In diesem Gesetz geht es im Schwerpunkt zum einen um das Baurecht und zum anderen um das allgemeine Dienstrecht. Das wird sicherlich im Detail diskutiert werden. Wichtig ist mir, gewissermaßen am Anfang dieser Auseinandersetzung im Landtag, in der Enquete-Kommission, in den Ausschüssen und im Plenum mit dem Thema Entbürokratisierung das Mindset deutlich zu machen oder den Spirit, der hinter allen Entbürokratisierungsüberlegungen stehen muss. Dabei muss sich vor allem unser eigenes Mindset und das unserer Gesellschaft ändern.
Wir haben uns über die letzten Jahrzehnte sehr, ich würde mal sagen: wohlig, eingerichtet in einem Staat, der alles regelt, der sich um alles kümmert, und wenn noch etwas offenbleibt, gibt es noch Gerichtsentscheidungen auf allen Ebenen, die für maximale Einzelfallgerechtigkeit sorgen. An diese Art von geradezu NannyStaat oder paternalistischem Staat haben wir uns sehr stark gewöhnt, sodass es jetzt auch kein so leichtes Unterfangen ist zu entbürokratisieren. Es wäre ja schön und längst passiert, wenn man mit einem Federstrich oder mit einem Gesetz, das man nur aufheben muss, alle Probleme lösen könnte. Das ist natürlich nicht der Fall; das wissen wir. Wir wissen auch, woher die Bürokratie kommt, nämlich von allen gesetzgeberischen Ebenen: Europa, Bund, Land, von allen Verwaltungsebenen, die sich Verwaltungsvorschriften ausdenken, von den Gerichten, natürlich auch von den Bürgern, die bestimmte Entscheidungen einfordern. Das Ganze führt dann zu einem mittlerweile unentwirrbaren Wurzelgeflecht, in dem sich keiner mehr auskennt oder in dem die bürokratischen Hemmnisse so groß werden, dass man wie beim Abschluss einer Versicherung einen dicken Packen Papier bekommt und eigentlich keine Ahnung hat, was letztlich drinsteht. Das ist nur ein Bespiel für viele.
Es geht also um ein Umdenken. Das heißt, das Mindset muss sich ändern. Es muss – um dieses Wort zu verwenden – tatsächlich eine Zeitenwende passieren im Zusammenhang mit unserer Vorstellung von staatlichem Handeln.
Erster Schritt muss immer sein, das Motto von Montesquieu zur Grundlage jedes gesetzgeberischen, aber auch jeden Verwaltungshandelns zu machen, nämlich: Ein Gesetz – ich ergänze: eine Vorschrift – das man nicht machen muss, darf man nicht machen.
Man muss also davon wegkommen, Dinge zu regeln, einfach weil man das Gefühl hat, es wäre ganz schön, das auch noch zu regeln, sondern es soll nur noch dann
etwas geregelt werden, wenn wirklich etwas geregelt werden muss. Das ist das erste Umdenken, das wichtig ist.
Das zweite Umdenken – da können Sie auch wieder dazwischenrufen, aber davon müssten Sie von den GRÜNEN sich am allermeisten angesprochen fühlen – ist notwendig beim Umgang mit den Menschen, nämlich weg vom Misstrauen. Nicht immer vom schwarzen Schaf her denken, sondern Zutrauen und Vertrauen haben!
Ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten Bürger in unserem Land durch ihre Bildung genau wissen, was sie in ihrem Leben wollen, dass die Unternehmer genau wissen, wie ihr Job und ihr Beruf geht, dass das auch die Handwerker wissen, ganz egal in welchem Bereich. Die Bürger wissen das schon selber. Wir haben ein hohes Bildungsniveau, wir haben eine hohe Fachkompetenz in allen Berufen. Da muss nicht immer ein Aufpasser vom Staat danebenstehen, der immer schon jeden verdächtigt: Du bist eh ein halber Steuerhinterzieher, du bist eh ein halber Krimineller. Das Denken muss anders sein: Das sind Menschen, die rechtschaffen ihrer Arbeit nachgehen. Für schwarze Schafe gibt es das Strafrecht, die dann bestraft werden. Aus dem Misstrauen gegenüber Einzelnen heraus sollten keine allumfassenden Regelungen geschaffen werden, die zu immer mehr Bürokratie beitragen. Dieses Denken ist sehr wichtig und deshalb der zweite zentrale Punkt, den wir berücksichtigen müssen.
