Hat sich jetzt etwas geändert? – Ja, schon. Seit eine neue Bundesregierung im Amt ist, haben sich die Koordinaten verschoben. Mit allem Respekt weise ich darauf hin, dass es natürlich eine neue Regierung ist, aber uns fällt auf – das ist neu –, dass es zum ersten Mal keinen bayerischen Bundesminister oder keine bayerische Bundesministerin gibt; der direkte Draht ist also zunächst einmal abgeschnitten. Bayern ist also allein, allein auch in Berlin.
Herr von Brunn, es kann nur zwei Gründe geben, warum es so gekommen ist: Entweder war es eine bewusste Entscheidung Ihrer Parteien, Bayern nicht zu berücksichtigen, oder es hat sich niemand aufgedrängt, der die Qualifikation besitzt. Beides ist in gleicher Weise schlecht für unser Land.
Weil wir auch auf Bundesebene ein kluger und kritisch-konstruktiver Gesprächspartner sein wollen, weil wir den neuen Aufbruch nach Corona organisieren wollen und weil wir insgesamt der Überzeugung sind, dass das, was ich heute vorschlage, keine Entscheidung gegen jemanden ist, sondern nur eine Entscheidung für etwas, sage ich Folgendes: Ich nehme mein verfassungsmäßiges Recht nach Artikel 45 der Bayerischen Verfassung wahr, das Team zu optimieren.
Ich berufe Ulrike Scharf als Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Markus Blume als Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Christian Bernreiter als Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr und Sandro Kirchner als Staatssekretär im Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration. Wenn der Landtag dem zustimmt, sage ich dazu herzlichen Glückwunsch, zugleich auch Danke. So ist es denn ein Tag der Freude und natürlich auch der Nachdenklichkeit.
Es gehört zu den schönen und schwierigen Aufgaben eines Ministerpräsidenten, die Entscheidungen zu treffen, wie sich die Staatsregierung im Rahmen der eigenen Koalitionszuständigkeit entwickelt. Trotzdem müssen verfassungsmäßige Aufgaben souverän und auch seriös erfüllt werden. Ich danke ganz herzlich Kerstin Schreyer, Carolina Trautner, Bernd Sibler und Gerhard Eck; sie alle haben gute Arbeit geleistet. Sie alle haben sich um unser Land verdient gemacht. Ämter sind auf Zeit. Es ist ein Privileg, in einer Staatsregierung zu arbeiten. Trotzdem sage ich für diese Arbeit, die sie geleistet haben, meine persönliche Anerkennung und meinen Dank; und es gibt immer eine zweite Chance.
Vor einigen Wochen haben die Präsidentin des Landtags und ich die Gelegenheit gehabt, einem Festakt zu 75 Jahren Bayerischer Verfassung beizuwohnen, das heißt, wir haben ihn organisiert. Dort hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Harbarth eine beeindruckende Rede gehalten. Ich dachte am Anfang, es würde ein juristischer Vortrag; am Ende war es deswegen beeindruckend, weil jemand von außerhalb Bayerns gesagt hat, wie er Bayern eigentlich sieht. Er hat ein Bild von Bayern gezeichnet, das der Präsidentin Ilse Aigner und mir – wir haben uns damals angesehen – geschmeichelt, uns erfreut und fast ein bisschen verlegen gemacht hat; denn er sprach von Bayern als einem Land der Superlative und als einem der wenigen Länder und Regionen der Welt, in dem Gegensätze versöhnt werden können, die anderswo nicht zusammenkommen: Modernität und Tradition, Technik und Natur, Weltoffenheit und Wertegebundenheit. Früher nannte man das "Laptop und Lederhose"; manche sagen "Leberkäse und Laser" oder "Dirndl und Digital". Mir ist egal, wie Sie das nennen wollen. Am Ende geht es um die besondere Form der Liberalitas Bavariae, das Ausgleichen und ein ganz bestimmtes weiß-blaues Lebensgefühl, meine Damen und Herren. Dabei bleibe ich.
Bayern ist nicht nur ein Land, Bayern ist ein Gemüt, Bayern ist eine Lebensphilosophie. Unsere Aufgabe ist jetzt nach dieser schweren Zeit von Corona, genau diese Philosophie und genau diese Motivation wiederzubeleben und voranzubringen. Wir wollen sie erhalten und neu motivieren. Das ist der Auftrag und die Aufgabe, die wir alle – und zwar alle zusammen und nicht nur der Einzelne für sich – im Hohen Haus haben. Wir alle sind ein großes Team.
