Protocol of the Session on February 20, 2002

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Verkehrssicherheit, meine Damen und Herren, kann man nicht im Supermarkt kaufen, man kann sie auch nicht von einer Wohltätigkeitsorganisation bekommen, und man kann sie zwar organisieren, aber sie lässt sich nicht verordnen. Jeder weiß, dass es sie gibt, jedermann bekennt sich zu ihr, aber niemand darf sie als Selbstverständlichkeit voraussetzen. Verkehrssicherheit muss für uns alle ein Wunsch sein, ein Ziel, eine Herausforderung, nein, ich sage, es muss eine Verpflichtung sein.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind in Bremen hier auf einem guten Weg. In gemeinsamer Anstrengung mit den Bürgerinnen und Bürgern und vielen Institutionen, von der Verkehrswacht bis zum Deutschen Verkehrssicherheitsrat, unterstützt durch eine Vielzahl von Initiativen unter anderem im Bereich der Straßenverkehrstechnik, des Straßenbaus, der Fahrzeugtechnik, der Verkehrserziehung und der Verkehrsaufklärung, der Aus- und Fortbildung, der Legislative, der Exekutive und des gesamten Rettungswesens ist es in Bremen gelungen, die Verkehrssicherheit in unserem Land in den letzten 25 Jahren erheblich zu verbessern, und darauf können wir alle stolz sein.

Wir dürfen uns aber nicht darauf verlassen, der Trend sei bereits so stabil, dass wir mit unseren Bemühungen nachlassen könnten. Die Überwachung des Straßenverkehrs und der Sicherheit der im Straßenverkehr bewegten Fahrzeuge ist in ihrer Bedeutung sehr häufig ein unterschätztes Aufgabenspektrum der Schutzpolizei in Bremen und Bremerhaven. Dies lässt sich auch belegen, denn in Bremerhaven ist die Verkehrsbereitschaft kontinuierlich in den letzten Jahren personell umgesteuert worden. Ob dies der richtige Schritt war, möchte ich hier nicht bewerten. Bei Umfragen zur Bedeutung der polizeilichen Arbeit im Bereich der Verkehrsunfallverhütung und -bekämpfung wird deutlich, dass der Bürger hier eine wesentliches Aufgabenfeld sieht. Oft reicht allein schon das Wissen aus, dass kontrolliert wird oder dass Radargeräte im Einsatz sind, damit man sich an die Vorschriften hält, denn dies gehört auch zu einer Unfallverhütungsstrategie.

Allen ist bekannt, dass die präventiven Aktivitäten zur Verhütung von Unfällen und zur Erziehung zum verantwortungsvollen Fahren und Bewegen im Straßenverkehr im Kindergarten beginnen. Über die Grundschule und die weiterführenden Schulen bis zu den Berufsschulen und letztlich hin zu Programmen müssen diese Bemühungen auch hier in Bremen weiter fortgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Dieses Aufgabenfeld, meine Damen und Herren, ist sowohl für Leib und Leben der Mitbürger als auch für die Volkswirtschaft von ungewöhnlicher Bedeutung, richten doch Verkehrsunfälle volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe an. Verkehrstote und auch Verletzte kosten die Gesellschaft teilweise sechs- bis siebenstellige Summen. Polizeiliche Arbeit, aber auch andere Aktivitäten auf diesem Sektor sind immer gut investiert.

Da ich recherchiert habe, möchte ich ein paar Zahlen nennen, die in der Antwort des Senats nicht enthalten sind, da sie auch nicht abgefragt worden sind. An jedem Tag passieren auf den Straßen der Bundesrepublik im statistischen Mittel zirka 1000 Verkehrsunfälle mit Personenschäden, zirka 25 Personen werden auf Deutschlands Straßen täglich getö

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tet. 1970 hatten wir in Deutschland noch 21 000 Verkehrstote; 2001, die Statistik ist noch nicht veröffentlicht, liegt die Zahl bei 7000. Auch wenn sich die Unfallzahlen in den letzten Jahren positiv entwickelt haben, ich führe insbesondere die abnehmende Zahl der Verkehrstoten an, muss dieser gute Trend durch noch stärkeres Engagement aller Beteiligten fortgesetzt werden.

