Protokoll der Sitzung vom 29.09.2021

Genauso unredlich ist es – darauf will ich Sie noch hinweisen, weil ich das heute Nachmittag schon den Medien entnommen habe –, die Genese der Art und Weise von Entschuldigung zu betreiben und diese medial zu analysieren. Das ist durchschaubar. Wir sollten unter Demokraten ehrlich miteinander umgehen: Hätte Hubert Aiwanger heute Morgen fünf Minuten ausgeführt, dann hätten sie gesagt: Oh, da muss sich einer rechtfertigen. Sie hätten dann jeden Satz, den er gesagt hat, fein seziert und versucht, ihm daraus einen Strick zu drehen. Wenn er sich kurz und knapp entschuldigt – wie Sie sich das alle gewünscht haben –, dann kommentieren Sie anschließend, dass das zu kurz war. Ganz ehrlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, das entspricht keinem demokratischen Umgang miteinander. Es war eine Entschuldigung gewünscht. Die Entschuldigung ist erfolgt.

Herr von Brunn, wenn es uns wirklich um das Ansehen des Freistaates geht, dann sollten wir eine solche Entschuldigung akzeptieren. Sie schaden dem Ansehen des

Freistaats auch mit Ihrer Politik, da Sie ein Thema, das bereits erledigt ist, weil die Entschuldigung erfolgt ist, immer weiter in die Öffentlichkeit tragen. Sie agieren im Sinne eines politischen Geschäftemachers, der das Thema mit weiteren Debatten breittreten will. Wenn Sie Bayern nicht schaden wollen, dann sollten Sie das unterlassen. Sie sollten dieses Gremium, den Bayerischen Landtag, nicht zu einer Twitter-Debatten-Kammer verzwergen. Wir sind das Parlament. Im Parlament haben diese Entscheidungen stattzufinden, und im Parlament ist die Entschuldigung erfolgt. Aus meiner Sicht genau da, wo sie hingehört.

Herr von Brunn, deshalb schließe ich meine Ausführungen mit einem Zitat aus der Bibel: Ein Sünder, der umkehrt, ist wichtiger als 99 Gerechte. Ich würde sagen, wahrscheinlich wichtiger als 999 Selbstgerechte, so wie Sie heute aufgetreten sind. Hubert Aiwanger hat genau das heute getan. Er hat einen Fehler eingestanden, und ich finde, in einer Demokratie ist es wichtig, dass das gemacht wird. Aber genauso wichtig ist, dass eine Entschuldigung anschließend auch akzeptiert wird. Ich fordere Sie deshalb noch einmal dazu auf, im Sinne unseres demokratischen Umgangs miteinander diese Entschuldigung, die nötig war – ich sage es noch einmal ganz deutlich –, die richtig war, die aber auch erfolgt ist, entsprechend zu akzeptieren.

Darüber hinaus ist zu sagen, dass der Antrag der AfD einer ist, wie wir ihn von der AfD kennen. Für Rügen bleibt in diesem Hohen Haus weiterhin die AfD zuständig und nicht die demokratischen Parteien. Deshalb ist dieser Antrag genauso abzulehnen wie der Antrag der SPD-Fraktion.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Mehring. – Es liegen Meldungen zu zwei Zwischenbemerkungen vor. Die erste kommt vom Herrn Abgeordneten Winhart von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Dr. Mehring, Sie haben gerade verzweifelt versucht, die Sache herunterzuspielen. Aber die Akte Aiwanger ist umfangreich. Es geht nicht nur um dieses Geschehnis vom letzten Wochenende. Nein, wie bereits heute Mittag diskutiert steht auch die Sache mit den Maskendeals im Raum, die 90.000 Wischmopps und vieles mehr. Dabei ist mir aufgefallen, dass Herr Aiwanger im Jahr 2012 schon einmal einen Twitter-Account besessen hat. Dabei ist er unter anderem mit Blondinen-Witzen und ähnlich tollen Gags aufgefallen.