Das Dritte ist: Wir werden uns alle daran gewöhnen müssen, dass weniger geregelt ist. Das muss man dann aushalten. Jede Regelung, die es gibt, wurde von irgendjemandem erdacht, der sich etwas Gutes dabei überlegt hat. Die Wenigsten haben gesagt – das unterstelle ich jetzt nicht einmal den GRÜNEN –, wir machen eine Regelung, damit wir bewusst etwas Schlechtes machen, sondern es ging immer darum, noch etwas detaillierter und noch etwas genauer zu regeln. Man muss dann aushalten, dass nicht mehr alles geregelt ist. Wir erleben das schon bei einigen Punkten, die beispielsweise mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutiert wurden. Da heißt es dann auf einmal: Wenn ich die Gartensatzung nicht mehr habe, kann ich als Gemeinde nicht mehr entscheiden, welche Baumart im Garten anzupflanzen ist. – Dann muss man sagen: Das wäre zwar nice to have, aber das regeln wir nicht mehr, wir überlassen dem Eigentümer die Entscheidung, was er tut und was nicht.
Da merkt man dann, dass das ab und zu eine schmerzhafte Erfahrung mit sich bringt, wenn man Dinge nicht mehr regeln kann. Das ist aber dieses Umdenken im Mindset.
Daraus folgt für unser Vorgehen in diesen verschiedenen Modernisierungsgesetzen der methodische Ansatz, der lautet: durchforsten, streichen, streichen, streichen, also wirklich den Gesetzesbestand zu durchforsten. Es gibt nicht den Hebel, den man einfach umlegt, sondern man muss prüfen, wo es störende Regelungen gibt. Das wissen wir natürlich; das sagen uns die Verbände, das sagen uns die Bürgergespräche; da gibt es wenig ganz neue Erkenntnis. Man muss das systematisch durchgehen und dann entscheiden, was gestrichen wird. Das ist die Vorgehensweise. Dadurch entstehen relativ lange Listen. Das wirkt auch etwas unsexy, weil es nicht der ganz große und tolle einzelne Satz ist. Das ist eben die Kärrnerarbeit der Entbürokratisierung, die wir leisten. Wir als Staatsregierung sind dazu jedenfalls bereit. Deshalb werden wir diese ganze Kaskade von Deregulierungen vorschlagen.
Im ersten dieser Gesetze geht es vor allem um baurechtliche Fragen. Zu vielem, was sich dort angesammelt hat, kann man sagen: Nice to have, aber nicht notwendig. Deshalb wollen wir beispielsweise den Dachgeschossausbau, Terrassenüberdachungen, das Aufstellen von Zelten, Bühnen und Tribünen bei Volks- und Ver
einsflächen, Freischankflächen bis 100 m2, Ladestationen für Elektrofahrzeuge einschließlich technischer Nebenanlagen, Kleinwindkraftanlagen, Zapfsäulen und Weiteres verfahrensfrei stellen. Das reduziert die Bürokratie enorm.
Alle Nutzungsänderungen sollen ebenfalls verfahrensfrei gestellt werden, wenn die neue Nutzung nach den Vorschriften der Baunutzungsverordnung allgemein zulässig ist. Damit können zum Beispiel in einem reinen Wohngebiet Wohngebäude als Anlagen zur Kinderbetreuung umgenutzt werden und umgekehrt. Dies spielt auch im praktischen Leben eine große Rolle.
