Sollten Sie wirklich vorhaben, die Digitalisierung in Bayern voranzubringen, dann konzentrieren Sie sich erst einmal auf die Basics, bevor Sie, wie immer, den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Es gibt viele digitale Probleme, die wir in diesem Land haben, jenseits von Hightech Agenda und Spitzenforschung. Wir brauchen Glasfaseranschlüsse in jedem Haus, die Digitalisierung von Behörden und Rathäusern, virtuelle Polizeiwachen, digitalen Unterricht und virtuelle Arzttermine. Das sind die Themen, die die Menschen vor Ort direkt betreffen und bewegen. Auf diesen Feldern hinken wir mittlerweile anderen Ländern meilenweit hinterher. Packen Sie diese Probleme bitte endlich an!
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächsten Redner darf ich Herrn Abgeordneten Gerald Pittner von den FREIEN WÄHLERN aufrufen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Ansage an Herrn Kollegen Adjei: Es ist sicherlich richtig, dass in vielen Bereichen unserer Gesellschaft, auch in diesem Hohen Hause, der erforderliche "Digital Mindchange" noch nicht in vollem Umfang angekommen sein mag. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Das Problem ist aber, und das machen die GRÜNEN bei vielen Punkten falsch: Den kann man nicht verordnen. Er muss von unten wachsen. Er muss aus der Gesellschaft, vom Einzelnen, vom Bürger kommen. Nur so geht es. Ich kann mich zwar hinstellen und den Menschen sagen: Du musst jetzt anders denken! – Aber das wird keinen Erfolg haben.
Ich kann Herrn Kollegen Dr. Hopp nur beipflichten: Das Digitalministerium ist von der Bayernkoalition anders aufgestellt worden als das, was Sie wollen. Dieses Ministerium soll ein Thinktank sein und zukunftsorientiert arbeiten. Das Digitalministe
rium soll in vielen Bereichen ein Vordenker sein, zum Beispiel beim IT-Recht, beim IT-Controlling, bei ethischen Fragen der Digitalisierung und bei der Festlegung von Digitalstandards und Strategien für die digitale Verwaltung. Es soll sich aber nicht um die praktische Ausführung kümmern. Das Digitalministerium steht zwischen dem Wissenschaftsministerium als Basis sowie dem Wirtschaftsministerium und den anderen Fachministerien als Ausführenden. Es soll eben nicht die Kabel oder die Glasfaser verlegen. Alles, was man sieht, gehört in die Fachministerien und die Fachbehörden. Für alles, was man nicht sieht, ist das Digitalministerium zuständig. Das sind die Dinge, die im Kopf stattfinden. Das könnte man, im weiteren Sinne, mit "Digital Mindchange" bezeichnen.
Viele Leute in der Verwaltung denken nur in Tonnagen und Kabelmetern. Natürlich brauchen wir eine flächendeckende Breitbandverkabelung. Das ist gar keine Frage. Wir brauchen einen flächendeckenden Mobilfunk. Ich selbst komme aus dem ländlichen Raum. Da kann ich auch mein Leid klagen. Es ist nicht überall so schön, wie das der Herr Finanzminister heute dargestellt hat. Wir haben in Bayern Funklöcher und langsames Internet. Das ist aber nicht das Problem des Digitalministeriums. Die Hauptaufgaben des Digitalministeriums liegen bei der Kollaboration, also der Zusammenarbeit, bei der Konsultation und beim Hereinholen von Expertise. Das sehen wir auch am Haushalt. Viele Haushaltsgelder fließen in die Expertise Dritter. Dort wird überlegt, was alles getan werden kann.
