Die Bundesregierung hat hier einen ersten Schritt getan, was wir sehr begrüßen. Sie legt fest, dass Weisungen grundsätzlich immer schriftlich zu erfolgen haben und auch dokumentiert werden müssen. Das ist schon mal ein erster und weiter Schritt, der besonders wichtig ist; denn wir als Parlament können ja auch nur dann kontrollieren, wenn wir wissen: Was ist überhaupt gelaufen? Gab es eine Weisung oder nicht?
Noch nicht erfasst sind natürlich die informellen Hinweise, Treffen oder die Darlegung der Rechtsansicht durch das Ministerium oder Ähnliches. Da ist es schwieriger. Wir GRÜNE fordern in Bayern, dass auch das immer und lückenlos in den Akten vermerkt sein muss.
Wir GRÜNE wollen aber noch mehr. Ein Beispiel gibt unser grüner Minister in Nordrhein-Westfalen Dr. Benjamin Limbach. Er hat vorgeschlagen, dass man das Weisungsrecht in Einzelfällen, wenn das wirklich einen konkreten Fall betrifft, auf Eingriffe zur Verhinderung von rechtswidrigen Entscheidungen begrenzen sollte. Das begrüßen wir sehr; das wäre sehr sinnvoll. Es muss natürlich den Zugriff geben, dass der Justizminister oder die Justizministerin eingreifen kann, wenn rechtswidrig gehandelt würde. Das Ausüben des Ermessens muss politisch unabhängig durch die Staatsanwaltschaft geschehen, sodass hier der Justizminister eben nicht mehr zugreifen kann.
Darüber hinaus sollten allgemeine, generelle Weisungen, die für alle vergleichbaren Fälle gelten, weiterhin möglich sein. Sie stellen sicher, dass das Recht einheitlich angewandt wird. Es gab zum Beispiel mal eine Weisung des Justizministers in Bayern, dass das Verfahren bei antisemitischen Straftaten grundsätzlich nicht mehr eingestellt wird, sondern dass das zur Anklage gebracht wird. Das ist einfach eine Klarstellung, damit das nicht in einem Bezirk anders gehandhabt wird als in anderen Bezirken. Das begrüßen wir.
Das heißt, wir sind auf einem guten Weg. Es sind noch einige Schritte zu tun. Die machen wir. Diesen Antrag müssen wir ablehnen.
Sehr geehrtes Präsidium, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geschätzte Gäste auf der Besuchertribüne! Wie der Kollege Stock schon ausgeführt hat, wurde dieser Antrag identisch bereits im März 2023 eingebracht. Er wurde damals abgelehnt, und ich kann es schon vorwegnehmen: Auch heute werden wir diesen Antrag ablehnen. Es gibt gewichtige verfassungsrechtliche Gründe, die gegen eine Abschaffung der Weisungsgebundenheit sprechen. Gemäß Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes bedarf jede ausgeübte Hoheitsgewalt einer demokratischen Legitimation. Unsere Staatsanwaltschaft schöpft ihre demokratische Legitimation als Teil der Exekutive aus einer ununterbrochenen Legitimationskette vom Volk über die Regierung zur handelnden Staatsanwaltschaft.
Unsere Fraktion hat sich in der Vergangenheit schon öfter mit diesem Thema beschäftigt. Wir erkennen jedoch an, dass das seit Jahrzehnten bestehende System grundsätzlich sehr gut funktioniert. Weisungen an Staatsanwälte – der Kollege Stock hat es ausgeführt – sind äußerst selten. Der Justizminister trägt die Verantwortung für eine Amtsführung der Staatsanwaltschaften. Ohne diese Einflussmöglichkeiten müsste eine staatsanwaltschaftliche Unabhängigkeit parallel zur richterlichen Unabhängigkeit gesetzlich normiert werden. Das brächte eine
Damit kommen wir zum Alternativantrag. Dieser ist aus meiner Sicht überholt. Das Bundesministerium der Justiz hat bereits einen Referentenentwurf vorgelegt, der wesentlichen Teilen des Alternativantrags entspricht. Der ist momentan in Bearbeitung. Insofern ist die zeitliche Vorgabe, die der Kollege Dierkes fordert, schon auf den Weg gebracht. Damit werden auch viele Probleme, die mit dem ausländischen Haftbefehl usw. zusammenhängen, gelöst werden. Insofern wird auch dieses Thema demnächst erledigt werden.
