Protokoll der Sitzung vom 16.07.2015

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Mindestens drei Jahre!)

Diese Leute brauchen jetzt konkret eine Hilfe.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Deswegen muss der Freistaat Mittel zur Verfügung stellen. Das ist eine Pflicht des Freistaates.

Es geht vielleicht um 11 oder 12 Millionen Euro. Deswegen hat mich auch die Aussage von Herrn Unterländer in der "Staatszeitung" vom 12. Juni gestört, mit der er ausdrücklich davor gewarnt hat, einen Schritt vor dem anderen zu gehen. Wir haben für das Blindengeld Geld. Wir haben auch Geld für den G-7-Gipfel gehabt. Wir haben sehr viel Geld für die Flüchtlinge und Asylbewerber, das ist auch richtig und wichtig. Dann muss aber auch für die Schwächsten in unserer Gesellschaft Geld vorhanden sein.

Deswegen sage ich zum Schluss: Die Qualität einer Gesellschaft, die Qualität der Politik erkennt man vor allem auch daran, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Zu diesen Schwächsten gehören eben die hochgradig Sehbehinderten. Deswegen stimmen wir beiden Gesetzentwürfen zu. Der Gesetzentwurf der SPD ist sogar noch etwas besser als der der GRÜNEN, weil er weiter geht. Trotzdem stimmen wir auch dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zu, weil er eine Verbesserung gegenüber dem Status quo darstellt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Dr. Fahn. Als Nächster hat sich Staatssekretär

Hintersberger zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, es ist deutlich: Bayern ist mit viel Kraft und viel Engagement aus den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppierungen auf einem guten Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Es ist schon angesprochen worden: Bayern hat sehr früh versucht, gerade die Situation der blinden Menschen aufzugreifen und zu unterstützen. Bayern war das erste Bundesland, das ein Blindengeld als reine Landesleistung eingeführt hat. Das war am 1. Oktober 1949. Wir sind damit Vorreiter.

(Kerstin Celina (GRÜNE): Gewesen!)

Herr Kollege Fahn, zu Recht wird dies immer wieder betont. Selbstverständlich haben sich diese Leistungen weiterentwickelt, und das wissen Sie auch. Mit dem Blindengeld trägt der Freistaat Bayern der besonderen Situation seiner blinden und taubblinden Mitbürgerinnen und Mitbürger Rechnung. In Bayern sind dies derzeit rund 14.500 Menschen. Sie werden im Jahr 2015 mit rund 81 Millionen Euro Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz unterstützt. Dies ist gut und dies ist richtig. Dieses Geld dient als Ausgleich behinderungsbedingter Mehraufwendungen.

Darüber hinaus nimmt sich der Freistaat besonders der Situation der taubblinden Mitmenschen an. Sie können sich weder visuell noch akustisch orientieren. Ihre Situation ist daher noch schwieriger. Diese besondere Situation schlägt sich in einem erhöhten Aufwand nieder. Deshalb haben wir das Blindengeld für taubblinde Menschen zum 1. Januar 2013 verdoppelt. Das Taubblindengeld beträgt aktuell 1.112 Euro im Monat. Auch damit stehen wir bundesweit an der Spitze der Leistungen.

Das Blindengeld wird einkommens- und vermögensunabhängig bezahlt. Es setzt keine Pflegebedürftigkeit voraus. Auch das möchte ich ganz dick unterstreichen. Da es sich beim Blindengeld um eine reine Landesleistung handelt, wird dies auch weiter so bleiben. Frau Kollegin Celina, Sie haben gesagt, für blinde und taubblinde Menschen werde nichts getan. Diese Aussage ist, gelinde gesagt, grenzwertig.

Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD soll ein auf 30 % abgesenktes Blindengeld für hochgradig sehbehinderte Menschen eingeführt werden. Die SPD fordert zusätzlich ein auf 60 % abgesenktes Blindengeld für hochgradig sehbehinderte Menschen, die gleichzeitig auch gehörlos sind. Aus der Sicht der betroffe

nen Menschen sind die Forderungen in den Gesetzentwürfen selbstverständlich nachvollziehbar. Das ist überhaupt keine Frage.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Dann können sie auch umgesetzt werden!)

