Protokoll der Sitzung vom 31.05.2022

Ich stelle fest: Herr Martin Bachhuber hat die erforderliche Mehrheit erreicht und wird als stellvertretendes Mitglied für den Untersuchungsausschuss entsandt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Antrag der Abgeordneten Florian Streibl, Dr. Fabian Mehring, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER), Thomas Kreuzer, Ilse Aigner, Tobias Reiß u. a. und Fraktion (CSU) zur Änderung der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag (Drs. 18/22764)

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 32 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Der erste Redner ist der Kollege Dr. Fabian Mehring.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle wissen, die Corona-Pandemie hat im Laufe der letzten beiden Jahre nicht nur unser Gesundheitssystem, die Wirtschaft und unsere gesamte Gesellschaft maximal herausgefordert; diese Herausforderung hat sich auch auf unsere bayerische Demokratie und ihre Herzkammer, den Bayerischen Landtag, erstreckt. Zu Beginn der Debatte möchte ich deshalb in Erinnerung rufen, dass wir diese Herausforderung in interfraktionellem Einvernehmen aller demokratischen Fraktionen ganz hervorragend gemeistert haben. Ich habe das Gefühl, dass dies bei den vergangenen Diskussionen über das Video-Streaming in Vergessenheit geraten ist.

Faktisch waren wir jede Woche zu unchristlicher Zeit, montags um 8 Uhr, in der Corona-Taskforce dazu aufgerufen, zwischen dem Anspruch an demokratische

Prozesse einerseits und der Ausfallsicherheit dieses Parlaments andererseits die Balance zu finden. Uns ist es auch gelungen, mit dem berühmt gewordenen Corona-Paragrafen 193a unserer Geschäftsordnung all das zu legitimieren, was nötig war, sodass wir während der gesamten Pandemie in der Lage waren, rechtssichere Beschlüsse zu fassen.

Uns ist es auch gelungen, dieses Parlament by the way zu einem der modernsten Regionalparlamente, ja zu einem der modernsten Parlamente in ganz Europa zu machen, indem wir digitale Abstimmungen und die digitale elektronische Akte in der Landtagsverwaltung eingeführt haben. Wir haben es möglich gemacht, dass Kolleginnen und Kollegen an Beratungen und Beschlussfassungen von Ausschüssen auf digitalem Weg teilnehmen konnten. Das war ein echter Quantensprung in Richtung Transparenz und ein Quantensprung in Richtung eines modernen Parlaments. Ich habe bereits an vielen Stellen zum Ausdruck gebracht, dass ich die Art und Weise, wie das im interfraktionellen Konsens zustande kam, für eine Sternstunde unserer Demokratie halte. Ich habe mich dafür schon bei den Parlamentarischen Geschäftsführern der demokratischen Oppositionsparteien bedankt, die das zusammen mit Herrn Kollegen Reiß und mir möglich gemacht haben. Ich möchte diesen Dank an dieser Stelle noch einmal deutlich artikulieren: Vielen herzlichen Dank dafür! Das war ein Quantensprung für unser Parlament.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Der einzige Streitpunkt, der nach dem Entfallen des § 193a übrig geblieben ist, nachdem Corona wieder einen normalen Parlamentarismus möglich gemacht hat, ist die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit dem Livestreaming? – In dieser Frage gab es in der Tat unterschiedlichste Auffassungen. Herr Kollege Fischbach wäre ganz gerne vom Betreten des Parlaments an der Ostpforte den ganzen Tag begleitet worden und hätte sich gewünscht, dass jeder seiner Schritte ins Internet gestreamt wird, damit die Menschen das beobachten können. Andere Kolleginnen und Kollegen waren da etwas restriktiver.

Wie das manchmal meine Art ist, habe ich mich einigermaßen weit aus dem Fenster gelehnt und gesagt: Ich versuche einmal, zwischen diesen beiden – auf den ersten Blick unversöhnlichen – Polen zu moderieren. Ich bin deshalb dankbar und stolz darauf, Ihnen mit dem interfraktionellen Antrag der FREIEN WÄHLER und der CSU einen Vorschlag präsentieren zu können. In den Medien wurde bereits über diesen Vorschlag berichtet, der mit den Kolleginnen und Kollegen Parlamentarischen Geschäftsführern besprochen und im Ältestenrat vorberaten worden ist. Wie lösen wir dieses Dilemma auf, und wie bringen wir alle berechtigten Interessen unter einen Hut? – Wir geben ein klares Bekenntnis zum Qualitätsjournalismus in unserer bayerischen Mediendemokratie ab.

