Protokoll der Sitzung vom 22.06.2022

Damit ergibt sich als logische Folgerung aus den Ausführungen klar und deutlich und eindeutig: Die zu beschließenden Regelungen in der Vorlage der Staatsregierung sind insgesamt ein ganz erheblicher Fortschritt. Deshalb: überzeugte Zustimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung durch die Regierungsfraktionen.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Nächster Redner ist der Kollege Maximilian Deisenhofer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben beide Gesetzentwürfe bereits ausführlich hier im Plenum und auch im Bildungsausschuss diskutiert, daher beschränke ich mich heute auf die wichtigsten Punkte.

Dem FDP-Gesetzentwurf stimmen wir zu, weil er im Wesentlichen unserem eigenen, dem Gesetzentwurf der GRÜNEN aus der vergangenen Legislatur entspricht. Beim Gesetzentwurf der Staatsregierung werden wir uns enthalten. Ich werde das kurz begründen.

Wir finden es richtig, weiterhin auf Präsenzunterricht zu setzen. Allerdings würden wir uns mehr Offenheit wünschen, zum Beispiel für berufliche Schulen mit großem Sprengel oder in bestimmten Ausbildungsberufen. Dass im Distanzunterricht die Kameras angeschaltet sein sollen, finden auch wir natürlich richtig, hier aber noch mal der Hinweis, dass es dafür dann überall gescheites Internet braucht, genauso natürlich in den Schulen, um von dort Unterricht streamen zu können, aber vor allem, um dort auch in mehreren Klassenzimmern gleichzeitig Online-Unterricht machen zu können. Da reichen eben die 30 Mbit/s vorne und hinten nicht aus, sondern dafür braucht es Gigabit, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Änderungen zum Handyverbot an weiterführenden Schulen sind ebenfalls richtig und entsprechen unserem Gesetzentwurf aus der letzten Legislatur. Hier kann man nur sagen: Willkommen in der Lebensrealität des 21. Jahrhunderts, liebe Staatsregierung!

Allerdings haben wir uns in der Ersten Lesung schon sehr über die Begründung des Ministers gewundert, warum Grundschulen jetzt komplett ausgespart werden sollen. Inhaltlich – das haben wir auch im Bildungsausschuss gesehen – kann man darüber diskutieren; aber als Begründung dann ausgerechnet einen Schulversuch anzuführen, an dem die Grundschulen selber überhaupt nicht beteiligt waren, das war nicht überzeugend, Herr Minister, da würde ich mir eine bessere Begründung wünschen.

Dafür beim nächsten Punkt volle Zustimmung von uns: Teilzeitausbildung an den Berufsfachschulen. Das haben wir selbst auch schon lange gefordert. Danke, dass das jetzt umgesetzt wird.

Auch die Klassensprecherwahlen an Grundschulen finden wir richtig. Allerdings würden wir uns bei der demokratischen Schule auch wünschen, dass Lehrkräfte ebenfalls in die Entscheidungen einbezogen werden.

Abschließend noch einmal der Hinweis auf die vielen weiteren Baustellen in der digitalen Schule: Breitband und WLAN sind noch nicht annähernd in allen Schulen vorhanden, die Dienst-E-Mails waren tagelang nicht abrufbar, Lehrkräfte warten zum Teil noch immer auf ihre Dienstgeräte, der Abruf der Fördermittel bei der so wichtigen IT-Betreuung ist weiterhin katastrophal, und von der angekündigten Digitalmilliarde ist auch drei Jahre nach der großen Söder-Show beim Schuldigitalisierungsgipfel noch nicht mal die Hälfte abgerufen. Über diese Mängelliste kann auch ein neuer Schulversuch zur digitalen Schule nicht hinwegtäuschen. Ich glaube, es wird einfach langsam Zeit für eine neue Staatsregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie des Abgeordneten Matthias Fischbach (FDP))

Der nächste Redner ist der Kollege Tobias Gotthardt.

(Zuruf: Er hat sich verspätet!)