Wir wählen aber einen anderen, einen, wie wir meinen, zielgenaueren und auch gerechteren Weg. Die vorliegenden Gesetzentwürfe sind behindertenpolitisch durchaus zu hinterfragen. Sie würden nicht zu rechtfertigende Präzedenzfälle schaffen. Warum? Die Einführung eines Blindengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen und für hochgradig sehbehinderte und gehörlose Menschen wirft Fragen der Gleichbehandlung auf. Auch dies wissen Sie aus verschiedenen Diskussionen. So werden in ähnlicher Form auch Forderungen von anderen Behindertengruppen, zum Beispiel von gehbehinderten Menschen, kommen. Wo soll hier die Grenze gezogen werden, mit welcher Begründung, mit welcher Rechtfertigung? - Ich denke, diese Aspekte dürfen nicht kleingeredet werden, sondern müssen in diesem Gesamtzusammenhang berücksichtigt und offen angesprochen werden. Selbstverständlich kommt zweitens der Kostenaspekt dazu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch dies ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist nicht unkeusch, diese Dinge auch darzustellen. Wir rechnen für die Leistungsausweitungen der beiden Gesetzentwürfe mit geschätzten Mehrausgaben in Höhe von rund 12 Millionen Euro. Angesichts der fachlichen Bedenken gegen ein Blindengeld für hochgradig sehbehinderte Menschen sind wir der Auffassung: Wir sollten dieses Geld lieber für andere soziale Aufgaben einsetzen. Für welche Aufgaben sollen wir es einsetzen? Kennen Sie die großen Aufgaben? - Wir haben heute in der Aktuellen Stunde das Thema Asyl sehr intensiv besprochen; es geht aber auch um die Kinderbetreuung und "Bayern barrierefrei". Die Haltung der Bayerischen Staatsregierung in dieser Frage ist deshalb klar. Wir lehnen die vorliegenden Gesetzentwürfe aus behindertenpolitischen und finanziellen Gründen ab.

(Zuruf von der SPD)

Wir schlagen stattdessen einen zielgenaueren und behindertenpolitisch gerechteren Weg vor. Wir wollen die Situation aller Behinderten in Bayern nachhaltig verbessern, nicht nur die Situation einzelner Gruppen. Meine Damen und Herren, ich konnte gestern mit der Frau Wirtschaftsministerin im Ägyptischen Museum eine -

(Unruhe und Lachen bei Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

- Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt. Kennen Sie das Ägyptische Museum?

(Inge Aures (SPD): Ja, das ist sehr schön! – Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Welches?)

- Sie haben gelacht. Sagen Sie mir, warum Sie lachen!

(Beifall der CSU – Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Oberlehrer! – Zuruf von der CSU: Da spricht der Richtige!)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Christian, das hat nichts mit Oberlehrer zu tun. Bei diesem Thema nicht!

(Beifall bei der CSU – Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Genau! – Christine Kamm (GRÜNE): Bleiben Sie doch beim Thema!)

- Da war ich.

(Heiterkeit bei der CSU – Jürgen W. Heike (CSU): Das verstehen die nicht!)

Ich konnte gestern mit der Wirtschaftsministerin im Römischen Museum eine ausgesprochen intensive -

(Inge Aures (SPD): Ich dachte ägyptisch! Römisch oder ägyptisch?)

- Im Ägyptischen Museum, Entschuldigung.

(Heiterkeit bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Hauptsache, im Museum war er!)

- Ja, das war mein Fehler.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, da können Sie lachen. Das war mein Fehler. Lachen Sie eine Runde, dann machen wir weiter. – Ich konnte gestern mit der Wirtschaftsministerin im Ägyptischen Museum eine ausgesprochen gute, tolle Einrichtung vorstellen, nämlich "Reisen für Alle", ein Tourismusprojekt, das alle Menschen, auch und gerade Menschen mit Behinderung besonders in den Fokus nimmt. Vonseiten des Wirtschaftsministeriums wird dieses Projekt unterstützt. Was meine ich mit Menschen mit Behinderung? - In diesem Ägyptischen Museum war eine umfangreiche, ganz bewusst auf Mitmenschen mit Behinderungen abgestimmte Maßnahmenvielfalt beispielhaft dargestellt. Das geht von unterfahrbaren Schautischen für Menschen mit Rollator oder mit Rollstuhl bis hin zu Führungsleisten und für blinde Menschen greifbaren, anfassbaren Statuen über Blinden

schrift, der Darstellung in leichter, verständlicher Sprache bis zu den Audio-Guides gerade auch für hörgeschädigte Menschen. Dies möchte ich als Beispiel dafür nennen, dass es besonders darauf ankommt, die Mittel entsprechend einzusetzen und nicht "nur" für Einzelne oder eine einzelne Gruppe. Dies ist unser Ansatz, meine Damen und Herren. Inklusion, die selbstverständliche Teilhabe von Mitmenschen mit Behinderung, ist daher ein zentrales Anliegen bayerischer Sozialpolitik. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns seit vielen, vielen Jahren stellen.

