che 17/23764 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte. – Die CSU-Fraktion und die Kollegen Felbinger (frakti- onslos) und Muthmann (fraktionslos). Enthaltungen? – Die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/23763 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion. – Die Urnen sind bereitgestellt. Sie haben fünf Minuten Zeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Das Ergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.
Ich bitte Sie, die Plätze wieder einzunehmen, damit wir mit der Behandlung der nächsten Dringlichkeitsanträge fortfahren können.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Georg Rosenthal, Natascha Kohnen u. a. und Fraktion (SPD) Landtag begrüßt das klare Signal des Europaparlaments an Orbán: EU-Grundwerte müssen eingehalten werden! (Drs. 17/23751)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Karl Freller, Dr. Franz Rieger u. a. und Fraktion (CSU) Für ein gemeinsames Europa - Dialog statt Spaltung (Drs. 17/23766)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa (Drs. 17/23767)
che 17/23751 namentliche Abstimmung beantragt wurde, und eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Rinderspacher. Bitte schön, Herr Rinderspacher.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! In der vergangenen Woche hat im Europäischen Parlament eine historische Abstimmung stattgefunden. Eine
Zweidrittelmehrheit stimmte letzte Woche für ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn wegen der Gefährdung von EU-Grundwerten, was im äußersten Fall zum Entzug der Stimmrechte Ungarns im Ministerrat führen könnte. Zwei Drittel der Abgeordneten des Europaparlaments, Sozialisten, Konservative, Liberale und Grüne, haben für demokratische Werte und für Rechtsstaatlichkeit gestimmt. Das hat politisches Gewicht, und das zeigt, dass Europa endlich Zähne gegenüber autoritären Regimen zeigt. Europa zeigt auch auf, dass Viktor Orbán, der beste Freund der Christlich-Sozialen Union in Bayern, ein Mann ist, der sein demokratisches Mandat missbraucht, um eine illiberale Demokratie und einen undemokratischen Staat zu erschaffen. Das Regime von Viktor Orbán stellt eine Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn dar. So hat es das Europaparlament festgestellt.
Umso erstaunlicher ist das Abstimmungsverhalten der bayerischen Europaabgeordneten der CSU mit Ausnahme von Herrn Weber. Die CSU-Abgeordneten sind bei dieser Abstimmung der europäischen Idee und auch dem wertekonservativen Vermächtnis ihrer eigenen Partei in den Rücken gefallen. Herr Ferber, Frau Niebler, Frau Hohlmeier und Herr Deß haben an der Seite von Rechtsradikalen und Europaverächtern für Viktor Orbán und gegen das Sanktionsverfahren gegen Ungarn gestimmt. Ein christsozialer Ausverkauf europäischer Werte ist das, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dabei haben sich die vier christsozialen Europaabgeordneten nicht nur in die Nähe von Rechtsextremisten begeben, sondern sich gezielt an ihre Seite gestellt. Sie haben die Linie der konservativen Partei, der EVP, verlassen und mit den Abgeordneten des Front National, heute Rassemblement National, der PiS, der Lega Nord, der Ukip mit Herrn Farage und mit der rechtsradikalen Partei der Goldenen Morgenröte in Griechenland für Viktor Orbán gestimmt. Sie standen an der Seite des AfD-Chefs, Herrn Meuthen. Und unter jenen, die mit den CSU-Abgeordneten für Viktor Orbán gestimmt haben, war auch der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt, der Vorsitzende der Nationaldemokratischen Partei in Deutschland von 1996 bis 2011.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Abstimmungsverhalten ist ein Tiefpunkt der politischen Kultur.
Wir fragen Sie: Warum verlassen Sie eigentlich die Linie Ihres möglichen Spitzenkandidaten für die Europawahl 2019, Herrn Weber? Wir fragen Sie und wollen heute wissen: Welche Linie verfolgt die CSU bei der Positionierung der Bundesregierung im Europäischen Rat mit Blick auf diese ungarische Frage? Wir wollen der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag heute die Gelegenheit geben, wenigstens eine kosmetische Korrektur des aus unserer Sicht völlig inakzeptablen, ja skandalösen Abstimmungsverhaltens der Kolleginnen und der Kollegen der CSU im EUParlament vorzunehmen.
Das ist heute der Lackmustest für die CSU. Wie halten Sie es mit Europa? Stehen Sie auf der Seite der Guten oder der Bösen? Stehen Sie auf der Seite der europäischen oder der nationalistischen Idee? Stehen Sie für Rechtsstaat, für Gewaltenteilung und für Pres
sefreiheit ein, oder stehen Sie für die Unterdrückung europäischer Grundwerte ein? Stehen Sie für das Vermächtnis eines Konrad Adenauer, eines Helmut Kohl oder eines Theo Waigel ein? Oder geben Sie dieses stolze wertkonservative, proeuropäische Erbe endgültig auf?