Wir definieren zwei Arten von Öffentlichkeit: Zum einen ist das im Sinne einer Arbeitserleichterung neben unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Mitarbeitern des Parlaments und der Mitarbeiter in den Ministerien auch die Landtagspresse. Sie kann, wenn wir diesen Vorschlag heute beschließen, den ganzen Tag, von morgens bis abends, jede Ausschussberatung per Livestream verfolgen. Das ist im Sinne maximaler Transparenz, weil wir nichts zu verbergen haben. Wir wünschen uns aber, dass eine kontextualisierte Berichterstattung stattfindet. Lessons learned: In der Corona-Zeit haben wir bemerkt, wie wichtig es ist, dass das, was wir hier tun, auch eingeordnet wird. Ich sehe gerade die Besuchergruppe auf der Tribüne. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle wissen, wie wichtig es ist, in unseren Gesprächen mit den Besucherinnen und Besuchern zu kontextualisieren, damit diese das, was wir im Plenarsaal tun, einordnen können. Das kann die Landtagspresse. Deshalb wollen wir das ständige Recht für die akkreditierte Landtagspresse.

Zum anderen soll die Möglichkeit bestehen, bei besonders relevanten Sitzungen, zum Beispiel wenn Ministerinnen und Minister im Ausschuss sind oder wenn wir Expertenrat hinzuziehen, ein klassisches Streaming für die Öffentlichkeit durchzuführen. Das ist ein hervorragender Kompromiss.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinen Mitarbeitern, die diesen Kompromiss vorgeschlagen haben, beim Landtagsamt, das uns dabei fachlich unterstützt hat, und insbesondere, in Erwartung einer fairen und konstruktiven Debatte, bei den Kolleginnen und Kollegen Parlamentarischen Geschäftsführern.

Herr Abgeordneter, denken Sie an das Ende Ihrer Redezeit.

Dass dies möglich war, spricht für unsere bayerische Demokratie. Das ist eine gute Entscheidung für dieses Parlament. Ich bitte Sie um Zustimmung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Der nächste Redner ist der Kollege Jürgen Mistol vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn im Zeugnis steht, er oder sie habe sich bemüht, wird damit meist zum Ausdruck gebracht, dass es eben keine Meisterleistung gewesen ist. Ich betrachte mir den vorliegenden Vorschlag der CSU und der FREIEN WÄHLER zur Änderung der Geschäftsordnung und vergegenwärtige mir gleichzeitig, was wir während der pandemischen Hochphase bereits an Livestream-Transparenz und Öffentlichkeit in unserer Ausschussarbeit hatten. Herr Kollege Dr. Mehring hat darüber gerade ausführlich berichtet. Vieles hat sich bewährt und ist bei den Menschen, für die wir Politik machen, gut angekommen. Wir hätten das heute, ja sogar schon vor einigen Wochen, beschließen können, als wir GRÜNEN gemeinsam mit der SPD und der FDP eine Änderung der Geschäftsordnung beantragt hatten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts dessen fällt es mir schwer zu sagen: Ihr habt euch bemüht.