Der Referentenentwurf ist momentan in Abstimmung. Rückmeldungen zeigen ein überwiegend positives Bild. Der Deutsche Anwaltverein, die Bundesrechtsanwaltskammer und die Gewerkschaft der Polizei unterstützen den Entwurf. Zwar gibt es, wie schon vorgetragen, kritische Stimmen wie vom Deutschen Richterbund oder der Neuen Richtervereinigung, die grundsätzlich gegen das Weisungsrecht sind. Für mich zeigt das aber: Es ist eine Diskussion im Gange, die schlussendlich fortgeführt und beendet werden muss.
Zu guter Letzt möchte ich darauf hinweisen, dass der Antrag vor Ausdrücken eines Generalverdachts gegen unsere Justiz strotzt, was wir entschieden ablehnen. Unsere Justiz verdient Vertrauen und Respekt. Daher empfehlen wir und empfehle ich, den Antrag abzulehnen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Scharf, Ihrer Empfehlung kommen auch wir nach, allerdings auch aus Gründen, die jetzt mal kurz aufzuzeigen sind. Die Situation ist so, dass die Justiz unabhängig ist. Das ist von Vorrednern schon aufgegliedert worden. Die Richterschaft, die Gerichte sind unabhängig nach Artikel 97 des Grundgesetzes. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Etwas anderes ist es mit der Staatsanwaltschaft. Die ist Bestandteil der Exekutive. Das wird partiell verwechselt oder gar nicht mehr so wahrgenommen. Aber tatsächlich ist es ein Unterschied, ob jemand Recht spricht oder Anträge stellt, jemanden zu verurteilen. Das Entscheidende ist immer noch bei Gericht.
Und dann will ich Ihnen mal sagen: Unabhängig von verfassungsmäßigen Erwägungen und all dem, was an richtigen Ausführungen gemacht worden ist, ist es auch für mich oder für uns als Parlamentarier wichtig, dass dieses Weisungsrecht in dem Zusammenhang existiert, und zwar deswegen, weil wir als Parlament dadurch die Kontrolle der Justiz und der Exekutive, der Staatsregierung, ausüben.
Da gab es mal einen Untersuchungsausschuss, der hier in Bayern gespielt hat. Das war die Sache Schreiber, Sie erinnern sich, 2000. Die Augsburger Staatsanwaltschaft wollte den damaligen Kanzler Kohl als Zeugen in diesem Korruptionsverfahren vernehmen. Der damalige Generalstaatsanwalt Froschauer hat das unterbunden – Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft. Nachdem das dann
rausgekommen ist, musste sich Manfred Weiß, also der damalige Justizminister, hier im Parlament rechtfertigen, warum und weshalb. Das war das Eintrittstor für uns, als parlamentarische Kontrolleure zu sagen: So geht das nicht, wir wollen das anders.
Was wäre – um mit dem Kollegen Dierkes zu sprechen –, wenn das nicht so gewesen wäre? – Wir hätten rumgenestelt mit Anträgen, ohne einen unmittelbaren Zugriff über das Ministerium zu haben. Das wäre doch keine befriedigende Art und Weise der Ausübung unseres parlamentarischen Selbstverständnisses!
Zu Ihrer Argumentation: Sie kommen plötzlich mit EU-Gesetzgebung und -rechtsprechung daher, sind aber selbst die größten Protagonisten dafür, aus der EU auszutreten, weil sie uns nichts bringe. Das ist widersinnig und in dem Zusammenhang ein Scheinargument.
Dass das Bundesjustizministerium derzeit in diesem Zusammenhang Vorschläge macht, eine Ausgewogenheit zu erreichen und eine Feinziselierung der Regelung dieses Weisungsrechtes vorzulegen, ist bereits erwähnt worden. Aber nichtsdestoweniger: Wir brauchen als Bayerisches Parlament dieses Weisungsrecht, um es zu kontrollieren. Sonst weiß ich nämlich nicht, wie mir das Justizministerium nach Recht und Gesetz Auskunft geben kann, warum und weshalb dieses Verfahren soundso gelaufen ist. Hätten wir das nicht, würden wir uns bedienen lassen, und die Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament würde gegen null gehen. Das möchte ich nicht, auch wenn bekannt ist, dass wir schon seit über 64 Jahren nicht mehr in der Regierung sind. Auch die Opposition – das muss uns jemand nachmachen – wird nach wie vor aufgrund dieses Weisungsrechtes Fragen stellen und Eingriff nehmen in den Rechtspflegeorganismus unseres schönen Freistaates. – Wir lehnen ab.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration empfiehlt die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags.
Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Dringlichkeitsantrag der AfD-Fraktion zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die AfD-Fraktion. Gegenstimmen bitte anzeigen! – Die Fraktionen von CSU, FREIEN WÄHLERN, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Liegen nicht vor. Der Dringlichkeitsantrag ist damit abgelehnt.
Antrag der Abgeordneten Rene Dierkes, Dieter Arnold, Martin Böhm u. a. und Fraktion (AfD) Generelle Anwendung des Erwachsenenstrafrechts bei Straftätern ab 18 Jahren (Drs. 19/2034)
Antrag der Abgeordneten Rene Dierkes, Dieter Arnold, Martin Böhm u. a. und Fraktion (AfD) Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre (Drs. 19/2037)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 29 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Als erster Redner hat der Kollege Dierkes von der AfDFraktion das Wort. Bitte schön.
Herr Vizepräsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir fordern mit unseren Anträgen zum einen die generelle Anwendung des Erwachsenenstrafrechts für Straftäter ab 18 Jahren sowie die grundsätzliche Absenkung der Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre. Bevor jemand auf die Idee kommt, dies als extremistische Forderung abzutun: Justizminister Georg Eisenreich hat erst vor wenigen Jahren selbst gefordert, dass bei Heranwachsenden Erwachsenenstrafrecht wieder stärker beachtet werden soll. Das Problem hierbei ist: Wir als Politiker und die Regierung als Exekutive können Richtern keine Weisungen erteilen; denn es gilt zum Glück noch die richterliche Unabhängigkeit. Daher braucht es klare Änderungen im Gesetz.
Die Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende hat ein Schlupfloch geschaffen, welches von Kriminellen für mildere Strafen ausgenutzt wird. Beispiel: Bei einem Mord gibt es für Erwachsene lebenslange Freiheitsstrafe, bei Jugendlichen 15 Jahre. Personen über 18 Jahre sind jedoch in vollem Besitz ihrer Staatsbürgerschaftsrechte. Sie können an Wahlen teilnehmen und damit maßgeblich auf die Politik Einfluss nehmen. Daher müssen Sie auch dementsprechende Pflichten erfüllen und Konsequenzen tragen. Es muss nämlich konstatiert werden, dass das aktuelle System versagt hat. Nicht einmal 30 % der Heranwachsenden werden im Jahresschnitt nach Erwachsenenstrafrecht bestraft. Das liegt nicht etwa daran, dass die jungen Leute heutzutage später reif werden. Nein, das liegt daran, dass diese Personen entweder gute Strafverteidiger haben oder es von Zufällen abhängt, ob jemand als Erwachsener oder als Jugendlicher eingestuft wird.
Die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre machen es nötig, die Sanktionsmechanismen für Heranwachsende neu zu gestalten. Die Straftaten bei Jugendlichen und Heranwachsenden sind allein im Jahr 2023 um mehr als fünf Millionen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Wir reden an dieser Stelle nicht nur von einem Anstieg der Quantität, sondern auch der Qualität der Straftaten. Bei den Straftaten Mord, Vergewaltigung und Gruppenvergewaltigung gab es einen beträchtlichen Anstieg der Straftaten innerhalb dieser Alterskohorte. Meine Damen und Herren, wir müssen daher die §§ 1 und 105 des Jugendgerichtsgesetzes streichen, sodass Heranwachsende zwingend nach Erwachsenenstrafrecht bestraft werden müssen.
