Protokoll der Sitzung vom 11.03.2025

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Was liegt auf dem Tisch? – Eine Verfassungsänderung, die im Wesentlichen aus drei Punkten besteht:

Erstens. Die Verteidigungsausgaben sollen, unabhängig von der Schuldenbremse, pro Jahr um 1 % des Bruttoinlandsprodukts zusätzlich steigen können.

(Toni Schuberl (GRÜNE): Unbegrenzt!)

Zweitens. Die Länder sollen, analog der Regelung des Bundes, ebenfalls einen gewissen Spielraum für Neuverschuldungen bekommen.

Der dritte Punkt ist ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen.

Hier muss man differenzieren. Zu den Verteidigungsausgaben kann ich klar und deutlich sagen, dass deren Notwendigkeit vor einem halben oder vor einem Dreivierteljahr nicht vorhersehbar waren. Frau Kollegin Schulze, Sie haben recht, dass der Angriff Putins auf die Ukraine schon länger zurückliegt und dass man wegen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump gewisse Sorgen haben musste. Herr Kollege Zellmeier hat aber vorhin richtigerweise gesagt, dass man es sich nicht vorstellen konnte, dass er einen ukrainischen Präsidenten, der sich einem schwerwiegenden und existenziellen Angriffskrieg ausgesetzt sieht, in dieser Weise demütigen würde. Ich glaube schon, dass dies zu einer Neubewertung führen muss.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO gibt es schon lange. Und ja, wir haben hier in der Vergangenheit auch Fehler gemacht und sind weit hinter dem zurückgeblieben, was wir hätten leisten müssen. Deswegen sind wir jetzt in dieser prekären Lage. Dass sich die Situation aber so zuspitzt, war nicht zu erwarten. Deswegen ist es wichtig, dass die Schuldenbremse für die Landes- und Bündnisverteidigung geöffnet wird.

Ich bin aber schon der Meinung, dass wir dann das Zwei-Prozent-Ziel der NATO in die Verfassung aufnehmen sollten, und zwar als Bestandteil der regulären Haushalte. 2 % im regulären Haushalt plus das, was uns im Wege der Verfassungsänderung noch möglich ist, das wäre aus meiner Sicht realistisch und auch geboten.

Ich wundere mich, dass Frau Kollegin Schulze das nicht angesprochen hat. Die GRÜNEN haben jetzt den Vorschlag auf den Tisch gelegt, nicht 1 %, sondern 1,5 % vorzusehen und das Ganze auf den Katastrophenschutz und ähnliche Dinge auszuweiten. Ich denke, darüber müssen wir diskutieren. Diesen Vorschlag sollten wir nicht von vornherein vom Tisch wischen. Er ist diskutabel und sollte in den nächsten Tagen Eingang in die Verhandlungen und die Gespräche finden. Egal, was herauskommt, dieser Vorschlag ist mindestens diskutabel.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der CSU und den GRÜNEN)

Jetzt kommen wir zu den 500 Milliarden Euro. Eines vorweg: Die Schuldenbremse steht, auch wenn wir uns in der Fraktion noch abschließend zu der Verfassungsänderung positionieren müssen und werden. Die Schuldenbremse steht nicht zur

Diskussion, egal, welche Verfassungsänderungen wir beschließen werden. Die Schuldenbremse muss bleiben.

(Lebhafter Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Denn das Signal der Abkehr von der Schuldenbremse würde bedeuten: Wir haben bisher eine Party gefeiert und jetzt festgestellt, dass wir uns diese Party nicht mehr leisten können. Was ist die Konsequenz? – Wir legen noch einen oben drauf, feiern noch kräftiger und geben noch mehr Geld aus. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Diese Koalition ist wirtschafts- und finanzpolitischer Verantwortung verpflichtet, allen voran Finanzminister Albert Füracker, dem ich für seine engagierte Arbeit und für sein ständiges Mahnen, dass wir maßhalten müssen, ganz herzlich danke. Das ist ein ganz wichtiges Signal.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Jetzt soll ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Dinge aufgenommen werden, die eigentlich bekannt waren. Natürlich können wir sagen: Wir reparieren mit diesem Geld marode Infrastruktur und schaffen dadurch Vermögen. Damit sind das eigentlich keine neuen Schulden; denn wir wechseln nur Investitionsschulden in Geldschulden. Diese Argumentation kommt häufig von der SPD; und da ist durchaus etwas dran. Aber wenn man das machen will, muss man sich schon auf die Investitionen beschränken. Ich habe vor zwei Wochen gesagt: Ich kann mir eine Aufweichung der Schuldenbremse für unabweisbare, nicht vorhersehbare Investitionen durchaus vorstellen. Ob dies hier zutrifft, wird zu diskutieren sein.

