Protocol of the Session on August 22, 2002

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chen? Jetzt hat Frau Hövelmann gesagt: Sprachkurse! Das ist eine ganz klare Antwort, da habe ich nicht erst bis zu Pisa-E gebraucht, sondern das haben wir am 1. Februar 2002, Herr Mützelburg, bereits durchgeführt, und es hat eine große Zustimmung gegeben in der Bevölkerung und auch bei den Schulen. Das läuft!

Wir machen Leseintensivkurse, das dient zur Förderung von Kindern. In der zweiten Klasse, meine Damen und Herren, gibt es die ersten Kinder, die keine Spur von Rechnen, Schreiben, Lesen mitbekommen haben. Das sind nicht viele, ein Kind, zwei Kinder, das ist unterschiedlich an den Schulen. Diese Kinder sind bisher überhaupt nicht berücksichtigt worden, die sind mit durchgeschleppt worden. Das war schwierig, aber sie sind eben nicht gezielt gefördert worden.

Wir haben im letzten Jahr in drei Feldversuchen herausgefunden, wenn man diese Kinder ein Vierteljahr aus den Klassen herausnimmt, sie in Kleingruppen mit nur acht Kindern fördert, dann gibt es auf einmal ein Aha-Erlebnis. Diese Kinder, von denen wir gedacht haben, die schaffen es nie, die kommen auf einmal zurück in die Klasse, sind stolz wie Oskar und sagen: Ich kann jetzt lesen, ich kann jetzt schon ein bisschen schreiben, ich kann schon ein bisschen rechnen. Das, Herr Rohmeyer, verstehe ich unter einer gezielten Förderung von Kindern, die es brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Das möchte ich entsprechend weiter fördern, und das ist eine Maßnahme, Herr Mützelburg, wo wir nicht auf irgendwelche Pisa-Diskussionen im Parlament gewartet, sondern gesagt haben, wir kratzen alles zusammen, was wir haben, nehmen den Schulen – was Sie eben kritisiert haben, was ich genau richtig finde – die mit der Gießkanne verteilten Mittel weg und sagen, wir wollen jetzt genau sehen, wofür ihr Sozialstrukturmaßnahmen ausgebt, ich will genau jede einzelne Stunde von euch belegt haben. Findet am Nachmittag eine Schach-AG statt, oder fördert ihr, wie ich das als Senator will, schwache Kinder, oder, was ich auch okay finde, macht ihr eine ganz gezielte Begabtenförderung über computergesteuerten Unterricht, wie auch immer? Wir können da Dinge parallel entwerfen, das ist auch okay.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Herr Lemke, dafür brauchen wir verlässliche Richtlinien! Wo sind sie denn?)

Wir brauchen verlässliche Richtlinien. Aber wir brauchen als Wichtigstes grundsätzlich ein Umdenken, Frau Linnert! Wir brauchen ein Umdenken bei Eltern, bei Lehrern und bei Bildungspolitikern. Wir müssen eine bessere Schule schaffen, und zwar nicht, indem wir uns hier den Schädel einschlagen, sondern indem wir einen gemeinsamen Schulterschluss

hinbekommen. Da sind wir unseren Kindern gegenüber einfach in der Verantwortung.

Wir haben ja einige wenige Schüler, die hier noch dieser Diskussion folgen, die müssen doch eigentlich sagen: Das darf doch kein Wahlkampfthema sein, das muss doch ein Thema sein, das in die Zukunft gerichtet ist für unsere Stadt. Das Ergebnis ist so vernichtend, ich leide wirklich unter den Ergebnissen. Aber bitte, lassen Sie uns das nicht für einen Wahlkampf missbrauchen, sondern lassen Sie uns auch diese Chancen nutzen!

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ein Wahl- kampfthema!)

