrnehmen, der ist ein Bruchpilot und eine große Gefahr für die Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Er legt nicht nur eine Menge Inkompetenz dadurch an den Tag, dass er alle vorliegenden Statistiken missachtet, sondern auch dadurch, dass er unser Konzept gar nicht kennt. Nicht wir FREIEN WÄHLER schaden mit unserem Volksbegehren dem Standort im ländlichen Raum, sondern Sie mit Ihren peinlichen Äußerungen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab- geordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Gar kein Konzept vorzulegen, andere für sich arbeiten zu lassen und abzuwarten, das ist Arbeitsverweigerung ersten Ranges.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und bei Ab- geordneten der SPD)

Deshalb wollen wir FREIEN WÄHLER heute von Ihnen und von der CSU eine Aussage, ob Sie außer Plattitüden, die sich wie eine Endlosschleife aus dem Sprechautomaten wiederholen wie "eine verbindliche Schulzeit von acht oder neun Jahren für alle Schüler am Gymnasium ist überholt", endlich einmal etwas Neues auf den Tisch legen oder zumindest eine reali

stische Aussage zur Zukunft des bayerischen Gymnasiums machen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und bei Ab- geordneten der SPD)

Kollegin Schreyer-Stäblein hat an dieser Stelle letzte Woche noch darauf verwiesen, dass das Konzept der Philologen in der CSU noch nicht bekannt ist und Sie es noch studieren müssten. Meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, dazu hatten Sie jetzt eine Woche Zeit. Deshalb heute die berechtigte Frage, die alle Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Bayern interessiert: Hat denn die CSU überhaupt eigene Ideen, oder wollen Sie einfach die Arbeit eines Verbandes übernehmen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und bei Ab- geordneten der SPD)

Wenn ich die Äußerungen des Kollegen Waschler gestern in Bayern 5 zum Maßstab nehme, dann ist bei der CSU nicht nur die Zeit stehen geblieben, sondern Sie leben immer noch in der Stoiber-Ära, in der Vergangenheit, die da heißt: G 8 ist grundlegend in Ordnung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielleicht sollten Sie öfter mit dem Ministerpräsidenten kommunizieren. Er wird in der Presse zitiert: "Unsere Alternative ist die Fortführung des Ist-Zustandes oder wir legen etwas Neues auf den Tisch". Im Weiteren wird gesagt, das sei eben seine Erfahrung und, so der Ministerpräsident: "Jedes anspruchsvolle Thema beginnt mit einer gewissen Dosis Skepsis." Nach 40 Jahren in der Politik wisse er, dass man mit Skepsis keine Politik machen kann, da müsse man führen.

Herr Ministerpräsident, dann führen Sie doch endlich mal diesen führungslosen Haufen!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Karl Freller (CSU): Na, na! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄH- LER): Recht hat er! – Ministerpräsident Horst Seehofer: Sie wären froh, wenn Sie so einen Haufen hätten!)

Wann gedenken Sie denn, endlich die Führung zu übernehmen? Oder ist die Frage längst entschieden, wie in der "Süddeutschen Zeitung" am 27. März steht: "Die Pädagogik der CSU: Wenn Seehofer ‚vorurteilsfrei‘ prüft, steht meist das Ergebnis fest."

Ja, das Innenministerium hat das Ergebnis festgestellt und festgelegt, dass unser Volksbegehren rechtlich zulässig ist. Ich sage und prophezeie Ihnen: Unser

Volksbegehren ist der Schlüssel zur Veränderung des Gymnasiums in Bayern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): In welche Richtung?)

