Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kriminalitätsbekämpfung auf Autobahnen und im Transitverkehr im Land Bremen, die Große Anfrage liegt Ihnen vor, und ich stelle fest, sie ist sehr zufriedenstellend ausgefallen, allerdings so kleine Nuancen könnten nachgebessert werden. Ich werde gleich in meiner Rede noch einmal darauf zurückkommen.
In den letzten Jahren hat sich das politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Umfeld in
Europa in kurzen Zeitabständen grundlegend verändert. Neben der Wiedervereinigung in unserem Land mit der Öffnung der Grenzen auch zum Osten begann der Abbau der Hindernisse an den Binnengrenzen zwischen den Staaten der Europäischen Union, die das Schengener Vertragswerk ratifiziert haben.
Steigende Mobilität und Freizügigkeit im Personen-, Waren- und Kapitaldienstleistungsverkehr sind aktuelle Auswirkungen, die sich auch in Bremen auf den Autobahnen und Transitwegen abspielen. Seit dem 1. November 1993 ist die Europäische Union Wirklichkeit, und mit dem Beitritt Finnlands, Schwedens und Österreichs gehören ihr seit Anfang 1995 15 Mitgliedstaaten an. Einen weiteren Höhepunkt erreichte die Freizügigkeit durch die Inkraftsetzung des Schengener Durchführungsabkommens zum 1. April 1998 für Österreich, Italien und teilweise auch Griechenland und den damit verbundenen Wegfall der Grenzkontrollen in Bayern und auch in Österreich. Die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion zum 1. Januar 1999 war der nächste Meilenstein auf diesem Weg. Nie zuvor hat es in Europa eine solche Freizügigkeit gegeben.
Die freien Grenzen, meine Damen und Herren, die Freizügigkeit und die Mobilität haben jedoch auch ihren Preis. Nicht nur, dass die kontinuierliche Zunahme des Lkw- und Personenverkehrs die Verkehrssicherheit nachhaltig beeinträchtigt, es ist auch eine Zunahme der Kriminalität auf den Autobahnen und unseren Straßen in Bremen zu verzeichnen.
Der gemeinsame Binnenmarkt eröffnet aber mit seinem freizügigen Personen- und Warenverkehr quasi als Nebeneffekt auch mobilen Kriminellen aus dem In- und Ausland neue Tatgelegenheiten und günstigere Kriminalitätsstrukturen. Die Autobahnen in Bremen und die Zufahrtsstraßen zu den Häfen, Flugplätzen und den gut ausgebauten Bundes- und Landesstraßen bieten ideale Anfahrts-, Schleusungsund Fluchtwege mit relativ geringem Entdeckungsrisiko. Drogenschmuggel und Drogenhandel, KfzVerschiebung, illegale Einreisen, Schleusungen sowie der Schmuggel von Zigaretten, Alkohol, Waffen und Sprengstoff gehören zum Kriminalitätslagebild Straße.
Insbesondere bei der unerlaubten Einreise und bei Schleusungen werden in zunehmendem Maße folgende Begleit- und Folgedelikte festgestellt: Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung, unerlaubte Beschäftigung, Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt, Betrug, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Prostitution und Zuhälterei. Das Verbringen von Geschleusten durch die Transitstaaten und innerhalb der Bundesrepublik geschieht meistens unter menschenunwürdigen oder sogar lebensbedrohlichen Umständen. Wir haben hier auch noch in diesem Jahr selbst einen Schleusertransport festgestellt und die polizeilichen Maßnahmen danach eröffnet.
