Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Das Nichtstun haben wir auch letzte Woche im Wirtschaftsausschuss bemerkt. Wir haben fünf Anträge von unserer Seite beraten. Kollege Ganserer und ich haben diese Anträge eingebracht, und die CSU-Fraktion hat sie allesamt abgelehnt. Deswegen lautet unsere Frage: Was wollen Sie für den Klimaschutz tun? Sie lehnen zwar einen Antrag nach dem anderen ab, haben aber selber keine Alternativvorschläge. Deswegen frage ich: Was muss denn noch passieren, damit Sie in der CSU-Fraktion endlich aufwachen? Was muss noch passieren?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich zitiere unseren Staatsminister Söder jetzt schon das zweite Mal. Das mache ich normalerweise nicht. Aber heute Nachmittag hat er gesagt: Wir müssen raus aus unseren Schablonen. Das kann ich nur unterstützen. Aber dann machen Sie es doch endlich! Raus aus den Schablonen und jetzt sagen: Wir wollen weg von dieser Politik der kurzfristigen Erfolge; denn die hat versagt. Die großen Sünder sitzen nicht im Umweltministerium, deren Ministerin heute Morgen den ganzen Sachverhalt vorgestellt hat. Die ganze Politik von mehr Wachstum, mehr Ertrag, mehr Versiegelung, mehr Maiswüsten, die Lockerung des Anbindegebots, ein LEP ohne Schranken, die ganzen Straßenbauorgien:

(Erwin Huber (CSU): Das sind doch Kraut und Rüben!)

Das alles kommt aus dem Wirtschaftsministerium, das kommt aus dem Landwirtschaftsministerium. Der Vor

sitzende des Wirtschaftsausschusses – Sie, Herr Huber – trägt auch einiges dazu bei. Das Ganze kommt aus diesen Ministerien und noch dazu aus dem Innenministerium. Das ist die Politik des blinden Wachstums. Wenn wir so weitermachen, gefährden wir den Wirtschaftsstandort Bayern. Deswegen sagen wir ganz klar: kein Zögern mehr beim Klimaschutz!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir appellieren an Sie, sich dafür einzusetzen, dass das EEG gerettet wird und dass Bürgerenergieprojekte leichter möglich werden. Wir sind in der finalen Phase. Jetzt ist der Zeitpunkt zum Umschalten; denn die Bürger verstehen durchaus die Notwendigkeit langfristiger Klimaschutzmaßnahmen. Sie spüren, wie mein Kollege Magerl es heute Nachmittag ausgedrückt hat, dass etwas aus den Fugen gerät. Jetzt gilt es, die Bürger einzubinden und ihnen bessere Möglichkeiten zur Beteiligung an Klimaschutzmaßnahmen zu eröffnen. Es gilt, aus der Phase der Reaktion herauszukommen. Dafür sollte sich die Staatsregierung einsetzen. Dafür sollten wir alle an einem Strang ziehen. Der Zeitpunkt ist gekommen, um eine radikale Politikwende einzuleiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Stümpfig, einen kleinen Moment! Wir haben zwei angemeldete Zwischenbemerkungen. Zunächst Frau Kollegin Kohnen, bitte.

Lieber Herr Stümpfig, zunächst eine Richtigstellung: Ich habe nicht gesagt, dass ich die EEGUmlage kritisiere – überhaupt nicht. Ich behaupte, dass das EEG das bahnbrechendste Gesetz ist, das wir seit Langem auf die Reihe gebracht haben. Die Gewährung eines Vorrangs war notwendig, damit die erneuerbaren Energien überhaupt in den Markt hineinkommen konnten. Man muss aber auch zugeben, dass etliche Menschen durch die 20-jährige Garantie der Einspeisevergütung ein gutes Geschäft gemacht haben.

Mir geht es jetzt um etwas anderes: Die erneuerbaren Energien haben auf dem Markt einen so großen Anteil erreicht, dass wir einen Mechanismus brauchen, mit dem geregelt wird, wie sie am Wettbewerb teilnehmen können. Es geht mir jetzt nicht darum, einfach zu behaupten, das sei alles zu teuer oder sonst was. Klar ist: In einem liberalisierten europäischen Strommarkt funktioniert es nicht mehr auf die bisherige Art und Weise. Dafür haben wir – Gott sei Dank! – zu viel erneuerbare Energie.

