Protokoll der Sitzung vom 15.04.2021

Wir wollen kein Parlament der Theoretiker; wir wollen Erfahrung leben. Heute früh haben wir eines Kollegen gedacht, Herrn Karl Kling. Ich habe ihn in den Neunzigerjahren kennengelernt. Er kam aus Krumbach. Er war passionierter Ingenieur, Erfinder. Er war Wissenschaftler und hat im Ingenieurwesen Nachwuchs ausgebildet. Hier im Landtag hat er ein Gesetz entwickelt, um in Bayern die IngenieurekammerBau einzurichten. Das war im Jahr 1990. Das Gesetz ist hier einstimmig beschlossen worden. Prof. Karl Kling ist auch der erste Präsident dieser IngenieurekammerBau geworden, er ist aber trotzdem ein edler Mensch. Er hat diese Erfahrung, die er im Beruf gelebt hat, hier in den Landtag eingebracht. Damit hat er den Landtag und seine Arbeit bereichert, so wie wir alle das für uns in Anspruch nehmen. Ich

darf deshalb am Ende noch einmal zurückweisen, wir, die CSU und unsere Führungspersönlichkeiten, hätten hier ein generelles Problem. Wir alle wollen unserem hohen Anspruch der Integrität gerecht werden.

(Beifall bei der CSU)

Herr Reiß, Sie können noch am Rednerpult bleiben. – Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Herr Abgeordneter Raimund Swoboda gemeldet.

Herr Reiß, Sie haben es sicherlich erwartet. Wenn Sie so schmutzeln, wie Sie es jetzt wieder betrieben haben,

(Zuruf)

was Ihnen so richtig aus den Augen springt, dann müssen Sie mit einer Erwiderung einfach rechnen.

Ich bin froh, dass es Abgeordnete wie Herrn Hartmann, Herrn Arnold, Frau Schulze oder auch Herrn Halbleib gibt. Sie nehmen sich die Freiheit, Ihnen, dem Geschäftsführer der CSU-Fraktion hier im Landtag, gewisse Sätze zu sagen und Sie auf Dinge hinzuweisen, die nicht stimmen. Auch ich nehme mir diese Freiheit. Swoboda heißt auf Deutsch: Freiheit. – Freiheit, die Dinge auch beim Namen zu nennen.

(Unruhe bei der CSU)

Das ist nichts Dummes, sondern es ist etwas sehr Gescheites, dass es so einen Namen endlich auch im bayerischen Parlament gibt. Herr Reiß, überlegen Sie doch einmal, ob es Ihrer Berufsehre nahekommt, dass Sie einleitend solche Dämlichkeiten wie vorher aussprechen. Ich bedaure das sehr, ich hoffe, Sie auch.

Herr Swoboda, Ihre Redezeit ist zu Ende. Danke schön.

Danke sehr, Herr Präsident.

Das war jetzt leider etwas kryptisch, was Sie hier von sich gegeben haben, Herr Swoboda. Aber das ist Ihre Freiheit, so, wie das Ihr Name sagt. Meine Freiheit ist es jedenfalls, hier als frei gewählter Abgeordneter ein freies Mandat zu repräsentieren, mit einem Beruf, den ich hierher mitbringe, mit Erfahrung, die ich habe. Diese Erfahrung bringe ich in aller Freiheit und mit allem Engagement hier, in den Bayerischen Landtag ein, so, wie das auch alle meine Kolleginnen und Kollegen tun, die heute hier vor mir sitzen. Sie können gerne die Beschränkung des Mandats auf zwei Wahlperioden fordern. Ihre Zeit hier beschränkt sich auf fünf Jahre, und ich glaube nicht, dass das das Schlechteste ist.

(Beifall bei der CSU)

Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schicke Sie nun in die Mittagspause. Danach machen wir weiter mit Tagesordnungspunkt 3 e. Später kommt dann noch der Tagesordnungspunkt 5, das ist die Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Diese Wahl findet mit Stimmkarte und Stimmzettel statt. Ihre Stimmkartentasche befindet sich in Ihrem Postfach im Lesesaal. Ich bitte Sie also, vor

der Abstimmung diese Stimmkartentasche dort abzuholen. Ich danke Ihnen. Wir gehen jetzt in die Mittagspause und machen weiter um 13:25 Uhr. Guten Appetit. Die Sitzung wird nun unterbrochen.

