Damit die Ergebnisse, Forderungen et cetera nicht in Vergessenheit geraten, sollte in einer neuen Veranstaltung Jugend im Parlament auf alle Fälle über die Abarbeitung der alten Resolutionen berichtet werden. Ich kann das einmal an einem Beispiel deutlich machen. Ich finde diese Forderung der Jugendlichen, die auch in der Resolution niedergeschrieben ist, total richtig, denn vor einem Monat hat die große Koalition selbst einen Antrag gestellt. Wir haben vor zwei Jahren bei Jugend im Parlament beschlossen, dass es eine Bremer Jugendenquete geben soll, aber sie hat immer noch nicht ihre Arbeit aufgenommen, man hört nichts, also ist sie irgendwie ziemlich verstorben in der Verwaltung.
Vor einem Monat hat hier in der Bürgerschaft die große Koalition sich selbst aufgefordert, nun doch noch einmal als Regierung ein Konzept vorzulegen, wie das denn mit dieser Bremer Jugendenquete weitergehen soll. Dieser Bericht sollte hier eigentlich heute auf dem Tisch des Hauses liegen, und er liegt immer noch nicht vor. Deshalb finde ich es total richtig, dass die Jugendlichen fordern, dass hier einmal Klarheit hergestellt wird, was mit Forderungen passiert ist und wie sie abgearbeitet worden sind.
Das Ganze ist eigentlich eine ziemlich peinliche Nummer hier für das Parlament, besonders für die große Koalition und auch für den Senat, weil sie erst groß herumgetönt haben, dass sie das mit Begeisterung umsetzen wollen.
Mit unserem Antrag „Bessere Bildungschancen für alle Jugendlichen“ unterstützen wir die Resolution zum Thema Bildung in ganz weiten Teilen. Ein zentraler Leitgedanke von Jugend im Parlament 2002 war, dass Unterricht sich an dem einzelnen Jugendlichen oder an dem einzelnen Kind und seinen Fähigkeiten und Lerneigenschaften orientieren muss, dass es also darum geht, worüber wir hier sehr oft reden, um die individuelle Förderung aller Kinder. Damit fordert Jugend im Parlament 2002 ein ganz grundlegendes Umdenken in der Bildungspolitik: Alle Kinder müssen gefördert werden.
Eine wirkliche Förderung aller Kinder kann unserer Meinung nach aber nur dann umgesetzt werden, wenn drei Punkte erfüllt sind.
Erstens, Bildung beginnt im Kindergarten. Kinder sollen schon im Kindergarten unabhängig von sozialer Herkunft oder Begabung gefördert werden, denn hier liegen die Grundlagen für den Zugang zur Bildung. Seit langem fordert die Bürgerschaftsfraktion Bündnis 90/Die Grünen auch einen Bil
dungsplan für den Kindergarten. Hier hören wir, auch so etwas wird vorbereitet in der Verwaltung, aber aus unserer Sicht muss hier eindeutig mehr passieren und auch viel zügiger.
Zweitens die Forderung, über die wir uns auch heute und gestern hier schon einmal unterhalten haben: Bremen braucht Ganztagsschulen, nicht nur Ganztagsangebote, sondern echte Ganztagsschulen, die auch entsprechend ausgestattet sind, um Bildung, Erziehung und Freizeitangebote anbieten zu können, und das in guter Qualität.
Drittens, wir fordern den schrittweisen Aufbau einer sechsjährigen Grundschule für alle Kinder als Alternative zur Orientierungsstufe. Die Selektion nach Klasse vier lehnen wir als Bürgerschaftsfraktion entschieden ab.
Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen dieser Vorhaben ist die Autonomie von Schulen und Kindergärten. Im Rahmen bremenweiter oder sogar bundesweiter Zielvereinbarungen für Lernerfolge sollen Schulen und Kindergärten selbständig entscheiden können, mit welchen Methoden und mit welchen Pädagoginnen oder Pädagogen sie ihre Kinder fördern wollen. Eine wirtschaftliche Selbständigkeit ist dazu also völlig richtig und nötig. Das ist alles nicht zum Nulltarif zu haben, sondern wird Umsteuerungen in den Haushalten nach sich ziehen. Noch einmal die Fragen: Wo setzen wir welche Haushaltsschwerpunkte? Welchen Stellenwert räumen wir Bildung und Erziehung bei Haushaltsplanung ein? Wir teilen die Einschätzung der Jugendlichen, dass Geld für Bildung keine sinnlose Ausgabe ist, sondern eine Investition in die Zukunft ist. Das hat Jugend im Parlament ganz richtig und zentral formuliert.
Unser dritter Antrag beschäftigt sich mit dem Thema Juniorwahlen. Das ist eigentlich ein alter Antrag, der zurückkommt. Wir haben im Mai 2002 beantragt, dass bei der Bürgerschaftswahl 2003 Juniorwahlen an Bremer und Bremerhavener Schulen durchgeführt werden. Das sind symbolische Wahlen, es handelt sich wiederum nicht um eine echte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Es geht darum, dass demokratisches Handeln eingeübt wird, dass man kennenlernt, wie funktionieren eigentlich Wahlen, was schreiben Parteien in ihre Programme hinein, kann man die Aussagen der Parteien überprüfen. Jugendliche sollen also lernen, sich ernsthaft mit Politik auseinander zu setzen und zu überprüfen, was wird versprochen, und was wird gehalten. Das ist wichtig für diejenigen, die später hier einmal in unserer Gesellschaft das Ruder übernehmen müssen, dass sie sich kompetent mit Politik auseinander setzen können.
In den USA hat man das schon seit über zehn Jahren erfolgreich gemacht, daran haben schon 6000 Schulen teilgenommen. Es sind fünf Millionen Schülerinnen und Schüler dort erreicht worden, und man hat festgestellt, dass in besonders benachteiligten, also auch in bildungsfernen Schichten durch dieses Modell, Kids voting heißt das in den USA, auch die Wahlbeteiligung in den Schichten zugenommen hat, die nicht mehr wählen gegangen sind. An Bremer Schulen ist das schon zur Bundestagswahl 2002 an einigen Schulen auf eigene Kosten durchgeführt worden, und die Schulen, also die Lehrer und Schüler, haben berichtet, dass das eine total sinnvolle Sache war und Spaß gemacht hat. Die Ergebnisse sind veröffentlicht worden, und wir finden das total super, dass sich jetzt alle Bremer Ressorts mit der Finanzierung daran beteiligen, von Finanzen bis Inneres, die Beiräte, Soziales und Bildung. Wir finden es gut, dass die Landeszentrale für politische Bildung das Heft dabei in die Hand nimmt und das jetzt für 35 Schulen in Bremen und Bremerhaven umsetzen will.
Alles in allem kann man sagen, dass die Jugendlichen sich sehr ernsthaft mit Themen auseinander gesetzt haben, die sie selbst betreffen. Sie haben noch einmal eindrucksvoll formuliert, und ich finde, darüber sollten wir hier nicht als gewählte Parlamentarier einfach so hinweggehen, sie haben noch einmal ganz ernsthaft gefordert, dass sie beteiligt werden wollen, dass sie nach Beteiligungsmöglichkeiten suchen. Es ist auch an uns, dass wir die Kinder und Jugendlichen hier in das Parlament einladen und dass wir selbst dort hingehen, wo Kinder und Jugendliche sind, das Gespräch suchen und auch unsere eigene Politik prüfen, inwieweit wir überhaupt Politik für Kinder und Jugendliche im Land Bremen machen oder ob wir nicht schon völlig abgehoben aus Erwachsenensicht hier jetzt irgendwie nur noch Straßen planen und irgendwelche Space-Parks oder sonst welche Parks eröffnen. Ich sage das einmal ganz bewusst.