Herr Mützelburg hat nach weiteren Maßnahmen gefragt. Ich habe nicht die Vergleichsarbeiten erwähnt. Im November 2001 habe ich angeordnet, dass wir Vergleichsarbeiten in Klasse drei, in Klasse sechs, in Klasse zehn schreiben. In allen Bremer Schulen hat das mit Erfolg stattgefunden, an Bremerhavener Schulen übrigens auch. Da haben sie es nur nicht in Klasse zehn gemacht, weil sie es schon seit Jahren in Klasse neun machen, und das habe ich nicht in Frage gestellt. Wissen Sie, was die Konsequenz dieser Vergleichsarbeiten ist? Dass auf einmal Lehrerinnen und Lehrer aus den unterschiedlichen Klassen miteinander kommunizieren über Inhalte, über Ziele, sie reden mit anderen Schulen, das ist absolut gewollt, und das empfinde ich als ausgesprochen positiv!

Diese Standards, ausgehend von der KMK, werden wir weiter ausbauen. Es wird dort im nächsten Jahr zentrale Aufgaben geben. In diesem Jahr – ich musste ja diese Vergleichskultur erst einmal implementieren – haben wir es den Schulen überlassen. Im nächsten Jahr gibt es standardisierte, zentral ausgegebene Aufgaben, um zu sehen, wo befinden sich die einzelnen Schulen.

Jetzt wieder etwas Wichtiges, übrigens etwas, was ich in Finnland gelernt habe, die sagen: Macht nicht ein Ranking im Sinne von name, blame, shame, sondern schaut euch das Ranking, das ihr danach ja bekommt, an, und achtet darauf, dass die Schulen sich in einer Vergleichbarkeit mit anderen Schulen befinden. Ich kann nicht eine Osterholzer Schule mit einer Schwachhauser Schule vergleichen, aber untereinander gibt es sehr wohl vergleichbare Schulen! Da würde ich sehr gern dann die Schulen, die nicht die Ergebnisse erhalten wie die vergleichbaren Schulen, motivieren, sich mit neuen Methoden auseinander zu setzen oder erst einmal zu analysieren: Wie kommt das denn? War da Unterrichtsausfall? Hat da eine Lehrerin nicht das erreicht, was sie sich vorgenommen hat? Hat sie Disziplinarprobleme?

Diese Vergleichsarbeiten, meine Damen und Herren, sind eindeutig eine richtige Maßnahme, Herr Mützelburg. Wir haben nicht gewartet, sondern sie

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haben alle im Mai 2002 stattgefunden und werden in diesen Wochen auch bearbeitet und analysiert. Eine richtige und konsequente Antwort auf die PisaE-Untersuchung!

Ich sage Ihnen noch etwas! Bei den Schulleiterdienstbesprechungen ist mir versprochen worden: Lieber Herr Senator Lemke, glauben Sie nicht, dass wir unter diesen Ergebnissen nicht genau so leiden wie Sie, und nehmen Sie bitte zur Kenntnis, lieber Herr Senator Lemke, im Mai 2003, wenn die nächsten Pisa-Untersuchungen anstehen, dann werden alle Bremer Schulen gemeldet, nicht die Privatschulen vergessen, sondern alle Fünfzehnjährigen kommen in den großen Topf, werden dann ausgelost, welche gezogen werden, ist eine andere Frage.

Aber wir werden unsere Schülerinnen und Schüler anders darauf vorbereiten, wir werden sie anders motivieren, und wir werden nicht sagen, kreuzt das an und gebt ab, das hat keinen Einfluss auf eure Noten, auf eure Zeugnisse. So ist es nämlich beim letzten Mal gemacht worden. Das verspreche ich Ihnen, das wird im nächsten Jahr nicht wieder stattfinden. Von daher garantiere ich Ihnen – die Wette gilt, das habe ich mit Professor Baumert gemacht, das mache ich auch mit jedem von Ihnen –, dass die nächsten Ergebnisse in Bremen, wir bekommen sie leider erst Ende 2004 hier zur Kenntnis, besser werden. Frau Linnert, da mache ich auch mit Ihnen eine Wette!

Die letzten Punkte! Wir haben verschiedene Bereiche eingesetzt, um einen besseren Unterricht konkret umzusetzen, ich sage nur Schule und Partner. Herr Mützelburg, Sie wissen das, das Versuchsprogramm am AWI, eine exzellente Geschichte. In der Oberstufe wird Unterricht in den Naturwissenschaften am AWI mit den Forschern gemeinsam gemacht. Das sind ganz spannende und tolle Modelle. Die haben wir bereits, das sind Maßnahmen, die wir bereits umgesetzt haben.

