Protokoll der Sitzung vom 12.02.2021

Aber jetzt fängt langsam auch die interne Kritik an. Man hört es: Ein anonymer CSU-ler kritisiert Herrn Söder und sagt: Wir brauchen wieder mehr Landesvater und wieder weniger Cäsar. Der ehemalige Minister Pschierer traut sich sogar offen aus der Deckung.

Die strikte Herrschaft von Herrn Söder duldet eben keinen Widerspruch. Er akzeptiert keine abweichende Meinung. Das kann sich heutzutage nur die AfD leisten, die einzig wirkliche Opposition in diesem Land, die es noch gibt.

(Beifall bei der AfD)

Aber bei unserem Dringlichkeitsantrag, den gleich der Kollege Singer vorstellen wird, kann jeder hier aus dem Plenum namentlich seine Meinung kundtun. Selbst die FREIEN WÄHLER könnten, dürften das. Aber sie sind schon längst zum Mitläufer verkommen. Sie sind nur noch der Steigbügelhalter von Söder, unterjocht, und werden dafür bei der nächsten Landtagswahl – da bin ich ganz sicher, Herr Aiwanger – abgestraft werden, wenn sie überhaupt noch in den Landtag einziehen können.

(Zuruf)

Meine Damen und Herren, wenn Sie den Eindruck haben, Aiwangers Zähneknirschen höre man vielleicht bis Berlin, dann sage ich Ihnen eines: Das ist aufgesetzt. Dieser Mann spielt ein doppeltes Spiel. Herr Aiwanger, Sie sind der Einzige in diesem Raum, der den Schlüssel zum Ende dieses Lockdowns in der Hand hat, und Sie verbergen ihn tief in Ihrer Tasche.

Herr Aiwangers Kleinunternehmer – Sie sind als Minister für Wirtschaft hier gestartet – warten noch auf die Auszahlung der Hilfen aus dem November, geschweige denn, dass die Hilfen aus den anderen Monaten ausgezahlt worden wären. Die Selbstständigen, Herr Aiwanger, haben ihre Reserven längst aufgebraucht. Sie sind finanziell ausgehungert und bald vielleicht allesamt insolvent. Der Mittelstand – leider –, er wird zu Grabe getragen.

Dabei machen wir durch den Lockdown in Deutschland 1,5 Milliarden Euro neue Schulden – jede Woche! Aber wo ist das Geld? – Es ist nicht beim Bürger; denn der normale Bürger wird in Söders Reich einfach ignoriert.

Aber dieses Vorgehen, meine Damen und Herren, hat System. Die Leute werden getäuscht, und die Gründe für Lockdowns werden willkürlich verändert. Erinnern wir uns! Am Anfang der Pandemie war es der R-Wert. Dann hieß es: Flatten the Curve! Auf einmal war es ein beliebiger Inzidenzwert von 50, dann war die Nachverfolgung der Schlüssel, Intensivbetten waren nicht genug da. Jetzt kommen die Mutanten und die Mutanten-Kreuzungen – und auf einmal der Inzidenzwert von 35. Absurd, absurder, am "absurdesten".

(Beifall bei der AfD)

Herr Ministerpräsident, Sie wollen den Lockdown, koste es, was es wolle. Aber der Lockdown ist so, wie einen Menschen zur Ader zu lassen: Bei Besserung sagen Sie einfach: Der Lockdown wirkt. Bei Verschlechterung aber sagen Sie: Es war nicht hart genug. – Bis der Patient verblutet ist.

Überall Täuschung! Am Anfang hieß es etwa bei der Impfung: Niemand hat die Absicht, eine Impfpflicht einzuführen. Jetzt sagt Frau Merkel, es wird keine neuen Freiheiten geben – man höre und staune! –, und sie spricht von Privilegien für Geimpfte. Maßnahmen, die im Dezember noch bei Inzidenzen über 200 galten, gelten jetzt auf einmal bei Inzidenzen über 35. Dreist ist das, dreist! Der Wahnsinn, meine Damen und Herren! Sie wollen nämlich gar keine Normalität. Sie wollen einfach nur Verzögerung. Deshalb haben Sie auch überhaupt keine Exit-Strategie und reden – das haben wir eben gehört, Herr Söder – schon von der dritten Welle. Ein Endlos-Lockdown ist das, ja, eine Endloskatastrophe.