Jugendliche sind schon erstaunt, mit welcher Leichtigkeit manchmal in einer Minute in den Wirtschaftsförderungsausschüssen 40 Millionen Euro für dies und das bewilligt werden, aber wie lange um 50 000 Euro für Skateranlagen hier in der Stadt gestritten werden muss.
Das können sich auch die Herren der CDU einmal kräftig an ihr Revers heften, dass auch sie gefordert sind, weil sie auch von Eltern gewählt werden, die Kinder und Jugendliche haben. Unsere Gesellschaft kann nur zukunftsfähig sein, wenn wir eben diese Kinder und Jugendlichen auch einbeziehen und ihnen die Möglichkeit geben, hier das Ruder in die
Hand zu nehmen. Wenn wir da immer auf unseren Plätzen kleben bleiben, werden wir keine Nachfolgerinnen und Nachfolger finden. Das ist jetzt an dieser Stelle meine persönliche Meinung.
Jugend im Parlament ist sinnvoll. Ich hoffe, dass Sie unsere Anträge unterstützen, und ich möchte noch einmal dafür plädieren, dass in der nächsten Legislaturperiode Jugend im Parlament fortgeführt wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Stahmann, ich habe ein bisschen das Gefühl, wenn Sie sich verheddern, dann halten Sie sich an flachen populistischen Sprüchen fest!
(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Abg. S c h r a m m [Bündnis 90/Die Grünen]: Wo hat sie sich denn verheddert?)
Jugend im Parlament jedenfalls, meine Damen und Herren, ist zum zweiten Mal durchgeführt worden und ist wiederholt, nach meiner Einschätzung jedenfalls, eine sehr erfolgreiche Geschichte gewesen, weil es eine erhebliche Beteiligung gegeben hat und weil man auch anhand der Resolutionen erkennen kann, dass es bei den Jugendlichen sehr ernsthafte Diskussionen gegeben hat und dabei Ergebnisse vorliegen, mit denen wir auch politisch weiterdiskutieren können.
Ich sage aber ganz deutlich, das sind Ergebnisse, mit denen wir weiterdiskutieren können, die wir hier nicht eins zu eins beschließen können, denn, das hat Frau Stahmann vorhin deutlich gemacht, Jugend im Parlament ist ein Mittel, um politische Bildung fortzuführen und weiterzuentwickeln, und ist kein Mittel der echten politischen Beteiligung von Jugendlichen.
Das muss man deswegen ganz deutlich sagen, weil wir genau diese Diskussion auch schon an anderer Stelle geführt haben, dass es auch die politische Forderung gibt, dass man über Wahlen die Mandate für Jugend im Parlament vergibt und dass man dann sehr stark den Eindruck hat, dass die Jugendlichen hier auch de facto wirklich Dinge bestimmen können. Das können sie objektiv nicht, denn Jugend im Parlament, das ist eben so, das muss man auch deutlich sagen, ist kein Mittel, um die politischen Kräfte––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
verhältnisse hier in diesem Hause zu ändern, sondern ist ein Mittel, mit dem die Jugendlichen bestimmte parlamentarische Diskussionen und Verfahrensweisen erproben können, um ihre eigenen Positionen auch sehr deutlich gegenüber uns als Parlament, aber auch gemeinsam in Diskussionen mit uns zum Ausdruck bringen zu können, und das haben sie auch sehr gut gemacht.
Insgesamt sind von Jugend im Parlament sechs Resolutionen vorgelegt worden, und ich möchte hier zu einigen dieser Resolutionen einfach noch einmal Stellung nehmen. Ich möchte aber vorab noch einmal ganz deutlich sagen, dass aus meiner Sicht das Haus der Bürgerschaft von dieser Aktivität sehr profitiert hat.