Außerdem haben wir umgesetzt, das wissen Sie übrigens auch, Schulvermeidung, ein katastrophales Thema in Bremen! 2000 Schulvermeider, Frau Hövelmann hat das eben auch angesprochen! Wie können wir denn erwarten, dass die den Pisa-Test erfolgreich absolvieren, wenn sie wochen-, monateoder jahrelang überhaupt nicht in den Schulen gewesen sind? Das, Herr Mützelburg, wissen Sie, müssten Sie wissen, Sie sind immer bei den Deputationssitzungen dabei gewesen. Das sind Dinge, die wir umgesetzt haben.

Der allerletzte Punkt ist: Wir haben vor, die Behörde umzustrukturieren, auch da muss der Gedanke der Qualität verstärkt Einzug halten. Wir haben hier unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit umstrukturiert, damit nicht alle immer sagen können, dafür ist der zuständig oder jener, sondern ich möchte klare Verantwortung haben. Wir werden das im Herbst umsetzen. Die Behörde hat diesen Prozess hervorragend mitgetragen.

Schlusssatz: Pisa ist für uns alle ein Schock gewesen. Aber Pisa kann, weil es ein solch katastrophales Ergebnis für Bremen gewesen ist, auch eine große Chance für uns sein. Aber es muss in den kommenden Wochen und Monaten jede Ideologie beiseite geschoben werden, und wir müssen fragen: Was ist gut für die Kinder in unserer Stadt? Wie können wir die Lehrer erreichen? Das sind die entscheidenden Fragen.

Wenn es uns gelingt, die Schulleitungen mitzunehmen, den Schulen zu sagen, ja, wir sehen ein, ihr braucht für dies oder jenes ganz gezielt mehr Geld, und wir geben es euch auch, aber ihr müsst immer genau sagen, wofür ihr es ausgebt, wenn wir diesen Schulterschluss vorzeigen vom Parlament in die Schulen, zu den Schulleitungen, zu den Lehrerinnen und Lehrern, dann erreichen wir garantiert auch die Schülerinnen und Schüler, um die Beliebigkeit wegzubekommen, um die Leistungsbereitschaft, die Freude am Lernen zu wecken und da eine neue Motivation zu bekommen. Aber das geht nicht allein, und das geht auch nicht nur auf diesen schmalen Schultern, dazu brauche ich Sie alle. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben noch einen Redner auf der Liste.

Das Wort hat der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gespannt, ob es ein Redner bleibt oder ob sich der eine oder andere doch noch zu Wort meldet. Herr Senator Lemke, den letzten Appell kann ich voll und ganz unterstreichen. Pisa war für Deutschland ein Schock, aber Pisa-E war ein Schock für Bremen. Wir müssen alle in dieser Frage zusammenstehen und darüber diskutieren, welche Antworten wir geben.

Daher, Herr Mützelburg, ist das überhaupt nichts Unanständiges, wenn heute keine Antwort debattiert wird,

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Unanständig habe ich nicht ge- sagt!)

sondern, Sie wissen das ganz genau, es wird sich am 8. September ein Koalitionsausschuss mit diesem Thema beschäftigen. Da wird es überhaupt kein Gerangel geben, sondern da wird man sich verständigen, welche Konsequenzen man aus Pisa zieht. Das ist unser Ziel, und dazu werden wir sicher auch unseren Beitrag leisten.

Ich möchte aber trotzdem einige Bemerkungen machen, vor welchem Hintergrund wir tatsächlich debattieren. Bremen, und deshalb finde ich es interessant und auch die Zwischenbemerkungen, die

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Herr Lemke dazu gemacht hat, ist auf einem Abstiegsplatz, das Schlusslicht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Nun ist es natürlich zu Recht redlich, über die Champions League zu sprechen, aber, liebe Frau Hövelmann, lieber Herr Lemke, Sie wissen das ganz genau, dafür muss man sich erst einmal qualifizieren. Dazu muss man unter die ersten drei Plätze kommen, damit man die Qualifikation für die Champions League hat. Insofern ist es überhaupt nichts Schlimmes, dass man natürlich auch über Bayern spricht und auch aus Bayern die richtigen Konsequenzen zieht.

