Protokoll der Sitzung vom 23.02.2022

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Stümpfig, wir haben zwei Meldungen zu Zwischenbemerkungen: die erste von Herrn Martin Böhm von der Fraktion der AfD.

Verehrter Kollege Stümpfig, ich muss immer schmunzeln, wenn Sie "zwei Prozent der Landesfläche" sagen. Wenn man das ausrechnet mit der üblichen Größe, die eine "Windmühle" braucht, ist man bei 280.000 "Vogelschreddern" bundesweit. Allein um die zu fundamentieren, bräuchte man dermaßen viel Beton – das ist ein so hoher Exponent, dass Sie gar nicht erklären können, wie viel Beton Sie brauchen, um so viele "Windmühlen" zu bauen. Aber das bloß nebenbei.

Mir geht es um etwas anderes. Sie haben gesagt, ein Drittel des Stromes wird man aus dem Ausland nach Deutschland bringen müssen. Da müssen wir halt fragen: Woher kommt diese politische Abhängigkeit? – Genau von der grünen Politik, die Sie propagieren. Wenn Sie den Energiebezug diversifizieren wollen, dann brauchen Sie verschiedene Energieformen innerhalb des Landes, nicht den Import von Atomenergie aus dem Ausland. Da hat alles mit allem zu tun. Der Konflikt, über den wir vorhin gesprochen haben, hat ursächlich damit etwas zu tun, dass Sie mit Ihrer Politik nicht in der Lage waren, heimische Energie – durch Kernkraft, Kohle, Stromerzeugung durch Gas- und Ölkraftanlagen – zu fördern.

Herr Böhm, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das ist Ihr Versäumnis!

Herr Böhm, Ihre Redezeit ist zu Ende!

Deswegen stehen wir vor dieser Malaise.

Herr Stümpfig, bitte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Windkraft ist die flächeneffizienteste Form der Energieerzeugung. Sie können unter einem Windrad weiter Landwirtschaft betreiben. Sie können durch eine sehr geschickte Wahl auch im Wald den Eingriff minimieren. Wir sind als grüne Partei seit wenigen Monaten wieder im Bund an der Regierung. Vorher waren wir nicht an der Regierung, falls es Ihnen entgangen sein sollte. Wir haben schon immer mehr auf erneuerbare Energien gesetzt. Deutschland ist nach wie vor Stromexporteur. Wir exportieren nach Frankreich. Wir bekommen den Strom hauptsächlich aus Skandinavien und Dänemark. Das ist sauberer Windstrom. Das ist die Zukunft. Darauf wollen wir weiter setzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine zweite Zwischenbemerkung kommt vom Kollegen Dr. Harald Schwartz von der CSU-Fraktion. Herr Schwartz, bitte.

Herr Stümpfig, wir haben 10 H damals gemeinsam im Wirtschaftsausschuss beraten. Wir haben es dann beschlossen. Wir sind uns einig: Bei 10 H kann jede Gemeinde die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen schaffen, um ein Windrad zu bauen oder nicht, sprich: Bei 10 H liegt die Kompetenz bei den Gemeinden. Was führt zu Ihrer Ansicht, dass die Gemeinden und die Menschen vor Ort nicht in der Lage seien, solche Entscheidungen selbst zu treffen?

Zweite Frage: Wie erklären Sie sich den Zubau von Windkraftanlagen in BadenWürttemberg, der, wenn ich mich nicht täusche, deutlich geringer ist? Dort gibt es kein 10 H. Oder wissen Sie, wie viele Windkraftanlagen dort gebaut wurden?

Zur ersten Frage: Wir haben das Trauerspiel im Wirtschaftsausschuss während der letzten Legislatur leider gemeinsam durchgemacht. Man sieht jetzt nach acht Jahren: Natürlich könnten die Kommunen einen Bebauungsplan aufstellen. Sie tun das aber nicht. Wenn es von oben, wenn es aus München heißt, die Windkraft ist nicht mehr gewollt, dann macht das einfach keine Bürgermeisterin und kein Bürgermeister mehr.

(Unruhe)

Wir haben nichts mehr. Wir hatten letztes Jahr null Genehmigungsanträge.

(Zurufe)

Wir sehen die Abnahme ja klar. So gesehen ist 10 H faktisch ein Verbot. Man muss das sehen. Rein formell gesehen ist das nicht so. Faktisch ist es aber das Ergebnis gewesen.

Die zweite Frage habe ich jetzt leider vergessen.

