Protokoll der Sitzung vom 23.02.2022

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 106. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Wir tagen erneut in hälftiger Besetzung, und ich darf Sie darauf hinweisen, dass der Bayerische Rundfunk den Tagesordnungspunkt 1, "Zustimmung zur Berufung und Entlassung von Mitgliedern der Staatsregierung nach Art. 45 der Verfassung", live überträgt.

An dieser Stelle begrüße ich ganz herzlich den Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder.

(Beifall)

Heute gehört unsere Aufmerksamkeit den Personalentscheidungen in der Staatsregierung, und doch reichen unsere Gedanken weit über den Freistaat Bayern hinaus – hinaus zu den Menschen in der Ukraine, zu unseren Nachbarn in Osteuropa.

Gemeinsam mit der westlichen Welt verurteilen wir aufs Schärfste die Völkerrechtsverletzungen durch die Russische Föderation. Wir werden Zeugen einer beginnenden russischen Invasion, eines strategisch geplanten Feldzuges, skrupellos verbrämt als Verteidigung, auf Basis von Propaganda und Unwahrheiten. Diese Attacke auf die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine ist inakzeptabel. Bayern und Deutschland stehen unverrückbar an der Seite der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen.

(Allgemeiner Beifall)

Die EU, der gesamte Westen, reagiert geschlossen auf diese russische Aggression. In dieser Situation, in der Präsident Putin einseitig völlig neue Fakten geschaffen hat, ist es jetzt Zeit für scharfe Sanktionen. Jetzt geht es um Krieg und Frieden. Jetzt geht es um Freiheit in Europa.

Es war mir eine Herzensangelegenheit, das in einer liberalen Demokratie klarzustellen, wie wir eine sind und auf die wir stolz sein können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, sich vom Platz zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 13. Februar ist im Alter von nur 58 Jahren Herr Kollege Josef Seidl verstorben. Er gehörte dem Bayerischen Landtag seit 2018 an, vertrat zunächst für die AfD den Wahlkreis Niederbayern und war seit Anfang Dezember 2021 fraktionslos. Der gelernte Heizungs- und Lüftungsbaumeister gehörte im Bayerischen Landtag dem Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr an.

Wir sind besonders erschüttert, wenn wir jemanden aus unseren Reihen verlieren. Der Bayerische Landtag trauert mit seinen Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. –

Gestern hat uns noch die Nachricht vom Tod von Franz Krug erreicht, der vor wenigen Tagen im Alter von 86 Jahren verstorben ist. Franz Krug gehörte dem Bayerischen Landtag von 1970 bis 1978 an und vertrat für die CSU zunächst den Stimmkreis Forchheim-Stadt und -Land, Höchstadt an der Aisch und später den Stimmkreis Erlangen-Land. Vor seiner politischen Karriere war der Jurist in den bayerischen Justizdienst eingetreten. Er wurde Staatsanwalt in Regensburg und später Amtsgerichtsrat in Forchheim. Im Bayerischen Landtag gehörte er unter anderem dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen an.

1978 wurde er zum Landrat des Landkreises Erlangen-Höchstadt gewählt. Dreimal wurde Franz Krug im Amt bestätigt. In seiner 24-jährigen Amtszeit hat der Landrat aus Leidenschaft seine Heimat wesentlich mitgeprägt.

Für seine politischen und gesellschaftlichen Verdienste wurde er unter anderem mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland, dem Bayerischen Verdienstorden und der Bayerischen Verfassungsmedaille ausgezeichnet.

Der Bayerische Landtag trauert mit seinen Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. –

Sie haben sich zum Gedenken erhoben. Vielen herzlichen Dank.

Zur Beratung rufe ich Tagesordnungspunkt 1 auf:

Zustimmung zur Berufung und Entlassung von Mitgliedern der Staatsregierung nach Art. 45 der Bayerischen Verfassung

Wie Sie wissen, hat mich Herr Ministerpräsident Dr. Markus Söder darum gebeten, diesen Tagesordnungspunkt noch auf unsere Tagesordnung zu setzen. Mit dieser nachträglichen Änderung der Tagesordnung haben sich alle Fraktionen kurzfristig und übereinstimmend einverstanden erklärt. Dafür auch ein herzliches Dankeschön.

Nun erteile ich das Wort dem Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich dazu spreche, auch von meiner Seite, vonseiten der Bayerischen Staatsregierung einige Worte und ein klares Statement zu der herausfordernden Situation, die uns alle bewegt – jenseits von bayerischer Politik.

Die Lage in der Ukraine ist dramatisch. Es ist eine Lage, die wir uns seit vielen Jahrzehnten so nicht mehr haben vorstellen können, hatten wir doch als Europäer das große Glück, dass wir weitgehend von Kriegen dieser Dimension auf unserem Kontinent seit vielen Jahren verschont sind. Ein richtiges Bedrohungsgefühl, wie es noch in den 70er-, 80er-Jahren der Fall war, schien weit weg.

