Protocol of the Session on February 20, 2002

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(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wer sich, wie wir alle hier, zum Rechtsstaat bekennt, darf nicht zulassen, dass solch schwere Straftaten begangen werden, ohne dass die Täter abgeurteilt und die illegalen Gewinne abgeschöpft werden und anschließend an den Staat zurückfließen.

(A) (C)

(B) (D)

Sobald die Opfer gegenüber dem Täter Ansprüche aus der Tat haben, können ihnen sichergestellte Vermögenswerte im Weg der Rückgewinnungshilfe zur Verfügung gestellt werden. Im Übrigen ist es in anderen Ländern so, dass sichergestellte Werte der Landeskasse zufließen, soweit das Gericht den Verfall oder die Einziehung anordnet.

(Glocke)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Hoch?

Bitte, Frau Hoch!

Herr Knäpper, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass gerade im letzten BKA-Bericht „Menschenbild 2000“ die Betreuung durch Fachberatungsstellen im Hinblick auf den Verbleib der Opfer nach wie vor eine signifikante Bedeutung hat? Die Zahl ist zum Teil um 50 Prozent angestiegen, und sie standen als Zeugen zur Verfügung.

Ich nehme das zur Kenntnis, Frau Kollegin, und ich weiß das!

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ja schön!)

Es muss noch beschlossen werden, ob noch zur weiteren Intensivierung der Vermögensabschöpfung ein Teil der zu Gunsten der Staatskasse abgeschöpften Vermögenswerte speziell für Polizei und Justiz zu verwenden ist oder inwieweit diese Mittel auch zur Unterstützung der Opferzeugen eingesetzt werden können. Hier müssen wir noch in eine Prüfung gehen, aber ich glaube, wir werden dort eine vernünftige Lösung finden.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen es nicht zulassen, dass diese Täter mit Hilfe ihrer immensen Gewinne, die in neue Kriminalitätsfelder dringen und auch in illegalen Geschäftsbereichen Fuß fassen, noch weiter unterstützt werden. Gelingt es ihnen, so sind sie leicht in der Lage, die illegalen Gelder über legale Geschäfte zu verschleiern. Lästige Mitkonkurrenten zwingen sie im ruinösen Wettbewerb zur Aufgabe und erreichen letztlich Monopolstellung. Hierüber gewinnen sie Einfluss und Macht und werden somit zur Gefahr für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.

Beim Umfang des durch Zwangsprostitution erwirtschafteten Geldes und unter Berücksichtigung der Wertneutralität des Steuerrechts ist es in Bremen zwingend erforderlich, auch die Steuerfahn

dung intensiver als bisher in die Bekämpfung dieser Kriminalität einzubeziehen. Nur so werden wir dem Gesetzesauftrag des Paragraphen 208 Absatz 1 Nummer 1 der Abgabenordnung gerecht. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die Grenzen zwischen der so genannten Steuerhinterziehung und der Bildung krimineller Vereinigungen mit dem Ziel, illegale Gewinne mittels Steuerhinterziehung zu erzielen, sehr undurchsichtig sind.

Zweck des Menschenhandels und der Zwangsprostitution ist die Erzielung von Gewinn. Die freiwillige ordnungsgemäße Besteuerung dieser Erträge würde dem erklärten Zweck des kriminellen Handelns zuwiderlaufen und findet demzufolge nicht statt. Die konsequente Beseitigung des Erfolges der strafbaren Handlung trifft die Täter im Regelfall härter als irgendwelche irgendwann ausgesprochenen Strafen. Sie beraubt den oder die Täter der finanziellen Potenz, weitere erhebliche Straftaten zu planen und zu organisieren.

Durch die Verknüpfung der Möglichkeiten der Polizei und Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung dieser Kriminalität mit dem Wissen und den Erkenntnisquellen der Steuerfahndung muss in Bremen ein wirksamer starker Arm installiert werden, um diese Kriminalitätsfelder und die dazugehörige gewerbsmäßige Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

(Beifall bei der CDU)

Eine deutliche Verbesserung bei der Gewinnabschöpfung ist allerdings in Bremen nur zu erreichen, wenn auch im Bereich der Justiz, ich meine insbesondere bei der Staatsanwaltschaft, ein Umdenken stattfindet. Auch die Staatsanwaltschaft muss hierfür dementsprechend personell in der Lage sein, und Verfahrensabläufe müssen verkürzt werden.

