Um die Würdigung des ehrenamtlichen Engagements deutlicher sichtbar zu machen, sollte vor allem die angemessene Anerkennung in der Öffent
lichkeit gestärkt werden. Dabei ist von besonderer Bedeutung, inwieweit die Rahmenbedingungen für ein entsprechendes Engagement im Sport verbessert werden können. Zu dieser Problematik hat es viele Gespräche des Landessportbundes als Dachorganisation des Sports in Bremen und dem Senat gegeben, zuletzt, darauf ist schon hingewiesen worden, auf die Veranstaltung, die vom Landessportbund organisiert wurde, zum Ehrenamtstag im November letzten Jahres. Die Diskussionsgrundlage war damals ein Forderungskatalog des Landessportbundes, vorrangig zu Freistellungen für ehrenamtliche Arbeit, Vergünstigungen für ehrenamtliche Arbeit in öffentlichen Einrichtungen, Berücksichtigung des Engagements im steuerlichen Bereich und bei Versicherungsfragen, der nun auch zum großen Teil inhaltlicher Bestandteil der Großen Anfrage zur Förderung des Ehrenamtes im Sport geworden ist.
Im Ergebnis waren sich die Beteiligten einig, dass eine stärkere Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit in der Gesellschaft als erster Schritt erreicht werden müsse. Mit den Antworten zu den einzelnen Fragen der Großen Anfrage hat der Senat konkrete Auskunft darüber gegeben, welche Verbesserungen aus seiner Sicht angesichts der bestehenden Sparzwänge in den durch die Anfrage angesprochenen Bereichen möglich sind.
Hilfreich für die Gesamtdiskussion können die im Bericht vom 3. Juni von der schon erwähnten Enquetekommission, die der Bundestag eingesetzt hat, gegebenen Handlungsempfehlungen zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements sein, auf die auch bei der Beantwortung der Großen Anfrage hingewiesen wird. Nach diesen Empfehlungen müssen nämlich vor allem die institutionellen Rahmenbedingungen verbessert werden. Das heißt insbesondere: Abbau von bürokratischen Hemmnissen, Sie haben das hier mehrfach gefordert. Wir sagen das in unserer Großen Anfrage, dass diese bürokratischen Hemmnisse abzubauen sind. Das sind vor allem Hemmnisse im steuerlichen und im versicherungstechnischen Bereich und, meine Damen und Herren, damit vor allem Aufgaben des Bundesgesetzgebers, weniger des Landesgesetzgebers, auch, aber nur in Teilen. Diese Hemmnisse müssen zunächst abgebaut werden für die ehrenamtlich Tätigen, und hier muss es zu einer ganz deutlichen Verbesserung kommen.
Die umfangreichen Vorschläge der Kommission zu den verschiedenen Feldern der Ehrenamtsförderung müssen noch weiter analysiert werden. Der Bericht, der einen dicken Aktenordner umfasst, ist Anfang Juni erst vorgelegt worden. Wir werden noch in diesem Jahr in der Sportministerkonferenz uns hierüber unterhalten, jedenfalls was den Sport betrifft, in den anderen Ministerkonferenzen über die Dinge, die das Ehrenamt in den anderen Bereichen betrifft.
Da vorrangig bundesgesetzliche Regelungen, ich habe das schon erwähnt, betroffen sind, werden eine detaillierte Bewertung und eine intensive politische
Diskussion hinsichtlich der Aufnahme und Umsetzung von Änderungsvorschlägen erst in der neuen Legislaturperiode des Bundestags möglich sein. Nach meiner Auffassung dienen die Empfehlungen der Kommission als sehr gute Basis für die Einleitung eines umfassenden Diskussions- und Arbeitsprozesses, der am Ende bessere Rahmenbedingungen als Gegenleistung für bürgerschaftliches beziehungsweise ehrenamtliches Engagement als Ergebnis bringen sollte. Mein Sportressort wird dieses Verfahren nicht nur aufmerksam verfolgen, sondern sich daran konstruktiv beteiligen.
In einer ersten Einschätzung zu den Kommissionsvorschlägen hat übrigens der Deutsche Sportbund erklärt, dass damit ein wichtiger Beitrag zur Neubewertung des freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft geleistet wird und Wege zur Verbesserung aufgezeigt werden. In der Gesamtbewertung der Vorschläge der Enquetekommission wird vom DSB festgestellt, dass diese oftmals in die richtige Richtung weisen, aber zum Teil dem organisierten Sport nicht weit genug gehen. Aus dessen Sicht müssen noch notwendige Akzentuierungen hinzugefügt werden. Die konkreten Sachpunkte werden sicherlich auf Bundesebene unter bremischer Mitwirkung in der bereits erwähnten Sportministerkonferenz, in den anderen Fachministerkonferenzen beraten werden.