Dabei ist heute die Lage ganz anders. Das, was sich in der Ukraine andeutet, das, was dort passiert und auf den Weg gebracht wird, bedeutet eine epochale Zäsur. Für uns ist der Erhalt von Frieden niemals Zufall, sondern immer das wichtigste Gut von diplomatischen Anstrengungen und Zeichen eines ehrlichen Interesses an vertrauensvoller Nachbarschaft. Dieses Vertrauen scheint jetzt zerbrochen.

Ich sage ganz klar, auch im Namen der Staatsregierung: Die Souveränität und territoriale Integrität eines Staates ist nicht verhandelbar. Das russische Vorgehen in der Ukraine ist ein inakzeptabler Bruch des Völkerrechts, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

Am vergangenen Wochenende war die Münchener Sicherheitskonferenz. Sie ist oft eines der wichtigsten Treffen internationaler Politik, manchmal ein Speed-Dating mit verschiedenen Gesprächen, wahrscheinlich mehr als bei der UNO und bei manch anderer Veranstaltung. Aber diesmal war es anders. Das war spürbar. Der Westen rückt zusammen. Der Westen ist sich einig in der Herausforderung. Auch wenn der eine oder andere Akzent vielleicht anders ist: Grundsätzlich ist sich der gesamte Westen an dieser Stelle in einer Hinsicht einig, und wir dürfen dies auch

wirklich sagen: Auch wenn wir manchmal untereinander in der pluralen Demokratie streiten und zu Recht Interessen abwägen und wenn wir nicht immer nur Harmonie haben – das ist das Wesen einer liberalen Demokratie –: Bei wichtigen Fragen stehen wir geschlossen, und bei wichtigen Fragen, wenn es um die Verteidigung unserer Werte geht, ist der Westen, ist Deutschland und ist auch Bayern geeint. Man soll diese Einigkeit nicht unterschätzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

Deswegen ganz klar: Wir unterstützen die Bundesregierung, und zwar in vollster Weise. Wir stehen in dieser Frage fest an der Seite der Bundesregierung und auch der westlichen Staatengemeinschaft und tragen alle – ich sage bewusst: alle – Maßnahmen mit, die derzeit diskutiert, beschlossen und initiiert werden. Auch wenn das jetzt wirtschaftliche Schäden für unser Land bedeutet, gibt es dazu keine Alternative: Nord Stream 2 kann nach der russischen Intervention nicht wie geplant in Betrieb genommen werden; dies ist vom Tisch.

Zur möglichen Produktion des Impfstoffs Sputnik V in Bayern ist zu sagen: Es existieren weder Verträge noch ein MOU noch liegt die EU-Erlaubnis für diesen Impfstoff vor. Selbst wenn beides vorhanden wäre, wäre es aus unserer Sicht nicht vorstellbar, dass dieses Projekt jetzt verwirklicht werden könnte; das ist vorbei.

Wir stehen an der Seite der Ukraine. Der Freistaat wird noch heute auf Bitten des Bundes medizinische Schutzausrüstung im Wert von bis zu 250.000 Euro bereitstellen. Sollte darüber hinaus humanitäre oder zivile Hilfe benötigt werden, wird Bayern jede – ich betone: jede – Hilfe leisten; denn Krieg kann niemals eine Lösung sein. Diplomatie ist das Wichtigste; alle Beteiligten müssen aber ihrer Verantwortung gerecht werden. Es liegt jetzt an Russland. Bayern steht fest verankert in Deutschland. Bayern ist fest verankert in der NATO. Bayern ist fest verankert in der westlichen Staatengemeinschaft. Bayern erwartet auch den Respekt der territorialen Unabhängigkeit der Ukraine.

(Allgemeiner Beifall)

Trotz dieser Beschwernis und der Herausforderung müssen wir aber auch unser Land voranbringen. Wir müssen beides können: international handlungsfähig sein und unser Land weiter gestalten. Ich will zu Beginn sagen: Bayern ist ein großartiges Land. Für viele Menschen ist es ein Vorbild, für manch einen ein Sehnsuchtsort, und für ganz viele einfach die Heimat.

Wir haben jetzt gemeinsam zwei Jahre Pandemie durchlebt. Klar hat es manche Fehler gegeben; es hat viel Mühe gemacht. Es hat etliche genervt und Unzählige beschwert. Unterm Strich bleibe ich aber dabei: Wir haben diese Herausforderung gerade auch im internationalen Vergleich gut gemeistert. Nach Schätzungen des LGL haben wir über 130.000 Leben gerettet.

Egal, was am Ende in den Geschichtsbüchern über diese Zeit stehen wird: Das Retten von Menschenleben ist am Ende der höchste Lohn, die größte Bereitschaft und die beste Bilanz, die man durch politisches Handeln erreichen kann. Ich danke wirklich allen – auch dem Hohen Haus – sowie den unzähligen medizinischen Pflegekräften, den Menschen im Land, die dabei mitgeholfen haben. Ich finde, wir haben es gut gemeistert; ein herzliches Dankeschön dafür!

