Protokoll der Sitzung vom 07.02.2023

Das heißt aber gerade nicht, dass diese Vorschriften, die zum betreffenden Zeitpunkt in Kraft waren, im Nachhinein vielleicht nicht zu beachten wären. Auch das gehört letztlich zum Rechtsstaat.

Jetzt sage ich Ihnen was zu dieser Corona-Geschichte.

(Zuruf des Abgeordneten Andreas Winhart (AfD))

Können Sie vielleicht aufhören, dauernd zu krakeelen und reinzuplärren? Melden Sie sich halt zu einer Zwischenbemerkung! Bleiben Sie wenigstens hier mal ordentlich!

(Andreas Winhart (AfD): Das ist einfach falsch!)

Bleiben Sie hier halt mal einigermaßen den Verfahrensregeln treu!

(Beifall bei der CSU – Andreas Winhart (AfD): Dann geben Sie doch mal die Antworten!)

Wenn so etwas geschieht wie eine erstmals auftretende Pandemie, dann ist doch klar, dass nicht in jedem Fall immer alles hundertprozentig richtig sein kann, wenn man schnell reagieren muss. Stellen Sie sich doch mal vor, man hätte irgendetwas unterlassen, was sich im Nachhinein als richtig herausstellt, eine Maßnahme, von der im Nachhinein rauskommt, dass sie Leben gerettet hätte.

(Ulrich Singer (AfD): Das ist unanständig, Herr Kollege!)

Also ist es doch umgekehrt richtig, Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn sich danach herausstellt, dass die eine oder andere vielleicht nicht so zielführend war. Aber umgekehrtes Verhalten wäre doch das größte Versäumnis des Staates. Insofern mag es sein, dass Gerichte heute die eine oder andere Maßnahme für nicht wirksam oder nicht rechtmäßig erklärt haben. Irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse, die wir heute haben, besagen, das eine oder andere hat stärker, das eine oder andere weniger gewirkt. Aber da muss ich ganz ehrlich sagen: Das gehört dazu, wenn man ein dynamisches Geschehen in den Griff bekommen will. Auch das ist Rechtsstaat. Deswegen ist dem kleinen richtigen Belang in Ihrem Antrag, wenn man ihn denn erkennen möchte, Genüge getan.

Ich sage auch noch etwas zu den offenen Verfahren: Bei den offenen Verfahren obliegt es jedem einzelnen Betroffenen, Rechtsbehelfe einzulegen.

(Zuruf des Abgeordneten Franz Bergmüller (AfD))

Wenn ein Bescheid noch nicht bestandskräftig ist, dann kann ich dagegen etwas machen. – Nein, meine Damen und Herren, dieser Antrag geht komplett an der Sache vorbei.

Es ist ja auch so – das sei allen gesagt, die heute hier vielleicht die erste Debatte dieser Art erleben –, dass das typisch für Sie ist, weil Sie im Grunde Corona leugnen. Sie leugnen die Wirkungen vor Corona.

(Ulrich Singer (AfD): Wir leugnen die Wirksamkeit Ihrer unrechtmäßigen Maßnahmen!)

Sie leugnen die Notwendigkeit von entsprechenden Maßnahmen. Das ist grundfalsch.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. – Es gibt eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Ingo Hahn.

Geschätzter Herr Kollege Schmid von der CSU, es kommen ja täglich neue Studien, die eben genau das untermauern, dass Ihre ganzen Corona-Maßnahmen oder der Großteil davon nicht nur nutzlos waren – sie waren zum Teil schädlich.

(Zuruf des Abgeordneten Toni Schuberl (GRÜNE))

Schulschließungen, Maskenpflicht, Lockdowns usw. Ich brauche hier nur die Studie des Cochrane-Instituts vom 30.01.2023 zu zitieren. Die kennen Sie vielleicht nicht oder wollen es jetzt immer noch nicht wahrhaben.

Insgesamt kann man sagen: Ihre Politik war eine große Katastrophe und hat nachhaltig der Demokratie geschadet. Wenn Sie sich jetzt wie vor fünf Minuten hier hinstellen und sagen, diese ganze Debatte wäre ein Zeitraub, heute, wo wir gerade mal zwei Stunden hier sitzen, dann sagt das sehr viel über Ihr demokratisches Verständnis aus.

Ich denke, wir müssen diese schweren Eingriffe aufarbeiten. Das zeigt auch klar, dass die AfD mit ihrer kritischen Haltung auf dem richtigen Weg war. Wir können diese Informationen nicht im Nachhinein ignorieren. Das Mindeste wäre, dass Sie sich für die Dinge, bei denen Sie es einsehen, einfach mal bei den Leuten entschuldigen: dass sie nicht vor die Tür gehen konnten und dass sie zwei Jahre lang mit Masken rumlaufen mussten. Das wäre es mir wert.

(Beifall bei der AfD)

Bitte schön, Herr Schmid.

Also, Herr Kollege: Selbstverständlich verfolgen wir auch jetzt, wo die Corona-Krise am Abklingen ist, sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse, weil man immer aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen kann.

Aber ich stelle jetzt mal die Gegenfrage. Was sagen Sie eigentlich zu den Tausenden von Menschenleben, die durch die Maßnahmen insgesamt gerettet wurden? Hätten Sie die denn gerne aufs Spiel gesetzt?

(Prof. Dr. Ingo Hahn (AfD): Bitte auf die Frage antworten!)

Was ist denn das bitte für eine menschenverachtende Aussage, zu sagen, es war alles wirkungslos?

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Tausende von Menschenleben wurden gerettet!

(Franz Bergmüller (AfD): Die WHO hat ganz klar das schwedische Modell als das beste dargestellt! Aussagen! Fakten!)