(Widerspruch)

Jetzt stellt sich die Frage, ob es bei den FREIEN WÄHLERN niemanden gibt, der dem Herrn Aiwanger seinen Twitter-Account wegnehmen kann, oder ob ihm nicht zumindest eine Kindergärtnerin zur Seite gestellt werden kann, die auf ihn aufpasst. Wollen wir die Sache vielleicht einmal anders lösen, indem Herr Aiwanger seine Konsequenzen zieht und zurücktritt?

(Beifall bei der AfD)

Herr Dr. Mehring, bitte.

Sehr verehrter Herr Kollege Winhart, ich habe zunächst einmal nicht den Eindruck, dass ich versuche, den Sachverhalt herunterzuspielen. Ich habe sehr deutlich gesagt, dass ein Fehler gemacht worden ist und dass zu Recht eine Entschuldigung erfolgt ist. Ich habe eher das Gefühl, dass Sie versuchen, die Angelegenheit heraufzuspielen. Sie demaskieren sich mit dieser Wortmeldung auch entsprechend. Es geht Ihnen weder um diesen Twitter-Ein

trag vom vergangenen Sonntag, noch geht es Ihnen darum, sich inhaltlich in der Sache auszutauschen. Sie wollen jetzt eine Gesamtbilanz bis zurück ins Jahr 2012. Ihren Humor für Blondinen-Witze in Abrede gestellt oder nicht in Abrede gestellt; lassen wir das dahingestellt sein. Ihnen sei ganz deutlich gesagt: Wer dieser Demokratie wirklich einen Dienst erweisen möchte, der braucht sich nicht um einen Twitter-Beauftragten für Hubert Aiwanger zu kümmern, der wäre wohl beraten, allen Kolleginnen und Kollegen Ihrer Gruppierung in allen Landesparlamenten und im Bundesparlament nicht nur den Twitter-Account zu sperren, sondern am besten das Handy wegzunehmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Jetzt kommen wir zur Zwischenbemerkung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Florian von Brunn. Herr von Brunn, bitte.

Sie haben gerade die Behauptung aufgestellt, die Forschungsgruppe Wahlen hätte bestätigt, die Zahlen, die Herr Aiwanger getwittert hat, stammten nicht von der Forschungsgruppe. Ich habe die Exit Polls, die mir von der Forschungsgruppe Wahlen vorliegen, um 16 Uhr verglichen mit den Zahlen, die Herr Aiwanger getwittert hat. Dankenswerterweise oder nicht dankenswerterweise ist sofort ein Screenshot gemacht worden. Es handelt sich um genau die gleichen Zahlen. Also ich würde jetzt gerne von Ihnen hören, was Sie uns gerade sagen wollten mit der Aussage.

Sehr verehrter Herr Kollege von Brunn, beim Screenshot waren Sie ganz offenkundig schnell. Weniger schnell waren Sie beim Weiterlesen auf der Seite der Forschungsgruppe Wahlen. Ich habe wahrgenommen, dass die Forschungsgruppe Wahlen sich entsprechend geäußert hat und mitgeteilt hat, dass es sich dabei nicht um ihre Zahlen handelt. Das ist auch Gegenstand des Austausches im Anhörungsverfahren zwischen dem Bundeswahlleiter und dem Staatsminister Hubert Aiwanger. Ich bitte um Verständnis, dass ich die Details des Verfahrens jetzt nicht parlamentsöffentlich schildern werde. Sie dürfen davon ausgehen, dass das zwischen dem Bundeswahlleiter und dem Staatsminister besprochen ist. Sie dürfen auch noch einmal nachschauen auf der Seite der Forschungsgruppe Wahlen. Deshalb fand ich es richtig und wichtig, dass der Staatsminister sich heute öffentlich und gegenüber dem Parlament, aber in gleicher Weise auch gegenüber der Forschungsgruppe Wahlen entschuldigt hat, dafür, diese Zahlen über den Account entsprechend publiziert zu haben.

