Protokoll der Sitzung vom 08.07.2020

wicklung und insbesondere entsprechende gesetzliche Regelungen zu würdigen. Aber ich habe eine Frage, und zwar deshalb, weil Sie im Eingangsstatement gesagt haben, Sie würden das Bayerische Familiengeld begrüßen, dieses aber während Ihrer Ausführungen permanent kritisiert haben. Wo stehen Sie jetzt? Sind Sie für das Bayerische Familiengeld oder dagegen? Ihre Ausführungen dazu waren absolut widersprüchlich.

(Zuruf)

Frau Kollegin Rauscher.

Herr Kollege Häusler, Sie können es gern in der Aufzeichnung im Video-Archiv nachhören. Möglicherweise habe ich mich total versprochen, aber meines Wissens habe ich gesagt, dass die SPD-Fraktion den Gesetzesänderungen zustimmt, und ich habe gesagt: Lassen Sie mich ein paar Sätze zu dem Familiengeldgesetz sagen, das tatsächlich ein Wahlkampfschlager war und sehr viel Geld bindet. – Mehr kann ich jetzt dazu nicht sagen.

(Zuruf)

Wir würden uns Familienpolitik anders vorstellen. Wir hätten andere Ansätze. Das unterscheidet uns im Hohen Haus. Wenn ich als Ministerin die Möglichkeit hätte, würde ich andere Akzente setzen, weil für mich die strukturell guten Voraussetzungen für bayerische Familien mit guten Perspektiven für die Zukunft von großer Bedeutung sind.

Aber wie gesagt: Hören Sie es nach, dann können wir uns noch einmal unterhalten.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Julika Sandt hat für die FDP als Nächste das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich war gerade genau aus demselben Grund auch irritiert und habe mich sehr gewundert. Ich habe es so in Erinnerung, dass die SPD so etwas wie ein Familiengeld, vielleicht mit einer etwas anderen sozialen Ausgestaltung, generell begrüßt.

Wir haben eine andere Position dazu. Wir sagen: Die kosmetischen Anpassungen, die Anpassungen an Bundesrecht, alles, was da sein muss, die notwendigen Dinge – auch dass rund 100 Klägern in Knappschaftsfragen der Weg nach München erspart wird – sind richtig. Auch wir stimmen natürlich zu. Aber letztlich wurde mit diesem Gesetz wieder einmal eine Riesenchance verpasst.

Wir sagen ganz klar: Wir lehnen das Familiengeld prinzipiell ab, solange nicht ausreichend in die Qualität der frühkindlichen Bildung investiert wird. Wir sagen: Die Qualität hat ganz klar Priorität. Das Familiengeld bedeutet Gießkanne statt Qualität. Hätte man die über 772 Millionen Euro, die jährlich dafür ausgegeben werden, für einen guten Start ins Leben, also in gute Kitas, investiert, dann hätte man damit fast 50.000 Kitaplätze schaffen und über 15.000 neue Erzieher einstellen oder noch besser in die praxisorientierte Ausbildung von neuen Erziehern investieren können. Damit hätte man in die Zukunft investiert, statt einfach nur das Geld zu konsumieren und Wahlgeschenke zu verteilen.

Und – insoweit teile ich die Auffassung – den Familien wäre natürlich viel besser geholfen. Ich höre oft Frauen, die zu Hause bleiben, weil sie das Gefühl haben, in unseren Kitas sei der Personalschlüssel zu schlecht, das Personal sei frustriert. Sie behalten daher ihre Kinder lieber zu Hause. Eigentlich würden sie gern Karrie

re machen. Ihr Erfolg ist ihnen wichtig, aber der Erfolg ihrer Kinder ist ihnen wichtiger. Deshalb verzichten sie darauf.

