Herr Kollege Pflugradt, setzen Sie sich doch ein einziges Mal wirklich mit den Phantasien einer Stadt von übermorgen, nicht von morgen, sondern von übermorgen auseinander! Für die Wohnungsbaugebiete, die Sie jetzt noch vorhaben – das ist unser Ansatz, und das ist auch unsere Sorge –, wird es in 20 Jahren keinen Bedarf mehr geben. Bei den Familien, die heute glauben, dass sie ein Einfamilienhaus bauen wollen, um das man herumgehen kann, das möglichst im Grünen steht, bei denen muss man ansetzen. Meiner Meinung nach ist es die zentrale Aufgabe der Politik, auch den jungen Familien zu sagen, überlegt euch genau, wo es sich lohnt zu wohnen. Da setzen wir ganz stark darauf, dass es gilt, die bestehende, die gebaute Stadt, die jetzt vorhandene Stadt so attraktiv zu machen, dass junge Familien mit Kindern eben nicht einen Grund darin finden und sagen, die Stadtteile sind alle so schrecklich, jetzt baue ich mir mein Einfamilienhaus am Stadtrand oder im Umland.
Da gilt es gegenzusteuern, das ist unser politisches Ziel. Unser politisches Ziel ist es nicht, Bremen und Bremerhaven zu suburbanen Vororten zu degradieren, sondern wir wollen die Städte stärken, und das bedeutet eben, in die Vielfalt der Stadtteile zu investieren und in Umnutzungsprogramme, das Wohnen in der Stadt, in der jetzt gebauten Stadt attraktiv zu machen. Dann können wir es uns schenken, dass wir später einmal in den neu geplanten Einfamilienhausgebieten die Plattenbauten von morgen zu sanieren haben. Das muss doch unser politisches Ziel sein!
(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Wie soll das denn aussehen, Frau Krusche? Erzäh- len Sie einmal konkret, wie das aussehen soll! Das ist doch ein Spagat, Frau Krusche! – Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)
Nein, das ist kein Spagat! Ein paar Dinge hat doch der Kollege Sieling schon gesagt. Es wird natürlich darum gehen, dass man sich die Unterschiedlichkeit der Stadtteile genau anschaut. Die großen Wohnbaugebiete der großen Wohnungsbaugesellschaften müssen umgenutzt, die Grundrisse müssen erneuert werden, der Bestand muss saniert werden, und selbstverständlich hat die Politik dann die Auf
gabe, dafür auch Förderprogramme aufzulegen und genau auch hier Eigentumsförderung zu betreiben, gerade auch in den bestehenden alten Wohnungsbaugebieten, zum Beispiel in der Vahr, aber auch in Osterholz-Tenever. Das ist ein lohnenswertes Ziel, und selbstverständlich ist das nicht zum Nulltarif zu haben.
Wenn man die Städte stärken will und in ihrer gebauten Substanz fit machen will für die Zukunft, dann muss man sich mit dieser Bevölkerungsentwicklung, mit dem Älterwerden der Gesellschaft, mit den wachsenden Ansprüchen, auch an Wohnraum, an Platz, an Standards, auseinander setzen und muss nicht darauf setzen, diese Stadt, die eben nicht perspektivisch wachsen wird, in ihrer vorhandenen Fläche so attraktiv zu machen wie möglich. Ich glaube, dass wir uns an dem Punkt einig sind.
Dieser ewige Streit über Einfamilienhausgebiete ja oder nein ist müßig. Ich würde dafür plädieren, dass Sie noch einmal neu nachdenken, ob 2100 Wohneinheiten in der Osterholzer Feldmark nicht am langfristigen Bedarf vorbeigeplant sind, weil wir in der gebauten Stadt genügend Flächen haben, um den jetzt noch bestehenden Bedarf an Einfamilienhäusern zu decken. Wenn wir Sie in die Richtung bringen könnten, dann wäre das ein großer Gewinn für Bremen und auch im Sinne dessen, dass wir den demographischen Wandel ernst nehmen, meine Damen und Herren! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben schon einen Konflikt, Frau Krusche, das ist der Einfamilienhausbau! Ich will ganz deutlich sagen: Dass Sie sich hier bekennen zum Einfamilienhausbau, Sie seien gar nicht prinzipiell dagegen, aber Sie seien gegen riesige Einfamilienhausgebiete,
dazu will ich Ihnen Folgendes sagen! Als es konkret wurde – deswegen belassen Sie es ja so bei einer pauschalen Bemerkung –, haben Sie gestimmt gegen Borgfeld-West, Sie haben gestimmt gegen Borgfeld-Ost,
(Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein! Sie erzählen wieder Mär- chen! Hören Sie auf, Herr Pflugradt, Sie er- zählen wieder Märchen! Hören Sie auf mit Ihren Märchenstunden!)
gegen alle Bebauungspläne, wo wir Wohnbaugebiete in Obervieland ausgewiesen haben, gestimmt, Riederdamm zum Beispiel, ein ganz konkretes Beispiel!
(Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Dadurch, dass Sie es ständig wie- derholen, wird es nicht wahr!)