Lieber Fabian Mehring und lieber Tobias Reiß, ich weiß, dass ihr euch bemüht habt. Ich muss aber feststellen: Mehr war dieses Mal offensichtlich nicht drin. Ich sage es ganz deutlich: Die Regierungsfraktionen haben damit eine Chance für einen entschlossenen Schritt in Richtung Digitalisierung der Landtagsarbeit verpasst. Der Widerstand in den Reihen der CSU-Fraktion war wohl zu groß; denn das ist ein Ein-Schritt-vor-ein-Schritt-zurück-Kompromiss. Transparenz und Öffentlichkeit taugen euch nur da, wo es euch nicht wehtut. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Arbeit an Anträgen und Gesetzentwürfen kann es in den Ausschüssen schon mal krachen und knirschen. Es wird dann lebhaft diskutiert und ausgiebig gestritten. Das ist parlamentarische Arbeit. Weshalb es Bürgerinnen und Bürgern verwehrt bleiben soll, auch diesen Teil der parlamentarischen Arbeit mitzubekommen, erschließt sich uns GRÜNEN nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich stelle fest: Die Regierungsfraktionen klopfen mit diesem Antrag eine Zuschaltung für einen Teil der mit der Ausschussarbeit befassten Personen fest, aber eben nicht für alle. Der Katalog derer, die zugeschaltet werden dürfen, ist sehr detailverliebt. In der gerade zu Ende gegangenen Debatte haben wir auch über Bürokratie

gesprochen. Dieser Antrag ist eigentlich ein Fall für den Bürokratiebeauftragten. Wir haben es gerade aus der Debatte mitgenommen: Zuerst muss Bürokratie aufgebaut werden, damit man sie anschließend wieder abbauen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In diesem detailverliebten Katalog fehlen die persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten. Aus unserer Sicht sind die Regelungen und Regeln für Petentinnen und Petenten völlig unzureichend, die sich nur dann zuschalten lassen können – ich zitiere –:

sofern diesen eine Anreise in den Landtag aus in ihrer Person liegenden, schwerwiegenden Gründen nicht oder nur unter nicht zumutbaren Bedingungen möglich ist.

So habt ihr es formuliert. Ich nenne das jetzt mal eine sehr schwammige Regelung. Es ist eine Regelung für die Bremser der Digitalisierung – Frau Guttenberger ist ja heute nicht anwesend. Es wird eine weit interpretierbare Regelung geschaffen. Man stellt damit ohne Not für die Petentinnen und Petenten eine große Hürde auf. Das widerspricht unserer Vorstellung von transparenter Arbeit inklusive der Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern.

Wie gesagt, mehr ist wohl diesmal für die Bürgerinnen und Bürger nicht drin. Ich kündige hiermit aber die erneute Vorlage in der nächsten Legislaturperiode an. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu einer Zwischenbemerkung hat sich der Kollege Prof. Dr. Winfried Bausback von der CSU-Fraktion gemeldet.

Verehrter Kollege Mistol, Sie haben auf die Bemühungen der FREIEN WÄHLER und der CSU hingewiesen. Mich würde interessieren, wie es mit den Bemühungen Ihrer Fraktion und den Bemühungen der SPD in Berlin aussieht. Meines Wissens tagen die Ausschüsse des Deutschen Bundestages nach wie vor nicht einmal in Saalöffentlichkeit. Hier in Bayern Transparenz einzufordern und von einer vertanen Chance zu reden, ist das eine; die eigenen Forderungen nicht in Berlin umzusetzen, ist das andere. Bei aller Distinguiertheit der heutigen Diskussion stelle ich eine gewisse Scheinheiligkeit fest. Sie zeigen mit dem Finger auf eine Regelung, die deutlich transparenter ist als die Regelung in Berlin und die die Arbeitsatmosphäre im Bayerischen Landtag in guter Weise erhält und fortentwickelt. Mich würde Ihre Einschätzung dazu interessieren, wie es bei Ihnen in Berlin aussieht.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Herr Mistol, bitte.

Herr Kollege Prof. Bausback, ich bin schon enttäuscht; denn die CSU hat früher immer gesagt: Bayern vorn. Jetzt aber wollen Sie nicht, dass Bayern vorn ist. Insofern ist es gut, dass wir ein Parlament haben, in dem Transparenz und Offenheit ganz groß geschrieben werden. Dafür werden wir von der Opposition uns weiter einsetzen. Was Sie hier machen und was Sie in Berlin machen, sollen Sie bitte selbst entscheiden. Ich habe aber auch noch nichts über Vorstöße von Ihnen in Berlin gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist der Abgeordnete Andreas Winhart für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

Sehr geehrter Herr Vizepräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute wieder einmal über dieses Thema. Wir führen nicht die erste Diskussion darüber. Auch im Ältestenrat sprachen wir wiederholt darüber. Für uns ist das ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht das Ende der Reise. Wir werden dem Antrag zustimmen, weil mit ihm etwas mehr an Transparenz geschaffen wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich frage Sie aber schon: Warum so zögerlich? Wovor haben Sie Angst?