(Unterbrechung von 12:57 bis 13:27 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich setze die Sitzung fort und rufe Tagesordnungspunkt 3 e auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Prof. Dr. Ingo Hahn, Katrin EbnerSteiner, Ferdinand Mang u. a. und Fraktion (AfD) zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes und des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes Wahrung der Wissenschafts- und Redefreiheit (Drs. 18/14910) - Erste Lesung

Zur Begründung erteile ich dem Kollegen Prof. Dr. Hahn das Wort. Bitte schön.

(Beifall bei der AfD)

Verehrtes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Monaten ist Ministerpräsident Söder damit beschäftigt, sich als Krisenmanager in den Umfragen zu messen, um seinen Kindheitstraum vom Kanzler zu verwirklichen. Im Zuge dieser über einjährigen Wahlkampfkampagne geht Bayern unter. Unzählige Themen bleiben auf der Strecke und bekommen keine Aufmerksamkeit mehr.

Eines dieser Themen ist die massive Einschränkung des Sagbaren. Auch an unseren Hochschulen ist dieses Problem seit Langem bekannt. Während der CoronaKrise ist diese Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt worden. Daher stellen wir Ihnen heute einen Gesetzentwurf zur Wahrung der Wissenschafts- und Redefreiheit vor. Dieser Gesetzentwurf ist eine Reaktion auf ein Positionspapier der konservativen Regierung Großbritanniens, die zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit aufruft und sich gegen Cancel Culture und die Einschränkung der freien Rede an Hochschulen richtet. Erstaunlicherweise hat dieses Papier der Tories bei den Brüdern im Geiste hier vorne, bei der CSU, keinen Widerhall gefunden. Daher liegt es an der AfD, der einzigen noch verbliebenen konservativen Kraft im Freistaat Bayern, diese wertvolle Idee aufzugreifen und eine parlamentarische Debatte anzuregen.

Diese Idee ist aber auch in Deutschland nicht neu. Offensichtlich rennen wir mit unserem Gesetzentwurf bei den Hochschullehrern offene Türen ein. Der Deutsche Hochschulverband, der DHV, der mit über 30.000 Professorinnen und Professoren mitgliederstärkste Verband in Deutschland, hat bei seinen Mitgliedern kürzlich eine Umfrage durchgeführt, ob sie für oder gegen die Etablierung eines Aufsehers für Redefreiheit sind. Das Ergebnis könnte kaum deutlicher sein: Sage und schreibe 90 % der Teilnehmer sprechen sich für einen solchen Beauftragten per Gesetz aus. Die AfD ist also genau die Partei, die die Anliegen der deutschen Hochschulprofessoren am besten aufgreift.

Auch das im Februar 2021 gegründete Netzwerk Wissenschaftsfreiheit hat Ende März bereits 360 Hochschulprofessoren vereinigt, die die Wissenschaftsfreiheit gefährdet sehen. Das sind nur jene, die sich getraut haben, das zu unterschreiben. Es ist also höchste Zeit, dass die Politik neue Rahmenbedingungen schafft.

Schauen wir uns einmal die Problematik genauer an. Worin bestehen die Angriffe auf unsere Rede- und Wissenschaftsfreiheit an den Hochschulen? Ich nenne einige Beispiele:

Erstens. In Oxford geriet die Geschichtsprofessorin Selina Todd im Jahre 2020 in einen Streit über Genderfragen. Danach musste sie den Weg in den Hörsaal unter dem Schutz von Sicherheitskräften antreten.

Zweitens. Nach umstrittenen Äußerungen zur Corona-Strategie wurde der Professor für Wirtschaftsethik Christoph Lütge – der Name ist bekannt – aus dem Ethikrat der Bayerischen Staatsregierung abberufen. Er sagte dazu: Für mich ist ein Ethikrat ein Gremium, in dem man sich unabhängigen Rat von unabhängigen Wissenschaftlern einholt, und da muss man auch einmal akzeptieren, was von denen gesagt wird, und darf sich nicht an Vorgaben orientieren, die aus der Politik kommen.