Der nächste Punkt. Wir haben in Deutschland ein Mehrebenensystem bei der Verwaltung. Manche sagen, das ist ein Problem, andere sagen, das ist ein Vorteil. Wir haben den Bund, die Bundesländer und die kommunale Selbstverwaltung. Deshalb ist es bei uns nicht einfach, von oben nach unten durchzuregieren. Das kann man als Nachteil ansehen, zum Beispiel, wenn man die Verbots- und Gebotspolitik als das Maß aller Dinge ansieht. Man kann das aber auch als Vorteil sehen. Herr Adjei, ich glaube, Sie waren auch dabei, als die BIDT-Strategiestudie vorgestellt wurde. In Deutschland gibt es in den verschiedenen Regierungen der Länder und des Bundes mannigfaltige Formen der Organisation der Digitalisierung. Eine geringe Anzahl der Bundesländer hat dafür eigene Ministerien eingerichtet. Andere haben für dieses Thema Abteilungen in ihren Staatskanzleien mit einem eigenen Ansprechpartner geschaffen. In einigen Bundesländern sind damit Haushaltsrechte verbunden, in anderen nicht. In einigen Ländern haben die Einrichtungen technische Einflussmöglichkeiten, in anderen nicht.
Der Vorteil unserer Strategie ist, dass sich um die Fachanwendung die Fachministerien kümmern sollen und nur die große strategische Ausrichtung die Aufgabe des Digitalministeriums ist. Es wäre auch ein Witz, wenn mir irgendein Informatiker ein Scheidungsurteil programmieren würde, das ich dann anzuwenden habe. Da käme nicht viel dabei heraus. Umgekehrt käme genauso wenig dabei heraus, wenn ich als Jurist ein Programm schreiben würde. Die Frage ist, wie man das zusammenbringt. Man könnte zum Beispiel ein Riesenministerium bilden. Solche Ministerien sind aber in der Vergangenheit immer gescheitert. Oder man setzt es als Querschnittsministerium daneben und muss dann natürlich hoffen – ein bisschen Hoffnung ist, das muss man ganz klar sagen, immer dabei –, dass dann in der Zusammenarbeit etwas funktioniert. Deswegen hinkt Ihr Beispiel vom Kultusministerium natürlich ganz gewaltig. Natürlich war der Kultusminister nicht begeistert, dass jemand von außen reinredet. Darüber ist niemand je begeistert. Wenn Sie zu mir kämen und mir sagten, wie man alles besser macht, wäre ich vielleicht auch nicht begeistert. Aber es hat ja geklappt. Das ist der Unterschied.
Was heißt da, nach einem halben Jahr oder einem Dreivierteljahr? – Das war im Winter. Entschuldigung, vor einem Jahr wusste man noch nicht, dass die Pande
mie kommen wird. Vor einem Jahr hat keiner daran gedacht, dass Homeschooling und Homeoffice einmal das Maß aller Dinge sein würden.
Natürlich hat da vieles an Struktur und Infrastruktur gefehlt. Dass die Infrastruktur fehlt, ist aber nicht das Problem des Digitalministeriums.
Auch im Winter, als alle geschrien haben, dass mebis und Sonstiges nicht funktioniere, ist das Problem gelöst worden. Jetzt kann man sagen: Wir hätten es letztes Jahr lösen sollen, dann wäre es gar nicht entstanden. – Das ist richtig. Aber letztes Jahr hat außer den GRÜNEN leider keiner von dem Problem gewusst, weil eben zumindest uns FREIEN WÄHLERN etwa drei Millimeter zur göttlichen Ebene fehlen; deswegen können wir nicht so weit in die Zukunft schauen, welche Probleme kommen.
Das haben wir dann auch getan, als das Problem aufgetreten war, und zwar gemeinsam mit dem Digitalministerium. Natürlich stelle auch ich persönlich mir vor, dass da, gerade hinsichtlich der strategischen Ausrichtung, noch viel mehr passiert: Wie sieht die digitale Verwaltung der Zukunft aus? Welche OZG-Zugangsmöglichkeiten wird es geben? – Da fehlt es an vielen Stellen im Vergleich zu anderen Ländern noch weit. Aber wo klappt es denn hervorragend? – In den kleinen Ländern, die flächenmäßig nicht so aufgestellt sind wie wir.