Herr Söder, jetzt fällt Ihre Maske endgültig, und wir sehen Ihr wahres Gesicht. Wir brauchen Ihren Eiszeit-Lockdown nicht mehr, der jetzt schon eine schier endlose Zeit andauert. Wir brauchen endlich einen Eisbrecher, der diese frostige Kälte in unserer Gesellschaft – und vor allem in unserer Politik – aufbricht, einen Eisbrecher, der keine Herzen bricht, sondern nur das Eis.

Dabei gibt es eine Alternative zum Lockdown: nämlich endlich die Risikogruppen zu schützen; denn dann könnten Sie uns aus Ihrer Geiselhaft entlassen und uns endlich unsere Freiheit zurückgeben.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. Nachfragen liegen nicht vor. – Damit darf ich den nächsten Redner ans Rednerpult bitten: Es ist der Vorsitzende der Fraktion FREIE WÄHLER, Herr Florian Streibl. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag. Seit einem Jahr leben wir zwar in der Pandemie, und seit November befinden wir uns im zweiten Lockdown, und wir stehen in einer großen Geduldsprobe. Ja, wir alle leiden unter der jetzigen Situation der Pandemie. Alle leiden! Aber dieses Zähnezusammenbeißen, diese Entbehrungen, die wir die letzten Wochen und Monate hinnehmen mussten, zeigen Erfolg. Seit dem 13. Januar gehen die Zahlen der Inzidenzen, der Erkrankungen, der Belegung der Intensivbetten sukzessive zurück. Das, meine Damen und Herren, ist ein großer Erfolg, der sich sehen lassen kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU)

Wir haben diesen Erfolg durch die Maßnahmen erreicht und durch die vielen Menschen in Bayern, die diese Maßnahmen mitgetragen haben. Meine Damen und Herren, das ist der Schlüssel zur Öffnung des Lockdowns, das ist der Schlüssel, der uns zum Erfolg bringt. Heute geht der Weg wieder hinaus aus der Eiszeit, der Weg geht jetzt in den Frühling.

Meine Damen und Herren, ich möchte unserer Bayerischen Staatsregierung danken. Die Staatsregierung hat zwar zwei Pole, einen Ministerpräsidenten Markus Söder und einen Hubert Aiwanger, die hier zusammenspielen, gleichsam ein bayerisches Yin und Yang,

(Heiterkeit und Zurufe)

das uns den gemeinsamen Weg der Weisheit aus dieser Krise zeigt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU)

Die Wegweiser auf diesem Weg aus der Krise heißen zum einen Umsicht und Vorsicht und zum anderen Zuversicht und Zusammenhalt, meine Damen und Herren.

Es besteht Grund zur Zuversicht; denn die Maßnahmen, die getroffen wurden, wirken. Die Maßnahmen der Kontaktbeschränkungen, die Maßnahmen des Homeoffice, die Hygiene- und Schutzmaßnahmen, die FFP2-Masken – sie wirken. Von daher können wir den Weg in die Öffnung wagen – einen Weg mit Klugheit, Augenmaß und Vernunft. Wir dürfen nichts übereilen, aber der Weg ist jetzt beschritten.

Der wichtigste dieser vier Wegweiser heißt Zusammenhalt. Als Gesellschaft müssen wir zusammenhalten. Das beginnt im Kleinen in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, in der Freizeit. Dieser Zusammenhalt zeigt uns, wie stark wir alle gemeinsam sein können. Wenn wir zusammenhalten, dann finden wir den Weg zurück zu einer neuen Normalität, zu einer neuen Freiheit. Wir, meine Damen und Herren, haben es in der Hand. Wir dürfen es nicht dem Virus überlassen, über unser Schicksal zu bestimmen, sondern unser Handeln und Tun, wie wir es heute beschließen, zeigt den Weg in die Zukunft und hat besondere Auswirkungen auf die Zukunft. Auch für die Politik, für die Regierung, ist es besonders wichtig, dass wir fest auf zwei Beinen stehen. Natürlich wird auch vieles kontrovers diskutiert, letztlich wird der Weg aber gemeinsam gegangen. Die Diskussionen werden auch in der Zukunft weitergehen. Wir werden uns in der Koalition immer wieder unsere Meinungen bilden und um unsere Meinungen ringen. Dies ist nicht eine Schwäche, wie manche vermuten, sondern dies ist eine Stärke – die Stärke dieser bürgerlichen Bayernkoalition, meine Damen und Herren, die Stärke des Yin und Yang.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU)

Das ist die Stärke unserer demokratischen Prozesse.