Kollege Huber hat gerade die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe im Rahmen der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes sehr intensiv dargestellt. Ich darf Ihnen die aktuellen Zeitvorgaben nennen, weil bei manchen Redebeiträgen gefragt wurde, wann das kommt, ob in drei, vier oder fünf Jahren oder vielleicht gar nicht. Die Kollegin aus dem Bundesarbeitsministerium, Kollegin Staatssekretärin Lösekrug-Möller, hat dies gestern ganz konkret angesprochen. Der Referentenentwurf für das Bundesteilhabegesetz wird im Herbst vorliegen, im Frühjahr 2016 in das Bundeskabinett gehen und am 01.01.2017 in Kraft treten. Daher gibt es eine klare Vorgabe, was die zeitliche Abfolge anbelangt. Mit der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes soll die Inklusion von Menschen etwa mit hochgradiger Sehbehinderung oder schwerer Gehörschädigung ausgebaut, weitergeführt und optimiert werden.

Nicht nur hierauf liegt der Fokus der Bayerischen Staatsregierung, sondern – lassen Sie mich dies noch ganz kurz sagen – wir wollen mit "Bayern barrierefrei 2023" den öffentlichen Raum barrierefrei machen. Ich möchte dies in diesem Zusammenhang ganz bewusst ansprechen, meine Damen und Herren. Barrierefreiheit ist für alle Menschen von zentraler Bedeutung: für die Mitmenschen mit Behinderungen aller Art, für ältere Bürgerinnen und Bürger, die zum Beispiel auf einen Rollator angewiesen sind, aber auch für Familien mit Kleinkindern, mit Kinderwagen. "Bayern barrierefrei 2023" ist ein Programm für alle Menschen. Mit ihm werden manche behinderungsspezifische Nachteile zusätzlich abgebaut werden. Dies ist unsere Zielsetzung.

Ich komme zum Schluss. Alle Menschen mit Behinderung werden von einer Reform der Eingliederungshilfe und von "Bayern barrierefrei 2023" einen Mehrwert haben, auch hochgradig sehbehinderte Menschen. Das ist nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung die gerechtere, die richtige Lösung. Diesen Weg schlagen wir vor. Daher bitte ich um Ablehnung der beiden Gesetzentwürfe.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatssekretär. Bitte bleiben Sie noch. Herr Dr. Fahn hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Ja, ich finde es super -

Langsam. Jetzt. – Bitte schön, Herr Fahn.

Entschuldigung. – Ich finde es super, dass Sie gestern neue Nachrichten aus dem Bundesarbeitsministerium bekommen haben. Stichwort 01.01.2017. Hat Ihnen diese Frau gesagt, ob wir Geld bekommen? Es geht ja auch um diese 12 Millionen Euro. Ob die auch vorgesehen sind, würde ich gerne wissen, weil das ein ganz wichtiger Punkt ist. Darauf warten diese Leute.

(Zuruf von der SPD)

Es folgt ein zweiter Punkt. Es gibt vielleicht zusätzliche Informationen, die uns der Herr Staatssekretär jetzt nennen kann. Ich finde es super, dass Sie hier die Barrierefreiheit so deutlich angesprochen haben. Das werden wir sehen. Die erste Nagelprobe wird im Herbst kommen. Wir haben zum Beispiel heute einen Dringlichkeitsantrag zu barrierefreien Bahnhöfen eingebracht, in dem es um eine Erhöhung der Mittel von 60 auf 120 Millionen Euro geht. Wir sind gespannt, wie Sie darauf reagieren werden und ob Sie dazu "Ja" sagen. Ihnen geht es doch auch um Barrierefreiheit.

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Herr Fahn, Sie kennen das Thema ganz genau. Der Referentenentwurf wird im Herbst vorgelegt werden. Wir werden ihn seitens des Freistaates sehr intensiv im Sinne der Mitmenschen mit Behinderung nicht nur anschauen, sondern auch, wo dies nötig ist, ergänzen. Dabei spielen auch stark sehbehinderte Menschen eine wichtige Rolle. Ich betone es nochmals: Diese Personengruppe ist bereits heute von der Eingliederungshilfe mit erfasst. Das Thema "Bayern barrierefrei 2023" haben wir im Rahmen des letzten Plenums intensiv beraten. In diesem Doppelhaushalt sind dafür 205 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Ich denke, das ist ein guter und wichtiger Aufschlag. Lassen Sie uns miteinander kämpfen und auf diesem Weg weitere gute Fortschritte im Sinne der Mitmenschen mit Behinderung in welcher Form auch immer machen.

(Beifall bei der CSU)