In Lettland zum Beispiel, ja wunderbar! Die Letten haben aber auf einem ganz anderen Niveau angefangen und sind in relativ kurzer Zeit mit viel Geld sicherlich sehr weit gekommen. Wir fangen auf einem ganz anderen Niveau an, haben ein Riesenland und auch noch die ostdeutschen Bundesländer hintendran, die im Übrigen in vielen Bereichen, etwa bei der Breitbandverkabelung etc., weiter sind als wir.
Jetzt leuchtet die Redezeitanzeige rot auf. – Ich hoffe, ich konnte darstellen, dass all das, was mein Vorredner gesagt hat, eigentlich an der Sache vorbeigeht. Unser Haushalt ist ein guter Entwurf für die Zukunft. Ich bitte deswegen darum, ihm zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Pittner. Ich bitte Sie, noch dazubleiben. – Es gibt eine Zwischenbemerkung von Herrn Adjei.
Genau, Herr Kollege, Sie haben wirklich danach gerufen. – Ich stelle mir aber jetzt schon eine Frage: Frau Staatsministerin Gerlach hat vor der Corona-Pandemie das Kultusministerium darauf hingewiesen, dass beim Thema Digitalisierung etwas passieren und reformiert werden muss; es ging da tat
sächlich eher um das Inhaltliche als um das Organisatorische. Sofort kam es zu einer Abwehrreaktion von Ihrem FREIE-WÄHLER-Kultusminister, der Nein sagte und sich nicht darum kümmern wollte. Es kann sein, dass das an den Fraktionszugehörigkeiten oder woran auch immer liegt. Aber die Frage ist doch, wie Sie sicherstellen wollen, dass Ihre Minister die Hinweise und Ideen, die aus dem Digitalministerium kommen, dann auch umsetzen, und zwar bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Ich muss das jetzt nicht sicherstellen. Ich kann mir aber schon – ich war nicht dabei und kann es also nicht aus eigener Kenntnis beurteilen – vorstellen, wie das passiert ist.
Wenn Sie einen Bildungspolitiker vor einem Jahr gefragt hätten, ob er Distanz- oder Wechselunterricht jemals als sinnvolle Alternative zu Präsenzunterricht ansehen würde, wenn man die digitalen Möglichkeiten hierfür vorhalten würde, dann hätte dieser Bildungspolitiker Sie ausgelacht. Ich habe das selber auf verschiedenen Wahlkampfveranstaltungen und auch in politischen Diskussionen mitgekriegt.
Auch waren die Programme wie mebis und die ganze andere Kollaborationssoftware auf ganz andere Interessen ausgelegt. Das, was wir jetzt brauchen, hatte damals niemand als Ziel im Kopf. Wenn man das nicht als Ziel im Kopf hat, braucht man es natürlich auch nicht. Deswegen wurde es auch abgelehnt.
Das Problem ist auch nicht gleich am Anfang entstanden, weil wir zu Beginn der Corona-Zeit das ganz andere Problem der Sicherung der Unversehrtheit und Gesundheit der Bevölkerung hatten. Im Sommer und Herbst hat man dann gemerkt: Hoppla, das geht ja weiter, das wird nicht so, wie man sich das am Anfang vorgestellt hat, das wird nicht nach einem halben Jahr vorbei sein. Dann sind die Probleme halt aufgepoppt. Also mussten wir die Probleme in Angriff nehmen. Also wurde es dann auch gemacht.
Man kann jetzt sagen, dass das holprig war und schneller hätte gehen müssen. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich noch kein Programm geschrieben habe. Das ist im Übrigen auch kein Problem der Digitalministerin; die muss kein Programm schreiben. Auch der Kultusminister muss kein Programm schreiben.