Ich sage es hier noch einmal: Bei der Bekämpfung der Zwangsprostitution und des Menschenhandels als einem Teil der organisierten Kriminalität ist die Beseitigung des Taterfolges wichtig. Der Taterfolg ist dann beseitigt, wenn dem Täter die durch Menschenhandel erlangten Geldmittel entzogen sind. Ob dies durch Besteuerung oder Abschöpfung besser erreicht werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen.

Es sind jetzt 16 Beamte an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung neu ausgebildet worden, um dem Bereich der Gewinnabschöpfung nach Paragraph 77 des Strafgesetzbuches noch mehr Gewicht beizumessen. Sechs neue Stellen sind bei der Kriminalpolizei in Bremen jetzt zusätzlich geschaffen worden, und insgesamt kümmern sich zwölf Beamte um diese Deliktbereiche. Der Innensenator will hier Taten folgen lassen. Ich möchte mich hiermit bei der Innenbehörde für diese Weitsicht bedanken.

(Beifall bei der CDU)

(A) (C)

(B) (D)

Wir müssen das gewaltige Phänomen des Frauenhandels als Teilbereich der organisierten Kriminalität erkennen und bereit sein, auch in Bremen neue Bekämpfungsmaßnahmen zu ergreifen. Helfen Sie mit, dass wir uns nicht weiter auf eingefahrenen Spuren bewegen, sondern die Erkenntnis haben, im Bereich der Bekämpfung des Menschenhandels und der Zwangsprostitution neue Wege zu suchen, denn diese Kriminalität scheut die Öffentlichkeit wie Dracula das Sonnenlicht!

(Beifall bei der CDU)

Offene aggressive polizeiliche Reaktionen erhöhen das Entdeckungsrisiko für auf Konspiration angelegte Menschenhändlerringe. Anfängliche Strukturen sind sofort und konsequent zu zerstören. Auch bei den Modellwohnungen müssen wir eine Strategie der ständigen Nadelstiche entwickeln. Dies kann nur, und ich habe es schon mehrmals erwähnt, durch eine Bündelung von polizei-, ordnungs-, gewerbe-, steuer-, und strafrechtlichen Maßnahmen geschehen. Die ständige Strategie der Nadelstiche mag zwar im Ernstfall nur einen Verdrängungseffekt haben, wenn aber jede Dienststelle konsequent vor der eigenen Tür kehrt, wird es durch erzwungene Bewegungen der Szene zwangsläufig zu Fehlern kommen und schlussendlich auch zu harten Sanktionen führen.

Es ist uns allen bewusst, dass die finanzielle Lage hier in Bremen nur im begrenzten Maße einen weiteren Ausbau beziehungsweise eine Umverteilung personeller Ressourcen zulässt. Gleichwohl ist aber die Frage zu stellen, ob auf Dauer gesehen ein Herumbasteln an sichtbaren Symptomen nicht ungleich teurer ist. Darum begrüße ich die neue Offensive des Innensenators bei der Bekämpfung der Zwangsprostitution und des Menschenhandels.

Zwischen dem IMK-Beschluss vom 8. Mai 1999 und einer Umsetzung in der täglichen Arbeit sind zweifellos die ersten Erfolge erzielt worden.

(Glocke)

Ich bin sofort fertig!

(Abg. I s o l a [SPD]: Lassen Sie sich ru- hig Zeit! – Heiterkeit)

Nur mit einer neuen Blickrichtung, mit Geduld und Ausdauer, mit dem Blick über den Tellerrand und kooperativem Zusammenwirken mit anderen Dienststellen und Fachleuten auch außerhalb der Polizei werden wir auf dem Gebiet der inneren Sicherheit und gerade bei der Bekämpfung der Zwangsprostitution weitere Erfolge verzeichnen können. – Ich bedanke mich!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Dr. Böse.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte das Wort eigentlich nicht ergreifen, aber aufgrund der Worte, hier solle wieder abgefeiert werden, dass nun etwas sehr dringend Notwendiges geschieht, will ich es doch tun, Frau Abgeordnete Hoch.

Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, was es bedeutet, innerhalb der Kriminalpolizei, die heute bestimmte Deliktsbereiche kaum noch bearbeiten kann, die in Bereichen der Sexualstraftaten, ich sage es einmal salopp, aus dem letzten Loch pfeift, acht Stellen umzuschichten, Zeugenschutzaufgaben zu übernehmen und zwei Gewinnabschöpfer in diese Fachdienststelle zu bringen. Wir haben freie Funktionsstellen aus anderen Bereichen der Polizei umschichten müssen. Wir haben die Stellen ausgeschrieben. Sie können sich Kriminalbeamte nicht backen, wie Sie wissen, gibt es keinen Markt für Polizeibeamte, für Vollzugsbeamte. Wenn Sie Polizeibeamte ausbilden, brauchen Sie für die Werbung und Ausbildung in der Regel dreieinhalb bis vier Jahre.

Wir haben jetzt eine Fachdienststelle mit acht bereits vorhandenen Mitarbeitern und acht Stellen, die ausgeschrieben sind, die Verfahren laufen seit einiger Zeit. Am 1. April 2002 wird die gesamte Fachdienststelle mit den 16 Mitarbeitern plus zwei Gewinnabschöpfern, das sind zwei von den 16, die Herr Knäpper genannt hat, die zum Zwecke der Gewinnabschöpfung ausgebildet wurden, dort ihre Aufgabe übernehmen. Diese sind auch nach meiner Ansicht, das wissen Sie, ich habe das mehrfach hier gesagt, sehr notwendig.

Ich will aber auch sehr deutlich machen, dass das zu Lasten anderer, zumindest ebenso wichtiger Aufgaben geht. Darin sehen Sie die Schwerpunktsetzung auch gemeinsam mit diesem Haus. So soll es auch sein. Ich habe die herzliche Bitte, dass das nicht als ein Abfeiern, sondern als eine dringend notwendige Maßnahme eben auch in Kenntnisnahme des höchst problematischen Straftatenbereichs, hier Zwangsprostitution, geschehen ist.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin einer derjenigen, die anerkennen, das habe ich auch hier gesagt, dass diese Frauen nicht nur, wenn sie denn dem Zeugenschutz unterliegen, dort betreut werden müssen, das macht die Polizei auch, sondern dass diejenigen, die eine niedrigschwellige psychosoziale Betreuung brauchen, dann auch von Sozialarbeiterinnen und Sozialabeitern betreut werden müssen. Die Polizei hat keine Sozialarbeiterinnen und Sozialabeiter. Insofern müssen wir einen Weg finden. Das ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

(A) (C)

(B) (D)

Konzept, das hier erarbeitet wird, sieht vor, dass dies Mitarbeiterinnen der Fachstelle für Soziale Dienste beim Senator für Soziales machen.

Wenn eine unabhängige Beratungsstelle dies machen soll – ich habe hier auch bereits gesagt, dass ich hierfür sehr viele gute Argumente sehe –, müssen wir einen Weg finden, dies zu finanzieren. Man muss sehen, ob Gewinnabschöpfung oder Mittel aus dem Bereich der Gewinnabschöpfung das Richtige sind, solche Stellen zu finanzieren. Diese Mittel sind ja kasuell, das heißt, sie sind je nach Tätigkeit solcher Gewinnabschöpfer vorhanden. Eine Stelle muss aber auf Dauer finanziert werden.

Es gibt ein Konzept von Baden-Württemberg nach der Verwaltungsreform, dass Gewinnabschöpfer den Teil der Gewinnabschöpfung nach Abzug für die Opfer und andere Dinge in neue Gewinnabschöpfer reinvestieren. Das sind in Baden-Württemberg mittlerweile über 120, das ist ein höchst erfolgreiches Modell. Dafür habe ich noch Verständnis, aber für die Verwendung für genuine Aufgaben im Bereich der Sozialarbeit habe ich minderes Verständnis. Ich will nur sagen, wir müssen einen Weg finden, und wir werden auch einen Weg finden, weil diese erfolgreiche Arbeit bei der Bekämpfung der Zwangsprostitution eine so wichtige Aufgabe ist, wie ich sie dargestellt habe. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.