Uns ist bekannt, dass die CSU-Alleinregierung hier in Bayern mit keinem anderen europäischen Regierungschef häufigere und intensivere Kontakte gepflegt hat als mit Viktor Orbán. Uns ist bekannt, dass die CSU den ungarischen Ministerpräsidenten trotz seiner Verstöße gegen den EU-Vertrag, gegen Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit regelrecht hofiert hat, bei Empfängen im frühklassizistischen Prinz-CarlPalais, in Wildbad Kreuth, beim CSU-Parteitag, bei Klausurtagungen, beim Geburtstag von Edmund Stoiber und anderen Gelegenheiten mehr.
Wir wissen, Viktor Orbán ist auch Träger des Franz Josef Strauß-Preises, der von der CSU-nahen HannsSeidel-Stiftung an Persönlichkeiten verliehen wird, die – man höre und staune – sich in herausragender Weise für Frieden, Freiheit und Recht, für Demokratie und internationale Verständigung einsetzen. – Meine Damen und Herren, wenn Sie es ein Stück weit ernst meinen mit Ihrer proeuropäischen Grundhaltung, dann sollten Sie Viktor Orbán diesen Franz Josef Strauß-Preis dringend aberkennen.
Spätestens jetzt, wenn die CSU die Linie der EVP im Europaparlament verlässt, muss man sich doch wirklich fragen, ob hier nicht dringend eine Kurskorrektur nötig ist, auch mit Blick auf die irrlichternden europäischen Fahrten der CSU in vielen Bereichen. Immer wieder hat sich die CSU-Alleinregierung in Bayern in die geistige Nachbarschaft der autoritären Nationalkonservativen Europas begeben.
Es gehört zu den unrühmlichen Kapiteln der BrexitGeschichte, dass der britische Premierminister David Cameron für seine europapolitische Geisterfahrt auch noch Applaus aus Bayern erhielt, von der CSU. Die CSU-Alleinregierung und die Landtagsfraktion haben David Cameron noch ein halbes Jahr vor dem BrexitReferendum bei der CSU-Klausurtagung den roten Teppich ausgerollt. Wir erinnern uns an die Formulierungen: Das sei CSU-Politik pur. Man hofiert einen Europazerstörer und bezeichnet die Politik von Cameron gar als Vorbild für Bayern, als Vorbild für die CSU.
Anstatt diese Zündeleien zu kritisieren und Cameron ins Gewissen zu reden, hat sich die CSU damals die europakritische Haltung Camerons zu eigen gemacht und ihn für dessen Drohgebärden gegen die EU über den grünen Klee gelobt. Das war ein mehr als zweifel
haftes Signal. Und es ist geschichtsvergessen, wenn die CSU hier im Bayerischen Landtag und die Bayerische Staatsregierung immer wieder antieuropäische Symbolanleihen bei nationalkonservativen Rechtspopulisten nimmt. Sie betreiben eine Politik der Renationalisierung unseres Kontinents. Das ist schädlich und grundfalsch.
Wir sagen, es ist falsch, dass die EVP nicht deutlich früher ein Zeichen gegen Viktor Orbán gesetzt hat. Man war offensichtlich der Meinung, man könne ihn eindämmen und einhegen. Aber der Antieuropäer Orbán und seine Gefolgsleute dürfen nicht darauf vertrauen, dass die europäische Wertegemeinschaft weiter beide Augen vor den illiberalen und demokratiefeindlichen Missständen verschließt. Die
Einschränkungen der Meinungs-, der Versammlungs- und Forschungsfreiheit in Ungarn sind nicht hinnehmbar, ebenso wenig wie die Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems. Das Vorgehen des OrbánRegimes gegen Nichtregierungsorganisationen ist ebenso kritikwürdig, wie es die Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten sind. Die Berichte über die in Ungarn stattfindende Korruption der Herrschaftsclique sind regelrecht besorgniserregend. Es ist an der Zeit, auch hier und heute im Bayerischen Landtag ein Zeichen für die europäischen Grundwerte zu setzen. Wechseln Sie Ihren Kurs, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU!
Dabei geht es nicht darum, Ungarn zu bestrafen. Das ist auch nicht Sinn und Zweck des Sanktionsverfahrens, des Rechtsstaatsverfahrens. Der Sinn ist vielmehr, den Dialog mit Ungarn fortzusetzen und sicherzustellen, dass Ungarn Rechtsstaatlichkeit und
Demokratie wahrt. Es geht darum, das autoritäre, antidemokratische Abdriften zu stoppen und Ungarn zurück in die europäische Familie zu holen, die eben auf Werten basiert wie Freiheit, Respekt vor Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Es gibt in Europa leider keine Mechanismen gegen das autoritäre Abdriften eines Mitgliedslandes. Die Gründer der EU haben dafür kein Szenario entwickelt, weil sie sich nicht haben vorstellen können, dass Mitgliedsländer der Europäischen Union die Grundwerte irgendwann verlassen würden. Aber ich finde, wir bzw. gerade Sie müssen Ihren Freunden in Ungarn doch mal erklären, dass Ungarn die höchste Pro-Kopf-Unterstützung in der gesamten Europäischen Union erhält; etwa 30 Milliarden Euro sind in etwa sieben Jahren aus dem EU-Haushalt nach Ungarn geflossen. Die Förderungen entsprechen jährlich fast viereinhalb Prozent
des ungarischen Bruttoinlandsprodukts. Die Ungarn hätten überhaupt kein Wirtschaftswachstum ohne die Hilfe aus Brüssel. Keines der 27 EU-Mitgliedsländer profitiert in dieser Hinsicht mehr als die Ungarn selbst. Da wäre es Ihre Aufgabe, den Kolleginnen und Kollegen der Fidesz mal deutlich ins Stammbuch zu schreiben, dass es wirklich völlig fehl am Platz ist, immer auf Brüssel zu schimpfen, obwohl kein anderes Land stärker von Brüssel profitiert als Ungarn selbst.