Das Ausschreibungsmodell ist eine der Möglichkeiten, die man nutzen kann. Die Zweifel habe ich schon angemeldet. Aber man muss Gesetze auf den Weg bringen, um sie dann überprüfen zu können. Es wird uns im Rahmen der Energiewende noch x-mal passieren, dass wir unbekannte Schritte gehen und noch nicht wissen, wie es funktioniert. Wenn wir insoweit Fehler machen, dann müssen wir sie korrigieren. Ich erinnere daran, dass die Staatsregierung ihren Fehler beim Netzausbau auch "geschnallt" hat und irgendwann zu dem Ergebnis gekommen ist: Aha, wir brauchen doch Übertragungsnetze!

Zunächst kurz zu dem Thema Übertragungsnetze. Ja, die Staatsregierung hat es – hoffentlich – endlich geschnallt. Ich habe allerdings große Zweifel, wenn sich zum Beispiel Staatssekretär Füracker für die Erdverkabelung von Wechselstromleitungen einsetzt, obwohl er wissen müsste, dass dies rein physikalisch nicht möglich ist. Wie gesagt, ich hoffe, Sie haben damit recht, Frau Kohnen, dass die Staatsregierung es verstanden hat.

Nun zu dem Thema EEG: Ihre Aussage ging in die Richtung, dass angeblich einfach nur die Kosten steigen. Das will ich relativieren bzw. infrage stellen. Ich sehe es nicht so, dass die Kosten steigen. Einig sind wir uns aber sicherlich in dem Punkt, dass immer wieder nachgesteuert werden muss. Ich glaube zum Beispiel, dass wir bei der Photovoltaik zu spät nachgesteuert haben. Zu Beginn war die Vergütung wirklich sehr hoch. Man hat zu lange zugeschaut und hätte früher einhaken sollen.

Heute können wir aber feststellen, dass es in nur drei Jahren zu einer Kostenhalbierung gekommen ist. Neue Anlagen sind sehr günstig; dies gilt insbesondere für den Bereich der Onshore-Windkraft. Weshalb wird jetzt ein Ausschreibungsmodell aufgesetzt, das gerade die kostengünstigen Säulen der Energiewende so stark schwächt? Man braucht doch nur in andere Länder zu schauen, um festzustellen, dass dieses Ausschreibungsmodell nur sehr schlecht funktioniert. Das sind unsere großen Bedenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund haben wir die Gelegenheit ergriffen, unsere Ideen in einem Dringlichkeitsantrag zusammenzufassen und Ihnen zu präsentieren. Wir sprechen uns gegen eine Obergrenze von 45 % aus. Wir wollen zu dem alten Fördermechanismus zurückkehren. Wir wollen eine gleichmäßige Verteilung erreichen. Wir wollen auch, dass große, energieintensive Betriebe nicht mehr von der EEG-Umlage befreit werden. Die Kosten müssen gleichmäßig auf alle Schultern verteilt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Herr Kollege Kirchner verzichtet; das habe ich richtig verstanden.

Gehen Ihnen die Argumente aus, Herr Kirchner?

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN – Heiter- keit bei der CSU)

Ach, Herr Kollege Stümpfig!

Das musste jetzt sein.

Damit sind Sie befreit, Herr Stümpfig. – Für die Staatsregierung hat sich Herr Staatssekretär Pschierer gemeldet. Bitte schön.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Ober sticht Unter! So schaut es aus!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Man fragt sich wahrlich, was an diesem Antrag dringlich sein soll. Herr Stümpfig und Herr Glauber, der Antrag ist weder dringlich noch zielführend. Ich sage es Ihnen jetzt in aller Deutlichkeit: Er ist schlichtweg überflüssig.

Gestern hat das Bundeskabinett entsprechende Beschlüsse gefasst, das heißt einen Kompromiss gefunden. Ob es uns passt oder nicht: Die Welt ist auch in der Energiepolitik nicht immer nur schwarz oder nur weiß, sondern häufig ein Stück weit grau. Der Kompromiss wird von allen Koalitionspartnern getragen. Deshalb ist die Diskussion, die Sie, Herr Stümpfig und Herr Glauber, heute angezettelt haben, müßig.

