Ich erlebe immer wieder von Jahr zu Jahr, dass Gymnasialklassen mit 33, 34, 35 und bis zu 36 Schülern bestückt werden. Ich habe mir aus unseren Schulen berichten lassen, dass den Schülern und den Eltern am ersten Elternabend gesagt wird, einige von Ihnen werde ich bald nicht wiedersehen, und das ist auch gut so, weil Ihre Kinder nicht hierhin gehören, sie können es nicht, und wir werden sie aus diesen Klassen herausbekommen. Für diese Schule stehe ich nicht zur Verfügung! Das ist nicht die Schule, die die Kinder motiviert, mit Freude einen Abschluss zu bekommen. Das ist genau das, was Herr Mützelburg hier gefordert hat.
Natürlich, das ist die Praxis, Herr Dr. Kuhn! Das ist die Realität, die ich in den Schulen erlebe. Diese Praxis müssen wir verändern!
Dies will ich, lieber Herr Dr. Kuhn, mit einem Dialog. Der Dialog geht in der fünften Klasse los. Ich weiß nicht, ob Sie das genau durchgelesen haben, was wir vorschlagen. Der Dialog zwischen Schule und Elternhaus hat gefehlt.
Gehen Sie doch bitte in die Schulen, reden Sie mit den Lehrern und Eltern! Wo gibt es denn diesen engen Dialog gerade in den benachteiligten Gebieten? Nach der fünften Klasse gibt es eine Prognose. Diese hat es bisher nicht gegeben und wird es jetzt geben. Ich werde damit alle Lehrer und Eltern auffordern, in den Dialog zu gehen, um miteinander über die zukünftige Schullaufbahn intensiv zu diskutieren. Allein das wird schon bewirken, dass es ein stärkeres Befassen auch in den Familien gibt, und das ist gut so, wenn sie sich verstärkt mit den Problemen ihrer Kinder beschäftigen,
um sie zu unterstützen, um sie zu fördern, um sie vielleicht auch anzuhalten, Schularbeiten zu machen. Das gehört nämlich auch dazu!
Meine Damen und Herren, ich möchte mehr Kinder zu Schulabschlüssen bringen, und ich möchte gleichzeitig die Abschlüsse verbessern. Ich möchte Standards einführen, dass egal, ob ein Kind in Gröpelingen, im Buntentor oder in Schwachhausen zur Schule geht, gleiche Chancen bestehen, gleiche Bildungsmöglichkeiten!
Deshalb müssen wir uns viel mehr um jedes einzelne Kind kümmern, um jedes einzelne Kind, Herr Dr. Kuhn, egal, welcher Hautfarbe, welcher Religion oder welche Muttersprache zu Hause gesprochen wird! Aber wir müssen dies gemeinsam machen und nicht, indem wir frontal aufeinander losgehen. Das habe ich hier eben so gespürt. Das war keine Debatte, die mich erfreut hat!
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wir haben uns mit Ihnen gestritten, das wird doch wohl noch erlaubt sein!)
Ja, natürlich, aber die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen! Es geht hier nicht, Herr Dr. Kuhn, um die Eltern und die Abschaffung des Elternwillens. Es geht mir allein um die Kinder, um die Zukunft der Kinder, dass sie nicht weggemobbt werden aus der siebten, achten Klasse, darum geht es mir!
Es geht mir darum, dass wir ihnen eine Durchlässigkeit zeigen, eine Durchlässigkeit in unserem Schulsystem, die nicht immer so geprägt ist, dass die Kinder von oben nach unten geschoben werden, so wie wir es erleben.
50 Prozent unserer Kinder, das ist schon gesagt worden, bleiben sitzen. Damit sind wir einmalige Spitze in Deutschland. Das ist doch beschämend!
Wir müssten doch Spitze sein in den Abschlüssen! Ja, dann können Sie aber nicht sagen, es muss alles
(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das sagen wir doch überhaupt nicht!)
Dies ist eine ganz konkrete Forderung. Ich bin der festen Überzeugung, liebe Frau Linnert, dass es richtig und im Interesse der Kinder ist.
Es ist vielleicht nicht im Interesse aller Eltern, besonders der ehrgeizigen, denen es egal ist, ob das Kind mit fünf Fünfen im Gymnasium angemeldet wird und dann innerhalb der ersten Monate seelische Qualen erleidet, das wissen Sie doch genauso wie ich!
Die melden sich ohnehin nicht, liebe Frau Linnert, und wir müssen genau sie erreichen, und das tun wir auch mit der Prognoseempfehlung, dass wir diese Eltern in den Dialog bekommen. Das ist das Entscheidende! Es geht uns um jedes einzelne Kind! Das werden wir verbessern, ich garantiere es Ihnen. Es wird weniger Abbrüche geben, und wir werden in den nächsten Jahren, Gott sei Dank, hoffentlich werden wir das alle politisch noch erleben, zu besseren Ergebnissen kommen, zu mehr Abschlüssen und zu weniger Mobbing in der Schule.