Er ist nicht im Raum. Damit verfällt diese Rede. Das Rederecht hat der Kollege Oskar Atzinger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrtes Präsidium, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Potius sero quam numquam. – Besser spät als nie. Ja, ich sagte dies bereits bei der Ersten Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Quidquid agis, prudenter agas et respice finem!)

Respice finem! Richtig, Herr Kollege!

Was in den mehr als zwei Jahren der erklärten Pandemie nur durch Verordnungen festgelegt war, soll nun endlich in Gesetzesform gebracht werden. Gut ist, dass der Unterricht im Regelfall als Präsenzunterricht erteilt werden soll, da, wie richtigerweise erwähnt wird, Präsenzunterricht durch Distanzunterricht nicht gleichwertig ersetzt werden kann, da jener laut einer Studie manchmal genauso effektiv wie Sommerferien war und Stagnation mit der Tendenz zu Kompetenzeinbußen zur Folge hatte. Noch besser wäre aber ein Passus gewesen, dass nur in absoluten Ausnahmefällen auf Distanzunterricht zurückgegriffen werden darf. Schlecht ist, dass die Schülerinnen und Schüler bei Distanzunterricht zur Übertragung des eigenen Bildes und Tones verpflichtet sind, soweit die technischen Voraussetzungen dafür vorliegen, die Kosten dafür aber wohl meist bei den Eltern hängen bleiben. Wenn Sie konsequent sein wollen, Herr Minister Piazolo, dann bieten Sie den Eltern bitte ebenfalls einen Anspruch auf Distanzunterricht an; denn viele Eltern sind mit der Betreuung ihrer Kinder überfordert, wenn Arbeitsblätter einfach nur ins Netz gestellt werden.

Die Nutzung von Mobiltelefonen in Schulen wird, wie es auch die FDP-Fraktion fordert, dankenswerterweise der Lebensrealität angepasst. Auch die Staatsregierung scheint nun im 21. Jahrhundert angekommen zu sein, was per se ja nicht schlecht sein muss.

Die AfD-Fraktion wird sich bei der Abstimmung enthalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Simone Strohmayr von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann bei diesem Tagesordnungspunkt wirklich nur wiederholen, was ich bereits in der Ersten Lesung gesagt habe, nämlich: Endlich! Endlich hat die Staatsregierung es geschafft, einen Gesetzentwurf zur digitalen Nutzung, also zur Handynutzung an Schulen auf die Beine zu stellen. "Endlich" sage ich auch deswegen, weil die SPD-Fraktion hier bereits vor vier Jahren einen nahezu gleichlautenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Liebe Regierung, ich kann nur sagen: Sie hätten nur zustimmen müssen, und wir hätten schon längst entsprechende Regelungen an unseren Schulen gehabt. Es ist wirklich schade, dass so viel Zeit vergehen musste.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt – auch das möchte ich hier noch einmal sagen – geht die Digitalisierung an unseren Schulen in Bayern viel zu langsam voran. Immer noch haben nicht alle Schüler und Schülerinnen ein digitales Endgerät; 250.000 Endgeräte für 1,6 Millionen Schüler und Schülerinnen sind einfach zu wenig. Da fordern wir als Sozialdemokraten mehr.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Eins-zu-eins-Ausstattung. Immer noch hat nicht jeder Lehrer, nicht jede Lehrerin ein Schuldigitalgerät. Immer noch gibt es an vielen Schulen kein ausreichendes Netz. Immer noch haben viele Schulen keinen Systemadministrator, um ihr Netz überhaupt angemessen betreuen zu lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es so langsam vorangeht und die Mittel aus dem Digitalpakt einfach nicht ausreichend und nicht schnell genug abgerufen werden, ist nicht – das möchte ich hier ausdrücklich noch einmal betonen – die Schuld der Schulen, die mit 350.000 Aufgaben, mit COVID, mit Schülerinnen und Schülern, die nicht Deutsch sprechen, und vielem mehr total überlastet sind und die keine Systemadministratoren haben. Es ist auch nicht Schuld der Lehrerinnen und Lehrer, die in den letzten Jahren einfach viel zu viele Zusatzaufgaben bekommen haben. Es ist auch nicht Schuld der Kommunen und der Schulträger, die bei der Digitalisierung oft nicht das Know-how haben; das gilt insbesondere für die kleineren Kommunen. Dass es so langsam vorangeht, liegt einzig und allein in der Verantwortung der Regierung. Es fehlt an den Hilfestellungen für die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer und vor allen Dingen für die Kommunen. Das muss sich ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt noch im Detail zum Gesetz: Wir begrüßen, dass der Distanzunterricht nach dem Gesetzentwurf der CSU nicht die Regel sein soll. Wir begrüßen auch, dass die Schülerinnen und Schüler verpflichtet werden können, sich in Bild und Ton zuzuschalten. Das sind sicherlich die Erfahrungen aus der COVID-Zeit, und es ist gut, dass das jetzt hier geregelt wird.

