Sie verkennen, dass die Menschen in einer Gesellschaft leben wollen, der sie vertrauen können, in der sie sich geborgen und solidarisch behandelt fühlen und in der sie in der Lage sind, ihre eigenen Interessen gegenüber anderen zu vertreten und zu einem gerechten Ausgleich zu gelangen. Dafür sind aber selbstverständlich gewisse Regelungen und Mindeststandards vonnöten.
Der Staat hat nicht nur ein Interesse daran, sondern auch die Pflicht, die Integration von anerkannten Asylbewerbern und Migranten zu fördern. Umgekehrt gibt es die Verpflichtung, diese Förderung nicht als Einbahnstraße, sondern als Fundament für eigene Pflichten, für eigene Aufgaben zu sehen. Dafür haben wir in Bayern die Gesetzgebungskompetenz.
Integration ist eine Querschnittsaufgabe, die der Bund und die Länder gemeinsam zu lösen und zu erfüllen haben; auch das wird vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof bestätigt. Das Ziel unseres Integrationsgesetzes ist es, Migranten Unterstützung anzubieten, also die Integration zu fördern, zugleich aber auch die unabdingbare Achtung unserer Grundwerte, die sogenannte Integrationspflicht, die in Artikel 1 geregelt ist, einzufordern. Dieses Verständnis verstößt zwar nach Ansicht der GRÜNEN gegen das Rechtsstaatsprinzip, allerdings nicht nach Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.
Wir sind der festen Überzeugung, dass für eine gelingende Integration neben der Förderung auch dieses Einfordern stehen muss. Frau Kollegin Demirel, Sie behaupten aber, wir würden auf eine vollständige Assimilation abzielen. Das Gegenteil ist der Fall – ich zitiere aus dem Gesetz. In Artikel 3 Absatz 4 Satz 1 ist von gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz sowie von Respekt vor der Einzigartigkeit, der Lebensgeschichte und den Prägungen des jeweils anderen die Rede. –
Beim Thema der frühkindlichen Bildung sagt der Bayerische Verfassungsgerichtshof, dass wir als bayerischer Gesetzgeber die Befugnis haben, bei Kindertageseinrichtungen für die im Rahmen von deren Bildungsauftrag zu verfolgenden pädagogischen Grundsätze und Erziehungsziele Festlegungen zu treffen.
Was die Vorschrift des Artikels 13 betreffend die Grundkurse anbelangt, wird jetzt vor allem der Kollege Schuberl enttäuscht sein, der den Kollegen Stadler von der AfD in einem Schreiben an den Passauer Landrat zu einem Grundkurs verpflichten lassen wollte. Das ist jetzt leider nicht mehr möglich.
Für uns steht jedenfalls weiterhin fest: Wir sind das Land der gelingenden Integration, meine Kolleginnen und Kollegen, und so wird das auch bleiben.
Werte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was ist bayerische Kultur? – Der eine spielt gern Schafkopf, der andere spielt Boule. Der eine geht in die Kirche, der andere zum Golfen. Der eine mag Leberkässemmeln, der andere mag lieber Couscous. Der eine hört BAYERN 1, der andere Spotify. Diese Vielfalt macht Bayern aus, und sie macht Bayern lebenswert. Trotz all dieser Vielfalt eint uns jedoch auch etwas, nämlich der Respekt vor der Würde des Menschen, die Toleranz, die Fairness, die Offenheit, das Mitgefühl, die Freiheit der Person, die Freiheit des Glaubens, die Gleichheit und die Gleichberechtigung aller Menschen. – Ist das aber eine Leitkultur?
Das Fundament und der Anker der bayerischen Gesellschaft sind zuallererst das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung. Dass dieser Grundsatz gilt und dass er in unserer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Gesellschaft stärker ist als jegliche Definition unserer Kultur durch den Landesgesetzgeber, zeigt die Entscheidung des VGH vom 03.12.2019 deutlich. Integration ist eben viel mehr als das, was ein Integrationsgesetz beschreiben kann. Integration ist auch mehr, als ein Integrationsgesetz fordern und fördern kann.