Ich weise abschließend darauf hin, dass zu den vom Senat direkt beeinflussbaren Problembereichen, wie insbesondere Entlastung von bürgerschaftlich Engagierten im Beruf, Vergünstigungen für die Übernahme von ehrenamtlichen Tätigkeiten in öffentlichen Einrichtungen, Unterstützung der Sportorganisationen bei der Ausweitung von Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Jugendliche oder Förderung einer stärkeren Professionalisierung der Vereine und dadurch Erschließung von zusätzlichen Erwerbspotentialen im Sektor Sport, der Dialog mit den Beteiligten aus Sport, Politik, öffentlichem Dienst und Wirtschaft intensiviert werden muss und wir praktikable Lösungen erreichen müssen. Dies sollte, meine Damen und Herren, und da bin ich sehr einverstanden mit dem, was im Dringlichkeitsantrag enthalten ist, auch möglich sein in dem Arbeitskreis, der hier initiiert wird. Ich freue mich auf diese Diskussion und die Arbeit, um dem Sport, vor allem im Land Bremen, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt zu helfen. – Vielen Dank!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats mit der Drucksachen-Nummer 15/1196 auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.
Den Wirkstoff Methylphenidat zur Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizits und Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) bei Kindern verantwortungsbewusst einsetzen
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwei Zielrichtungen hat der Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen zum Problembereich ADHS: Erstens, Diagnostik und Therapie nur in die Hände von qualifizierten Ärzten und zweitens, breite Aufklärung und Fortbildungen für Ärzte und Ärztinnen, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher und betroffene Eltern! Warum dieser Antrag gerade in der jetzigen Zeit einen so hohen Dringlichkeitsbedarf hat, werde ich kurz begründen.
Immer häufiger wird bei Kindern die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und Hyperaktivitätssyndrom gestellt. Das Erscheinungsbild eines hyperaktiven Kindes wurde bereits 1844 vom Nervenarzt Dr. Hoffmann beschrieben, und zwar in einem Buch, das wir alle kennen: „Der Struwwelpeter“. Das darin vorkommende Kind Zappelphilipp würde heute als ADHS-Kind bezeichnet. In den siebziger und achtziger Jahren erhielten die Kinder, die im Kindergarten oder in der Schule verhaltensauffällig waren, in Deutschland und in Österreich die Diagnose MCD-Kinder. MCD-Kinder konnten sich schlecht konzentrieren, zappelten herum und hatten ständig Konflikte mit anderen Kindern.
MCD steht für minimale zerebrale Disfunktion, übersetzt eine minimale Hirnstörung. Worin diese ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Hirnstörung besteht, darüber gibt es nur Vermutungen, das kann keiner genau sagen, absolut keine sicheren Erkenntnisse. Zurzeit sind die Diagnosen Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätssyndrom am gebräuchlichsten. Was uns von Bündnis 90/Die Grünen und mich als gesundheitspolitische Sprecherin am meisten beunruhigt, ist die überaus sprunghafte Zunahme der Fälle, bei denen diese Diagnose gestellt wird und die dann bei den Kindern auch meistens medikamentös behandelt werden. Eine sichere Diagnosestellung ist jedoch sehr schwierig. Die wissenschaftliche Diskussion zu den medizinischen Ursachen dieser Störung ist noch nicht abgeschlossen, es herrscht Uneinigkeit zwischen den Wissenschaftlern.
In der öffentlichen Diskussion wird daher häufig die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dem Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätssyndrom um eine Modeerscheinung handelt. Das wird auch vom Sozialpädiatrischen Institut am ZKH St.-Jürgen-Straße so problematisiert. Die Mitarbeiter des Instituts sehen eine zunehmende Grauzone zwischen Therapie und Pädagogik. Zurückgeführt wird das auf eine veränderte Erwartungshaltung und ein verändertes Bewusstsein. Weiterhin wird ausgeführt, dass pädagogische Fragestellungen in den medizinischen Bereich abgedrängt und somit pathologisch werden. Hier verwischt die Grenze zwischen Normalität und Störung. Ich denke, es gibt hier inzwischen einen Teufelskreis, der dringend unterbrochen werden muss.
Noch einmal zur Klarstellung! Es geht nicht darum, dass es die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätssyndrom nicht gibt, sondern darum, dass es einen sprunghaften Anstieg der Anzahl von Kindern gibt, bei denen diese Diagnose gestellt wird. Wenn erst einmal eine Diagnose gestellt wird, kommt es meistens auch zu einer Therapie. Diese Therapie sieht so aus, dass den Kindern ein Medikament verordnet wird mit dem Wirkstoff Methylphenidat, im Handel unter dem Namen Ritalin und Medikenet bekannt, denn Methylphenidat, das in die Gruppe der Psychostimulanzien gehört und auch abhängig machen kann, fällt unter das Betäubungsmittelgesetz. In der Arzneimittelliste der Ärzte, der so genannten Roten Liste, werden mögliche Nebenwirkungen wie Angst, Schlaflosigkeit und Verfolgungswahn aufgeführt. Letztlich lässt sich nicht sagen, in welchem Ausmaß die Nebenwirkungen der Lebensqualität einzelner Kinder nicht eher schaden. Außerdem liegen keine wissenschaftlichen Untersuchungen über Langzeitfolgen vor.