Aber jetzt komme ich schon zur Kritik. Es ist ein Witz, wenn im Gesetzentwurf steht, dass keine Kosten anfallen. Natürlich fallen Kosten an, wenn wir es mit der Digitalisierung an unseren Schulen ernst meinen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist – das habe ich vorhin schon gesagt –, dass die Systemadministratoren fehlen. Auch das ist leider in diesem Gesetz nicht geregelt. Ohne Systemadministratoren wird es aber keine Digitalisierung an Schulen geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss möchte ich noch auf zwei kleine Punkte eingehen. Beim Homeschooling für Kranke brauchen wir dringend verbindliche Regelungen. Die Schülerinnen und Schüler, die krank sind oder in Quarantäne zu Hause sitzen, müssen digitalen Zugriff auf den Unterrichtsstoff haben. Es kann nicht sein, dass hier das Buddy-Prinzip gilt, dass also Schülerinnen und Schüler andere Schülerinnen und Schüler informieren müssen, was im Unterricht gelaufen ist. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Hier brauchen wir entsprechende verbindliche Regelungen.

Ganz zum Schluss noch eine Frage, die sich mir aufdrängt: Ich verstehe wirklich nicht, warum die Grund- und Förderschulen hier ausgenommen werden. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir früh damit beginnen, Kinder auf die digitalisierte Welt vorzubereiten.

Beim Gesetzentwurf der CSU werden wir uns enthalten. Dem Gesetzentwurf der FDP werden wir zustimmen, weil er weitgehend unserem eigenen Entwurf entspricht.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist der fraktionslose Abgeordnete Raimund Swoboda.

Hohes Haus, verehrte Bürger! Die schulische Lebensrealität heute ist: Jeder hat sein Mobiltelefon dabei und benutzt es auch, wann und wie er meint, und hofft, nicht erwischt zu werden. Lehrkräfte vermeiden kräftezehrende Konfrontationen wegen des Handyverbots in Pausen und Freistunden. So schaut es aus. 94 % der Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren verfügen über ein eigenes Smartphone mit Flatrate. Die Lebenswirklichkeit der Jugendlichen heute ist: Sie haben ihr Handy stets bei sich, simsen, daddeln und fotografieren, durchschnittlich circa fünf Stunden am Tag. Manche hier im Haus machen das genauso.

Das Lagebild zur digitalisierten Welt erzwingt Veränderungen, die mit Schulordnungsverboten keine vernünftige Erziehung und Bildung unter Verwendung neuer Medien erzielen lassen. Wortreiche Sprechblasen zur pädagogischen Selbstverantwortung der Schüler und der Eltern helfen genauso wenig weiter wie praxisfremde Nutzungsordnungen der jeweiligen Schulen.