Meine Damen und Herren, die Bevölkerung schaut auf uns. Es ist ein Privileg, Abgeordnete oder Abgeordneter zu sein. Es ist ein Privileg, hohe Ämter in Fraktionen ebenso wie in der Staatsregierung innezuhaben. Erweisen wir uns dieses Auftrags würdig, in dieser kritischen Zeit mehr denn je! Zeigen wir, dass wir als Abgeordnete und als Staatsregierung Vorbilder sind, dass wir weniger jammern, dass wir nicht nur Kritik um der Kritik willen üben, sondern bereit sind, das Beste für die Menschen in diesem Land zu erreichen. Wenn wir das tun, dann stärken wir nicht nur unsere jeweiligen Einzelinteressen – das mag alles sein –, sondern wir können der Demokratie, die von außen wie von innen so herausgefordert ist wie noch nie, einen neuen Dienst erweisen.
Die Demokratie zu halten ist nicht so einfach, wie manche glauben. Man muss auch alte Fundamente immer wieder neu stärken. Das tun wir mit dem heutigen Tag. Das wollen wir gemeinsam auf den Weg bringen. Gott schütze Bayern weiterhin! – Herzlichen Glückwunsch an die Neuen und noch einmal meinen Dank und meine Anerkennung an die bisherigen Mitglieder!
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Ich eröffne die Aussprache. Die Fraktionen haben eine Gesamtredezeit von 54 Minuten vereinbart. – Als Erster erteile ich der Kollegin Katharina Schulze für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke für die klaren Worte zur Russlandkrise. Auch wir GRÜNEN stehen voller Solidarität an der Seite der Ukraine und zeigen klare Kante gegen den Aggressor Wladimir Putin. Für weitere Debatten verweise ich aber auf die Dringlichkeitsanträge. Dort haben wir heute Nachmittag genau dieses Thema auf der Tagesordnung. Herr Söder, ich lade Sie ein, bei dieser Debatte dabei zu sein. Ich werde jetzt auch nicht nervös eine Wahlkampfrede halten, wie Sie es gerade getan haben, sondern ich werde jetzt zum aufgerufenen Tagesordnungspunkt, zur Veränderung im Kabinett, sprechen.
Ich möchte mit "endlich" beginnen. Endlich hat dieses unwürdige Schauspiel von Söders Kabinettumbildung ein Ende. Über Wochen und Monate lassen Sie, Herr Söder, das Damoklesschwert über ihren Kabinettsmitgliedern schweben und streuen gezielt Spekulationen. Heute haben Sie wie ein Caesar in der Arena Ihren Daumen für einzelne Personen gesenkt oder gehoben. Dazu kann ich nur Folgendes sagen: Dieses Verständnis von Leadership – Führen durch Angst und Führen durch Druck – ist total aus der Zeit gefallen.
In einem modernen Unternehmen hätten Sie damit keinen Erfolg und als Chef recht schnell ausgedient. Mit der CSU-Programmatik hat dieser Führungsstil genau eines gemeinsam: Beides ist nicht mehr zeitgemäß. Ein Ministerpräsident oder eine Ministerpräsidentin hat doch eine klare Aufgabe nach innen: das Kabinett so zu führen, dass jede und jeder das Beste für unser Land geben kann. Dazu gehört, dass man den Ministerinnen und Ministern auch Raum zum Scheinen gibt, sie motiviert, ihnen vertraut und selbst offen für Feedback ist; denn man kann nichts lernen, wenn man sich nur selbst beim Reden zuhört.
Herr Söder, gute Führung heißt auch, seinem Team den Rücken zu stärken. Das bedeutet, sich nicht selbst jeden guten Fototermin zu schnappen und per Mikromanagement aus der Staatskanzlei heraus die einzelnen Ministerien zu leiten; und wenn einmal etwas nicht gut läuft, dann waren es eh immer die anderen. Wenn das Team stark ist, dann ist das auch gut für unser Land. Wer aber seine Ministerinnen und Minister nur als bessere Gehilfen sieht, die er nach Lust und Laune benennen und entlassen kann, ist kein Teamspieler. Aber mit Teamwork haben Sie es nicht so, Herr Söder. Das zieht sich ja sehr deutlich durch Ihren politischen Werdegang.
Herr Söder, Sie wechseln heute ein Drittel Ihres Kabinetts aus; dabei sprechen Sie von Verfeinerung und Optimierung. Ich sehe das anders: Es ist ein Umbruch, der in meinen Augen mehr über den Chef als über die Ministerinnen und Minister aussagt. Das ist innerhalb von vier Jahren die dritte Sozialministerin und die vierte Person im Ministeramt für Wohnen, Bau und Verkehr. Das ist also ein Bäumchenwechsel-dich-Spiel statt Kontinuität in den wichtigen politischen Themen.