Im Übrigen füge ich hinzu, lassen Sie uns doch einmal über die Osterholzer Feldmark diskutieren! Wir als Stadt entscheiden doch nur, dass wir dort ein Wohnbaugebiet ausweisen. Das ist das, was wir machen. Letzten Endes entscheiden doch nicht wir, ob dort Leute hinziehen, das entscheidet der Markt. Wenn ein Bedarf dafür da ist, dann wird dort Wohnungsbau gemacht,
und wenn dort kein Bedarf ist, Frau Krusche, dann wird auch kein Gebäude entstehen. So einfach ist die Welt manchmal, so einfach ist die Welt!
Wenn wir das dort nicht machen würden, aber es gäbe einen Markt, dann würde das nämlich passieren, was in der Vergangenheit geschehen ist. Ich habe ja die Studie der Arbeiterkammer hier einmal zitiert mit der Untersuchung. Dabei ist herausgekommen, dass Bremen im Vergleich zu allen anderen Städten die stärkste Umlandabwanderung gehabt hat. Warum war das so? Weil wir nicht entsprechend Flächen bereitgestellt haben!
Das ist doch genau der Punkt. Das ist ein Fehler der Vergangenheit gewesen. Wir haben versucht, ihn ein Stück weit zu korrigieren. Es ist aber doch nicht so, als wenn wir hier Zehntausende von Einheiten ausweisen würden. Diese paar Einheiten in der Osterholzer Feldmark und in Borgfeld, die wir hier ausweisen, sind im Vergleich zum gesamten Bestand marginal.
Im Übrigen sage ich einmal, Ihre Bekenntnisse zur Wohnungsbauförderung sind für mich ein Stück weit nur Lippenbekenntnisse, denn sonst würden Sie sich dagegen wehren, was in Berlin an Entscheidungen getroffen worden ist. Die Städtebauförderungsmittel sind gekürzt worden. Von Ihnen gab es kein Wort dazu. Als die frühere Bundesregierung einmal etwas dazu gemacht hatte, gab es hier von Ihnen einen riesigen Aufstand. Die jetzige Kürzung der Eigenheimzulage ist doch ein Schlag gegen die jungen Familien, die hier bauen und Eigentum schaffen wollen.
Deswegen sollten Sie sich dagegen wehren! Wenn Sie über Wohnungsbaupolitik reden und glaubwürdig sein wollen, dann gehört eine Äußerung von Ihnen auch dazu. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren ja heute die Frage der Attraktivitätssteigerung unserer beiden Städte und auch die Frage der Stadterneuerung. Wir sollten uns jetzt dabei nicht nur über die alten Fragen streiten. In der Stadtbürgerschaft hatten wir gestern die Frage zur Hemelinger Marsch. Ich bin davon weg. Ich bin auch immer ein bisschen unzufrieden und möchte mehr. Es geht mir da wie der Kollegin Krusche. Ich will aber darauf hinweisen, und dazu möchte ich meinen Beitrag jetzt einmal nutzen, dies zu sagen, dass wir viel erreicht haben.
Ich bin der Auffassung, dass man uns nicht vorwerfen kann, dass wir in dieser Legislaturperiode nur auf großflächige Einfamilienhausgebiete, wie wir sie in jeder ländlichen Gemeinde finden, gesetzt hätten. Ich darf das an ein paar Beispielen benennen. Wir haben uns des Themas der Innenentwicklung sehr wohl gestellt. Die ganze Entwicklung der alten Hafenreviere, das war dafür immer eine Schlüsselfrage, ist in dieser Legislaturperiode mit einem Rahmenplan beschlossen worden. Wir haben dort eine Gesellschaft gegründet.
In Bremen gibt es auch mit der Entscheidung, das Medienzentrum und Radio Bremen ins Faulenquartier zu verlegen, eine klare Orientierung auf Stärkung der Innenentwicklung. Das finde ich gut. Es ist ein Erfolg dieser Legislaturperiode, dass wir nach innen und nicht nur nach außen schauen und auch nach innen handeln. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt: Gestern war Dienstag, der Senat hat beschlossen, dass in Tenever die Sanierung stattfindet. Heute Abend wird dies die Baudeputation beschließen. Das ist ein guter, richtiger Schritt der Modernisierung der Stadt im Inneren.
Dritter Punkt: In der Frage der Wohnraumförderung geben wir nicht mehr nur unter der Überschrift „Bremer bauen in Bremen“ Grundstückskostenzuschüsse, sondern haben dafür gesorgt, dass der Schwerpunkt der normalen Wohnraumförderung auf Bestandsmodernisierung liegt. Das ist eine Veränderung, das ist aus meiner Sicht ein Erfolg dieser Legislaturperiode.
Meine Damen und Herren, der vierte Punkt ist die Frage der Stadtteile. Ich habe die Initiative „Pro Stadtteil“ vorhin schon genannt. Wir reden und diskutieren fast in jeder Bürgerschaftssitzung darüber und entwickeln konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Stadtteile. Das ist auch eine Frage der Innenentwicklung.
