Protokoll der Sitzung vom 26.04.2023

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 144. Vollsitzung des Bayerischen Landtags und darf darauf hinweisen, dass die folgende Regierungserklärung und die anschließende Aussprache live auf BR24 übertragen werden. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass diese Sitzung nicht mehr am heutigen Tag schließen wird.

(Robert Brannekämper (CSU): Das sind keine guten Nachrichten!)

Wir schauen einfach, wie lange die Beiträge sein werden.

Ich darf noch einen Glückwunsch aussprechen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten: Der Kollege Jürgen Baumgärtner hat am 24. April einen runden Geburtstag gefeiert. Lieber Kollege Baumgärtner, im Namen des Hohen Hauses wünsche ich alles Gute und Erfolg für die parlamentarische Arbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst "Hightechland Bayern - Unsere Mission: Zukunft dahoam!"

Herr Staatsminister Markus Blume hat das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die erste Eisenbahn, das erste Kernkraftwerk, der erste Superrechner und die erste Herztransplantation in Deutschland: Das alles geschah nicht irgendwo. Das alles geschah an einem Ort und in einem Land, nämlich im Freistaat Bayern. Bayerische Lebensqualität entsteht dort, wo Tradition und Moderne, Freiheit und Sicherheit, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenkommen. Wer Bayern regiert, der lebt Fortschritt. Das hat bereits vor vielen Jahren, Jahrzehnten und sogar Jahrhunderten begonnen: König Max II., einer der größten Förderer von Wissenschaft und Kunst, hinterließ uns die Gelehrtenanstalt und erfand das moderne Bayern. Alfons Goppel gründete fünf Universitäten in Bayern und legte den Grundstein für das industrielle Bayern. Franz Josef Strauß startete mehrere Technologieoffensiven und prägte unter anderem mit der Luft- und Raumfahrt das technologische Bayern. Edmund Stoiber machte mit seiner Zukunftsoffensive, der High-Tech-Offensive Bayern und der Clusterpolitik den Freistaat zum Hightech-Bayern. Unser Ministerpräsident Markus Söder steht in dieser Reihe. Mit seiner Regierungserklärung vom 10. Oktober 2019 hat er die Hightech Agenda Bayern ins Leben gerufen. Das war der Startschuss für das Bayern der Zukunft und für die einzigartige Kombination von Heimat und Hightech.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, wer Bayern regiert, braucht Weitsicht und Mut zur Zukunft. Es war richtig, Bayern zu industrialisieren. Es war richtig – auch wenn wir momentan manchmal anderes hören –, in Bayern zu privatisieren. Es war richtig, in Bayern einen schuldenfreien Haushalt einzuführen. Es war richtig, in Bayern auf die Kernkraft zu setzen – im Übrigen wäre es immer noch richtig für Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Heute ist es richtig, mit der Hightech Agenda Bayern in die Zukunft unseres Landes zu investieren. Warum immer wieder Bayern? Warum dieses Fortschritts

bekenntnis? – Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kombination aus Fortschritt und Tradition in unserer DNA liegt.

Wo stehen wir heute? – Das Programm Hightech Agenda Bayern beflügelt Bayern.

Die Hightech Agenda ist viel mehr als nur ein Technologieprogramm. Sie ist eine Exzellenzoffensive, eine Talentschmiede, ein Standortfaktor, eine Wohlstandsagenda, eine Unabhängigkeitserklärung, ein ethisches Manifest. Egal, wo man hinschaut, die Hightech Agenda ist so viel mehr als nur ein Technologieprogramm. Sie ist in jedem Fall einmalig: 3,5 Milliarden Euro, 13.000 neue Studienplätze, 1.000 Professuren und insgesamt 2.500 neue Stellen. Die Hightech Agenda ist international einzigartig: Andere Länder, andere Staaten und sogar andere Kontinente schauen nach Bayern. Sie markiert den Beginn einer neuen Ära. Dafür ein herzliches Dankeschön an unseren Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder!