Vielen ist anscheinend noch nicht so richtig klar, wie komplex die Prozesse sind, die zu den Entscheidungen und zu den Maßnahmen führen. 16 Ministerpräsidenten und eine Kanzlerin beraten regelmäßig über den besten Weg, der aus der Krise führt. Hinter jedem von ihnen stehen Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medizin. Die Diskussionen werden begleitet von Tausenden demokratisch gewählten Mandatsträgern, von Fraktionen, von Koalitionen und Länderregierungen. Am Schluss wird in den Parlamenten diskutiert. Das heißt, dass die Entscheidungen und Maßnahmen von einem großen demokratischen Konsens getragen sind. Am Ende steht die Einigkeit sowohl im Bund als auch im Land. Meine Damen und Herren, der mittelalterliche Pädagoge Georg Rollenhagen sagte: "Im Frieden und im Krieg behält die Einigkeit den Sieg."

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU)

Diese Einigkeit macht uns stark. Diese Einigkeit ist auch die Grundlage des Bayernplans, der heute zur Abstimmung steht. Es gibt einen Plan, der sich aber immer wieder an den Realitäten messen lassen muss und der auch nachgeschärft werden muss. Herr Hartmann, zu einem dynamischen Ereignis kann es keinen statischen Plan geben. Das Virus ist höchst dynamisch. Mit statischen Antworten sind wir zum Verlieren verdammt. Deswegen müssen auch wir dynamische Pläne entwickeln und diese immer wieder anpassen.

Daher ist es gut, wenn am Montag die Ausgangssperren reduziert werden, wenn am 22. Februar die Schulen und am 1. März die Friseure öffnen können, auch wenn manche jetzt darüber lächeln. Im März werden wir weitere Schritte beschließen, wie es dann mit Einzelhandel, Sport und Kultur weitergeht. Wir werden auch darauf achten, dass wir Alleinerziehende wieder mehr in die Gesellschaft bringen können. Auch bei "Click and Collect" müssen wir über weitere Stufen nachdenken, zum Beispiel wie wir ein privates Einkaufen ermöglichen können.

Meine Damen und Herren, ja, die Corona-Ampel lebt. Der Ministerpräsident hat es heute gesagt: Die Inzidenzwerte 100, 50 und 35 sind Wegmarken. An diesen können wir uns ausrichten. So finden wir jetzt auch den Weg zurück in die Normalität. Zum einen müssen wir natürlich impfen und versuchen, möglichst bald Impfstoffe zu bekommen. Wir müssen auch prüfen, ob wir eine bayerische Impfstoffbeschaffung oder Impfstrategie auf den Weg bringen können, um das Impfen im Land zu beschleunigen. Zum anderen müssen wir auch berücksichtigen, wie wir unsere Grenzen auch weiterhin vor der Einschleppung von Virusmutationen schützen können.