Vielen Dank. – Damit darf ich den nächsten Redner aufrufen: Es ist Herr Abgeordneter Toni Schuberl von den GRÜNEN. Bitte schön, Herr Abgeordneter Schuberl.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie immer wäre es auch bei der Corona-Pandemie zur Katastrophe gekommen, wenn

man der AfD gefolgt wäre. Das muss man bei diesem Thema in Erinnerung rufen. Diese Partei darf niemals politische Verantwortung erhalten!

(Beifall bei den GRÜNEN, der CSU, den FREIEN WÄHLERN, der SPD und der FDP)

Die grundsätzliche Richtung der Corona-Politik in Bayern war richtig. Wir GRÜNE haben das kritisch-konstruktiv begleitet. Die notwendigen Maßnahmen waren zu Recht bußgeldbewehrt. Es gab Maßnahmen, die übertrieben waren. Wir haben sie kritisiert. Die Gerichte haben darüber geurteilt, so wie es in einem Rechtsstaat üblich ist. Bußgelder für verfassungswidrige Maßnahmen wie die Ausgangssperre werden zurückgezahlt. – Das ist gut, das erwarte ich aber auch. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Jetzt bräuchte es noch eine einheitliche Handreichung der Staatsregierung für die Kommunen. Das Verfahren wäre professioneller denkbar, aber es läuft. Dafür braucht man keinen Antrag mehr. Und ich erwarte, liebe Staatsregierung – das ist bisher noch nicht thematisiert worden –, dass diejenigen, die aufgrund der im Nachhinein als verfassungswidrig festgestellten Ausgangssperre in Präventivhaft genommen worden sind, hierfür entschädigt werden. Haft oder Gewahrsam muss immer Ultima Ratio sein.

Eine allgemeine Amnestie für alle, die sich widerrechtlich gegen rechtmäßige, notwendige Maßnahmen gestellt haben, lehnen wir ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schuberl. – Damit kommt nun der nächste Redner: Es ist Herr Abgeordneter Alexander Hold. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ausgesprochen viele in unserer Gesellschaft, die immer wissen, was richtig gewesen wäre – vor allem im Nachhinein. Es liegt in der Natur der Sache, dass in die Zukunft gerichtete Einschätzungen, also Prognosen über den richtigen Weg, eher mit dem Risiko des Irrtums behaftet sind als nachträgliche Besserwisserei. Eine nie da gewesene Herausforderung wie die COVID-19-Pandemie, in der schnell, effektiv und zugleich natürlich mit den geringstmöglichen Eingriffen gehandelt werden musste, erhöht natürlich dieses Risiko, mal mit einer einzelnen Handlung daneben zu liegen.

Und trotzdem lässt sich im Rückblick sagen, dass es erstens immer das Ziel war, die am wenigsten einschneidenden Maßnahmen für den größtmöglichen Schutz zu treffen, und dass zweitens der absolut überwiegende Teil der Maßnahmen der Staatsregierung rechtmäßig war. Das zeigt sich doch schon daran, dass fast alle Klagen dagegen abgewiesen und nur eine Handvoll Maßnahmen höchstrichterlich für unwirksam erklärt wurden, wie zum Beispiel die zu rigorosen Ausgangsbeschränkungen während des Lockdowns. Bei diesem Beispiel hätte man mit den heutigen Kenntnissen vielleicht weniger einschneidende Maßnahmen getroffen. Aber für die Mehrheit der Maßnahmen, auch wenn sie zwischenzeitlich gestrichen wurden, gilt, dass sie damals rechtmäßig waren. Sie wurden zwischenzeitlich nur deswegen zurückgenommen, weil sie schlicht und einfach durch weniger gefährliche Varianten oder durch das Abebben der Pandemie nicht mehr notwendig sind – aber doch nicht, weil sie von vornherein rechtswidrig waren. Unsere Fraktion hat immer, während der gesamten Pandemie, darauf geachtet und darauf gedrängt, dass Maßnahmen dann nicht länger aufrechterhalten wurden, wenn sie nicht mehr notwendig waren, in der Regel auch mit Erfolg.

Und jetzt wollen Sie eine generelle Amnestie? Wollen Sie ernsthaft auch denjenigen die Bußgelder zurückbezahlen, die völlig verantwortungslos, egoistisch und

unsolidarisch Partys mit fünfzig Personen veranstaltet haben und damit nachweislich zu Superspreadern geworden sind,

(Prof. Dr. Ingo Hahn (AfD): Ja!)

während brave Normalbürger aus Verantwortung für ihre Mitmenschen zu Hause geblieben sind? Wollen Sie das ernsthaft?

(Prof. Dr. Ingo Hahn (AfD): Ja!)

Schon aus dem Grund ist die Forderung nach einer generellen Amnestie völlig unverhältnismäßig.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Außerdem würde es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, wenn man jetzt nur diejenigen Bußgelder erlässt, die zwar rechtskräftig verhängt worden sind, aber bis zum 31.12.2022 noch nicht vollstreckt wurden. Das verstehe ich überhaupt nicht. Das hieße, dass jemand, bei dem die Vollstreckung schneller lief, am Ende völlig willkürlich der Dumme wäre, weil er sein Bußgeld bezahlt hätte, und alle, die das Glück haben, dass sie die Zahlung noch hinausgezögert haben, würden Sie letzten Endes jetzt in den Genuss einer Amnestie kommen lassen. Das soll verstehen, wer will.

Gerade die Bestandskraft von Bußgeldbescheiden und die Rechtskraft von gerichtlichen Entscheidungen ist von elementarer Bedeutung für die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in unserem Land. Bürger müssen schließlich darauf vertrauen können, dass Regeln auch umgesetzt und Verstöße geahndet werden. An dem Grundsatz sollten wir beileibe nicht rütteln.