Für ein intelligentes und effizientes Fahndungskonzept sind Stichproben und lagebildabhängige Kontrollen der Verkehrsströme auf Bremens Straßen notwendig. Die Identitätsfeststellung ohne konkreten Verdacht gegen die zu überprüfenden Personen macht das Risiko der Straftat beziehungsweise der illegalen Einreise unkalkulierbar. Auch Niedersachsen hat in Paragraph 12 Absatz 6 Niedersächsisches Gefahrenabwehrgesetz eine kompatible, jedoch weiter gehende Regelung getroffen. Zweck der polizeilichen Kontrolle soll die Verhütung oder Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts und die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität sein. Verkehrssicherheitslagen und Kriminalitätslage erfordern zukünftig verstärkt eine ganzheitliche Betrachtung des öffentlichen Verkehrsraums als polizeilichen Aktionsraum zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit hier in Bremen, meine Damen und Herren.
Waren bisher polizeiliche Kontrollaktivitäten tendenziell verkehrsorientiert – Erfolge in der Kriminalitätsbekämpfung fielen als Nebenprodukt ab –, so gilt es, Verkehrsunfallbekämpfung und Kriminalitätsbekämpfung künftig noch stärker in Bremen und Bremerhaven zu verzahnen, um den aktuellen Herausforderungen strategisch begegnen zu können. Bremen hat vorgesorgt und setzt hier auf den Autobahnen und Schnellstraßen die Spezialeinheit BP 32, Verkehrsbereitschaft, mit besonders geschulten Beamten in einem Rund-um-die-Uhr-Dienst erfolgreich ein. Außerdem werden auch noch andere Dienststellen auf den Autobahnen und Transitstraßen eingesetzt.
In Bremerhaven, auf der A 27, ist die Polizei von Niedersachsen zuständig, obwohl sich diese im Bereich Bremerhavens auf Gebiet des Landes Bremen befindet, aber dies wurde vor Jahren in einem Staatsvertrag geregelt. Auf den Zufahrtsstraßen zu den Häfen in Bremerhaven sind einmal die Verkehrsbereitschaft, aber auch die Reviere und der Zivilstreifendienst zuständig.
Beide Polizeien in Bremerhaven und Bremen operieren hier in Zusammenarbeit mit dem Zoll und der Ermittlungsgruppe Rauschgift des Landeskriminalamtes sehr erfolgreich. Zugriffe bei Schleusungen, Festnahmen von Drogenkurieren und die Entdeckung von anderen Straftaten belegen dies. Hervorzuheben ist auch die Veränderung der Organisationsstruktur des Landeskriminalamtes und die Schaffung eines Sonderkommissariats LKA 55 zur Bekämpfung der illegalen Einreise und die Gründung der Ermittlungsgruppe Schleusung in Zusammenarbeit mit dem BGS. Trotzdem, ich sage dies hier noch einmal ganz deutlich, viele haben das vielleicht noch nicht mitbekommen: Wir haben hier in Bremen und in Bremerhaven eine EU-Außengrenze. Das starke Wohlstandsgefälle zwischen einigen Staaten des ehemaligen Ostblocks und der Bundesrepublik hat dazu geführt, dass die Bundesrepublik und damit
auch das Land Bremen verstärkt zum Zielort krimineller Banden geworden ist. Der Reiseverkehr zwischen Polen und der tschechischen Republik nimmt Jahr für Jahr zu. Die Neuregelung des Asylrechts vor Jahren hat zudem eine verstärkte Attraktivität illegaler Grenzübertritte zur Folge, die in vielen Fällen mit Hilfe professioneller Schleusergruppen durchgeführt werden.
In Zusammenarbeit mit der Polizei Niedersachsen ist die Polizei im Land Bremen an internationalen Fahndungsaktionen im Rahmen der SchengenProjekte, „Routen-Kfz“, „Routen BTM“ und Schleusungskriminalität beteiligt. Leider kann unsere Polizei, und das ist sehr schade, wie auch aus der Antwort des Senats zu entnehmen ist, sich an diesen Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen in den von mir vorher bezeichneten Deliktsbereichen aufgrund des Fehlens einer Rechtsnorm für lagebildabhängige Kontrollen im Bremischen Polizeigesetz nur eingeschränkt beteiligen.