Ich nenne also noch einmal die Aufgabe. Wir müssen demnächst mehr Verkehr so gestalten, dass er noch weniger Probleme bereitet. Die Lösung liegt nicht in scheinbaren Patentrezepten. Wenn wir auch in Zukunft mobil sein wollen und die Verkehrssicherheit nicht vernachlässigen wollen, brauchen wir neue Ideen, neue Technologien und neue Konzepte.

(Beifall bei der CDU)

Anders ausgedrückt, unsere Mobilität von morgen beginnt im Kopf, und so anstrengend es auch sein mag, wir brauchen neue Ideen und grundlegende Reformen unseres Verkehrssystems. Wir müssen weiterhin die Verkehrssicherheitsarbeit der Verbände unterstützen, ohne diese Helfer wären wir bisher nicht so weit gekommen. Zahlreiche Programme hier im Lande Bremen, ich möchte nur so ein paar einmal anmerken, ich habe mir eine ganze Reihe aufgeschrieben, sind hier durchgeführt worden in den letzten Jahren und haben auch dadurch diese erfolgreiche Arbeit, die hier geleistet worden ist, unterstützt.

Wir haben für Kinder im Vorschulalter hier in Bremen die Glühwürmchen-Aktion gemacht, Ferienprogramme, zwei Wochen mit der Polizei und Verkehrserziehung im Kindergarten mit Unterstützung der Polizei, wir haben in der Grundschule Gemeinschaftsaktionen mit der Schulbehörde, Verkehrswachen mit dem ADAC gehabt, und Polizeiflugblätter, Schulranzenaufkleber, Glühwürmchen und Materialien zur Verkehrserziehung sind verteilt worden. Die Aktion „Sicherer Schulweg“ ist gestartet worden: Schülerlotsendienst, Unterstützung der Schulen bei der Radfahrprüfung, Fahrradkontrollen auf Anfrage der Schulleitung in den Herbstmonaten. Für Kinder im Sekundarschulalter, junge Fahrradanfänger und erwachsene Verkehrsteilnehmer sind Aktionen durchgeführt worden gegen Discounfälle, Aktionen „Angepasste Geschwindigkeitsmaßnahmen zur Sicherheit der Radfahrer“, Aktion „Sehen und gesehen werden“ und so weiter, auch die Senioren wurden bedacht.

Hier dürfen wir nicht nachlassen, denn es gibt noch eine Fülle von Aktionen, die wir in Bremen und Bremerhaven durchführen können wie zum Beispiel Referate von Verkehrsrichtern und Staatsanwälten, Verkehrsexperten der Polizei in weiterführenden Schulen, Aktionen in Altersheimen, Beseitigung von Unfallbrennpunkten, Förderung von Jugendverkehrs

schulen, Verkehrssicherheitstage, Elterninformationen durch die Polizei und so weiter.

(Glocke)

Herr Kollege Knäpper, um beim Thema zu bleiben, Ihre Ampel steht auf Rot!

(Heiterkeit)

Das ist auch ein Verkehrsthema. Dann gehe ich jetzt und komme gleich wieder!

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bevor ich Herrn Kleen das Wort gebe, begrüße ich jetzt die Schülergruppe eines Arbeitslehreprojektes vom Schulzentrum Pestalozzistraße.

Herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kleen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die vorliegende Mitteilung des Senats zur Verkehrssicherheit im Lande Bremen ist nicht wirklich aufregend, deshalb aber noch lange nicht langweilig, denn sie behandelt, das hat Herr Knäpper schon angedeutet, einen wichtigen Schwerpunkt der Sicherheitspolitik, der in der politischen Debatte meist nur dann eine Rolle spielt, wenn etwas Schlimmes passiert ist oder wenn etwas schief läuft. Ich werde es ähnlich wie Herr Knäpper machen, dass ich als Innenpolitiker mich hauptsächlich diesem Thema nähere. Dass die verkehrsbaulichen Maßnahmen mindestens genauso viel Gewicht haben, wird dann vielleicht deutlich werden, wenn Frau Krusche geredet hat. Vielleicht können wir so das Thema regierungs- und koalitionsübergreifend richtig rund machen.

Meine Damen und Herren, die Mitteilung des Senats gibt deutlich darüber Auskunft, dass die gemeinsame Politik der großen Koalition die Rahmenbedingungen dafür schafft, dass in Bremerhaven und in Bremen Verkehrssicherheitspolitik für die Menschen und nicht für Autos umgesetzt werden kann.

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Dass das nicht überall so ist, das wissen vor allen Dingen diejenigen, die aufmerksam gewisse Zeitungen wie „Die Welt“ in Bremen lesen. Die CDU ist ja in einer anderen Hansestadt in einer anderen Koalition, die dort gerade dabei ist, die doch auch in Deutschland berüchtigte Stresemannstraße wieder zurück zu einem Todesstreifen für kleine Kinder zu machen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir machen hier eine andere Politik in Bremen.

Im Kampf gegen die Hauptunfallgefahr darf nicht nachgelassen werden. Das betrifft vor allem die überhöhte und nicht angepasste Geschwindigkeit sowie Alkohol und Drogen am Steuer. Da fällt als Erstes auf, dass der Senat keine Fallzahlen über Alkoholkontrollen hat, da diese nicht statistisch erfasst werden. Das ist eigentlich nicht zu fassen. Seit Jahren reden wir in der Deputation von ergebnisorientierter Steuerung, und dann gibt es diese wesentlichen Zahlen als Grundlage von Entscheidungsprozessen nicht. Erst eine bundesweite Untersuchung veranlasst Bremen, Zahlen für April bis August 2001 zu erheben, die belegen, dass Alkoholkontrollen Sinn machen. Das bedeutet offensichtlich, dass seit August 2001 wieder keine Zahlen erhoben werden.

Wenn man jetzt eine Schwerpunktaktion machen würde, zum Beispiel Jugendliche und Alkohol am Steuer, hätten wir wieder kein Vergleichsmaterial. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, die Zahlen werden nicht erhoben, weil hier die Bremerhavener Polizei im Verhältnis wesentlich besser abschneidet als die in Bremen. Unsere Bremerhavener Kollegen glauben das bestimmt.

Meine Damen und Herren, der Senat stellt auf Seite sieben fest, dass eine deutliche Erhöhung des Überwachungsdrucks und die damit verbundene höhere Entdeckungswahrscheinlichkeit die Verkehrsteilnehmer zu rechtskonformerem Verhalten veranlasst. Diese Erkenntnis gilt ebenfalls und besonders für die Unfallursache Geschwindigkeitsüberschreitung. Auf den ersten Blick scheint diese Erkenntnis aber auch vor allem in Bremerhaven Früchte zu tragen, denn die Zahl der gemessenen Fahrzeuge übersteigt im Verhältnis die Bremer Zahlen deutlich. Geradezu dramatisch wird der Unterschied bei der Zahl der festgestellten Überschreitungen. Obwohl in Bremen, man muss fast sagen nur, 150 000 Fahrzeuge mehr gemessen wurden, ist die Zahl der festgestellten Überschreitungen in Bremerhaven sogar höher. Das ist ein Missverhältnis, das der Senat nur unzulänglich aufklärt.