Über den Verbrauch allerdings gibt es alarmierende Daten. Die Daten der Bundesopiumstelle zeigen, dass von 1993 bis 2000 der Verbrauch von Methylphenidat um das 13,6fache gestiegen ist. In den letzten beiden Jahren kam es jeweils zu einer Ver
doppelung der ausgelieferten Mengen, meine Damen und Herren. In Kilogramm ausgedrückt bedeutet das eine Steigerung von 34 Kilogramm auf 463 Kilogramm dieses Stoffes. Ich denke, diese Zahlen sprechen für sich. Methylphenidat darf nicht zur Pille für das Kind werden. Deshalb wird auch schon im Titel unseres Antrags deutlich, dass Methylphenidat nur sehr verantwortungsvoll eingesetzt werden darf. Das scheint in der letzten Zeit so nicht gewesen zu sein. In der letzten Ausgabe des wissenschaftlichen Magazins der AOK ist zu lesen, dass Bremen bei der Verordnung von Methylphenidat einen Spitzenplatz einnimmt. Das darf nicht nur zur Kenntnis genommen werden, das muss analysiert werden, und Strategien müssen her, um diesem Trend entgegenzuwirken.
Dazu gehört auch neben der Aufklärung von Ärztinnen und Ärzten, Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern ein multimodaler Therapieansatz. Hier gibt es inzwischen alternative Therapieangebote, die oft leider nicht bekannt sind. Solche Therapien können die Medikamenteneinnahme oft verhindern. Doch nicht nur die Therapie des einzelnen Kindes ist allein zu betrachten. In Institutionen wie Schulen, Kindertagesstätten und so weiter muss Aufklärungsarbeit geleistet werden. Informationsaustausch und Zusammenarbeit müssen verstärkt werden. Der Zunahme von Aufmerksamkeitsdefiziten und Hyperaktivitätssyndromen muss entgegengewirkt werden. Deshalb fordern wir den Senat in unserem Antrag auf, der Bürgerschaft mitzuteilen, welche Maßnahmen er plant, um dieser Problematik entgegenzuwirken. Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal deutlich machen: Es geht uns nicht darum, Methylphenidat zu verdammen. Nein, der verantwortungsvolle Umgang und der besonnene Einsatz, das ist unser Ziel, und das sind auch die Knackpunkte. Eltern müssen Hilfe bekommen, um über Alternativen nachdenken zu können. Ich denke, ich habe deutlich gemacht, welches Ziel wir mit unserem Antrag haben, und wo die Probleme liegen. Auch die Bundesregierung befasst sich mit dieser Problematik. Es sind schon einige Maßnahmen eingeleitet worden. Erstens, der ansteigende Verbrauch von Methylphenidat soll durch eine Analyse der Verordungsdaten untersucht werden. Zweitens, das Robert-Koch-Institut wird in seinem Bericht über die Kinder- und Jugendgesundheit auch über das Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätssyndrom berichten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird eine Informationsbroschüre zu diesem Thema herausgeben. Ich denke, das ist ein guter Anfang. Ebenfalls gibt es noch einen Antrag auf der Bundesebene, der von vielen Abgeordneten aller Par
teien unterschrieben wurde. Darin wird die Forschung aufgefordert, tätig zu werden in Sachen Langzeitfolgen und über Ursachen und Verlauf dieser Störungen zu forschen. Deshalb wurden diese Punkte auch nicht in unserem Antrag speziell aufgeführt, denn was läuft, das läuft ja schon. Ich denke, wir sollten unseren Blick darauf richten, wie wir dieses Problem in Bremen und Bremerhaven lösen können, und zwar gemeinsam.
Aber das klappt auch. Von den Kolleginnen und Kollegen der SPD- und CDU-Fraktion ist mir signalisiert worden, dass dieser Antrag in die Deputation für Arbeit und Gesundheit überwiesen werden soll. Wir sind damit einverstanden.
Ach so, ich dachte, Sie machen einen Zwischenruf, auf den ich eingehen sollte, Frau Hövelmann, aber das war es nicht! Wir haben uns auch geeinigt, dass die Deputation für Arbeit und Gesundheit einen Bericht erstellt und der Bürgerschaft Ende Januar zuleiten wird. Ich bedanke mich dafür. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie es bei solchen Debatten üblich ist, macht man sich ja auch im Internet schlau, und ich glaube, wir haben alle auf die gleichen Seiten gesehen. Deshalb kann ich mir ersparen, meine Rede so zu halten, wie ich es vorgehabt hatte, weil Frau Hoch das meiste schon gesagt hat. Aber nachdenklich machen sollte es uns schon, dass immer mehr Kinder als psychisch labil angesehen werden. Frau Hoch hat schon die Kilogramm Pillen erwähnt. Heutzutage schlucken Kinder zwanzigmal mehr Psycho-Pillen als noch vor zehn Jahren! Das sollte uns nachdenklich machen!