Aber das Problem wurde doch in Angriff genommen und aus meiner Sicht – nach dem, was ich kenne – auch halbwegs befriedigend gelöst.
Gut, Herr Pittner, dann ist Ihr Beitrag beendet. Für Sie ist keine Zwischenbemerkung mehr angemeldet. – Ich darf den nächsten Redner aufrufen. Der nächste Redner ist der Abgeordnete Mannes von der AfDFraktion. Bitte schön.
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren! Im Rahmen der heutigen Haushaltsdebatte zum Einzelplan 16 für das Digitalministerium möchte ich besonders auf zwei Punkte eingehen: erstens auf das Digitalministerium und den Stand der Digitalisierung in Bayern, zweitens auf den Haushaltsplan und unsere Änderungsanträge.
Künstliche Intelligenz, digitale Geschäftsideen, Denkfabrik, Bayern als Spitzenstandort in Sachen Digitalisierung – mit solch großen Worten wurde zur neuen Legislaturperiode das neue Digitalministerium geschaffen.
Herr Hopp, seien Sie ehrlich! Von den großmäuligen Versprechungen des Ministerpräsidenten ist nicht viel übrig geblieben. Das Digitalministerium hat zu wenig Kompetenzen, um in der Digitalisierung handlungsfähig zu sein. Das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat ist für den Breitbandausbau zuständig, das Staatsministerium der Justiz für die Cybersicherheit, das Staatsministerium für Unterricht und Kultus für den digitalen Distanzunterricht.
Frau Gerlach, Sie sprachen noch vor einem Jahr davon, dass das neue Digitalministerium ein Teilchenbeschleuniger der Digitalisierung sei. – Wo ist der Schub in der Digitalisierung in Bayern während der Corona-Krise geblieben? Die CoronaKrise hat doch eindrucksvoll gezeigt, dass wir in Bayern hinterherhinken. Es wurden Spickzettel, Faxgeräte und Excel-Tabellen anstelle eines professionellen ITSystems verwendet. Auch der Digitalunterricht funktioniert nicht besonders gut. Telemedizin? – Fehlanzeige. Corona-App? – Funktioniert auch nicht.
Man muss noch einmal sagen, dass Bayern im Digitalisierungsindex der Telekom zum Netzausbau im Vergleich mit anderen Bundesländern nur Durchschnitt ist. Das Digitalministerium hat gerade mal eine einzige Verordnung zu E-Government erarbeitet. Nur die Hälfte der Kommunen in Bayern hat tatsächlich mit der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie begonnen.
Noch einmal zu meiner Anfrage: Ich muss einfach noch einmal sagen, dass bisher 1,4 % der bis 2024 für die Hightech Agenda in Bayern vorgesehenen Mittel ausgegeben wurden. Im Bereich Digitalisierung sind erst 49 der 1.000 geplanten Professuren geschaffen worden. Noch mal zum Bereich E-Government: Von "Bayern Digital" wurden bisher nur 11 % der Mittel abgerufen.
Diese Versäumnisse wirken sich doch auch negativ auf die bayerische Wirtschaft aus. Der stationäre und mittelständische Einzelhandel geht am Corona-Lockdown zugrunde. Die Technologiegiganten wie der weltgrößte Onlinehändler Amazon, Facebook und Apple sind doch die großen Gewinner der Corona-Krise. Sie verbuchen drastische Gewinnsprünge – so wie übrigens auch einige CSU-Abgeordnete.
Wir haben in die Ausschüsse viele Anträge eingebracht, um dieser Wild-West-Digitalisierung besser entgegenzuwirken. Diese bezogen sich auf die Sicherheit von Cloud-Dienstleistungen, auf den Schutz vor Industriespionage, auf die Offenlegung von Algorithmeneffekten und auf die faire Besteuerung von Internetgiganten oder auf den Erhalt des Wettbewerbs zum Schutz der Verbraucher.