Er ist ja schließlich aus dem Ethikrat rausgeworfen worden, mit Gründen oder auch Nichtgründen. Das möchte ich jetzt nicht bewerten. Aber ist der Ethikrat ein universitäres Gremium? – Nein, das ist er nicht. Und soweit ich weiß, forscht Prof. Lütge immer noch völlig unbehelligt an der TUM an seinem Lehrstuhl. Man kann von dem Lehrstuhl halten, was man will. Ich finde das Sponsoring durch Facebook nicht ganz ideal. Er bewegt sich auch bei Corona weit außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses. Aber genau das ist doch eigentlich ein wunderbares Argument, dass die Rede- und Wissenschaftsfreiheit an bayerischen Hochschulen offensichtlich funktioniert. Man muss dazu noch sagen: Redefreiheit heißt nicht Recht auf unwidersprochene Rede. Das macht eigentlich den Diskurs, die Debatte, die Meinungsfreiheit erst aus.
Ich glaube, Sie wollen einfach bloß davon ablenken, dass Sie mit Ihrer widerlichen Weltanschauung gerade unter Studierenden und unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern keinen Meter gutmachen. An anderen Stellen, bei Anträgen im Ausschuss, zeigt sich nämlich, dass Sie ganze Forschungsdisziplinen abschaffen und diesen die Gelder streichen wollen. Sie leugnen den Klimawandel und verwenden die Bezeichnung "klimatotalitäre Planwirtschaft". Sie wollen die Streichung von Zuschüssen und sonstigen Ausgaben für Investitionen in Maßnahmen der Energiewende. Das steht auf Ihrer Homepage. Sie haben letztens bestritten, dass Sie so etwas sagen, aber das lässt sich schwarz auf weiß auf Ihrer Landtagshomepage nachlesen. Wenn Sie sich jetzt plötzlich als Jeanne d’Arc der Wissenschafts- und Redefreiheit an bayerischen Hochschulen inszenieren, dann habe ich das Gefühl, dass Ihr Verständnis von Wissenschaftsfreiheit eher dem der spanischen Inquisition gleicht.
Jetzt komme ich zur Cancel Culture. Was ist denn Ihr Verständnis von Cancel Culture, wenn Sie einen Beauftragten einsetzen wollen, der cancelt, der wie der Inquisitor nachbohrt, der im Prinzip Spitzeltum und Denunziantentum an Hochschulen etablieren will? Denn so liest sich das in dem Gesetzentwurf, und das widerspricht wirklich allem, was wir unter offenem wissenschaftlichem Diskurs verstehen.
Ich finde es schon ziemlich frech, dass Sie vorher, bei der Debatte um Islam-Unterricht, islamischen Ethikunterricht, plötzlich mit der Frauenfrage ankommen und jetzt hier den Frauenbeauftragten die Hälfte des Geldes streichen wollen. Sie sind auf dem linguistischen Stand einer Amöbe, wenn Sie behaupten, dass es nur die männliche Form im Deutschen gibt. Es gibt nun mal zwei Formen, das muss man schon wissen.
Das zeigt eindeutig, wes Geistes Kind dieser Vortrag ist. Ich glaube, wir müssen nicht länger darüber reden. Ich hoffe, dass jetzt keine Dritte Lesung mehr kommt. Darüber bin ich jetzt noch nicht informiert. Ich habe jetzt nur die Hälfte meiner Redezeit verbraucht, aber ich denke, das reicht für heute. Wir kommen schön in den Feierabend.
Frau Osgyan, bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. – Wir haben eine Zwischenbemerkung von Herrn Prof. Hahn.
Jetzt muss ich Sie dann doch noch mal um einen Kommentar bitten, auch wenn Sie schon schützend Ihre Maske aufgesetzt haben. Sie verteidigen ja hier den Ministerpräsidenten Söder, weil er den Prof. Lütge aus dem Ethikrat herausgeworfen hat. Ich finde es sehr interessant, dass Sie als GRÜNE das tun, denn es zeigt vielleicht ein bisschen die zukünftige Perspektive von Schwarz-Grün im Bund und vielleicht auch hier in Bayern.