Bei den Diskussionen um die Erforderlichkeit der Einführung lagebildabhängiger Kontrollen erstaunen zwei Aspekte gleichermaßen: zum einen die Tatsache, dass tatsächlich vermeintliche oder selbst ernannte Experten, auch hier im Parlament, bei der Bewertung gleicher normativer Sachverhalte zu einem völlig entgegengesetzten Ergebnis gekommen sind, zum anderen aber auch der Umstand, dass die kriminalpolizeilichen Selbstverständlichkeiten mit zäher Langatmigkeit diskutiert werden, während die bremischen Sicherheitsbehörden im Wettkampf mit der internationalen grenzüberschreitenden Kriminalität nicht die erforderliche Ermächtigung im Polizeigesetz haben, weil unser Koalitionspartner hier leider eine andere Meinung vertritt.
Die bisherige rechtliche Grundlage bildet für Kontrollen der Paragraph 36 Absatz 5 StVO mit der Zielrichtung Überprüfung der Fahrtüchtigkeit der Fahrzeugführer, Überprüfung der mitzuführenden Papiere sowie des verkehrssicheren Zustands des Fahrzeugs und der Ausrüstungsvorschriften. Folgemaßnahmen nach der Strafprozessordnung kommen hier in Bremen erst dann in Betracht, wenn die einschreitenden Beamten einen Anfangsverdacht in puncto Straftaten haben.
Dies ist hier, und das sage ich noch einmal ganz deutlich, in Bremen unbefriedigend und wirkt auf die Beamten auch teilweise demotivierend. Die Bekämpfung und die Zurückdrängung der internationalen Kriminalität ist eine Aufgabe aller Länder in der EU. Kein Staat kann diese Aufgabe ganz allein lösen, weder in polizeilicher noch in politischer Hinsicht. Die internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden ist eine ganz wesentliche, vielleicht sogar die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung dieser Straßenkriminaliät. So ist es auch nicht verwunderlich, dass nahezu alle europäischen Staaten mit Ausnahme der Inselstaaten England und Irland über Befugnisse für eine ver
dachtsunabhängige Personenkontrolle verfügen und auch davon Gebrauch machen. In all den Jahren hat sich unser Koalitionspartner schwer getan, wenn es um die Verbesserung der inneren Sicherheit ging.
Doch, doch! Frau Marken, so ist es gewesen! Erst lange Verhandlungen im Koalitionsausschuss und die Ereignisse in New York am 11. September letzten Jahres haben dazu geführt, dass wir im Bremischen Polizeigesetz in vielen Bereichen nachgebessert haben. Es hat uns Kraft und viel Zeit gekostet. Ich will auf die einzelnen Punkte, die wir nachgebessert haben, gar nicht eingehen.
Wie wichtig diese Ermächtigung im Polizeigesetz ist, zeigen die großen Erfolge in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern, ich will die Länder gar nicht alle aufzählen, aber ich will einmal mit Genehmigung des Präsidenten eine Presseerklärung aus Schleswig-Holstein vorlesen:
„Der Minister bezeichnet die lagebildabhängigen Kontrollen der Verkehrspolizeidirektion zur Bekämpfung der Kriminalität auf den Autobahnen als äußerst erfolgreich. Die schleswig-holsteinische Landespolizei konnte auf diese Weise allein im vergangenen Jahr 1335 Täter und Tatverdächtige festnehmen, denen hauptsächlich Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Ausländerrecht, aber auch Auto- und Einbruchsdiebstahl zur Last gelegt werden“ et cetera. Für meine Fraktion möchte ich hier erklären: Angesichts der kriminellen technischen Intensität des internationalen Verbrechens darf sich ein Rechtsstaat keine Fesseln anlegen und nicht tatenlos zusehen. Wir brauchen dieses Rechtsinstrumentarium in unserem Bremischen Polizeigesetz.