Wir brauchen deshalb überhaupt keine bayerische Bildungsdebatte zu führen, aber wir werden uns natürlich in den Punkten auch an den Bundesländern orientieren, wo es einfach besser mit den Ergebnissen von Pisa geklappt hat. Wir machen dies ja nicht nur vor dem Hintergrund einer bildungspolitischen Dimension. Fragen Sie den Wirtschaftssenator Josef Hattig, der kann Ihnen berichten, wie häufig er aus dem Bereich der Wirtschaft auf Pisa angesprochen worden ist! Wenn es uns nicht gelingt, die richtigen Konsequenzen aus diesen Pisa-Ergebnissen zu ziehen, dann können wir uns wirtschaftlich noch so sehr anstrengen, dann werden wir damit immer wieder einen Rückschlag erleiden. Wir wollen sowohl im Bereich der Wirtschaft die richtigen Entscheidungen treffen als auch im Bereich der Bildungspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Dazu muss man doch auch Folgendes sagen, und das mache ich völlig ohne Häme, aber, Frau Hövelmann, die Sozialdemokraten sind mit ihrer Bildungspolitik angetreten, um besonders den sozial Schwächeren zu helfen. Das Ergebnis von Pisa-E ist, dass es für die Leute aus den bildungsfernen Schichten in keinem Bundesland schwieriger als in Bremen ist, überhaupt einen Schulabschluss zu machen. Deshalb sind Sie leider mit Ihrem Ansatz, wie Sie hier Bildungspolitik gewählt haben, nach dieser Untersuchung gescheitert, und deshalb müssen wir gemeinsam neue Wege gehen, und Sie müssen auch in der Lage sein, die sozialdemokratischen Wege zu verlassen, liebe Kollegin Hövelmann!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau H ö v e l - m a n n [SPD]: Wir werden die neu defi- nieren, nicht verlassen!)

Darüber hinaus auch noch diese Bemerkung: Es ist nicht nur eine Frage des Geldes, aber natürlich auch eine Frage des Geldes. Da machen wir uns überhaupt nichts vor. Wenn man sich allerdings die durchschnittlichen Kosten anschaut, die man pro Schüler hier in die Bildungspolitik gibt – da gibt es ja unterschiedliche Zahlen, einmal mit LIS, einmal ohne LIS –, kann man festhalten, da sind wir von

den Ausgaben her eher in der Spitzengruppe und von den Ergebnissen am Tabellenende. Deshalb ist doch der Stand der Dinge, dass irgendetwas in der Struktur nicht richtig sein kann. Wo bleiben die Gelder?

(Abg. Frau J a n s e n [SPD]: Gesamtschu- len wären viel billiger!)

Das müssen wir doch gemeinsam erarbeiten, wir können doch als Haushaltsnotlageland nicht das Geld hineingeben, und die Leistungen stimmen nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD!

(Beifall bei der CDU)

Ich sage aber auch ganz deutlich, wir wollen uns mit Ihnen da auch verständigen.

(Zuruf von der SPD: Na, dann einmal los!)

Wir haben daran Interesse. Wenn die Verständigung auch bedeutet, dass wir einen Umbauprozess finanziell begleiten müssen, dann werden wir, so wie wir das auch in anderen Bereichen des Haushalts gemacht haben, das natürlich tun und auch zusätzliche Finanzmittel dafür zur Verfügung stellen, aber für ein Umbauprojekt, liebe Frau Hövelmann!

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich möchte zu drei bis vier Punkten darüber hinaus noch Bemerkungen machen. Wir selbst haben alle miteinander die Verantwortung, das hier zu diskutieren. Wir als CDU-Fraktion haben dazu Vorschläge gemacht, und zwar sehr ausgiebig in einem Diskussionspapier. Da kann man nun sagen, das eine oder andere gefällt uns nicht, aber wir hätten das schon ganz gern hier auch im Einzelnen debattiert. Herr Mützelburg hat gesagt, das ist alles Wahlkampfgeplänkel.

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Habe ich nicht gesagt! Koalitions- gerangel!)