Wir bringen dies heute im Bayerischen Landtag natürlich auch deshalb zur Aussprache, weil dies ein Zeichen für die Landtagswahl am 14. Oktober ist. Bayern steht vor der Frage: Wie verhalten wir uns gegenüber Europa? Soll sich Bayern rückwärtsgewandt, europafeindlich, europakritisch und autoritär entwickeln, so wie Sie es offensichtlich an der Seite der Orbáns dieser Welt vor Augen haben, oder entwickeln wir uns solidarisch, gerecht und freiheitlich, so wie es eigentlich unser gemeinsames Anliegen sein müsste? – Mit diesen Fragestellungen müssen wir uns dringend auseinandersetzen. Deshalb sagen wir Ihnen: Stimmen Sie heute bitte für den SPD-Antrag, bekennen Sie sich zu Europa, und machen Sie einen klaren Schnitt mit Ihrer verfehlten Politik gegenüber Viktor Orbán im Ungarn der vergangenen Jahre!
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei den GRÜNEN – Volkmar Halbleib (SPD): Bravo! Sehr gute Rede!)
Vielen Dank, Herr Kollege Rinderspacher. – Nächster Redner ist der Kollege Dorow. Bitte schön, Herr Dorow.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat das Europäische Parlament in der Tat über die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 7 des Vertrages über die Europäische Union abgestimmt. Dieses Verfahren richtet sich gegen das EU-Mitglied Ungarn. Der Vorwurf – Kollege Rinderspacher, Sie haben es richtig gesagt –: Verstöße gegen die Grundwerte der Europäischen Union. Die Parlamentsmehrheit kritisiert dabei – wir wollen einmal versuchen, das einzuordnen –, dass die ungarische Regierung unter anderem die Unabhängigkeit des Justizwesens, die Meinungsfreiheit und die Minderheitenrechte gefährden würde und zudem korrupt sei. 448 Abgeordnete stimmten für die Einleitung des Verfahrens; 197 Abgeordnete stimmten gegen die Einleitung des Verfahrens; 48 enthielten sich.
dass Ungarn nicht mehr stimmberechtigt wäre. Ergänzen können wir auch, dass bereits im Dezember 2017 ein Artikel–7-Verfahren gegen Polen eröffnet wurde. Erinnern Sie sich? – Polen wurde vorgeworfen, die Gewaltenteilung abgeschafft zu haben. Das Verfahren läuft noch, und eine Entscheidung des Rates steht noch aus.
Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, Kollege Rinderspacher, dass wir uns im Nachgang der Abstimmung zur Einleitung des Verfahrens gegen Polen hier im Plenum nochmals dazu geäußert hätten. Da frage ich mich schon, warum man nun Ungarn und damit direkt vor dem Wahlkampf die CSU an den Pranger zu stellen versucht und dabei eine Antirechtsstaatlichkeit und einen Rechtsradikalismus behauptet, der nun wahrlich bei uns nicht gegeben ist. Das hat natürlich nichts damit zu tun, dass wir uns im Wahlkampfendspurt befinden; ich unterstelle das jetzt mal nicht. Die europäische Parlamentsmehrheit hat nun mal entschieden: Das Verfahren wird anlaufen.
Ich möchte jetzt nicht weiter auf die Fragen eingehen, wo da noch Zweifel über das Abstimmungsverhalten bestehen; das sind letztlich Zählstreite. Darüber möchte ich jetzt nicht weiter sprechen, weil ich glaube, es ist nicht relevant für das Ergebnis. Der Dissens, Kollege Rinderspacher, den wir haben, dreht sich doch nicht darum, dass gemeinsame Werte nicht anerkannt oder einzuhalten wären. Er besteht vielmehr darin, wie wir in Europa bei Zweifeln miteinander umgehen. Und weil es darüber Zweifel gibt, ist aus gutem Grund die Abstimmung bei der EVP freigegeben worden. Jemandem, der dagegen stimmt, automatisch zu unterstellen, dass er sich an die Seite der Rechtsradikalen stellt, das, so meine ich, ist dem Wahlkampf geschuldet.
Nein, es hat auch andere gegeben. Entschuldigung, es waren nicht nur Einzelne der EVP-Fraktion, sondern es gab auch viele andere.