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Mehring. – Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Vizepräsident Dr. Wolfgang Heubisch. Im Rahmen der Dringlichkeitsanträge hat die FDP noch 16 Minuten und 21 Sekunden.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr stellvertretender Ministerpräsident, wir kennen uns seit vielen Jahren. Ich habe Ihr Agieren, Ihr Verhalten, Ihre Reden sowohl hier im Plenum als auch draußen intensiv miterlebt. Aber so etwas wie am Sonntagnachmittag habe ich noch nicht erlebt. Darum hätte ich mir erhofft – sage ich ganz ehrlich –, dass Sie sich heute Mittag ans Rednerpult stellen und glaubhaft und nachhaltig die Sache darstellen und sich entschuldigen. Nahezu Stunden werden für einen einfachen Sachverhalt angesetzt. Aber bei einem solch extrem wichtigen Thema, auch für die Demokratie, geben Sie nur eine ganz dürre Erklärung ab. Das hat mich maßlos enttäuscht. Das möchte ich an dieser Stelle schon einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben ja noch eines gemeinsam, lieber Herr Aiwanger: Wir tragen beide den Titel "Staatsminister". Ich glaube, dass wir genau aus diesem Titel – ob man ihn momentan führt oder ob es in der Vergangenheit war, spielt hier keine Rolle – eine ganz besondere Verpflichtung gegenüber Recht und Gesetz haben. Wir sind genau hier in diesem Plenum noch einmal ganz besonders auf die Bayerische Verfassung vereidigt worden. Darum ist es besonders wichtig, dass wir agieren, wie es die Bevölkerung von uns erwartet, und das sind die moralischen, ethischen Vorwürfe, die ich Ihnen ganz klar mache. Mit einer dürren Entschuldigung kommen wir nicht weiter. Wir – ich wiederhole es – beschädigen die Demokratie.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Sehr geehrter Herr Staatsminister, ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen wird. Mit einer Verurteilung, die kommen mag, ist aber noch gar nichts erledigt.

Ich bin auch, Herr Mehring, vor allem von Ihrer Wortmeldung heute Mittag schon ziemlich enttäuscht gewesen. Ihr Verhalten kenne ich mittlerweile: Je schneidender Ihre Stimme, umso weniger Inhalt.

(Beifall bei der FDP)

Das ist genau das Verhalten. Das ist eine dialektische Nullnummer gewesen. Ich gebe zu, Ihre Rede vor fünf Minuten hat schon einen ganz anderen Ton gehabt. Sie bemühen sich ja wirklich verzweifelt, so möchte ich es fast ausdrücken, Herrn Staatsminister Aiwanger zu verteidigen. Es wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei der FDP)

Wo ist denn Tobias Reiß? – Leider ist er nicht mehr da.

(Zuruf)

Da ist er. Bei ihm war ich genauso enttäuscht. Wie soll denn eine Bayerische Staatsregierung endlich wieder zu einem besonderen, zu einem normalen Arbeitsverhalten kommen, wenn hier vor dem Plenum so eine wachsweiche Erklärung abgegeben wird? Wie soll das weitergehen? – Ich bin überzeugt: Wenn Sie sich nicht am Riemen reißen, dann wird der Zustand in dieser Koalition noch schlimmer. Es ist Zeit, umzukehren. Ich hätte erwartet, dass Sie den stellvertretenden Ministerpräsidenten auffordern, die Konsequenzen zu ziehen. Wir, das kann ich dazu sagen, werden dem Antrag der SPD zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Heubisch. – Nächster Redner ist der fraktionslose Abgeordnete Swoboda.

Sehr geehrtes Präsidium, geschätzte Plenarversammlung! Heute erleben wir wenig kurzweilig einen mit linker Moral apostrophierten Antrag der SPD nach dem Motto: Wir suchen das Böse stets bei den anderen. – Dabei sollten die Damen und Herren SPD-Obermoralisten doch lieber vor der eigenen Haustür kehren; denn wir alle sehen, was Kanzlerkandidat und Bundeskanzler im Werden Olaf Scholz als Erster Bürgermeister Hamburgs und als Finanzminister der Bundesrepublik so alles moralisch zu vertreten hätte: Stichworte sind Cum-Ex-Skandal rund um das Bankhaus Warburg und der Wirecard-Betrug. Da geht es um Milliarden.