Zum Zweiten: Sie sollten sich einmal anschauen, wann und in welchem Rahmen der Durchbruch gelungen ist. Er ist gelungen in einer Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz am 31. Mai und dann im Koalitionsausschuss. Wenn ich richtig informiert bin, sind sich auf der Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz alle 16 Ministerpräsidenten im Grundsatz einig gewesen. Herr Stümpfig und Herr Hartmann, bei dieser Konferenz ist einer dabei gewesen, der Ihrer Fakultät angehört, nämlich der baden-württembergische Ministerpräsident. Es ist scheinheilig, wenn Sie sich hier im Bayerischen Landtag hinstellen und das konterkarieren, was der von Ihrer Partei gestellte baden-württembergische Ministerpräsident mitgetragen hat.

(Beifall bei der CSU)

Dritter Punkt: Es ging tatsächlich um die Vertretung bayerischer Interessen. Das war und ist uns sehr wichtig. Herr Kollege Sandro Kirchner, aber auch Frau Kollegin Kohnen haben das schon verdeutlicht.

Ich will mich anhand von zwei, drei Punkten kritisch mit den Argumenten der Opposition auseinandersetzen.

Ich beginne mit dem Thema 10 H. Ihre Behauptung, 10 H mache den Ausbau der Windenergie kaputt, glauben Sie doch wohl langsam selbst nicht mehr. Sie erzählen mir und unseren Leuten doch immer, wie hoch in der bayerischen Bevölkerung die Akzeptanz des Ausbaus der Windkraft sei. Dann wird das alles doch kein Problem sein; denn wenn die Akzeptanz so hoch ist, dann wird es reihenweise Gemeinden, Städte und Landräte geben, die freiwillig und gern von der 10-H-Regelung abweichen. Insofern ist Ihre Argumentation ein Widerspruch in sich.

(Beifall bei der CSU)

Herr Stümpfig, was den Netzausbau angeht, so bitte ich Sie, sich einfach eine Karte zur Hand zu nehmen und sich die ersten Entwürfe von Herrn Homann von der Bundesnetzagentur anzuschauen. Wissen Sie eigentlich, was die Umsetzung für den Freistaat Bayern in Bezug auf Trassenführung und Trassenlänge bedeutet hätte? Es galt das Prinzip "Freileitung vor Erdverkabelung". Wir haben heute zwei Trassen mit wesentlich kürzeren Strecken zwischen den Endpunkten, was den Freistaat Bayern angeht, und es gilt das Prinzip "Erdverkabelung vor Freileitung".

Herr Kollege Stümpfig, Sie haben den Kollegen Füracker angesprochen. Ich stelle fest: Er kämpft in der Bayerischen Staatsregierung dafür, dass wir auch im Wechselstrombereich Erdverkabelungsprojekte bekommen. Warum soll es in Bayern nicht möglich sein, wenn es in Bundesländern, die von der SPD regiert werden, möglich ist?

Herr Stümpfig, Sie sagten, eine Erdverkabelung sei im Wechselstrombereich nicht möglich. Ich sage Ihnen: Für diese Frage gibt es Experten, bei denen man sich erkundigen kann. Wir wissen, dass im Gleichstrombereich 300, 400 oder 500 km Erdverkabelung möglich sind. Im Wechselstrombereich sind die physikalischen Grenzen enger; das stimmt. Aber immerhin sind Strecken von 10 bis 15 km möglich. Wenn ich mir die Region Schwandorf anschaue, dann stelle ich fest, dass dort ein Erdkabelprojekt von 15 km Länge ausreicht, um Widerstände in der Bevölkerung zu bereinigen.

Ich komme zu dem vierten Punkt, der mir wichtig ist. Sind die bayerischen Interessen ausreichend berück

sichtigt worden? – Ich stelle fest: Es gibt weiterhin einen angemessenen Ausbau der erneuerbaren Energien. Davon wird in den verschiedenen Sektoren auch Bayern profitieren.

Wir haben einen weiteren wichtigen Erfolg erzielt: Es ist uns zum ersten Mal gelungen, die Themen Netzausbau und Ausbau der erneuerbaren Energien zu synchronisieren. Es taucht zum ersten Mal der Begriff "Netzengpassgebiete" auf; diese werden geographisch definiert. Das sind Gebiete, von denen wir nach aktuellem Planungs- und Bebauungsstand schon wissen, dass wir dort künftig abregeln müssen. Es ist doch schwachsinnig, erneuerbare Energien zuzubauen – das müssen wir über das EEG bezahlen –, aber dann abzuregeln, weil wir die erforderlichen Kapazitäten nicht haben.