Herr Söder, wissen Sie, was ich besonders dreist finde? – Ich finde besonders dreist, dass Sie diese Veränderungen mit der anstehenden Landtagswahl begründen; denn das wird den hohen Regierungsämtern nicht gerecht. Sie vermischen die Probleme Ihrer Partei und das Absinken in der Wählergunst mit Ihrer Regierungsverantwortung für 13 Millionen Menschen. Das ist unangemessen.
Mit jeder Ihrer Kabinettsumbildungen verlieren die Frauen an Einfluss; das fällt erneut sehr deutlich auf. Wie ironisch, dass die Chefin der Frauen-Union nun in einem Kabinett mit erneut weniger Frauen als Männern Ministerin wird! Das ist für Bayern im Jahre 2022 erbärmlich und verdeutlicht einmal wieder, dass Sie eben
keine moderne Politik für Bayern machen können; denn dann wäre ein Verhältnis von 50 : 50 zwischen Frauen und Männern im Kabinett selbstverständlich.
Ich möchte im Namen der GRÜNEN-Fraktion Frau Schreyer, Frau Trautner und Herrn Sibler für ihre Arbeit als Ministerinnen und Minister und Herrn Eck als Staatssekretär Danke sagen. Wir haben uns mit Ihnen oft inhaltlich gestritten und um die besten Lösungen gerungen. Wir wissen, dass es viel Arbeit bedeutet, viel Verantwortung und auch nicht immer leicht ist, ein Ministerium zu führen. Darum Danke, dass Sie sich in den Dienst Bayerns gestellt haben!
An die Neuen im Amt: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung und ein gutes Händchen! Wie es einer Programmpartei wie uns GRÜNEN gut ansteht, haben wir Ihnen natürlich neben Glückwünschen auch noch etwas mitgebracht, und zwar Themen, die in unseren Augen dringend bearbeitet gehören, damit Bayern gut für unsere Zukunft gerüstet ist.
Liebe Frau Scharf, Ihnen herzlichen Glückwunsch und gleichzeitig die klare Aufforderung, Kinder, Jugendliche und Familien nach vorne zu stellen. In der Pandemie wurde diese Gruppe von Ihrer Regierung sehr oft vernachlässigt, egal, wie leidenschaftlich wir GRÜNE für sie gekämpft haben. Wir finden: Das muss sich ändern. Wir brauchen eine Sozialministerin, die Anwältin für Kinder und Jugendliche ist, die diejenigen, die keine starke Lobby haben, im Blick hat und eine Vorkämpferin für Gleichstellung in Bayern ist. Frau Scharf, wenn ich mir Ihre Kollegen ansehe, dann weiß ich, dass Sie es damit nicht einfach haben werden. Ich wünsche Ihnen dabei aber ganz viel Erfolg.
Wir GRÜNE bieten unsere Zusammenarbeit an, um zum Beispiel mehr Hilfe für die psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen zu schaffen, um endlich die 150 in Bayern fehlenden Frauenhausplätze zu finanzieren und bessere Arbeitsbedingungen für das Kitapersonal herzustellen.
Ich komme zum nächsten neuen Minister: Herr Bernreiter, auch Ihnen herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie die Zukunftsthemen in Ihrem Ministerium im Sinne des Klimaschutzes interpretieren. Die Mobilitätspolitik der Zukunft lautet: weniger Straße, mehr Bus, Bahn und Rad. – Sie dürfen gerne unsere Idee einer Mobilitätsgarantie aufnehmen, die besagt, dass jeder Ort in Bayern in Zukunft zwischen 5 und 24 Uhr mindestens stündlich an den ÖPNV angebunden ist, auch auf dem Land.
Als langjähriger Landrat wissen Sie, dass die Umsetzung in den Kommunen oft an schlechten Regeln und am schlechten Förderwerk der Landesebene scheitert. Da können Sie mal anpacken. Für uns GRÜNE ist klar: Die Kommunen sind entscheidend für den Erfolg von Bayern.
Dann komme ich zum Dritten in der Runde: Lieber Herr Blume, lieber Markus, ebenfalls herzlichen Glückwunsch von uns. Sie müssen sich nun durchsetzen, wenn Markus Söder bei Kultur nur an Star Wars und bei Kunst nur an Sammeltassen denkt. Ich wünsche Ihnen Erfolg dabei, deutlich zu machen, dass Bayern weiterhin Kulturstaat ist. Das sollten Sie nicht vergessen.
Als Erstes müssen Sie bitte die verkorkste Hochschulreform der Staatsregierung auf null setzen. Es geht bei dem Thema Hochschule nicht nur um Hightech, sondern auch darum, die miesen Arbeitsbedingungen an Bayerns Hochschulen zu beenden und den gewaltigen Sanierungsstau aufzulösen.