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Nie waren die Ausgaben für Wissenschaft in Bayern höher als heute: 7,5 Milliarden Euro. Nie waren die Studierendenzahlen in Bayern höher als heute: 404.000 Studierende im letzten Wintersemester. Nie gab es mehr Professuren in Bayern: Insgesamt 8.000 Professorinnen und Professoren. Unser Motto ist klar: Investition und Innovation statt Rezession und Resignation. Das ist unser bayerisches Rezept.

(Beifall bei der CSU)

Erstens. Die Hightech Agenda Bayern ist unser Exzellenzprogramm. Das war der ursprüngliche Grund für die Hightech Agenda. Wir wollen nämlich noch mehr Exzellenz. Ich bin froh, heute sagen zu können, dass die besten Köpfe nach Bayern kommen, und sie kommen gerne nach Bayern. 62,4 % der Berufungen auf die 1.000 HTA-Professuren sind bereits abgeschlossen, weitere 21 % befinden sich im laufenden Verfahren. Über die Hälfte der Professorinnen und Professoren war zuvor außerhalb Bayerns tätig, 21,5 % sogar außerhalb Deutschlands. Es hat sich in der Welt herumgesprochen, dass Bayern nicht nur eine schöne Landschaft, sondern auch beste Forschungsbedingungen bietet. Wir kehren den Brain Drain um.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Liebe Kolleginnen, ich freue mich, sagen zu können, dass die Hightech Agenda Bayern auch besonders die Frauen begeistert. Wir haben Aufholbedarf – das sage ich ganz deutlich – beim weiblichen Anteil in der Professorenschaft. Ich freue mich, sagen zu können, dass der Frauenanteil bei den HTA-Professuren deutlich zugenommen hat, um fast 10 Prozentpunkte auf knapp 30 % – und das häufig in technischen Feldern mit einem weltweit eher geringen Frauenanteil. Das ist zwar noch nicht genug, aber es ist zumindest eine deutliche Steigerung.

Das fällt damit zusammen, dass wir insgesamt – Herr Kollege Brannekämper für den Wissenschaftsausschuss – das Hochschulrecht komplett renoviert haben. Wir haben das modernste Hochschulrecht in Deutschland geschaffen. Wir haben das Universitätsklinikagesetz novelliert. Wir haben eine Rahmenvereinbarung mit den Hochschulen beschlossen. Ob sie nun bauen oder berufen, Hochschulen und Kliniken in Bayern haben dank der HTA nun deutlich mehr Freiheit. Sie nutzen diese Freiheit auch.

Ich will nur ein Schlaglicht werfen: Auf die Ausschreibung des Promotionsrechts für unsere HAWs – Hochschulen für angewandte Wissenschaften – und die THs sind 16 Bewerbungen eingegangen, deren thematische Bandbreite und inhaltliche Tiefe

beeindruckend sind. Ich bin stolz auf unsere HAWs und THs in ganz Bayern. Sie sind eine wirkliche Bereicherung für unser Wissenschaftsland.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Wir haben auch die Hochschulsteuerung komplett geändert: Mit der neuen Rahmenvereinbarung gibt es kein Mikromanagement mehr, sondern eine Makrosteuerung. Man ist nicht mehr inputorientiert, sondern es wird am Ergebnis, am Outcome gemessen. Wir gehen neue Wege, und wir machen das in großer Partnerschaft.

An anderen Orten wie etwa in Berlin wird gegen das neue Hochschulrecht geklagt, in Bayern wird gefeiert. Wir werden die Rahmenvereinbarung mit 10 Universitäten, 17 HAWs und THs, 6 Kunsthochschulen und erstmals auch 6 Uniklinika gemeinsam unterzeichnen. Danke für diesen einmaligen bayerischen Schulterschluss!