Der Grund besteht letztlich darin, dass die Strukturen fehlen. Dadurch fehlen diesen Frauen – meistens sind es Frauen, es können auch Väter sein, ihnen ist natürlich der gleiche Respekt zu zollen – die weiteren Aufstiegsmöglichkeiten im Job, auch wenn sie nur teilweise auf berufliche Tätigkeit verzichten, auch wenn sie in Teilzeit gehen, weil es kein entsprechendes Angebot gibt. Das zieht sich hin bis zur Altersarmut. Das ist der Hauptgrund für die Ungleichheit des Lebenseinkommens von Männern und Frauen und auch für die Abhängigkeit von Frauen.

Natürlich geht es ganz klar auch um die Kinder. Bei guter Qualität geht es vor allem darum, dass Kinder einen guten Start in Bildung, einen guten Start in ihre weitere schulische Laufbahn haben. Der Bildungserfolg der Kinder darf einfach nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Deswegen ist das Familiengeld aus unserer Sicht strukturell falsch. Man hätte hier wirklich in die frühkindliche Bildung investieren müssen. Das ist der Schlüssel zur Chancengerechtigkeit.

Im Entwurf wurde eine weitere Chance verpasst, was den Maßregelvollzug angeht. Es gab keine Anpassung, die endlich dafür gesorgt hätte, dass Menschen unter keinen Umständen ohne richterlichen Beschluss an fünf oder sieben Punkten fixiert werden dürfen. Darauf habe ich hier im Plenum schon im Juni letzten Jahres hingewiesen. Auch insoweit hat man also eine Chance vertan und wieder einmal nicht reagiert, was übrigens auch für die Einrichtungen ein Problem ist, weil sie weiterhin keine Rechtssicherheit haben. Eine Entscheidung aus der Situation heraus kann man doch niemandem zumuten.

Wieder einmal wurden also Chancen verpasst, aber Ihren kosmetischen Änderungen stimmen wir natürlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf der Staatsregierung auf der Drucksache 18/6562 sowie die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie auf der Drucksache 18/8406 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt den Gesetzentwurf auf der Drucksache 18/6562 einstimmig zur Annahme. Der endberatende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration empfiehlt ebenfalls Zustimmung mit der Maßgabe, dass in § 9 als Datum des Inkrafttretens der "15. Juli 2020" eingefügt wird. Im Einzelnen verweise ich auf die Drucksache 18/8406.

Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FREIE WÄHLER, CSU, FDP und AfD. – Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Sehe ich auch keine. Das ist einstimmig so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FREIE WÄHLER, CSU, FDP und AfD. – Gegenstimmen? – Sehe ich nicht. Enthaltungen? – Sehe ich auch nicht. Damit ist das Gesetz angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Familiengeldgesetzes und anderer Gesetze".

Ich rufe noch einmal Tagesordnungspunkt 9 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 18/5860) - Zweite Lesung

Über diesen Gesetzentwurf konnten wir in der gestrigen Plenarsitzung aus Zeitgründen nicht mehr abstimmen.

Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf der Staatsregierung auf der Drucksache 18/5860 sowie die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Bildung und Kultus auf der Drucksache 18/8412 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass dem Artikel 37 ein neuer Absatz 5 angefügt wird.

Der endberatende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration empfiehlt ebenfalls Zustimmung zum Gesetzentwurf auf der Drucksache 18/5860 mit der weiteren Maßgabe, dass Artikel 37 Absatz 5 wie folgt gefasst wird:

(5) Die zuständige Grundschule führt einen Vorkurs Deutsch gemeinsam mit den Kindertageseinrichtungen in ihrem Sprengel durch.

Ergänzend schlägt er vor, in § 1 Nummer 13 als Tag vor Inkrafttreten das Datum "31. Juli 2020" einzutragen sowie in § 2 als Datum des Inkrafttretens den "1. August 2020" einzufügen. Im Einzelnen verweise ich auf die Drucksache 18/8412.