Ich möchte zum Anfang meiner Worte einfach einmal Danke sagen, einen Dank an alle, die sich engagieren und zum Gelingen von Integration beitragen; denn Integration ist nichts, was man nur von den zu Integrierenden einfordern kann. Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die in Bayern, wenn man sich zum Beispiel die Arbeitsmarktzahlen positiverweise oder auch in limitierender Weise die Kriminalitätszahlen ansieht, offensichtlich besser als anderswo gelingt. Vielleicht ist das auch deshalb der Fall, weil wir unsere Regeln deutlicher formulieren, als das auf der Kölner Domplatte oder in Berlin geschieht,
und weil wir vielleicht deutlicher darstellen, dass wir diese Regeln konsequent durchsetzen. – Daher: Herzlichen Dank an alle Sicherheitskräfte, an die bayerische Polizei und an die Behördenmitarbeiter, die insbesondere in den Ausländerbehörden oft keinen einfachen Job haben.
Einen herzlichen Dank – gerade am heutigen Tag – vor allem auch an die Ehrenamtlichen und an die Helferkreise, die sich bis zur Erschöpfung kümmern und eine unschätzbare Stütze für alle Ankömmlinge sind. Ein Dank geht ebenso an die Lehrer, an die Ausbilder und an die Arbeitgeber, die jungen Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlingen eine Chance geben, die sie auf ihrem Weg bis zu ihrem Abschluss trotz aller Widrigkeiten betreuen und die an sie glauben, sowie an die IHKs und an die Handwerkskammern, die dabei eine große Unterstützung sind.
Zu guter Letzt ein dickes Dankeschön den Kommunen, die die Hauptlast der Integration tragen. Wir dürfen nie vergessen: Ob die Integration gelingt oder misslingt, hängt nicht davon ab, ob der Landesgesetzgeber eine Leitkultur definiert. Das hängt auch nicht davon ab, ob der Landesgesetzgeber bei den Integrationsfördermaßnahmen vage oder bei einer Integrationspflicht bleibt. Es sind die Menschen vor Ort, die die Integration antreiben, die sie umsetzen und die manchmal auch daran verzweifeln. Mit anderen Worten: Die Menschen und die Kommunen sind der Motor der Integration.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, war es jetzt nicht überraschend, dass die einen die VGH-Entscheidung als handfeste Watschn, wie das der Kollege Arnold getan hat, bezeichnen – bzw., ich glaube, Sie haben "schallende Ohrfeige" gesagt –
und andere behaupten, das Gesetz sei in weiten Teilen unwirksam, während wieder andere beschwichtigen, dass alles in Ordnung sei.
Es mag sein, dass dem einen oder anderen Verantwortlichen der ehemaligen Alleinregierung die Ohren geklingelt haben, als er die Entscheidung oder die Pressemitteilung des VGH gehört hat. Am Ende muss man aber doch konstatieren, dass es nur drei Regelungen sind. Es sind nur drei Regelungen des gesamten Gesetzes, die für unwirksam erklärt wurden.
Es gab bereits um die Präambel Streit. Ich glaube, es ist wichtig, heute auch einfach einmal zu sagen: Alles, was in der Präambel steht, wurde erstens bestätigt und ist zweitens so richtig. Gleichwohl möchte ich aber noch sagen: Die Präambel springt irgendwie auch ein bisschen zu kurz.
In den zurückliegenden Jahrzehnten ist es so zur neuen Heimat für Viele geworden, die sich hier eingebracht und eingelebt haben.
Meine Damen und Herren, die Menschen, die zu uns kamen, haben sich nicht nur einfach eingelebt, also angepasst, sondern haben auch in Deutschland und in Bayern neue Traditionen und Qualitäten geschaffen und somit dieses Land bereichert. Wenn ich ein Sudetendeutscher wäre, würde ich mich, ganz ehrlich gesagt, an dem Satz "Ich habe mich eingebracht und eingelebt" stören, meine Damen und Herren.
Der VGH hat bestätigt, dass die Gesetzesziele der Integrationsförderung und der Integrationspflicht von der Gesetzgebungskompetenz Bayerns gedeckt sind; denn es handelt sich um eine Querschnittsaufgabe, bei der insbesondere im Bereich von Bildung, Kultur, Rundfunk und Sicherheitsrecht die Bundesländer eine eigene Gesetzgebungskompetenz haben. Dabei darf Bayern durchaus andere konzeptionelle Ansätze als der Bundesgesetzgeber verfolgen.