Es ist interessant, wo die Netzengpassgebiete in Deutschland sind. Wenn wir auf die Landkarte schauen, sehen wir: Die sind in Nordhessen, die sind in Schleswig-Holstein, und die sind in Niedersachsen. Bayern hat kein Problem. Bayern schafft hier die Lösung. Das Problem haben norddeutsche Bundesländer, die über Gebühr und ohne Netzintegration die Offshore-Windkraftanlagen ausgebaut haben.

(Beifall bei der CSU)

Ich empfehle jedem von Ihnen, sich einmal mit einem tschechischen oder polnischen Minister oder Staatssekretär zu unterhalten. Wissen Sie, was diese Leute Ihnen sagen werden? – Sie sagen: Die Energiewende, die Sie machen, machen Sie zum Teil zulasten der europäischen Nachbarn; wenn Sie Ihre Netze nicht mehr stabil halten können, jagen Sie nämlich den Strom über polnische und tschechische Netze. Deshalb ist es richtig, dass wir eine Begrenzung eingeführt haben.

Das Gleiche gilt für das zusätzliche Ausschreibungsvolumen für große Photovoltaikanlagen. Bayern wird von dieser Maßnahme profitieren. Der zentrale Punkt für den Freistaat Bayern, wenn auch nicht der einzige, ist die Sicherstellung der Biomasseanlagen über das Jahr 2020 hinaus. Die anderen Punkte habe ich soeben genannt. Herr Glauber, ein Koalitionsgespräch ist eben so, wie es ist. Wir fordern etwas, die anderen fordern etwas, und irgendwo gibt es einen Punkt, an dem sich beide Seiten treffen. Die Bayerische Staatsregierung hat aus ihrer Sicht das Optimum für die bayerischen Bürgerinnen und Bürger herausgeholt. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass das EEG im Jahr 2016 weiterhin auf eine Marktintegration zusteuert. Wir können nicht immer mehr Anlagen zubauen und so tun, als hätte das mit dem Markt nichts zu tun.

Deshalb haben wir die richtige Weichenstellung vorgenommen.

Ich möchte noch auf einen letzten Punkt eingehen, weil dieser immer wieder in der Argumentation der GRÜNEN auftaucht, nämlich auf die besondere Ausgleichsregelung für die großen, energieintensiven Betriebe. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Das ist keine Vorteilsgewährung für bayerische Industriebetriebe, sondern ein Nachteilsausgleich, nicht mehr und nicht weniger. Wer das nicht glaubt, den bitte ich einmal, Betriebe der oberfränkischen Glasindustrie, der Papierindustrie, der Zementindustrie und der keramischen Industrie zu besuchen. Wenn Sie dies tun, wird Ihnen der Vertreter von UPM-Kymmene oder der Vertreter der bayerischen Glasindustrie sagen: Wissen Sie, was die Konzernzentralen interessiert? – Die Konzernzentralen sehen sich Frankreich, Helsinki, Tschechien und Bayern an und interessieren sich nur für einen Parameter, nämlich für den Anteil der Energiekosten an der Bruttowertschöpfung des jeweiligen Standortes. In diesen Industriebereichen sehen wir sehr alt aus.

Die Politik, die Sie betreiben wollen, würde zu einer Deindustrialisierung Bayerns führen. Bayern war immer ein Industriestandort. Deshalb stehen wir zu dieser besonderen Ausgleichsregelung. Der Kompromiss, den wir gefunden haben, geht in die richtige Richtung. Wer die regionale Steuerung nicht zu schätzen weiß, gefährdet den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wer die Deckelung ablehnt, macht den Strom noch teurer. Deshalb plädiere ich dafür, beide Dringlichkeitsanträge abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen daher zur Abstimmung. Wir führen jetzt die Abstimmung über die Dringlichkeitsanträge in einfacher Form durch. Danach werden wir über die vorherigen Dringlichkeitsanträge abstimmen. Eine dieser Abstimmungen wird in namentlicher Form durchgeführt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11812 – das ist der Antrag der Fraktion der GRÜNEN – zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen, bitte. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CSU. Gibt es Enthaltungen? – Eine Stimmenthaltung aus den Reihen der SPD. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 17/11830 – das ist der Antrag der Fraktion der