Wer dem Gesetzentwurf mit diesen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Bündnis 90/DIE GRÜNEN, die SPD, die FREIEN WÄHLER, die CSU, die FDP und die AfD. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Ich sehe keine. Es ist so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Auch hier erhebt sich kein Widerspruch.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD, FREIE WÄHLER, CSU, FDP und AfD. Gegenstimmen bitte ich in gleicher Form anzuzeigen. – Ich sehe keine. Enthaltungen? – Ich sehe ebenfalls keine. Das Gesetz ist damit angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen".

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes (Drs. 18/6095) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Kerstin Celina u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hier: IT-Barrierefreiheit in der Verwaltung voranbringen! (Drs. 18/6687)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Kerstin Celina u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hier: Gesetz in den Dienst von Menschen mit Behinderung stellen! (Drs. 18/6688)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Kerstin Celina u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hier: eine verständliche Verwaltung wirksam fördern! (Drs. 18/6689)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Ulrich Singer, Jan Schiffers, Andreas Winhart und Fraktion (AfD) (Drs. 18/6781)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Ruth Waldmann, Michael Busch, Martina Fehlner u. a. (SPD) (Drs. 18/7624)

Die Gesamtredezeit ist mit 54 Minuten vereinbart. Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat der Kollege Andreas Jäckel für die CSU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Ausschussberatungen hinter uns und haben heute – es ist schon angesprochen worden – die Zweite Lesung zur Änderung des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes. Dem war eine Änderung des Bundesgesetzes vorangegangen, und somit sind verschiedene Änderungen notwendig geworden.

Dieser Gesetzentwurf beinhaltet im Wesentlichen die Anpassung des Behinderungsbegriffes, die Erweiterung der Definition der Barrierefreiheit und in diesem Zusammenhang das Thema "Leicht verständliche Sprache", die Stärkung des Benachteiligungsverbots durch die Klarstellung, dass die Versagung angemessener Vorkehrungen als Benachteiligung gilt, Verbesserungen im Recht der baulichen Barrierefreiheit, die Ergänzung bezüglich der Behindertenbeauftragten auch auf kommunaler Ebene sowie die Verlängerung der Amtsperiode des Landesbehindertenrates von drei auf fünf Jahre.

Meine Damen und Herren, wichtig in der Debatte über den Gesetzentwurf sowie über die Änderungsanträge der Opposition dazu ist mir die Feststellung, dass Maßnahmen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung dauerhaft einer Überprüfung bedürfen. Uns stellt sich bei diesem Thema eine fortlaufende Herausforderung, die auf absehbare Zeit nicht einfach erledigt und sozusagen mit einem grünen Haken abgehakt ist, sondern die immer wieder des Nacharbeitens und Evaluierens bedarf.

Meine Damen und Herren, in Bayern gehören über eine Million Menschen zu diesem Bevölkerungskreis; das sind etwa 10 %. Das ist eine Zahl, die man vielleicht auf Anhieb gar nicht so vermuten würde.

Zu den Änderungsanträgen der Opposition zu dem Gesetzentwurf möchte ich Folgendes anmerken: Bei einem der Änderungsanträge ging es um die Verbesserung der IT-Barrierefreiheit in der Verwaltung. Meine Damen und Herren, das ist wohl begründet und auch ein wichtiges Ziel unserer beider Regierungsfraktionen. Bis 2023 soll der gesamte öffentliche IT-Raum barrierefrei gestaltet sein. Hierzu ist am 11. Februar 2020 eine "Verordnung zur Änderung der Bayerischen Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung" erlassen worden, und diese ist im März in Kraft getreten. Dies ist nach unserer Auffassung zum heutigen Zeitpunkt ausreichend. Von einem barrierefreien Angebot kann nämlich nur dann abgesehen werden, wenn die Einhaltung der Anforderungen eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde. Neuentwicklungen sind grundsätzlich sofort den neuen Vorgaben entsprechend zu erstellen. Bei bereits im Einsatz befindlicher Fremdsoftware ist es notwendig, zusätzliche Releases und Upgrades zu installieren. Der Änderungsantrag ist aus unserer Sicht deswegen überflüssig, weil wir uns in der Umsetzung befinden.