(Beifall)

Wir merken jetzt aber, dass der Weg langsam aus der schweren Pandemie hinausführt. Omikron ist, wie wir es eingeschätzt und es die Experten bestätigt haben, zwar ansteckend, aber deutlich weniger gefährlich. Die Krankenhauszahlen sind

stabil, während Bayern hohe Inzidenzwerte hat, die allerdings kaum Aussagekraft haben; denn auf der einen Seite testen wir mehr. Auf der anderen Seite sagen die Inzidenzwerte nichts über die Gefährlichkeit aus. Die Krankenhauszahlen sind im Moment sehr stabil; dort liegen wir im Mittelfeld.

Das heißt, wir können jetzt die Zeit danach planen. Wir können auch einen neuen Aufbruch organisieren – nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich und auch in Bezug auf die Motivation der Menschen in unserem Land. Trotz der Wirren in der Welt wollen wir ein Signal setzen, dass Optimismus nicht vergeblich ist. Bayern steht gut da; das will ich Ihnen noch einmal sagen:

Wir haben eine extrem hohe Lebensqualität oder, wie man es neudeutsch nennt, eine gute Work-Life-Balance. Das zeigt auch der Zuzug: Der Innenminister berichtet jedes Jahr über seine Statistiken, wonach Bayern vor allem durch den Zuzug wächst – 13,5 Millionen Menschen. Die meisten Bundesländer sind so groß wie ein bayerischer Regierungsbezirk; trotzdem wachsen wir, und manchmal haben wir damit auch Probleme. Woher kommt es, dass Bayern so attraktiv ist, und zwar nicht nur für Leute, die dort geboren sind und schon immer dort gelebt haben, sondern auch für andere? – Die Fakten sind ziemlich eindrucksvoll:

Die bayerische Wirtschaftskraft ist nach jener der Schweiz und der USA am höchsten. Wir haben die höchste Wirtschaftskraft pro Kopf der Flächenländer. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit in Deutschland und die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der ganzen EU. Wir haben trotz Corona die niedrigste Pro-KopfVerschuldung. Wir haben das geringste Armutsrisiko in Deutschland und die höchsten sozialen Standards. Als Einzige haben wir ein Familiengeld für rund 600.000 Kinder, als Einzige ein Pflegegeld für insgesamt fast 400.000 Betroffene, das es sonst nirgendwo gibt.

Dazu bauen wir Schulen und Kitas aus. Herr Kultusminister, wir liegen in der Schule in fast allen Leistungsbereichen vorne. Natürlich kann man Schule immer noch besser machen, aber wir haben mit die besten Bewertungen und die niedrigste Schulabbrecherquote. Wir haben die höchsten Ausgaben pro Schüler der Flächenländer. Wir sollten jedes Jahr 1.000 neue Lehrer anstellen. Nur zum Vergleich: Ich glaube, nur die Schweiz zahlt ein höheres Gehalt für Lehrer als Bayern.

Wir haben höchste Forschungsausgaben. Die Hightech Agenda ist für die Zukunft eine ähnlich epochale Wegmarke wie damals unter Goppel, Strauß und dann unter Stoiber. 1.000 Professuren, 10.000 Studienplätze, künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Luft– und Raumfahrt – das sind Nobelpreisträgerschmieden wie sonst kaum in Deutschland.

Wir haben eine extrem hohe ökologische Lebensqualität. Der CO2-Ausstoß ist niedriger. Wir liegen bis auf Windkraft bei den erneuerbaren Energien überall vorne. Wir haben hohe Klimaziele und sind das einzige Land, das allein für den Klimaschutz in diesem Jahr eine Milliarde Euro investiert.

Last but not least sind wir das sicherste Land; das hat die Sicherheitskonferenz wieder bewiesen: Wir haben die niedrigste Kriminalität, die höchste Aufklärungsquote und jedes Jahr 500 neue Polizisten. Wahrscheinlich ist das neben der wundervollen Kulisse einer der Gründe, warum uns der Bund gebeten hat, den G-7Gipfel erneut auszurichten. All das zeigt Bayern. Das ist keine Propagandastatistik der Staatsregierung, sondern das sind Fakten.

(Zurufe)

Fakten kann man nicht leugnen – auch wenn es wehtut. Das ist kein Zufall, sondern die Leistung der Menschen, aber auch der Staatsregierungen der Vorzeit

sowie der jetzigen Staatsregierung aus CSU und FREIEN WÄHLERN. Ein herzliches Dankeschön für diesen Weg, den wir gemeinsam beschreiten!

(Lebhafter Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Hat sich jetzt etwas geändert? – Ja, schon. Seit eine neue Bundesregierung im Amt ist, haben sich die Koordinaten verschoben. Mit allem Respekt weise ich darauf hin, dass es natürlich eine neue Regierung ist, aber uns fällt auf – das ist neu –, dass es zum ersten Mal keinen bayerischen Bundesminister oder keine bayerische Bundesministerin gibt; der direkte Draht ist also zunächst einmal abgeschnitten. Bayern ist also allein, allein auch in Berlin.