Inhaltlich ist es natürlich völlig falsch, was Sie sagen. Sie haben gesagt, das hätte keine Auswirkungen auf die Hochschullandschaft. Natürlich ist der Ethikrat ein Gremium, in das insbesondere Wissenschaftler deutscher Hochschulen eingeladen werden. Wenn man dann medienwirksam jemand entlässt, weil einem dessen Meinung nicht passt, strahlt das natürlich auch wieder auf die Hochschulen und Universitäten aus und ist ein Zeichen, und zwar ein ganz negatives Zeichen für alle anderen Menschen, die sich frei äußern wollen. Dadurch, dass Sie Herrn Söder hier verteidigen, zeigen Sie eigentlich nur, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, auch als Opposition nicht verstanden haben, –
Ich merke schon, wir haben alle nicht verstanden, worum es geht. Es fällt mir an der Stelle auch tatsächlich schwer. Ich habe den Eindruck, dass Sie es schade finden, dass Sie nicht in den Ethikrat berufen wurden. Ich mag darüber gar nicht weiterreden. Wir reden schließlich über Wissenschaftsfreiheit an Hochschulen, und ich habe den Eindruck, dass Ihnen die Wissenschaft nicht besonders am Herzen liegt. Ich weiß nicht, wer Ihnen hier die Reden schreibt. Im Ausschuss hört sich das immer relativ kläglich an. Oft sind Sie gar nicht da. Wir hatten schon Abstimmungen über AfD-Anträge, bei denen die AfD gar nicht anwesend war. Da kann ich bloß sagen: Offensichtlich ist Ihnen die Wissenschaftspolitik auch nicht mehr länger wichtig. Sie wollten ja in den Bundestag. Ihre Partei sieht das offensichtlich nicht so. Dann machen wir halt hier im Landtag weiter und werden uns schöne weitere Debatten liefern.
Danke, Frau Kollegin Osgyan. – Als nächsten Redner rufe ich Herrn Dr. Hubert Faltermeier, Fraktion der FREIEN WÄHLER, auf.
Wertes Präsidium, meine Damen und Herren! Die Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes, grundgesetzlich geschütztes Gut. Herr Prof. Hahn, steter Tropfen höhlt zwar den Stein, aber das ständige Wiederholen falscher Argumente macht es nicht besser. Sie zeichnen in Ihrem Gesetzentwurf ein Schreckensbild, das fern der Tatsachen liegt. Hier heißt es, die Zunahme der Intoleranz bedrohe Existenzen. Studenten würden angegriffen, Akademiker entlassen. Die Androhung von Gewalt stehe sozusagen auf der Tagesordnung und so weiter und so fort.
Die Wissenschaftsfreiheit – ich stelle jetzt die Gegenthese auf – verbietet meines Erachtens, einen Freiheitsbeauftragten oder gar einen Freiheitskontrolleur, wie Sie
ihn wollen, einzusetzen. Unsere Aufgabe hier ist es, die Hochschulen und die Wissenschaftsfreiheit zu schützen. Das ist auch die Intention des neuen Hochschulinnovationsgesetzes, das den Universitäten mehr Freiheiten gibt und staatliche Reglementierungen reduziert.
Ich glaube, die Wissenschaftsfreiheit hat heute schon einen sehr guten Platz in Bayern. Nicht umsonst kommen renommierte Wissenschaftler aus dem Ausland zurück. Einen begehrten Studienplatz in München, in Bayern, zu bekommen, ist, glaube ich, das Ziel sehr vieler Studenten, nicht nur wegen der Schönheit der Landschaft, sondern auch wegen der guten Lehre und Forschung. Hier herrscht kein Klima der Angst.
Ich glaube, dieses neue Gesetz und die bisherigen Regelungen können uns schon zufrieden stimmen. Es besteht kein Regelungsbedarf, und auch die Institution eines Beauftragten für Freiheit ist einfach nicht notwendig. Wir haben hinreichend generelle Kontrolleure und Institutionen. Das geht bei der Hochschule selbst los. Das geht bei den Gerichten weiter. Das setzt sich mit dem Petitionsrecht beim Landtag fort, und außerdem ist es systemimmanent, dass in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird, nicht nur mit dem Florett, sondern dass auch hart um die Meinung gestritten wird.