Fünfter Punkt: Morgen um 13 Uhr wird die Neubürgeragentur eröffnet. Das ist eine wichtige Angelegenheit zur Fokussierung auf die Einwohnergewinnung und die Stärkung der Attraktivität dieser Stadt. Dies war eine Idee der sozialdemokratischen Fraktion und ein Erfolg dieser Legislaturperiode.
Ich darf Ihnen auch den sechsten und letzten Punkt nennen: Natürlich haben wir Einfamilienhausgebiete ausgewiesen: Borgfeld-Ost und -West. Das ist richtig. Wir machen es aber in integrierter Lage. Letzten Freitag ist der zweite Bauabschnitt der Linie vier eröffnet worden. Damit wächst die Stadt an der Stelle zusammen. Das ist für mich Stadtentwicklungspolitik der Zukunft, richtige Wohngebiete mit richtigem öffentlichen Personennahverkehr. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich vielleicht noch einmal vom Allgemeinen ausgehe und dann erst zum Besonderen komme! Ich denke, es ist ohne Zweifel so, dass das Land Bremen als Zwei-Städte-Staat wie nahezu alle Ballungsräume in der Bundesrepublik aufgrund der mit der Globalisierung der Märkte, des Wirtschaftens und der Warenströme einhergehenden rasanten Veränderungen der wirtschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungen, aber auch vor allen Dingen mit den Fragen der demographischen Entwicklung, was ökonomische, soziale und ökologische Fragestellungen angeht, vor Herausforderungen steht. Da geht es uns nicht anders als anderen Ballungsräumen.
Neben den ja schon angesprochenen skizzierten Trends ist die Differenzierung nach Altersgruppen, ich glaube, das hat Herr Dr. Sieling am Anfang angesprochen, ein wesentlicher Punkt, den wir zu beachten haben. Die Gruppe der Jüngeren und ganz Jungen wird zahlenmäßig an Gewicht verlieren, dafür wird die Gruppe der Älteren und Alten zahlenmäßig in den nächsten Jahren zunehmen. Dies stellt auch Stadtentwicklung, aber mindestens genauso alle anderen Fachbereiche – wir reden jetzt immer nur über Stadtentwicklung –, also Bildung, Soziales, Kultur, Arbeit, Finanzen vor Herausforderungen. Frau Krusche, es geht darum, nicht vor diesen Herausforderungen zurückzuschrecken, sondern sie anzunehmen und etwas dagegen zu tun oder damit umzugehen und Lösungen dafür zu finden.
Die demographische Entwicklung wird natürlich auch begleitet, das erleben wir ja, durch beschleunigte Segregationsprozesse innerhalb der Stadt, wie sie sich an den deutlich steigenden Umzugsraten beziehungsweise am Verschieben der Sozialindikatoren, darüber haben wir gestern geredet, nachweisen lassen. Sofern keine gegensteuernden Maßnahmen ergriffen werden, werden sich die Auszehrungstendenzen, das war gestern in der Stadtbürgerschaft das Thema, in einigen Stadtteilen erheblich potenzieren. Es liegt von daher auf der Hand, dass bei sozialem und demographischem Wandel sich auf Dauer viele der städtischen Maßnahmen und Einrichtungen auf diese Prozesse einstellen und damit umgehen müssen.
Veränderungen in der Sozial- und Altersstruktur der Bevölkerung, der Wandel des gewerblichen Sektors hin zur Dienstleistungsgesellschaft, ein verändertes Freizeitverhalten und zunehmende Mobilität, Frau Krusche, sind die spürbaren Zeichen dieser Trends, die wir heute sehen und die auch ein wichtiger Faktor für die Stadt- und Gesellschaftspolitik sind. Es wird insofern, da stimmen wir überein, eine Zukunftsaufgabe der Planung und der Politik sein, diese Entwicklung konstruktiv zu begleiten und in zukunftsgerichtete nachhaltige Arbeits- und Lebensverhältnisse zu führen.
Die Frage ist also: Was müssen wir tun, um diese Entwicklung erfolgreich zu steuern? Wir müssen, denke ich, angesichts der immer noch stark industriell geprägten Wirtschaft in unseren beiden Städten den wirtschaftlichen Strukturwandel weiterhin erfolgreich gestalten. Wir müssen Arbeitsplätze sichern und dazu beitragen, dass neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze in Bremen und Bremerhaven entstehen. Wir müssen auf vielfältige Weise dafür arbeiten, dass die Menschen gern in unseren beiden Städten leben. Eine attraktive, lebenswerte Stadt ist nicht nur für die jetzt existierenden Bürgerinnen und Bürger wichtig, sondern eben auch dafür, dass wir neue Einwohnerinnen und Einwohner gewinnen. Wir müssen all diese Aufgaben vor dem Hintergrund weiter sinkender öffentlicher Mittel auf uns nehmen. Es bleibt der Satz, der hier auch schon gesagt worden ist, Arbeitsplätze und Einwohner sind der Schlüssel zur Sanierung, und dafür müssen zukunftsfähige Konzepte abgearbeitet werden.