Der Katalog der Sonderbauten wird reduziert oder entschlackt. Das gilt für Bauten, an die verschärfte Anforderungen gestellt werden wie Verkaufsstätten bis
2.000 m2, Camping- und Wochenendplätze und Gaststätten je nach Größenordnung. Gleiches gilt für das Aufstocken von Gebäuden zur Schaffung von Wohnraum. Typengenehmigungen werden künftig unbefristet erteilt. Das nimmt ebenfalls Bürokratie heraus. Das gilt auch für die gesetzliche Verpflichtung zu einem Kinderspielplatz bei Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen. Das soll in die sachnähere Ebene, nämlich in die Zuständigkeit der Kommunen verlegt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist, dass das Ganze unter Beteiligung aller Stakeholder geschieht. Dazu gehören intensive Dialoge. Diese haben im Rahmen der Verbändeanhörung bereits stattgefunden. An der einen oder anderen Stelle haben wir auch Anregungen aufgenommen. Ich bin mir sicher, die Enquete-Kommission wird einiges bringen. Ich bin mir sicher, dass die Beratungen in den Ausschüssen einiges bringen werden. Ich appelliere an Sie, dass wir alle miteinander die Kraft aufbringen, die Entbürokratisierung ernst zu nehmen und damit zu leben, wenn Dinge nicht mehr geregelt sind. Das ist ein ganz entscheidender Schritt, diese Lücke auszuhalten. Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass der Staat alles regelt. Sonst ist das alles vergebene Liebesmüh. Deshalb appelliere ich an Sie, konstruktiv mitzuwirken. Das ist das erste Gesetz, das zweite und das dritte Gesetz werden folgen. Über das Ehrenamtsgesetz haben wir gerade schon gesprochen. Ich bin mir sicher, es wird noch mehr kommen.
Die Wirkung wird eine doppelte sein. Einerseits müssen weniger Regeln beachtet werden. Andererseits wird das auch eine Wirkung in den Köpfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden haben – die faktische Kraft des Normativen einmal umgedreht. Sie werden verstehen, dass der Landtag als Gesetzgeber nicht nur überregulieren will, sondern ihnen das zurückgeben will, was sie können. Sie sollen nämlich mit ihrer Fachkompetenz Gesetze auslegen und Bescheide machen, damit möglichst sachnahe Entscheidungen herauskommen. Die Verwaltung soll wieder stärker befähigt werden, eigenständig und verantwortungsvoll zu entscheiden. Insgesamt handelt es sich deshalb um ein Win-win.
Ich freue mich auf die Beratungen. Ich bin mir sicher: Wir machen uns alle miteinander verdient um die Zukunft dieses Landes, wenn wir bei diesem Thema erfolgreich gemeinsam voranschreiten.
Herzlichen Dank, Herr Staatsminister. – Ich eröffne nun die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 29 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der
Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Willkommen zum Ersten Kuddelmuddel-Gesetz im Bayerischen Landtag. Die Staatsregierung nennt es Erstes Modernisierungsgesetz Bayern, wobei das erste Wort bereits eine Drohung beinhaltet. Wir werden, wie gerade vom Herrn Staatsminister angekündigt, noch zwei weitere Gesetze dieser Art bekommen. Interessant ist auch, dass nach dem Einsetzen der Enquete-Kommission anscheinend, warum auch immer, an der Kommission vorbeigewurschtelt wird.
Die Bürger dort draußen sollten mitbekommen, was in diesem Gesetz zusammengeschustert wird. Die Änderungen betreffen folgende Gesetze: Das Bayerische Beamtengesetz, das Hochschulförderungsgesetz, das Leistungslaufbahngesetz, die Allgemeine Prüfungsordnung, die Verordnung zur Einführung eines verpflichtenden Arbeitszeitkontos für Lehrkräfte, Bayerische Nebentätigkeitsverordnung, Urlaubs- und Mutterschutzverordnung, Beamtenversorgungsgesetz, Umweltinformationsgesetz, Garagen- und Stellplatzverordnung, Hochschulinnovationsgesetz, Richter- und Staatsanwaltsgesetz, Bayerische Haushaltsordnung, ÖPNV-Gesetz, Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof und die Bayerische Bauordnung.