Meine Damen und Herren, eines ist aber in dieser Krise, in der Situation, in der wir uns befinden, auch noch besonders wichtig: dass wir uns auf unsere gesellschaftlichen und auf unsere demokratischen Werte und unser Wertesystem verlassen und dieses nicht infrage stellen; denn, meine Damen und Herren, die Worte "plurale und offene Gesellschaft" sind in Wahrheit nur die demokratischen Worte für die Einmaligkeit und Einzigartigkeit eines jeden einzelnen menschlichen Lebens. Dieses Leben ist zu schützen, und die Würde dieses Lebens ist zu schützen. Das ist unsere Aufgabe, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Diese Aufgabe setzen wir in der Regierung auch konsequent um. Wir müssen aber bei allen Wünschen und Hoffnungen, die wir haben, immer wieder den Kompromiss mit der Wirklichkeit suchen und den Kompromiss mit der Wirklichkeit finden. Die Wirklichkeit ist momentan eine Pandemie, ist ein Virus, das COVID-19 heißt, ist etwas, was nicht nur Bayern, sondern die gesamte Welt betrifft, weswegen wir uns nicht irgendwie mit kruden Ideologien durch die Hintertür hinausstehlen können. Wir müssen uns dieser Wirklichkeit stellen und mit ihr einen Kompromiss finden. Wir müssen weiterhin mit vernünftigen Handlungen, mit Klugheit, Augenmaß und Vernunft den Weg in die Zukunft beschreiten und Öffnungen behutsam dort vorantreiben, wo sie verantwortbar sind.

Am wichtigsten von allen Maßnahmen und über diese hinausgehend ist aber, meine Damen und Herren – das möchte ich in das gesamte Land hinaus sagen –, der Zusammenhalt, der Zusammenhalt unserer Gesellschaft, der Zusammenhalt von uns allen; denn wenn zwischen uns allen, in Deutschland und in Bayern, Einigkeit besteht, dann werden wir das Ganze bestehen. Deshalb möchte ich Ihnen allen mit Attinghausen aus dem Stück "Wilhelm Tell" von Schiller zurufen: Seid einig, einig, einig! Bleibt gesund, und Gott schütze euch!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU)

Danke, Herr Streibl. Sie können am Rednerpult bleiben. – Zu einer Zwischenbemerkung hat sich der Abgeordnete Bergmüller von der AfD-Fraktion gemeldet. Herr Bergmüller, bitte.

Sehr geehrter Herr Streibl, ich nehme doch an, dass sich die FREIEN WÄHLER als Mittelstandspartei fühlen. Wirtschaftsminister Aiwanger hat sich hier vor Kurzem in Demut geübt, nachdem er zuvor immer wieder Öffnungen schon bei Inzidenzwerten von unter 100 gefordert hat. Ich habe das Gefühl, Sie haben sich mittlerweile Herrn Söder unterworfen. Jetzt frage ich Sie im Namen Ihrer Wähler dazu. IHK-Hauptgeschäftsführer Gößl hat im "Münchner Merkur" verlauten lassen, dass erst Mitte März die Anträge auf Überbrückungshilfe III bearbeitet werden können. Der Steuerberaterverband hat mir heute eine Mitteilung geschickt, in der die Frage aufgeworfen wurde, wie man für diese

Überbrückungshilfe III für die Monate März und Juni vernünftige Umsatzschätzungen vornehmen kann, wenn Sie sich jetzt dem Ministerpräsidenten anschließen –

Herr Bergmüller, Ihre Redezeit ist zu Ende.

– und Handel, Gastgewerbe usw. erst bei einem Inzidenzwert von unter 35 öffnen wollen. Bitte antworten Sie darauf.

Herr Streibl, bitte.

Herr Bergmüller, im Gegensatz zu Ihrer Gruppierung fühlen wir uns nicht als Mittelstandspartei, sondern wir sind eine.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie machen uns Vorwürfe. Auch wir sind mit dem Mittelstand in engem Kontakt und in Gesprächen. Die Verlängerung des Lockdowns ist eine Maßnahme, die auf Bundesebene für ganz Deutschland entschieden wurde. Dass wir den Pfad der Einigkeit nicht verlassen, spricht für uns.

Die Auszahlung der Hilfen wird nächste Woche beginnen. Insoweit werden wir dann auch liefern.

Danke schön, Herr Streibl. – Vor dem nächsten Redner darf ich bekannt geben, dass die AfD-Fraktion zu ihrem Dringlichkeitsantrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Der nächste Redner ist der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, der Kollege Horst Arnold.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab eine Bemerkung zur Beteiligung des Parlaments und dem eigentlichen Sinn und Zweck dieser Veranstaltung. Herr Ministerpräsident, Sie werden nicht müde zu betonen, der Landtag müsse der Verordnung zustimmen. Das muss er nicht.

(Beifall bei der SPD)