Neben dem Erfolg unseres Volksbegehrens wird es bald nach Ihren bisher gezeigten Taten und Ihrer Konzeptlosigkeit und Ihrem Herumgeeiere Veränderungen am bayerischen Gymnasium geben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich sage auch ganz bewusst, wie sie im Detail aussehen; darüber müssen wir parteiübergreifend diskutieren. Neun Jahre für das Gymnasium ist die Richtschnur. Lehrer, Eltern und Schüler wollen das. Ob mit Überspringen oder mit Wahlfreiheit – da sind wir FREIEN WÄHLER offen. Ohnehin werden die Eltern – genauso wie dies jetzt in Baden-Württemberg die Einschreibezahlen an den G 8/G 9-Modellschulen zeigen – mit den Füßen abstimmen; denn dort sind – hört, hört! – an allen ländlichen Standorten null Anmeldungen für das G 8, und alle Schüler wollen nur noch das G 9.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Noch dazu möchte dort die SPD, dass künftig allen Schulen die Wahlfreiheit ermöglicht wird. Ich stelle daher fest: So schlecht kann dieses Wahlfreiheitsmodell nicht sein. Angesichts ihres Positionswechsels wie ich gestern in "Bayern 5" vom Kollegen Güll gehört habe, ist die SPD jetzt für ein reines G 9 und ist vom Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten abgekommen - muss sich die SPD die Frage gefallen lassen, warum sie denn unser Volksbegehren nicht unterstützt. Oder wurde etwa bei dem Vier-AugenGespräch auf höchster Ebene zwischen Herrn Ministerpräsident Seehofer und dem Fraktionsvorsitzenden Rinderspacher schon großkoalitionär vorgearbeitet

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

und der viel gewünschte Konsens mit einer Oppositionspartei einseitig vorbereitet?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die sollten mal mit uns reden, nicht nur mit der SPD!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Taktikspielchen im Hinterzimmer zwischen ahnungslos und hoffnungslos, sondern wir brauchen eine offene Diskussion um eine vernünftige

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

und für alle am Bildungsprozess Beteiligten zufriedenstellende Lösung für das Gymnasium in Bayern, einen Gymnasialkonsens. Da hilft es auch wenig, wenn ein unkundiger BR-Hörfunkjournalist – übrigens ähnlich wie damals bei der Diskussion um die Studiengebühren, als prophezeit wurde, dass bei deren Abschaffung die Arbeit der Unis zusammenbrechen würde – Stimmung gegen unser Volksbegehren macht.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die Bevölkerung gezielt verunsichern!)

Meine Damen und Herren, keine Experimente. - Ist das die Erfahrung aus dem gescheiterten Flexi-Jahr, Herr Spaenle? – Immerhin gehört das Flexi-Jahr auch zum Ist-Zustand, wie Herr Seehofer festgestellt hat. Dieses Experiment ist schiefgegangen. 520 Schülerinnen und Schüler nahmen es in Anspruch, wie Ihre Pressestelle neulich verlauten ließ. In der Pressemitteilung sind Sie übrigens interessanterweise gar nicht mehr erwähnt. Schämen Sie sich etwa schon für dieses Flexi-Jahr? Das könnte man hier fragen. Es werden aber 8 Millionen Euro für 155 Stellenäquivalente zur Verfügung gestellt.

Anscheinend macht sich die CSU momentan aber mehr Gedanken darüber, wie sie denn die Wiedereinführung des G 9 nennen soll. "Reform" darf es schließlich nicht heißen; denn es wurde ja versprochen: keine Reformen im Schulbereich. Ich habe einen Vorschlag an Sie: Sie übernehmen einfach unser Konzept, nennen es "Weiterentwicklung des Gymnasiums" und erfüllen damit den Wunsch der Eltern, der Lehrer und der Schüler.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich will an dieser Stelle auf die bundesweite Entwicklung verweisen. Niedersachsen hat es zuletzt eingeführt; Nordrhein-Westfalen prüft es neuerdings. Ich verweise auch auf die Zahlen aus Baden-Württemberg, die ich vorhin schon genannt habe. Die Tendenz ist mehr als eindeutig und auch auf Bayern übertragbar. So wird sich auch Bayern verhalten. Machen Sie deswegen endlich transparent, was Sie planen. Holen Sie alle Beteiligten, die mit dem Gymnasium zu tun haben, die Schulfamilie aus Lehrern, Eltern und Schülern, die Lehrerverbände und alle Fraktionen an einen Tisch. Dann wären wir da, wo Ihr Ministerpräsident, wie im "Münchner Merkur" am 27. März 2014 zu lesen war, hin will: Seehofer will Schulfrieden in Bayern. Beenden Sie endlich ihre gymnasiale Lethargie, und legen Sie endlich einmal - auch an Kultusminister Spaenle gerichtet - Ihr Konzept auf den Tisch; denn ein lateinisches Sprichwort sagt: Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Herr Spaenle, Sie wissen das