Des Weiteren fordern wir, die Strafmündigkeit auf 12 Jahre herabzusetzen. Kinder unter 14 Jahren begehen immer mehr Gewalttaten, wie die Kriminalstatistik zeigt. Wir erleben seit dem Jahr 2018 eine bundesweite Steigerung von grob 48 %. Allein im Jahr 2023 haben sogar 24 Straftaten im Bereich Mord und Totschlag stattgefunden, die von Kindern unter 14 Jahren verübt wurden. Die Ursachen für den Anstieg der Kinderkriminalität sind vielfältig. Auf der einen Seite gibt es einen Anstieg wegen kulturfremder Migranten – das ist auch statistisch erwiesen – sowie auf der anderen Seite soziale und wirtschaftliche Probleme wie die Corona-Krise.
Die jetzige Rechtslage ist jedoch lückenhaft. Man muss zwar einräumen, dass nach dem VIII. Sozialgesetzbuch derzeit abschließende Maßnahmen möglich sind, die auf Familien mit straffälligen Kindern einwirken sollen, wie etwa ambulante Hilfen zur Erziehung, Erziehungsberatung und in schwerwiegenden Fällen freiheitsentziehende Maßnahmen wie die Unterbringung in einer therapeutischen Einrichtung. Man muss aber konstatieren, dass das Sozialgesetzbuch gerade im Bereich der mittleren Kriminalität lückenhaft ist. Nicht jeder zwölfjährige Straftäter ist psychisch gestört oder lässt sich von Ratschlägen an die Eltern beeindrucken, vor allem wenn diese den Ratschlag nicht weitergeben. Das Jugendgerichtgesetz, das hingegen für Straftäter ab 14 Jahren anwendbar ist, bietet eine ganze Palette an Maßnahmen, die nicht nur der Sanktion der jungen Delinquenten dienen, sondern auch dem Erziehungsgedanken gerecht werden, um die Jugendlichen wieder auf die rechte Bahn zurückzuführen. So gibt es Erziehungsmaßregeln wie Verwarnungen, Auflagen, die Erziehungsbeistandschaft, Zuchtmittel wie Geldbußen und schließlich die Jugendstrafe. Daher muss die Strafmündigkeit herabgesetzt werden, damit das Jugendgerichtsgesetz an dieser Stelle einschlägig ist und auf den jungen Straftäter eingewirkt werden kann – auch aus präventiver Sicht.
Ich möchte jüngste Beispiele der Kinderkriminalität erwähnen, die es in den Fokus der Medien geschafft haben. Im Jahr 2023 wurde in NRW die Schülerin Luise von zwei Mitschülern im Alter von 12 und 13 Jahren erstochen. Die Kleinstadt Ahaus wird von einer Gruppe Jugendkrimineller bedroht. Der Anführer ist 12 Jahre alt. Laut Berichten des "FOCUS" würden Angst und Schrecken verbreitet. Im Juli 2019 vergewaltigten drei 14-jährige und zwei 12-jährige bulgarische Staatsangehörige eine junge Frau in Mülheim an der Ruhr. Im Juli 2022 wurde die Leiche der 15-jährigen Schülerin Anastasia hinter einem Supermarkt in Salzgitter gefunden. Die Täter waren ein 14-Jähriger und sein 13-jähriger Freund. Wir müssen dieser alarmierenden Entwicklung entgegensteuern und die Justiz handlungsfähig machen.
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Martin Stock von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste! Herr Dierkes, zumindest sage ich nicht, dass Ihre Forderung extremistisch ist. Ich sage aber, sie ist unsinnig und falsch. Die Zahlen, die uns die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das zurückliegende Jahr 2023 präsentiert hat, sind ohne Zweifel alarmierend. Sie sollten uns allen Anlass zur Sorge geben. Deutschlandweit gab es einen allgemeinen Anstieg der Straftaten um 5,5 %. Insbesondere die Zunahme der Gewaltdelikte fällt dabei ins Auge. Eine deutschlandweite Steigerung um 8,6 % ist ein deutliches Alarmsignal. Auch die Zunahme der Gewaltdelikte um 4,7 % bei uns in Bayern, im nach wie vor sichersten Bundesland, zeigt auf, dass ein konkreter Handlungsbedarf auf allen politischen Ebenen durchaus besteht.