Gehen wir es mal der Reihe nach durch, was noch alles fehlt: Es fehlt beispielsweise, dass man sich die Videos, die man sich im Livestream anschauen kann, auch zeitversetzt in einem Videoarchiv, so, wie wir es auch beim Plenum haben, noch einmal anschauen kann. Wir haben hier den Livestream und das Videoarchiv, in dem man bis ins Jahr 2005 zurück jede Rede immer wieder anschauen kann. Warum kann man das bei den Ausschusssitzungen nicht genauso machen? Haben Sie Angst, dass irgendwelche Bürger Ihnen etwas nach einer gewissen Zeit vorhalten? Haben Sie Angst vor der AfD, dass sie irgendwann auf YouTube arbeitet? – Wir haben darüber doch schon beim letzten Mal diskutiert. Genau diese Angst vor der AfD scheint an dieser Stelle wieder durchgeschlagen zu sein; denn genau das wurde auch in der letzten Debatte vorgetragen, in der letzten Plenarsitzung, als wir das Thema im Rahmen eines Dringlichkeitsantrags behandelt haben.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Sie wollen Filmchen machen, weil Sie sonst nichts können!)

Herr Streibl, melden Sie sich doch einfach zu einer Zwischenbemerkung!

Dann haben wir die Übertragung von Petitionen – das ist gerade schon angesprochen worden. Warum so bürgerfeindlich? Ich frage mich, warum man so bürgerfeindlich sein muss, wenn ein Arbeitnehmer nicht unbedingt nachweisen kann, dass er irgendwie verhindert ist. Man kann sich doch zumuten, dass, wenn eine Petition behandelt wird, sich der Petent die Beratung im Archiv abrufen und zeitversetzt am Abend anschauen kann, wie seine Petition von den verschiedenen mitberatenden Fraktionen beschieden wurde. Das ist doch wirklich keine Tragik, so etwas umzusetzen. Im Gegenteil, das ist bürgerfreundlich. Man kann es doch nicht nur dann zulassen, wenn es vom Fahrtweg her schwierig ist; denn es gibt auch andere triftige Gründe, wie etwa Krankheit, eine Verhinderung wegen eines Arbeitsverhältnisses oder anderer Termine. Wenn es den Bürgern ein Anliegen ist, das noch einmal anzuschauen, kann man es doch bitte einfach im Videoarchiv hinterlegen.

Wir haben das doch alles schon während der Corona-Pandemie eingeübt. Es ist doch nichts Neues dabei. Während der Corona-Pandemie hat es doch auch funktioniert, als wir die Liveübertragung der gesamten Ausschusssitzung gehabt haben. Dabei ist doch wirklich nichts passiert, dass man sagt, irgendein Kollege oder eine Kollegin sei diskreditiert worden. Wir haben hier schon Transparenz gehabt und gehen jetzt eigentlich wieder einen Schritt zurück.

Ein Letztes möchte ich Ihnen von der CSU noch mit auf den Weg geben, das Sie sich mal überlegen sollten: Warum muss die Staatsregierung im Ausschuss nicht anwesend sein? Sie kann sich zuschalten lassen. Meine Damen und Herren, auch Ihre Beauftragten können sich zuschalten lassen. Ich weiß, es ist jetzt eineinhalb

Jahre vor der Wahl bei der CSU ein schwieriges Thema, weil Sie noch weiter aufrutschen wollen, aber eigentlich ist die Regierung dem Parlament verantwortlich und nicht andersherum. Deswegen sollten die Herrschaften auch anwesend sein, wenn ein Ausschuss es mit Mehrheit so beschlossen hat.

Damit haben wir diverse Gründe, noch weiter nachzubessern. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Deswegen wird die AfD-Fraktion dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der AfD)

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Simone Strohmayr für die SPD-Fraktion.