Sie sehen also, es besteht dringender Handlungsbedarf. Als die ersten Sonderbeauftragten an Hochschulen eingeführt wurden, war die Skepsis bei vielen groß, sei es gegenüber den Schwerbehindertenbeauftragten oder gegenüber den Beauftragten für Chancengleichheit. Heute sind aber alle diese Beauftragten wie alle anderen Personen auf dem Campus ganz selbstverständlich Teil der Hochschulgemeinschaft. Damals bestand aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen die

Notwendigkeit, solche Stellen zu schaffen. Der Gesetzgeber reagierte damals und etablierte diese Stellen.

Heute ist diese Not größer denn je. Wenn Sie wollen, dass unsere Hochschulen in Zukunft auch noch Orte der Freiheit sind, dann müssen Sie eines wissen: Wir müssen handeln, und zwar jetzt. Meine lieben Abgeordneten, es ist so: Wenn sich 90 % der Mitglieder des Deutschen Hochschulverbandes einig sind, müssen doch wenigstens 50 % plus X der Abgeordneten in diesem Haus sich dieser Meinung anschließen.

Werte Fraktionen, werte Staatsregierung, schauen Sie nach Großbritannien. Finden Sie Ihre konservativen Wurzeln wieder. Die Unterstützung unseres Gesetzentwurfs ist dafür ein guter Anfang.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. – Ich eröffne nun die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 32 Minuten: Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Ich erteile nun Herrn Kollegen Dr. Stephan Oetzinger von der CSU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Mit der heutigen Debatte über die Wissenschaftsfreiheit sprechen wir ein sehr wichtiges Thema an – ein Thema, lieber Herr Kollege Hahn, das aber differenziert zu betrachten ist, so wie die meisten Angelegenheiten in der Wissenschaft, und ein Thema, das auch im zuständigen Ausschuss für Wissenschaft und Kunst in dieser Legislaturperiode bereits mehrfach diskutiert wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, allein daran wird schon deutlich, dass weder die Bayerische Staatsregierung noch wir als die regierungstragenden Fraktionen dieses Thema der Wissenschaftsfreiheit aus den Augen verloren haben.

Die Bedeutung der Freiheit von Forschung und Lehre und die damit verbundene Wissenschaftsfreiheit sind Grundpfeiler eines modernen und rationalen Verfassungsstaates. Genau dies war auch den Vätern der Bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes bewusst, die dieses Recht in den beiden Verfassungen, sowohl im Grundgesetz als auch in der Bayerischen Verfassung, verankert haben.

Meine Damen und Herren, Wissenschaft lebt vom Diskurs, vom Wettstreit der verschiedenen Meinungen, Ideen und Thesen. Gerade der Widerspruch ist es, der immer wieder zu neuen Denkanstößen führt. Überkommene Thesen werden dabei

diskutiert, und wenn sie sich nicht belegen lassen bzw. durch neue Erkenntnisse überholt sind, werden sie falsifiziert. Das gehört seit jeher zu den Grundfesten einer wissenschaftlichen Debatte an unseren Hochschulen, und das ist auch gut so.

Neben diesem Grunddiskurs der Wissenschaft, der gut und positiv ist, gibt es aber – und das wollen wir nicht verhehlen – Tendenzen, die diesem Diskurs massiv schaden. So beobachten wir seit einiger Zeit eine verstärkte Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit. Gerade auf Fehlinformationen und Halbwahrheiten fußende Debatten etwa in sozialen Netzwerken sind ein Beispiel für die Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnis und des wissenschaftlichen Diskurses. Ich erinnere beispielsweise unter anderem an die unmögliche Behandlung des Virologen Christian Drosten im letzten Jahr in diversen sozialen Medien.

Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende des RCDS Franca Bauernfeind hat laut der "FAZ" bereits Meldungen aus 15 deutschsprachigen Universitäten und Hochschulen zusammengetragen, die sie in Verbindung mit Tendenzen zu sogenannter Cancel Culture stellt. Ihre Diagnose ist, dass die Meinungsfreiheit am Campus schleichend, aber wachsend eingeschränkt werde. Bauernfeind verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Quotierung von Rednerlisten in Hochschulgremien, das Niederbrüllen von Vortragenden durch Aktivisten, das Ausladen von als umstritten geltenden Rednern und vieles mehr. Inzwischen haben sich auch mehr als 400 Wissenschaftler aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Naturwissenschaften an deutschsprachigen Universitäten zu einem Netzwerk für Wissenschaftsfreiheit zusammengetan.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund stellt sich für uns natürlich die Frage: Wie wollen wir all dem begegnen? Die AfD hat als Antwort darauf heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Hochschulrecht durch die Schaffung eines sogenannten Freiheitsbeauftragten ändern soll. Dieser soll analog zu den Frauenbeauftragten aus dem Kreis der hauptberuflich tätigen wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter an Hochschulen gewählt werden. Dieser Beauftragte soll die Hochschulgremien auf potenzielle Verstöße gegen die Wissenschaftsfreiheit hinweisen und die diskriminierungsfreie Arbeit gewährleisten.

Meine Damen und Herren, dieses Konzept sehen wir als CSU-Fraktion – ich denke, da gehe ich auch d‘accord mit den Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER – bewusst als bürokratisches Monstrum an und erkennen darin keine vernünftige Lösung des Problems.

Unser Ansatz als CSU ist es, wie in dem bereits vor einigen Wochen von uns eingebrachten und verabschiedeten Antrag dargestellt wurde, einen anderen Weg zu gehen, nämlich Hochschulen und Universitäten für die Problematik zu sensibilisieren, den Austausch zwischen den Universitäten zu fördern und gemeinsam mit dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst eine Strategie zu entwickeln, die dem besseren Schutz der Freiheit der Wissenschaft dient.

Es ist nämlich nicht nur Aufgabe eines einzelnen Beauftragten, sondern Aufgabe der gesamten wissenschaftlichen Community, den öffentlichen Diskurs an unseren Hochschulen und Universitäten zu garantieren. Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind dazu aufgerufen, sensibel zu sein, Verstöße und Diskriminierungen in den Gremien zu thematisieren und gegebenenfalls die Hochschulleitungen einzubinden und sie über Verstöße in Kenntnis zu setzen.

Auch haben unsere Hochschulen einen entsprechenden Instrumentenkasten, mit dem man diesen Tendenzen begegnen kann. Zu nennen sind hier die Kontrollfunk

tion der Hochschulgremien, das Hausrecht des Präsidenten, das gegebenenfalls genutzt werden kann oder – im Extremfall – auch die strafrechtliche Handhabe.

Auf der anderen Seite gilt es in diesem Zusammenhang natürlich auch, die Wissenschaftskommunikation an sich zu stärken. Im öffentlichen Diskurs, in der Gesellschaft, macht sich nämlich ein Hang zur Vereinfachung der komplizierten Fragestellungen immer mehr breit, der den Diskurs zunehmend verarmen lässt. Beispielsweise macht die "Bild"-Zeitung Wissenschaftlern den Vorwurf, jeden Tag unterschiedliche Meinungen zu einer wissenschaftlichen Fragestellung zu haben. Doch genau das ist es, meine Damen und Herren, was Wissenschaft ausmacht: Nämlich, komplizierte Fragestellungen immer wieder im Blick neuer Erkenntnisse zu hinterfragen und gegebenenfalls überkommene Thesen zu falsifizieren und diese zu übertragen.

Meine Damen und Herren, die Frage der Wissenschaftsfreiheit und die Frage der Wissenschaftskommunikation werden wir im Rahmen des neuen Hochschulinnovationsgesetzes diskutieren und gemeinsam einbringen. Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD-Fraktion ist aus unserer Sicht kein hilfreicher Beitrag zur Lösung des Problems, weshalb wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Verena Osgyan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.