Die Effektivität der Fahndung nach Personen und Sachen zu steigern, das Entdeckungsrisiko für gesuchte Personen zu erhöhen und unkalkulierbar zu machen, die illegale Migration wirksam zu verhindern, Vorbereitungen von Straftaten zu erschweren, den Transport von deliktischen Gütern aufzudecken und die sichtbare Präsenz der Polizei zu verstärken, ich werde gleich noch einmal beim zweiten Redebeitrag darauf zurück
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Große, mit sicherlich viel Fleiß zusammengetragene Anfrage der CDU zur Kriminalitätsbekämpfung auf den Autobahnen und im Transitverkehr im Land Bremen bringt uns weder in der Fragestellung noch in der Beantwortung des Senats zu wesentlich neuen Erkenntnissen.
Eigentlich wussten wir schon, dass Autobahnen für die international operierende Kriminalität von existenzieller Bedeutung sind. Jede Form von Personenverkehr und Warenaustausch benötigt Transportwege. Wir Hansestädter wissen, dass diese Wege nicht nur von redlichen Menschen benutzt werden, sondern auch von Räubern, Piraten, Schleusern und Drogenhändlern. Das ist auch keine neue Erkenntnis. Ebenso ist klar, dass die Polizei, der Zoll und alle anderen zuständigen Stellen die Kriminalität überall, also eben auch auf Autobahnen, bekämpfen müssen.
Was ist nun wirklich hier im Landtag darüber zu debattieren? Zu vermuten ist, dass die CDU mit den Fragen zum Teil schlecht verschleiert auf die verdachtsunabhängige Kontrolle zu jeder Zeit und an jedem Ort abzielt. Aber auch hier gibt das neue Bremische Polizeigesetz eine klare Richtung vor. Der Grundsatz, dass ein polizeilicher oder strafrechtlich relevanter Anlass bestehen muss, bevor die Polizei jemanden anhalten, durchsuchen oder seine Personalien mit polizeilichen Dateien abgleichen darf, gilt bei der Kriminalitätsbekämpfung auf Autobahnen genauso wie in allen anderen Bereichen. Grundsätzlich ist im Hinblick auf die Antwort des Senats positiv festzustellen, dass die Polizei im Land Bremen mit den Polizeien aus dem gesamten norddeutschen Raum sowie mit dem Bundesgrenzschutz und dem Zoll in den gemeinsamen Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen gut und abgestimmt zusammenarbeitet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich habe ja Verständnis dafür, dass Sie in Wahlkampfzeiten auch durch Große Anfragen versuchen, Ihre vermeintlichen Kernkompetenzen aufzupolieren, das machen wir schließlich auch, aber mit dieser Anfrage und der Antwort des Senators darauf kann man sich wirklich nicht profilieren,
zumal sie sich zum Wahlkampf überhaupt nicht eignet. Aber – schade, dass Herr Eckhoff gerade nicht da ist – da auch die Kollegen aus der CDU gern zu fast jedem Tagesordnungspunkt in dieser Landtagssitzung etwas aus Bayern beizutragen wissen, das kann ich auch! Die Kriminalitätsstatistik von Bayern, die eine Zunahme der Kriminalität in dem wunderschönen Bundesland bescheinigt, ist sicherlich kein Exportschlager für den Kanzlerkandidaten Stoiber.
Zusammenfassend möchte ich noch einmal sagen, dass ich es nicht verstehe, was der eigentliche Sinn dieser Großen Anfrage sein soll, und ich es immer wieder schade finde, Menschen in den Verwaltungen oder sonst wo mit unnötiger Arbeit zu belasten.
Vielleicht sind damit zukünftig auch Große Anfragen zur Kriminalitätsbekämpfung auf Bundeswasserstraßen, Radwegen, Hauptverkehrsstraßen und so weiter zu vermeiden. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Angesichts der Rede meiner Vorrednerin kann ich mich noch kürzer fassen, als ich das ursprünglich schon vorhatte.