Mir geht es, wenn ich das erwähne, um das Maß der Dinge. Das ist bei der SPD wieder typisch: zweierlei.

Nun nehmen die roten Biedermänner und -frauen das unbedarfte Missgeschick eines erfolgreichen Wirtschaftsministers in Form seiner flapsigen Wahl-Orakel-Meldung auf seinem Twitter-Account zum Anlass, diesem und damit auch dem Ministerpräsidenten vermeintlich bei günstiger Gelegenheit so richtig harsch in die Suppe zu spucken.

Aber Vorsicht! Die SPD sollte nicht so ohne Weiteres auf die unseriöse und wie üblich durchsichtige süddeutsche hofnärrische Zeitungsberichterstattung hereinfallen, nur um das Eisen mit einer billigen politischen Beinpinkelei zu schmieden. Mehr ist es nämlich nicht.

Der Bundeswahlleiter hat nämlich schon gesagt, er habe zwar eine Prüfung eingeleitet, sei sich aber gar nicht so sicher, ob das den Maßstäben materiell-rechtlich tatbestandsmäßig auch standhalte. Denn es muss sich bei einer Meldung tatsächlich um die Zitierung eines Meinungsforschungswahlprognoseergebnisses handeln, und nicht nur um einen anachronistischen satirischen Wahlwerbegag eines Wahlstreiters. Mag es noch so ungeschickt oder geschmacklos empfunden werden: Meinungsfreiheit gilt auch für den Wahltag.

Wenn hier immer gleich jemand von Schuld spricht, insbesondere Herr Dr. Mehring, dann kann man gleich das Fürchten kriegen. Schuld setzt immer voraus, dass diese auch festgestellt wird, und zwar objektiv und subjektiv, tatbestandsmäßig und innerlich. Entschuldigung ist dann angebracht, und nicht eher.

Wer hier die Ministerentlassung fordert, der sollte die Voraussetzungen einer solchen kennen und nicht so tun, als wolle oder solle der Ministerpräsident Dr. Söder diesen Ball als Vorwand nutzen, seinen Wirtschaftsminister so quasi retourkutschenmäßig für dessen herausragenden Wahlsieg auf Bundestagswahlebene zu diskreditieren und zu schassen.

Wir sind hier schließlich nicht im Merkel-Land, sondern im Bayern-Land, und da gilt das, was in der Verfassung steht. Da steht: Der Ministerpräsident beruft und entlässt mit Zustimmung des Landtags. – Er hat also das Initiativrecht und muss sich zunächst einmal darüber klar werden, was er will und was er soll. Das wird er schon mit seinen Leuten – Herr Reiß, mit Ihnen natürlich auch, ganz wichtig – besprechen.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Florian von Brunn, letztes Wort an Sie.

(Zuruf)

Es ist politische Korinthenkackerei, was die SPD da tut. Sie sollten zu größerer Leistungsfähigkeit in der Lage sein. Das haben wir uns zumindest von Ihnen und Ihrer neuen SPD-Fraktionsführung erhofft.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 18/17934 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPDFraktion, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die FDP-Fraktion. Gegenstimmen! – Bei Gegenstimmen der FREIEN WÄHLER, der CSU sowie der fraktionslosen Abgeordneten Plenk und Swoboda. Enthaltungen? – Die AfD-Fraktion hat an der Ab

stimmung nicht teilgenommen. Vielen Dank, der Dringlichkeitsantrag ist damit abgelehnt.

(Widerspruch bei der AfD)

Ablehnung? – Dann müssen Sie auch die Hand heben. – Für das Protokoll: Die AfD-Fraktion hat den Antrag ebenfalls abgelehnt.