Letzter Satz: Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass letztendlich nicht der Lehrerwille entscheidet, sondern der Lehrer wird von uns mit den Eltern in den Dialog gebracht. Das ist vernünftig, richtig und notwendig. Schade, dass wir es in den letzten Jahren noch nicht so intensiv gemacht haben. Dann haben die Eltern mit den Schülern die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie in eine Aufnahmeprüfung gehen oder nicht. Nicht die Lehrer entscheiden, sondern letztendlich können die Eltern mit dem Kind entscheiden, gehen wir in die Aufnahmeprüfung, trauen wir uns das zu, ja oder nein. Vielleicht wird man sich dann auch im letzten Schuljahr noch ein wenig mehr bemühen, um dann diese Aufnahmeprüfung, falls die Prognose anders ist, zu bestehen.
Wenn die Eltern der Meinung sind, lieber Herr Mützelburg, dass das dreigliedrige System nicht gut ist, dann haben Sie mich an Ihrer Seite, den Eltern mehr integrative Angebote anzubieten, damit sie ihre Kinder nicht in eine Aufnahmesituation schicken, sondern sagen können, mein Kind soll in einer integrierten Stadtteilschule beschult werden und dort
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Lemke, wir sind in vielen Fällen in dieser Bürgerschaft einer Meinung gewesen, vielleicht häufiger, als Sie mit der CDU oder der SPD waren.
So heiter ist die Frage leider nicht, über die wir heute reden, wie Sie sie jetzt im Augenblick gern nehmen möchten, weil Herr Senator Lemke sich das jetzt gefallen lassen muss, dass man ihm sagt, Sie können sich nicht hinstellen, die richtigen Ziele vertreten und dann jetzt hier ein Gesetz machen, das mit diesen richtigen Zielen in Wirklichkeit gar nichts zu tun hat!
Es geht um die Zukunft unserer Schule und damit um die Zukunft der Kinder, die jetzt Schulkinder sind und die Schulkinder werden wollen. Sie haben die ganze Zeit jetzt nur davon geredet, dass man den armen Kindern die Qualen ersparen muss, in der falschen Schule zu sein. Ich sage Ihnen: Wir beide kennen Lehrer, Herr Lemke, Sie so gut wie ich. Ich gehöre bestimmt zu den Letzten, die hier normalerweise Lehrerbeschimpfungen machen, aber ich weiß, dass viele Lehrer in den Schulen sagen, sie haben die falschen Kinder, egal, in welcher Schule man ist, sie haben immer die falschen Kinder, weil sie mit einem Teil der Kinder nicht klarkommen, und wenn sie die nicht hätten, wäre alles in Ordnung. Das ist die Tatsache.
Mit dem, was Sie jetzt hier heute vorschlagen, überlassen wir die Entscheidung lieber der Schule als den Eltern! Sie geben jetzt auch noch Zahlen in den Raum, oder es war Herr Rohmeyer, und sagen, in 90 Prozent der Fälle ist das auch gar kein Problem. Natürlich ist das in 90 Prozent der Fälle kein Problem, weil die Eltern auch aus eigenem Gefühl so entscheiden, wie das in der Schule entschieden wird. Wir haben 50 000 Kinder und Jugendliche an allgemeinbildenden Schulen im Land Bremen, das heißt, es sind 5000, nämlich zehn Prozent dieser Schüler, für die offensichtlich nicht richtig entschie––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Um mindestens diese 5000 geht es heute. Sie können hundert Mal von Durchlässigkeit reden: Das System und das, was Sie heute mit vorschlagen, ist das System der Durchlässigkeit von oben nach unten, keine Bremer Spezialität, aber eine bundesdeutsche Spezialität, wie Sie auch bei McKinsey nachlesen können! Wir können das ja zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren. Worauf es doch ankommt: Wir waren beide zusammen in Finnland, Herr Lemke, und ich kann mich gut an den Schulleiter erinnern, der uns gesagt hat, bei uns gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Wir sorgen dafür, dass jedes Kind in dieser Schule eine Hoffnung hat und die Eltern mit. Das ist die richtige Einstellung. Es werden nicht alle zu den gleichen Ergebnissen kommen, aber es werden alle mit gleicher Intensität und mit gleicher Qualität gefördert werden müssen. Das ist die positive Entscheidung, die wir erst zu treffen haben, ehe wir dann gesetzliche Entscheidungen über irgendetwas anderes treffen.
Sie lösen das Pisa-Problem quantitativ, weniger Kinder in weiterführenden Schulen, das führt zu besseren Ergebnissen, diesen Weg hat uns Bayern schon vorgemacht! Natürlich hat die bayerische Hauptschule bessere Ergebnisse, wenn es weniger Gymnasien gibt. Ob das für die Kinder im Land insgesamt gut ist, will ich bestreiten, für die bayerischen Hochschulen bestimmt nicht, denn die importieren ihre Studenten aus anderen Bundesländern, weil sie nicht selbst im eigenen Land genug produzieren! Ich glaube, Herr Senator Lemke, wir können uns schnell wieder vereinen, wenn wir wirklich diesen Punkt in Angriff nehmen und die Schule so organisieren würden, dass alle Kinder die bestmögliche Förderung haben und Sie nicht dem Drängen der Union nachgeben, die in Wirklichkeit immer noch etwas anderes will. Manchmal verstehe ich, ehrlich gesagt, auch gar nicht, warum, aber das muss offensichtlich so sein. Herr Rohmeyer hat neulich in einer Diskussion, die ich mit ihm hatte, gesagt, das ist nun einmal das Programm der CDU, das müssen wir vertreten.