(Beifall bei der AfD – Johannes Becher (GRÜNE): Möchten Sie das alles einzeln und separat behandeln?)
Das erinnert fast an die 72 Geschlechter. Da kennt sich auch keiner mehr aus. Geschätzte Bürger, wir sollen Ihnen in fünf Minuten ganze 37 Seiten Gesetzesänderungen nahebringen – unmöglich. Deshalb plädieren wir als AfD erstmal dafür, solche Jumbo-Entwürfe bürgerfreundlich zumindest nach Sachgebieten
Trotzdem möchte ich versuchen, einen kleinen Einblick in die teilweise verwirrenden Änderungen aus meinem Ressort, dem Bau, nahezubringen. Fangen wir beispielsweise mit Artikel 2 Absatz 4 der Bauordnung an. Danach sollen Beschränkungen der bisherigen Nummer 8 auf Gaststätten um zwei weitere Einzelfälle mit den Ziffern 9 und 10 erweitert werden. Es handelt sich wohlgemerkt um eine Erweiterung, nicht um eine Reduzierung. Dafür werden die Nummern, die bisher 9 bis 14 waren, in Zukunft die Nummern 11 bis 16 werden. Dafür wird aber die Nummer 15 aufgehoben. Danach werden aber die bisherigen Nummern 16 bis 20 zukünftig zu den Nummern 17 bis 21. Alles klar? Können Sie noch folgen? – Nein, macht nichts. Dafür haben wir natürlich eine Lösung.
(Michael Hofmann (CSU): Sie müssen es können, nicht die Zuhörerinnen und Zuhörer! Sie müssen das verstehen!)
Schön, dass Sie sagen, dass die Zuhörer nichts verstehen können müssen. Ich danke Ihnen für das Eingeständnis.
(Johannes Becher (GRÜNE): Es ist selten, dass jemand die eigene Unkenntnis so selbstbewusst darstellt!)
Zwar ist das nicht mehr ganz so witzig, aber dafür verstehen es auch andere. Alles in allem können wir zu diesem Gesetzentwurf sagen: Setzen, sechs. Bürgernahe und verständliche Politik geht definitiv anders. Auch ist dieses Gesetz nicht das große Entlastungsgesetz wie angekündigt. In vielen Punkten handelt es sich – seien wir einmal ehrlich – doch eher um marginale und redaktionelle Änderungen. Deshalb können wir heute, jetzt und hier auch noch nicht sagen, ob wir dem Gesetz final zustimmen oder nicht.
Wir müssen den ganzen Kladderadatsch erst einmal auseinanderklauben und einzeln in den Ausschüssen beraten.
Ihr seid heute recht redebedürftig. Das habe ich schon mitbekommen. Kommen Sie nachher auf eine halbe Bier mit raus, wenn Sie wollen.
Kommen wir zum Schluss. Liebe Zuhörer, eines kann ich Ihnen sagen: So einen Paragrafensalat und Gesetzesverhau würde es mit der AfD hier im Parlament nicht geben. Wir stehen für eine klare, ehrliche und transparente Politik in Bayern.
(Beifall bei der AfD – Lachen bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN – Tho- mas Huber (CSU): Sie stehen für Ahnungslosigkeit!)
Danke schön, Herr Abgeordneter. – Der nächste Redner ist für die CSU-Fraktion Herr Kollege Konrad Baur. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem jetzt die Erfahrungsberichterstattung aus der AfD-Fraktion über Kuddelmuddel und Gewurschtel vorbei ist, kommen wir wieder zu den wesentlichen Themen zurück. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie uns an Ihrem Fraktionsinnenleben teilhaben lassen.