Soweit die Integrationsförderung in Artikel 3 beschrieben ist, gibt es keine Eingriffe. Somit gibt es keinerlei Bedenken.
Ich möchte eine Regelung herausgreifen, die als unwirksam angegriffen wurde. Die Vorgabe, in Kitas zentrale Elemente christlich-abendländischer Kultur zu erfahren, kann man bewusst fehldeuten, wenn man das denn will. Glücklicherweise tut dies das Gericht nicht. Mir ist es, ehrlich gesagt, allemal lieber, wenn die Kinder anhand des Sankt Martin Barmherzigkeit als richtigen Wert unserer Kultur erfahren oder heute und morgen die Geschichte vom heiligen Nikolaus hören, als wenn sie dadurch kultiviert werden, dass sie an Halloween Menschen erschrecken und um Süßigkeiten betteln und den Weihnachtsmann als Repräsentanten des nächsten Einkaufszentrums verstehen, meine Damen und Herren.
Ich erwähne genau diese Bestimmung auch deshalb, weil der VGH unsere Werte sehr prägnant zusammengefasst hat, prägnanter, als dies dem bayerischen Gesetzgeber 2016 gelungen ist. Er schreibt nämlich, diese Vorgabe ist "nicht darauf gerichtet, den Kindern religiöse Erfahrungen zu vermitteln und ihnen damit spezifisch christliche Glaubensinhalte nahezubringen." Das Attribut "christlich" meint jene Werte und Normen, "die zwar maßgeblich vom Christentum geprägt sind, heute aber zum Gemeingut des abendländischen Kulturkreises gehören und daher unabhängig von ihrer religiösen Fundierung Geltung beanspruchen." "Das Wort ‚abendländisch‘ verweist dabei auf die durch den Humanismus und die Aufklärung beeinflussten Grundwerte der westlichen Welt, zu denen nicht zuletzt religiöse Vielfalt und weltanschauliche Toleranz gehören." Daher liegt darin kein Verstoß gegen die negative Glaubensfreiheit und das elterliche Erziehungsgebot vor. – Meine Damen und Herren, besser kann man das nicht sagen.
Erstens. Zum Programmauftrag des Bayerischen Rundfunks gehört die weltanschauliche Neutralität. Die Bestimmung bzw. das Gebot, ein bestimmtes Verständnis von Leitkultur zu propagieren, macht den Rundfunk zum Sprachrohr des Gesetzgebers. Darin liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks vor.
Das ist evident, und dies hat der Verfassungsgerichtshof auch so gesehen. Dies greift letzten Endes in die Programmfreiheit aller Rundfunkanbieter ein.
Zweitens, die Grundkurse. Jemanden allein aufgrund seiner inneren Einstellung oder gar Gleichgültigkeit zu einem Grundkurs "Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" zu verpflichten, grenzt nach unserem Verständnis – das haben wir schon immer deutlich gemacht – an eine ungute Gesinnungsschnüffelei. Wir haben dies schon immer bemängelt. Dass der Besuch solcher Grundkurse in nun fast drei Jahren in ganz Bayern in nicht einmal 100 Einzelfällen angeordnet wurde, spricht auch dafür, dass Bayern nicht unbedingt auf diese Regelung gewartet hat, meine Damen und Herren.
Drittens. Als Letztes haben wir die Bußgeldsanktionen für Aktivitäten, die auf eine Missachtung und Ersetzung unserer verfassungsmäßigen Ordnung durch eine andere Rechtsordnung zielen. Dies missachtet schlicht und einfach, dass der Bundesgesetzgeber die verfassungsmäßige Ordnung schon abschließend im Strafgesetzbuch geschützt hat. Das Gericht schreibt ganz lapidar, dass dies offenkundig ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ist.
In der Rückschau ist dies vielleicht auch ein Beleg dafür, dass es diesem Land ganz guttut, wenn es von einer Koalition der Vernunft regiert wird mit einem Partner, der eine Leitkultur nicht braucht, weil er darauf vertraut, dass die Menschen in Bayern in all ihrer Vielheit, aber auch in ihrem Zusammenhalt die Leitplanken für eine Kultur bilden, die vom Grundsatz "Leben und leben lassen" getragen wird, meine Damen und Herren.