Einen besonders sensiblen Bereich stellt das Jugendstrafrecht dar. In dem Bereich sind die Gewaltdelikte um erschreckende 13,7 % im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Von der Seite der Ermittler der Justiz ist zu hören, dass zudem nicht nur die reine Quantität, sondern auch die Qualität der Gewaltdelikte zugenommen hat. Es folgt fast schon einem eingefahrenen politischen Mechanismus, dass nun – das zeigen die heutigen Anträge – reflexartig nach vermeintlich einfachen Lösungen gerufen wird, die pauschal lauten: Alle Heranwachsenden sollen dem Erwachsenenstrafrecht unterzogen werden. Oder: Das Strafmündigkeitsalter soll von heute auf morgen von 14 auf 12 Jahre herabgesetzt werden. Und dann? Ist dann alles gut? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, mitnichten. Ganz so einfach sollten und dürfen wir es uns nicht machen. Was wir brauchen, ist ein wehrhafter Rechtsstaat,
der klare Kante zeigt und klare Signale aussendet, sowohl an die Täter als auch an die Opfer. Was wir aber nicht brauchen, sind unausgewogene Galerieanträge, die nicht das Problem angehen, sondern nur auf schnelle Effekthascherei aus sind.
Es sind ohne Zweifel furchtbare Straftaten, die zuletzt von Kindern unter 14 Jahren begangen wurden. Jede dieser Taten ist eine zu viel. Wir können und dürfen auch nicht darüber hinwegsehen, dass wir bei der Gewaltkriminalität von Kindern in Bayern zweistellige Zuwachsraten von knapp 30 % im Vergleich zum Jahr 2019 und um 17 % im Vergleich zum Jahr 2022 haben. Deshalb ist es dringend notwendig, eine Debatte über die Strafmündigkeit zu führen, aber bitte nicht reflexhaft und mit Schaum vor dem Mund, sondern mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und auf Basis von Fakten.
Am Ende sind und bleiben es junge Menschen, über die wir reden und die einen wesentlichen Teil ihres Lebens noch vor sich haben. Die Altersgrenze von 14 Jahren, die schon lange im Gesetz steht, beruht auf langjährigen praktischen Erfahrungen. Sind diese nun im Jahr 2024 überholt? In Wunsiedel war der Täter 11 Jahre alt, in Freudenberg waren die Täterinnen 12 und 13 Jahre – um nur zwei der schlimmsten Verbrechen von Kindern in der letzten Zeit aufzugreifen.
Was heißt das jetzt? Sollten wir das Strafmündigkeitsalter, wie mit dem Antrag gefordert, auf 12 Jahre herabsetzen? Warum sollten wir es dann nicht gleich auf 13 Jahre oder auf 10 Jahre herabsetzen? – Zwar ist es vor lauter Wut, Schrecken und Unverständnis über derlei geradezu unfassbare Taten nachvollziehbar und verständlich, dass gerne Forderungen zur Anhebung von angeblich zu laschen Strafrahmen oder zur Absenkung von Altersgrenzen erhoben werden, dennoch dürfen wir die Faktenlage nicht vergessen. Wir dürfen den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse, aus denen sich ergibt, dass die geistige Reife unserer Kinder heutzutage früher einsetzt als in der Vergangenheit, liegen bisher dezidiert nicht vor. Allein der Vergleich mit der Handhabung der Strafmündigkeitsgrenzen im europäischen Ausland ist auch nicht aufschlussreich. Dort liegt die Schwelle in den allermeisten Ländern ebenfalls bei 14 bzw. 15 Jahren. Nur in wenigen Ausnahmen liegt sie bei 10 oder 12 Jahren.
In einem ersten Schritt benötigen wir vielmehr dringend zunächst eine Studie zur altersbezogenen Entwicklung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit von Kindern und zu den Ursachen der gestiegenen Jugendkriminalität. Bisher liegen uns nur Vermutungen vor. Sind das Auswirkungen der Corona-Pandemie? Sind das Auswirkungen der sozialen Medien? Sind das Gewalterfahrungen im sozialen Nahbereich? Es bedarf an dieser Stelle eines fundierten Bildes. Aufgrund der bundesweiten Bedeutung ist diese Studie durch den Bundesjustizminister in Auftrag zu geben. Entsprechende Forderungen sind bereits von Bayern auf den Weg gebracht worden. Erst wenn diese Studie mit neuen Erkenntnissen vorliegt, kann und muss eine valide Neubewertung erfolgen.