Für mich gibt es nur zwei durchzusetzende Voraussetzungen für die Nutzung digitaler Endgeräte. Erstens hat das private Smartphone in der Schule nichts zu suchen. Wer es mitbringt, hat es vor dem Unterricht abzugeben. Zweitens werden ausschließlich schuleigene Endgeräte und Software bei digitalisiertem Unterricht eingesetzt, egal ob in Form des Präsenz- oder des Distanzunterrichts. Grundsätzlich muss die Schule, meine sehr verehrten Damen und Herren, Ort der direkten Face-to-Face-Kommunikation sein und bleiben; sonst fördert man dort linguistische Sprachkrüppel, die nur noch irgendwelche Short-Formen auf Englisch und Anglizismen stottern können. Wollen Sie das? – Schon deshalb muss in den Pausen und Freistunden das private Smartphone verboten bleiben.

(Zuruf: Das ist doch weltfremd!)

Distanzunterricht ist aus der Not geboren und muss die Ausnahme sein. Anpassungen der Gesetzeslage an die heutigen Realitäten sind erforderlich, richtig. Allerdings fehlen landesweit nach wie vor sowohl die technischen als auch die personellen Voraussetzungen für diese Unterrichtsform wie zum Beispiel ITAdministratoren, IT-Lehrkräfte, IT-Verbundsysteme – denken Sie an die CloudSchule –, IT-Endgeräte und IT-Software. Dies auf den erforderlichen Stand zu bringen, kostet Geld. Die Behauptung der Staatsregierung, die Novelle erfordert keine Haushaltsmittel, weil sie an den bestehenden Aufgaben der Schulaufwandsträger rechtlich nichts ändert, ist ein dreister und übler Konnexitätstrick der SöderAdministration.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Ende möchte ich Sie alle hier im Hohen Haus ermahnen; Distanzunterricht ist eine große psychische und physisch krank machende Belastung für Kinder und Eltern. Also gehen Sie bitte sorgsam damit um. – Das war’s!

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Gott sei Dank!)

Nächster Redner ist nun für die FREIEWÄHLER-Fraktion der Abgeordnete Johann Häusler.

Herr Vizepräsident, Herr Staatsminister, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Grunde hat Herr Prof. Gerhard Waschler das sehr ausführlich beleuchtet und dargestellt. Ich kann das für meine Fraktion vollumfänglich teilen. Ich möchte trotzdem noch ein paar Ergänzungen zu zwei Themenblöcken anbringen, die, glaube ich, gerechtfertigt sind:

Zunächst zum bisherigen Handyverbot: Das stammt aus dem Jahr 2006. Das hatte damals eine ganz andere Intention. Heute ist es nicht mehr wirklichkeitskonform. Insofern hat – das muss man an der Stelle vielleicht sagen – der Kultusminister bereits vor Monaten angekündigt, das entsprechend zu lockern und zu modifizieren. Das wird in diesem Gesetzentwurf so dargestellt, dass es der Lebenswirklichkeit entspricht. Vor allen Dingen wird dadurch auf der einen Seite auch die Verantwortung der Lehrer überschaubar, und es sind in etwa gleiche Voraussetzungen. Bisher war das sehr auf die jeweiligen Lehrkräfte konzentriert. Auf der anderen Seite muss es auch die Möglichkeit geben, ein Handy bei Missbrauch auch einmal zu entziehen. Auch diese Möglichkeit muss gegeben sein. Wir haben das in unseren Gesetzentwurf entsprechend eingearbeitet. Insofern ist es jetzt, glaube ich, der richtige Zeitpunkt, um unserem Gesetzentwurf zuzustimmen bzw. den Gesetzentwurf der FDP abzulehnen.

Kollegin Strohmayr, vielleicht noch eins: Liebe Simone, bist du überhaupt noch da?

(Abgeordnete Dr. Simone Strohmayr (SPD) macht sich durch Handzeichen bemerkbar)

Ah, da bist du. Du hast ein sehr düsteres Bild von der digitalen Ausstattung unserer Schulen und unserer Lehrkräfte gezeichnet. Das trifft natürlich so keinesfalls zu. Ich habe mir in der Zwischenzeit noch ganz schnell die Zahlen angeschaut. Sie widersprechen eigentlich genau dem, was du hier vorgetragen hast.

Wir haben an den bayerischen Schulen aktuell 280.000 Arbeitsplatzrechner und zusätzlich über 480.000 mobile Endgeräte zur Verfügung.