Deshalb meine ich, dass diese Institution nicht nur überflüssig, sondern gefährlich und kontraproduktiv ist. Deshalb lehnen wir sie ab. Wir schützen die Wissenschaftsfreiheit und lehnen deshalb den sogenannten Freiheitsbeauftragten ab.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Faltermeier. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Volkmar Halbleib das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde heute nicht über demokratische Streitkultur sprechen, obwohl es dafür genügend Gründe und Anlässe gibt. Ich werde nicht über die Infragestellung von Wissenschafts- und Meinungsfreiheit und den Umgang im wissenschaftlichen Bereich, aber auch in unserer Gesellschaft sprechen, obwohl es Gründe dafür gibt. Das hat einen Grund, und damit werde ich mich jetzt befassen: dass die AfD die Partei in diesem Hause ist, die sich plötzlich zum Hüter von Wissenschaftsfreiheit und Meinungsfreiheit aufschwingt, obwohl sie mit Wissenschaftsfreiheit und dem Respekt vor der Wissenschaft am wenigsten in diesem Hause und in diesem Parlament zu tun hat.
Ich kann es auch begründen: Es gibt keine Partei – das wissen Sie, Herr Prof. Hahn, im Übrigen ist es ein Ausweis der Wissenschaftsfreiheit in diesem Freistaat, dass Sie als Professor für diesen Freistaat tätig sein konnten und nach Ihrer Parlamentstätigkeit wieder tätig sein dürfen – im deutschen Parlamentarismus, die wissenschaftsfeindlicher eingestellt ist als die AfD. Es sind doch die Vertreter der AfD, die den digitalen Pranger aufstellen wollten, an dem Studierende Professoren denunzieren sollten, die sich wissenschaftlich kritisch mit den Thesen der AfD und ihrer Politik auseinandersetzen wollten. Das waren doch die Vertreter der AfD. Es sind doch die Vertreter der AfD, die das Wissenschaftszentrum Berlin verklagen, um die Veröffentlichung freier Forschung über die AfD zu verhindern. Es sind doch gerade die Vertreter der AfD, die immer wieder verächtlich über bestimmte Wissenschafts- und Forschungsbereiche reden und diese einschränken bzw. ihnen die finanzielle Grundlage entziehen wollen. Es sind doch auch und gerade die Vertreter
der AfD – sie machen sich zumindest mit anderen gemein –, die Schilder tragen, auf denen Wissenschaftler in Gefängniskleidung abgebildet werden, um im politischen Meinungskampf im Zuge der Corona-Auseinandersetzung wissenschaftliche Haltungen zu denunzieren, und es sind doch nach wie vor die Vertreter der AfD, die maßgeblich dazu beitragen, dass die politische Debattenkultur in diesem Land, die sich natürlich auch ein Stück weit an den Hochschulen widerspiegelt, leider schlechter, polarisierender und aggressiver geworden ist. Das merkt man auch an den Debatten in diesem Landtag und im Deutschen Bundestag, seit die AfD diesen Parlamenten angehört. Es ist doch gerade die AfD, die auf Wissenschaft und Forschung pfeift, wenn man politischen Anschluss an antiwissenschaftliche Verschwörungstheorien bekommen will, um ein dunkles politisches Süppchen zu kochen. Letztendlich – ein Beispiel aus diesem Haus –: Es ist doch gerade die AfD in diesem Haus, die Mittel für die Geschlechter- und Genderforschung – ein Teil der Wissenschaft – und damit einen wichtigen Teil der Freiheit von Wissenschaft und Forschung einschränken und ihm die Grundlage entziehen will. Das ist doch die Wahrheit. Sie sind die wissenschaftsfeindliche, irrationale und antiaufklärerische Kraft in diesem Parlament. So muss man Sie bezeichnen, das ist die Wahrheit.
Zweiter Punkt: Dass Sie als AfD mit Frauen und Gleichstellung nichts zu tun haben, merkt man der Besetzung Ihrer Fraktion an; aber dass Sie – ich meine Sie persönlich und die AfD, Herr Prof. Hahn –
mit Ihrem Gesetzentwurf gleichzeitig die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an den Universitäten und Hochschulen infrage stellen – –
Sie sprechen davon, dass die Frauenbeauftragte schließlich lange Zeit eine große Berechtigung hatte – Vergangenheit!
Sie haben selbst in diesem Plenum von diesem Rednerpult aus von Vergangenheit gesprochen: Sie hatte diese Berechtigung.