(Zuruf)

Baden-Württemberg. Genau. Das hat mir heute noch gefehlt. Keine Debatte ohne Baden-Württemberg. 10 Sekunden habe ich noch. 132 Anlagen sind gerade in Baden-Württemberg in der Genehmigungsplanung, in Bayern 21. Auf die Fläche bezogen ist das das 13-Fache.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Alexander König von der Fraktion der CSU. Herr König, Sie haben das Wort.

Kolleginnen und Kollegen! Keine Woche ohne 10-H-Antrag von Herrn Stümpfig. Nächste Woche ist frei, also werden wir da mal verschont. Auch in dieser Woche liegt aber wieder der übliche 10-H-Antrag vor.

(Zuruf)

Ich habe zu Ihrer Forderung, zwei Prozent der Landesfläche müssten so schnell wie möglich ausgewiesen werden, mal gerechnet, weil ich das schon sehr ernst nehme und mir auch die Zahlen genau anschaue. Sie wissen, dass wir 70.550 Quadratkilometer Fläche haben, sprich 7.055.000 Hektar. Wenn Sie davon zwei Prozent nehmen, kommen Sie auf 141.000 Hektar.

Zurzeit haben wir – das sind jetzt Zahlen, die ich von der Staatsregierung habe – Vorranggebiete mit einer Fläche von 24.200 Hektar. Davon sind noch 14.520 Hektar nicht für Windenergieanlagen genutzt. Wir haben 12.300 Hektar Vorbehaltsge

biete, wovon 3.690 Hektar bisher nicht für Windenergieanlagen genutzt werden. Wenn Sie diese freien Vorranggebiete und freien Vorbehaltsgebiete zusammenrechnen – das ist meine eigene Rechnung, die ich vorhin gemacht habe – und das durch angenommene 25 Hektar, die man theoretisch durchschnittlich pro Windenergieanlage braucht, teilen, dann würden diese freien Flächen in Vorrang- und Vorbehaltsgebieten, wenn sie vollumfänglich verwendet würden, theoretisch für 728 Windenergieanlagen reichen.

Herr Stümpfig, an Ihrem Gedanken ist falsch, dass Sie hier den Eindruck erwecken, es sei heute nicht möglich, auf zwei Prozent der Landesfläche Windenergieanlagen zu errichten, weil darüber hinaus keine weiteren Flächen ausgewiesen seien. Das stimmt einfach nicht; denn natürlich können Sie Windenergieanlagen auch auf Flächen, die nicht Vorranggebiete und nicht Vorbehaltsgebiete sind, errichten.

Nach dem neuesten Windenergieatlas – er ist fortgeschrieben worden und heute noch viel objektiver als in seinen Anfängen –, bei dem man bis auf zehn Meter runter nach allen Kriterien, die man heute hat, ausgerechnet hat, welche Einzelflächen in Bayern für Windenergieanlagen überhaupt geeignet wären, hat man in Bayern theoretisch zunächst einmal eine wesentlich größere Fläche als diese zwei Prozent zur Verfügung. Welche Fläche dann praktisch tatsächlich zur Verfügung steht, hängt natürlich auch damit zusammen, wo man zum Beispiel Ausschlussgebiete hat.

Ausschlussgebiete sind ein Punkt – ich glaube, da sind wir zwei ja eng beieinander –, über den man jetzt wirklich einmal reden muss: Diese Ausschlussgebiete wurden oft schon vor 15 Jahren oder vor noch längerer Zeit festgelegt. Die Begründungen – sofern es seinerzeit überhaupt sachliche und objektive Begründungen gab – welcher Gebiete sind eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen? – Das wäre mir ein großes Anliegen. Sie wissen, dass bei mir im Stimmkreis in Bayern die meisten Windräder sind, etwa zehn Prozent aller Windräder. Die Bürgerinnen und Bürger in Stadt und Landkreis Hof sind ja nicht grundsätzlich gegen Windräder. Ich glaube, dass sogar bei uns das eine oder andere noch möglich wäre. Sie haben aber null Verständnis dafür, dass es große Regionen gibt, die sich – aus oft wohl, sage ich mal, unzureichenden Gründen – völlig freigezeichnet haben. Von daher gehört auch das Thema Ausschlussgebiete zu den Vorranggebieten und Vorbehaltsgebieten dazu.

Jetzt kommt der nächste Punkt, bei dem Sie, wie ich Ihnen sage, möglicherweise einen Denkfehler haben. Sie sagen, jetzt kommt eine frische Brise und jetzt wird, nachdem Sie den Minister stellen, alles gut. – Gar nichts wird gut. Er tut ja bisher nichts. Es gibt keinen Gesetzentwurf in Berlin. Sie fordern die CSU auf, hier tätig zu werden. Das ist im Moment die Lage. Außer Blabla und Ankündigungen tut sich da gar nichts. Wenn das der frische Wind ist, von dem Sie sprechen, dann kann ich bisher keinen nennenswerten frischen Wind erkennen.