Mir ist dabei schon klar, auch das wird angesprochen in der Antwort des Senats, dass in Bremen das Konzept geändert wurde. Statt auf die zeitverzögerte Reue mittels Bußgeldbescheid zu setzen, setzen die Bremer auf qualifizierte Kontrollerlebnisse, füh

ren also Anhaltekontrollen durch, mit denen Schnellund Falschfahrer unmittelbar von der Polizei angehalten und, ich zitiere, „zur Rede gestellt werden“. Es ist zu hoffen, dass das Kontrollerlebnis auch vom Autofahrer als qualifiziert angesehen wird, denn billig ist es nicht für das Ressort. Der Senator wird uns sicher noch deutlich machen, wie er die im Vergleich mit Bremerhaven dann deutlich zu erwartenden Einnahmeunterschiede ausgleichen wird.

Ich will hier bestimmt nicht einem rein fiskalischen Ansatz von Verkehrspolitik, im Volksmund auch Abzocke genannt, das Wort reden. Oberste Priorität hat für uns auch die Verkehrssicherheit, aber die Fragen nach den übrigen Folgen müssen doch auch gestellt werden. Wenn wie in Bremerhaven Einnahmen von der Polizei billigend in Kauf genommen werden, so werden offensichtlich in Bremen Einnahmeausfälle billigend in Kauf genommen, und das vor dem Hintergrund ehrgeiziger ausgabenrelevanter Pläne. Ich nenne nur das Bürger-Service-Centrum Mitte.

Im Übrigen ist nicht nur das neue Kontrollkonzept Grund für veränderte Zahlen. Eine weitere Ursache zeigt ein Blick auf Seite vier der Antwort. Dort heißt es: „Ursächlich für den Rückgang der gemessenen Fahrzeuge im Jahr 2001 ist der altersbedingte Ausfall von zwei Überwachungsgeräten Anfang 2001.“ Das erinnert mich ein bisschen an den netten Spruch: „Die ostfriesische Landesbibliothek musste schließen, jemand hat das Buch gestohlen.“

(Heiterkeit)

Richtig peinlich, meine Damen und Herren, finde ich, dass es in der Innendeputation an dieser Stelle übrigens noch weiter ging. In einem Klammerzusatz folgte die Erklärung: „Aus haushaltsrechtlichen Gründen konnte erst im Juni 2001 lediglich ein Gerät ersetzt werden.“ Das, obwohl der Senator für Inneres findet, dass Kontrollen das probate Mittel zu mehr Verkehrssicherheit sind! Diese Erkenntnis ist uns dann ja auch in der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft erspart geblieben.

Meine Damen und Herren, an anderer Stelle macht uns der Senator sehr neugierig durch eher nebulöse Formulierungen. Auf Seite sieben heißt es: „Eine erhebliche Steigerung des Überwachungsdrucks soll durch Bündelung der Aufgabenverantwortung und durch bereits im konkreten Planungsstadium befindliche organisatorische Maßnahmen erreicht werden. Aufgabenkompetenz und Verantwortung für die Steigerung der Verkehrssicherheit sollen konzentriert werden.“

Herr Senator, was heißt das? Soll es künftig ein Amt für Verkehrsicherheit geben, ein Verkehrskommissariat? Sollen kommunale verwaltungspolizeiliche und staatliche vollzugspolizeiliche Aufgaben zusammengeführt werden? Soll die Bußgeldstelle eigene Überwachungskameras bekommen mit einem

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Außendienst, der die Filme auswechselt? Soll der Verkehrsunfalldienst dezentralisiert werden? Wollen Sie Ihren alten Berliner Plan der Übertragung von Verkehrsüberwachungsaufgaben an Private auch in Bremen versuchen nach dem Motto, es gibt einen Richter in Berlin, aber der kann ja nicht überall sein?

Das sind Fragen über Fragen und keine Antworten! Das überrascht uns, denn immerhin hat die CDU, also die Fraktion des Senators, diese zeitlich unbefristete Große Anfrage gestellt. Man hätte doch erwarten können, dass das Ressort auf solch wesentliche Fragen Antworten hat und keine Nebelkerzen zünden muss!

(Beifall bei der SPD)