Aber eines ist auch klar: Egal, zu welchem Ergebnis wir kommen, wenn es am Ende dazu kommen sollte, dass die Bayerische Staatsregierung zustimmt, dann möchte ich schon, dass wir auch den Länderfinanzausgleich mitverhandeln.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Es kann nicht sein – ich denke, darin bin ich mir mit den Kollegen der CSU einig –, dass wir eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland erwägen und dann nicht die Chance ergreifen, die Verfassung wegen der Schuldenbremse zu ändern, wenn die Türe für eine Verfassungsänderung offen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Ich will Ihnen sagen, was mir vorschwebt: Ich denke, es ist nicht so schwer, die Schuldenbremse zu reformieren. Wir müssen sie nur um eine Obergrenze bei der Lastenverteilung pro Bundesland ergänzen, indem jedes Land maximal 0,5 % des jeweils auf das Bundesland entfallenden Bruttoinlandsprodukts bezahlen muss. Das wären in Bayern etwa 3,5 bis 4 Milliarden Euro. Damit könnten wir gut leben. Das wäre fair. Damit wären wir solidarisch gegenüber anderen, hätten aber auch gezeigt, dass wir nicht die Melkkuh dieser Republik sind.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Wir müssen noch zwei weitere Dinge einfordern:

Erstens. Die Kommunen sind diejenigen, die das Geld am nötigsten brauchen, und nicht der Bund, um irgendwelche Prestigeprojekte zu finanzieren. Wir müssen schon etwas deutlicher machen, dass es am Ende des Tages, wenn es Änderungen gibt, Änderungen zugunsten der Kommunen gibt.

Zweitens. Wenn ich mir den Vorschlag zur Grundgesetzänderung anschaue, möchte ich sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht ernsthaft sein, dass, wenn sich die Länder neu verschulden dürfen, der Bundesgesetzgeber festlegt, welches Land dies darf und welches nicht. Die 0,35 % müssen sich schon am Bruttoinlandsprodukt jedes einzelnen Landes orientieren und dann auch jedem einzelnen Land zustehen, ohne dass dafür ein Bundesgesetz nötig ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Der nächste Redner ist für die SPD-Fraktion Herr Kollege Volkmar Halbleib. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich bei den GRÜNEN für das wichtige Thema. Allerdings bin ich aus dem Beitrag der Kollegin Schulze nicht ganz schlau geworden. Klar ist: Sie sind sofort im Oppositionsmodus und auf Oppositionskurs. Das ist auch in Ordnung. Aber mich verwundert schon, dass sich der Oppositionskurs gegen einen Vorschlag richtet, den die GRÜNEN seit vielen Jahren selbst einbringen und den der Kanzlerkandidat Robert Habeck gemacht hat, nämlich ein Sondervermögen für Investitionen von 500 Milliarden Euro einzurichten. Wenn dagegen vonseiten der GRÜNEN opponiert wird, kann ich mich nur wundern.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CSU – Zurufe von den GRÜ- NEN)

Ich glaube, wir sind inhaltlich durchaus beieinander. Ich darf noch einmal an Ihr Wahlprogramm 2021 erinnern. Genau dieses Finanzpaket, das Sie jetzt kritisieren, haben Sie selbst gefordert. Robert Habeck hat dies in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gestellt.

(Unruhe bei den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: Nein!)