Nur, auf einen möglicherweise gedanklichen Fehler, den Sie in Ihrer weiteren Betrachtung haben, will ich Sie noch hinweisen: Wenn Sie darauf abstellen, man könnte Windenergieanlagen nur dort errichten, wo eine landesplanerisch besondere Qualität herbeigeführt wurde in Form von Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten, dann riskieren Sie genau das, was Sie angeblich nicht wollen, nämlich dass es sehr lange dauern wird. Die Fortschreibung von Regionalplänen ist eine Angelegenheit – das wissen alle Kommunalpolitiker hier im Raum, das dürften viele sein –, die nicht über Nacht möglich ist, sondern die einen langen Zeitraum in Anspruch nimmt. Die Fortschreibung von Regionalplänen ist aufwendig; sie ist zeitaufwendig. Deshalb wird sie auch nicht zu schnellen Lösungen führen.

Wie man es macht, hat die CSU in der Stadt Ansbach bewiesen. Dort hat man sich schon vor geraumer Zeit darum gekümmert. Man hat gesagt: Wir wollen in unserem Stadtgebiet ein Windrad aufstellen. – Gestern Abend wurde im Stadtrat auf Antrag der CSU-Stadtratsfraktion mit großer Mehrheit beschlossen, dass dort ein Bürgerwindrad errichtet werden soll. Dazu braucht man überhaupt keine weitere Regionalplanung. Dieses Bürgerwindrad wird einen Abstand von 700 bis 800 Meter zur nächsten Bebauung haben. In den betroffenen Stadtteilen hat man vorher – so geht Bürgerbeteiligung – eine Umfrage gemacht mit dem Ergebnis, dass 97,5 % der dort betroffenen Bürgerinnen und Bürger damit einverstanden sind, dass weit unter 10 H dieses Bürgerwindrad auf kommunale Initiative – der CSU wohlgemerkt – errichtet werden kann. So geht es, und so kann es auch schnell gehen.

Ich bin bei Ihnen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn ganze Planungsregionen, und gleich mehrere davon, bisher zu wenig dazu beigetragen haben; da stimme ich Ihnen völlig zu. Ich warne Sie aber davor, darauf zu setzen, dass sich die Anzahl der Windräder, die wir zurzeit in Bayern haben, durch Fortschreibung von Regionalplänen schnell wesentlich erhöhen wird. Das wird mitnichten der Fall sein, weil das ein länger währender Prozess ist.

Von daher überlegen wir, die Regierungsparteien, zurzeit intern, was wir wo wie tun können. Was in Ansbach vorgemacht wird und auch an anderen Orten passiert, dass man sich mit Bürgerbeteiligung vor Ort für Windräder entscheidet, ist mit Sicherheit der schnellste Weg. Was man darüber hinaus tun wird und tun sollte, das beraten wir.

Ihren Antrag lehnen wir in jedem Fall ab. Damit haben Sie schon gerechnet; deswegen haben Sie wahrscheinlich die Forderung hineingeschrieben, die 10-H-Regelung ersatzlos zu streichen. Ich muss Ihnen nicht zum fünfundzwanzigsten Mal ausführlich erläutern, warum wir dieses Ziel nicht verfolgen.

Wir sind weiterhin für Bürgerbeteiligung; Sie sind anscheinend gegen Bürgerbeteiligung. Wir wollen, dass die Menschen mitgenommen werden, dass die Energieanlagen, die hier errichtet werden, in der Bevölkerung Akzeptanz finden. Wir glauben nicht, dass man Anlagen gegen die Bürger und ohne Akzeptanz errichten kann.

Zu Ihrer Frage zum Thema Importabhängigkeit will ich Ihnen noch deutlich sagen: Natürlich bin ich bei Ihnen, dass wir diese reduzieren müssen; aber es ist ein Märchen, wenn Sie hier sagen: Wenn wir nur genügend Windräder und Photovoltaikanlagen in Bayern bauen, dann werden wir demnächst keine Importabhängigkeit mehr haben. – Herr Stümpfig, das wird so nicht sein. Wir werden bei der Politik, die wir betreiben, einen sprunghaften Anstieg des Strombedarfs erleben. Denken Sie nur mal an die Elektrifizierung der Lkws, welche Strommengen dafür erforderlich sein werden. Wir werden einen sprunghaften Anstieg des Bedarfs haben; dieser wird auch mit mehreren Tausend Windrädern und noch so vielen Hektar Photovoltaikanlagen nicht zu befriedigen sein. In den Anhörungen – das habe ich Ihnen auch schon vorgetragen, das will ich jetzt nicht wieder tun – haben die verschiedensten Experten darauf hingewiesen, dass das nicht machbar ist.