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Wir streben nach mehr Exzellenz – das habe ich gerade schon deutlich gemacht. Wir wollen mehr Exzellenz, weil wir in Bayern glauben: Elite ist kein Schimpfwort; Elite ist Anerkennung. Ich freue mich, berichten zu können, dass wir 26 bayerische Anträge für Exzellenz-Cluster haben, nämlich 6 für bestehende und 20 für neue. Wir unterstützen dabei unsere Hochschulen, wo wir können, weil erfolgreiche Exzellenzcluster die Voraussetzung dafür sind, Exzellenzuniversität zu werden. Ich sage ganz deutlich: Wir wollen, dass beide Münchner Exzellenzuniversitäten auch exzellent bleiben. Wir wollen zusätzlich eine Exzellenzuniversität für Nordbayern. Die fränkischen Universitäten haben hierfür dank der Hightech Agenda Bayern eine herausragende Ausgangslage, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Zweitens. Die Hightech Agenda Bayern ist auch so etwas wie unsere Talentschmiede. Sie ist ein Programm für die Studierenden in unserem Land. Sie profitieren am meisten von einem einzigartigen Betreuungsangebot, von besten Studierendenbedingungen, von Spitzenwissenschaftlern in der Lehre und vom internationalen Renommee unserer Hochschulen. Wenn man der Opposition zuhört, hat man manchmal den Eindruck, Studierende würden aus Bayern quasi fliehen, um anderswo den Traum der Verfassten Studierendenschaft leben zu können

(Zuruf von den GRÜNEN)

und um endlich in Ruhe Marx und Engels lesen zu können. Ich sage Ihnen: Das Gegenteil ist der Fall. Junge Menschen wollen in Bayern studieren. 81 % der bayerischen Abiturientinnen und Abiturienten, die sich für ein Studium entscheiden, bleiben in Bayern; in anderen Ländern, beispielsweise Niedersachsen, flüchten 45 %. In anderen Ländern – Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg – gehen die Studierendenzahlen zurück; wir verzeichnen einen Zuwachs. Die TU München kann in diesem Sommersemester 2.000 Erstsemester begrüßen. Was mich besonders freut: Ein Drittel der Erstsemester kommt aus dem Ausland. – Stichwort Fachkräftemangel: Das sind unsere Fachkräfte von morgen.

Deswegen darf ich sagen: Die Hightech Agenda Bayern ist eine Einladung an die Welt, und sie wird angenommen. Bei uns lockt nicht der Sozialstaat, sondern der Fortschrittsgeist. Das ist unser bayerischer Weg.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, wir bauen deswegen die Studienplätze in Bayern massiv aus. 9.200 Studienplätze wurden seit dem Wintersemester 2019/20 alleine im Bereich von KI, Informatik und in den angrenzenden Bereichen geschaffen.

Auch im Bereich Lehramt haben wir Themen und Herausforderungen. An den Standorten Bamberg und Würzburg heben wir die Zulassungsbeschränkungen komplett auf, das heißt, in Bayern kann man Lehramt überall zulassungsfrei studieren. Im Bereich Soziale Arbeit besteht große Nachfrage. Wir brauchen Fachkräfte. Deshalb gibt es für das Studium Soziale Arbeit in Coburg keine Zulassungsbeschränkungen mehr und zusätzlich 200 Studienplätze zum nächsten Wintersemester in Rosenheim, Regensburg und Augsburg. Wir haben in dieser Legislatur insgesamt zusätzlich 400 Studienplätze für Studienanfänger in der Sozialen Arbeit geschaffen.

Im Bereich Psychotherapie haben wir 360 neue Masterstudienplätze geschaffen. Manch einer erinnert sich: Vor einigen Monaten gab es etwas Unruhe. Wird es gelingen, die Vorgaben des Bundes zu erfüllen? – Ich sage: Ja, wir haben es in Bayern gemeinsam mit unseren Hochschulen geschafft, 360 neue Masterstudienplätze zu errichten, obwohl uns der Bund bei der Umsetzung und der Finanzierung alleingelassen hat.

Zur Medizinerausbildung: Wir haben den Medizincampus Oberfranken und den Medizincampus Niederbayern, dazu die Uniklinik Augsburg. Am Ende werden es insgesamt 2.700 zusätzliche Medizinstudienplätze sein. Ich sage: Kein Land macht so viel für die Studierenden; kein Land macht aktuell so viel für die Medizinerausbildung wie der Freistaat Bayern.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Bayern steht für beste Studienbedingungen für unsere Talente – das gehört dazu. Wir führen zum nächsten Wintersemester das 29-Euro-Ticket für Studierende und Auszubildende ein und sorgen so für kostengünstige und klimafreundliche Mobilität. Wir heben den Zuschuss für die Studierendenwerke um 34 % an – eine signifikante Steigerung –, und wir schaffen Wohnraum. Die Bayerischen Staatsministerien für Wohnen, Bau und Verkehr und Wissenschaft und Kunst bringen insgesamt 70 Millionen Euro für die Studentenstadt München auf, um mit der BayernHeim voranzukommen. Ich danke Christan Bernreiter als verantwortlichem Bauminister ausdrücklich für sein Engagement in diesem Bereich.