Jugend im Parlament ist für dieses Haus auch insofern ein Erfolg, als es der Profilbildung Möglichkeiten gibt, nämlich zu zeigen, dass dieses Haus ein öffentlicher Raum sein soll, in dem politische Debatte nicht nur von Parlamentariern im Elfenbeinturm stattfindet, sondern dass auch andere hier diskutieren sollen und dass das dringend erwünscht ist.
Für die Jugendlichen ist das nach meiner Einschätzung allerdings auch durchaus eine erfolgreiche Möglichkeit, uns in einer Weise mit Themen zu konfrontieren, wie die Möglichkeit sonst oft nicht gegeben ist, und darüber habe ich mich auch sehr gefreut.
Es gibt die Kritik, beispielsweise der Gesamtschülervertretung und anderer Gruppen, dass solch eine Veranstaltung keine Alternative zu anderen Politikangeboten ist und dass es sich um eine Alibiveranstaltung handelt. Dieser Vorwurf ist öfter formuliert worden. Ich halte diesen Vorwurf aus folgendem Grund für nicht gerechtfertigt, das möchte ich ganz deutlich sagen: Wir haben hier den Rahmen deutlich formuliert, wie Jugend im Parlament zu funktionieren hat. Das ist von Jugendlichen so auch aufgenommen worden, und wir haben zu keinem Zeitpunkt deutlich gemacht, dass auf jeden Fall alle Beschlüsse übernommen werden, sondern wir haben immer deutlich signalisiert, wir werden diese Resolutionen diskutieren, und das ist in den Ausschüssen auch sehr detailliert gemacht worden. Die Zusammenfassungen sind uns auch vorgelegt worden, und sie sind wirklich sehr intensiv beraten worden, für den Jugendhilfeausschuss und die Sozialdeputation kann ich das sehr deutlich sagen.
Ich möchte jetzt zu einigen Positionen noch einmal Stellung nehmen. Das Erste ist, Frau Stahmann hat es auch noch einmal deutlich gesagt, sie ist der Meinung, dass der Bereich Bildung in die Begrifflichkeit der investiven Ausgaben aufgenommen werden soll, weil das auch einfach gerechtfertigt ist. Po
litisch besteht doch in dem Zusammenhang für uns das Problem, dass wir als Land Bremen, was die Länderfinanzen betrifft, mit einem anderen Investitionsbegriff konfrontiert werden. Wir können einen Investitionsbegriff nicht selbst einfach erklären, sondern er ist definiert, dass das Maßnahmen sind, die die Finanzkraft und die Steuerkraft des Landes Bremen stärken. Das sind Investitionen.
(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist nun wirklich nicht die rich- tige Definition!)
Deswegen ist es sehr schwierig, für den Bildungsbereich solche unmittelbaren Wirkungen vorzunehmen. Deshalb sagen wir ganz deutlich, Bildung muss ein politischer Schwerpunkt werden, auch wenn Bildung zu konsumtiven Ausgaben führt, wird sie auch in der nächsten Legislaturperiode, wie schon in dieser Legislaturperiode, finanzpolitisch gesehen, eine deutliche Schwerpunktsetzung der großen Koalition für diese Saison bilden, das ist klar, für die SPD für die nächste Legislaturperiode auch!
Ich möchte hier noch zu einigen anderen Punkten Stellung nehmen. Frau Stahmann hat im Hinblick auf die Beteiligung deutlich gemacht, die Jugendenquete ist dringend notwendig. Wir haben die Jugendenquete in dieser Legislaturperiode nicht geschafft, das ist wahr. Wir haben in der letzten Sitzung der Bürgerschaft darüber diskutiert, in der nächsten Legislaturperiode wird die Bremische Bürgerschaft als Parlament selbst eine solche Jugendenquete durchführen, weil es nach meiner Einschätzung darum geht, dass wir versuchen müssen, Wege zu finden, eine bessere Beteiligung von Jugendlichen zu schaffen.