Also, selbst wenn wir miteinander die unterschiedlichsten Anstrengungen unternehmen, um zu weiteren Anlagen zu kommen, auch zu weiteren Windenergieanlagen, wird es am Ende, zumindest auf mittlere Sicht und wahrscheinlich darüber hinaus, eine Importabhängigkeit geben. Ich sage Ihnen voraus: Wir werden das auch beim Wasserstoff erleben, beim grünen Wasserstoff auf alle Fälle; denn woher soll diese Strommenge kommen, die wir brauchen, um den grünen Wasserstoff in der benötigten Menge zu erzeugen? Von daher wird es eine Importabhängigkeit geben; alles andere sind Märchen.

Summa summarum: Der soundsovielte Antrag zur 10-H-Regelung wird auch heute von uns abgelehnt. Wir überlegen, welche Maßnahmen wir wie ergreifen können.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Herr König, der Herr Kollege Stümpfig hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Herr Stümpfig, bitte.

Herr König, genau das, was in der Stadt Ansbach gerade passiert ist, ist schon mal ein Zeichen dafür, dass sich jetzt langsam wieder etwas tut. Aber dann ist schon die Frage: Wo sind denn all die CSU-Bürgermeister landauf, landab? Warum ist das nur ein einzelner? Wir brauchen einfach mehr; wir brauchen 150 Windkraftanlagen pro Jahr. Das heißt, wir brauchen 1.500, 1.800 bis 2030. Das ist die Zielsetzung, da müssen wir hin. Mit diesem Beitrag könnten wir tatsächlich die Abhängigkeit von Gas reduzieren. Ich habe nicht "ersetzen" gesagt, ich habe "reduzieren" gesagt. Das muss doch unser Ziel sein.

Sie haben von einer Ausschlusswirkung gesprochen. Natürlich gibt es die Ausschlusswirkung der Regionalpläne. Aber das Ganze, was Sie hier summieren, läuft immer auf ein Herumdoktern an 10 H hinaus: Da passen vielleicht noch ein paar rein. – Wir brauchen aber diesen großen Aufschlag; wir brauchen eine klare Ansage, dass wir Windkraft brauchen. Wir brauchen diese saubere und billige Energie hier in Bayern. Das fehlt einfach. Das Herumdoktern an der 10-H-Regelung bringt einfach nichts, Herr König.

Mein Landkreis liegt auf Platz zwei, Ihr Landkreis auf Platz eins in Bayern, was die Anzahl der Windkraftanlagen angeht. Wir wissen: Es geht, gemeinsam mit der Bevölkerung. Jetzt muss halt auch mal in den anderen Regionen nachgezogen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Stümpfig, das Windrad in Ansbach, das ich als Beispiel angeführt habe, wurde initiiert, und zwar auf Antrag der CSU-Fraktion, lange bevor Ihre Regierung ins Amt gekommen ist. Ich weiß nicht, wo es einen entsprechenden Antrag der GRÜNEN-Fraktion gibt. Das können Sie mir beim nächsten Antrag zu 10 H erzählen.

Im Übrigen, zu dem Zwei-Prozent-Ziel habe ich versucht, Ihnen vorzurechnen, dass diese 141.000 Hektar, die diese zwei Prozent ausmachen, natürlich darstellbar sind. Diese Flächen gibt es heute schon. Wenn Sie einmal im Windatlas nachschauen – darin kann man auch sehr schön zoomen, ich empfehle übrigens allen Kolleginnen und Kollegen, sich mal den neuesten Windatlas anzuschauen –, dann stellen Sie fest, dass die Märchen, die hier jahrelang erzählt wurden, dass der Wind nur in Nordbayern weht und in Südbayern nicht, alle Quatsch sind. Sie können mit Ausnahme der Alpen und des Bayerischen Waldes in fast allen Regionen eine Vielzahl von Gebieten und zum Teil gewaltige finden, die für die Windkraft geeignet sind. Von daher: Es gibt diese Flächen, sie müssen nicht zwingend erst eine besondere landesplanerische Qualität haben. Schon heute, wenn die Initiative ergriffen wird, wenn mit Bürgerbeteiligung Windräder errichtet werden sollen, ist das auf einer Unmenge von Flächen in Bayern möglich.