Ich sage aber auch: Die Münchner Probleme sind in Bayern schon einmalig. Sie sind leider auf Missmanagement und Fehler des Studentenwerks in der Vergangenheit zurückzuführen. Damit ist aber Schluss. Das Studentenwerk München hat eine neue Geschäftsführung, mit der wir sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten und die Probleme der Vergangenheit auch rechtlich aufarbeiten. Ich verspreche: Wir machen aus der Sanierungsstadt Freimann wieder eine echte Studentenstadt und geben unseren Talenten ein Zuhause, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Drittens. Die Hightech Agenda ist auch Wohlstandsgarant. Die niedrigste Arbeitslosigkeit, die größten Chancen für junge Menschen, viele neue Unternehmen – das war schon immer unser Erfolgsrezept. Wir fügen dieser Erfolgsgeschichte nun ein weiteres Kapitel hinzu, indem wir an unseren Hochschulen auf leistungsstarke Gründungshubs, auf Gründungszentren setzen. Die Ausschreibung hierfür wird noch in dieser Woche beginnen.

Wie erfolgversprechend diese Strategie ist, sieht man schon an einem einzigen Beispiel. In München gibt es eine gemeinsame Einrichtung der beiden großen Universitäten: das CDTM. Seit der Gründung im Jahr 1998 wurden hier mehr als 260 Start-ups ins Leben gerufen und 6 Milliarden Euro an privaten Geldern eingeworben. Entstanden sind so im Großraum München echte Unicorns, Einhörner, Unternehmen, die eine Milliardenbewertung erreicht haben. Celonis, Lilium, Perso

nio sind Namen, die zur Start-up-Avantgarde Europas gehören. Diese Unternehmen sind unsere DAX-Konzerne von morgen, meine Damen und Herren.

Deswegen dürfen wir stolz darauf sein, dass im Jahr 2022 rund ein Viertel der sogenannten Deep-Tech-Gründungen, liebe Judith Gerlach, nicht irgendwo entstanden sind, sondern bei uns in Bayern, nämlich dank der gemeinsamen Aktivitäten des Digitalministeriums und des Wirtschaftsministeriums. Wir liegen in diesem Bereich ebenso an der Spitze wie auch im Gründungsranking der Hochschulen. Aktuell wurden vom Stifterverband die Hochschule München und die Technische Hochschule Augsburg als deutschlandweit beste Hochschulen unter den großen und mittleren Hochschulen ausgezeichnet. Ich sage Ihnen: In Bayern stimmen die Rahmenbedingungen; hier herrscht echter Start-up-Geist. Wir machen aus Ideen Innovationen, die am Ende auch in Arbeitsplätze münden, meine Damen und Herren. So sichern wir den Wohlstand von morgen.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Viertens. Die Hightech Agenda, meine Damen und Herren, ist auch so etwas wie unsere technologische Unabhängigkeitserklärung. Technologie, Innovation und Wissenschaft sind Eckpfeiler für die Sicherheit und auch für die Souveränität eines Gemeinwesens. Die letzten drei Jahre haben uns eindrücklich vor Augen geführt, was heute wichtig ist und wo wir verwundbar sind. Pandemien werden wir nicht ohne Spitzenmedizin bewältigen. Klimafragen werden wir nicht ohne Cleantech lösen. Sicherheit werden wir nicht ohne Technologie gewährleisten können.

Wir wollen unsere Freiheit bewahren. Deshalb investieren wir in Forschung. Wir wollen nicht von anderen abhängig werden, sondern wollen selbst, wollen autonom entscheiden können, wo wir stark sein möchten.