Natürlich. Lesen Sie es nach. Danke schön für die Möglichkeit, Ihnen Nachhilfe geben zu können. – Allerdings muss ich den GRÜNEN auch zugestehen, dass ich ihre Erregung und vieles andere auch verstehe. Die GRÜNEN haben zu Recht kritisiert,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

dass der Kanzlerkandidat der Union im Wahlkampf – zumindest in den großen Reden – den Eindruck erweckt hat, als müsse man nur ordentlich sparen, um die Herausforderungen bei der äußeren Sicherheit und den riesigen Investitionsbedarf bei der Infrastruktur finanzieren zu können. Das haben die GRÜNEN zu Recht kritisiert. Ich bin trotzdem dankbar – und diese Dankbarkeit sollten wir vielleicht gemeinsam empfinden –, dass sich die Union nach einem harten Wahlkampf mit vielen Parolen, mit falschen Tonlagen und zum Teil nicht akzeptablen Vorgehensweisen den politischen Realitäten stellt, glaubhaft zu anderen Einschätzungen kommt und bereit ist, über den eigenen Schatten zu springen und die Weichen so zu stellen, wie sie das Land jetzt braucht.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Man kann dieses Kurswechsel kritisieren, aber das Ergebnis kann man nicht kritisieren. Das brauchen wir für unser Land, und eigentlich müssten die GRÜNEN zustimmen können.

(Beifall bei der SPD)

Die GRÜNEN haben auch zu Recht kritisiert, dass auch noch nach dem Wahltag Reden gehalten wurden, die in dieser Art und Weise besser unterblieben wären, beispielsweise eine Rede am Aschermittwoch in der Passauer Dreiländerhalle. Die Irritationen darüber sind menschlich und politisch mehr als verständlich,

(Toni Schuberl (GRÜNE): Darum geht es nicht!)

auch weil klar war, dass eine Verfassungsänderung eine breite politische Mehrheit braucht. Das war nicht nur verletzend, sondern auch politisch unklug. Aber, trotz allem Glaubwürdigkeitsdefizit, das die GRÜNEN heute in Bezug auf die Union in dieser Frage angesprochen haben, geht es auch um die Glaubwürdigkeit der GRÜNEN selbst, wenn sie sich jetzt der Umsetzung ihres eigenen finanzpolitischen Konzepts, ihres eigenen Vorschlags für ein Sondervermögen verweigern wollen, gerade jetzt, da wir eine einmalige Chance haben, das gemeinsam zu machen und gemeinsam Zukunft zu schreiben. Ehrlich gesagt, ich kann mir das nicht vorstellen, weil es auch widersinnig wäre.

(Zurufe von der CSU und den GRÜNEN)

Bitte schön, jetzt verhalten Sie sich doch halbwegs kollegial.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann die Erregung ja verstehen. Es ist vielleicht schmerzhaft, was Sie jetzt durchmachen müssen. Aber ich kann uns allen nur den Ratschlag geben: Angesichts der aktuellen Herausforderungen können wir kein parteipolitisches Klein-Klein und keine Befindlichkeiten brauchen. Das gilt für alle verantwortlichen politischen Kräfte, einschließlich meiner eigenen Partei.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Erforderlich sind jetzt Weitsicht und pragmatische Lösungen gleichermaßen; denn die Fragen der Reform der Schuldenbremse und der geplanten Sondervermögen – und zwar beider – sind doch keine abstrakten finanzpolitischen und volkswirtschaftlichen Debatten, sondern betreffen die fundamentale Sicherheit und Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Ich glaube, darauf können wir uns einigen und dem sollten wir uns auch gemeinsam stellen.

Wenn wir das Paket, das auf dem Tisch liegt, insgesamt anschauen, stellen wir fest, es eröffnet viele Möglichkeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, im Übrigen eröffnet es auch mehr Finanzspielräume für die Kommunen und mehr finanzielle Unterstützung der Kommunen bei Investitionen in die kommunale Infrastruktur, die dringend erforderlich sind. Ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt. Man kann über Details reden. Das findet aktuell auch statt und ist sinnvoll. Man kann da auch gute Vorschläge einbringen. Aber ich erwarte mir schon, dass wir ein politisches Ziel, das wir uns gemeinsam gesetzt haben, auch gemeinsam umsetzen – auch was die Zwecke betrifft. Der Ausbau der Energienetze und der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere im öffentlichen Bereich, ist ein aktiver Beitrag zu mehr Klimaschutz. Dem kann man sich eigentlich nicht verweigern.

Deswegen gehen wir davon aus und bedanken uns auch dafür, dass wir Unterstützung für den richtigen Kurs bekommen.