Ich darf noch einmal zitieren – vielleicht sollten Sie ab und zu einmal nachlesen, was Sie hier für Thesen von sich geben –: "Jetzt kann man aus diesen sozusagen Ressourcen etwas machen," – also wegnehmen – "das wirklich zeitgemäß ist […]."
Das ist die Auffassung der AfD: Schleifung der Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten. Dabei wissen wir genau, was wir an den Hochschulen und Universitäten brauchen. Mit der Promotion beginnt der Frauenanteil zu sinken. Er verringert sich kontinuierlich mit jeder Qualifikationsstufe, und es ist nach wie vor eine Riesenherausforderung, der wir uns gemeinsam stellen – die AfD nicht, sie will lieber komische Dinge einführen, aber nicht die Herausforderungen an den Hochschulen und Universitäten annehmen.
Der dritte Punkt: Wenn Sie selbst hier, Herr Prof. Hahn, in der Zweiten Lesung – nach einer Ersten Lesung, nach der intensiven Debatte im Wissenschaftsausschuss – kein einziges Beispiel aus Bayern dafür anführen, wo die Wissenschafts- und Redefreiheit, die Argumentations- und die Forschungsfreiheit an bayerischen
Hochschulen und Universitäten eingeschränkt wird – kein einziges Beispiel! –, dann wird deutlich, was Sie mit diesem Gesetzentwurf wirklich wollen: Ihnen geht es nicht um die Wissenschaftsfreiheit. Ihr Gesetzentwurf ist ein reiner Schaufensterantrag, ein bewährtes Geschäftsmodell der AfD: Ängste schüren, die Gesellschaft spalten, ohne dass Belege angeführt werden. Wissenschaftliche Ergebnisse werden von der AfD ohnehin nur dann akzeptiert, wenn sie in ihr Weltbild passen.
Daher sage ich noch einmal: Wenn man Ihre Verhaltensweise sieht und das, was Sie zur Bekämpfung von Wissenschaftsfreiheit als Partei selbst zu verantworten haben, dann ist klar: Die AfD ist die wissenschaftsfeindliche, irrationale, antiaufklärerische Kraft in diesem Parlament. Deshalb kann man die Zweite Lesung nur dafür nutzen, dies noch einmal deutlich zu machen und all denen, die für die Wissenschaft an den Hochschulen und Universitäten stehen – Professoren, Studierende, Mittelbau –, zuzurufen: Wir stehen an Ihrer Seite, wenn es um Wissenschaftsfreiheit und um die Wissenschaft in Bayern geht, und es gibt Kräfte in diesem Haus, die nicht an Ihrer Seite stehen, wenn es um die wirklichen Herausforderungen geht. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.
Geschätzter Kollege Halbleib, Sie hatten das Beispiel mit dem Gefängnis gebracht. So weit ist es noch nicht, dass man dafür ins Gefängnis kommt. Das ist auch gut so. Man kommt heutzutage in Deutschland natürlich ins Gefängnis, beispielsweise wenn man nicht 17,50 Euro GEZ-Zwangsbeitrag bezahlt. Das erleben wir jetzt. Ihre Partei steht voll hinter diesem Zwangsbeitrag.
Aber zu dem Wissenschaftsfeindlichen, das Sie der AfD unterstellt haben: Sie wissen vielleicht auch, dass die AfD am Anfang ihrer Geschichte verlacht und dass gesagt wurde, sie sei eine Professorenpartei. Jetzt unterstellen Sie genau dieser Professorenpartei, die dann irgendwann nicht mehr verlacht wurde, als sie über 5 % kam – Sie sind ja mit der SPD auch bald bei 5 % angekommen –, dass sie nicht mehr die Rechte der Menschen, die sie gerade repräsentiert, darstellen würde. Ich sage Ihnen eines: Wir haben in der Zwischenzeit dazugelernt, und wir repräsentieren heutzutage eben auch den deutschen Arbeiter und übrigens auch die Arbeiterin. Wir brauchen auch nicht zu gendern, wir können beide Formen nehmen; Sie nennen ja immer nur noch eine Form.
Wir repräsentieren den deutschen Arbeiter, und dazu kann ich nur eines sagen: Das neue Rot ist blau.