Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Sie haben zu langsam gelesen!)

Gleichwohl sind in dieser Debatte aus meiner Sicht zwei ganz wesentliche Zahlen bisher nicht genannt worden. Aus der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit geht hervor, dass im Monat März dieses Jahres 38 823 Menschen in Bremen und Bremerhaven ohne Arbeit waren. Von den 38 823 Menschen sind 3846 unter 25 Jahren alt. Ich finde – und das ist die Auffassung der CDU-Fraktion, die sich auch wie ein roter Faden durch unseren Generalantrag zieht –, dass es die wichtigste Aufgabe für Politik in Bremen und Bremerhaven ist, diesen Menschen wieder die Möglichkeit zu geben, von ihrem eigenen Einkommen ohne staatliche Hilfe und ohne staatliche Subventionen zu leben.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen haben wir mit unseren Einlassungen zum Haushalt schon in der ersten Lesung, aber auch heute, sehr viel Wert darauf gelegt, dass Bremen nicht nachlassen darf, den Strukturwandel, den wir mühsam und kostspielig, auch mit Fehlern, aber im Wesentlichen erfolgreich, für Bremen und Bremerhaven begonnen haben, eben nicht abzubrechen, sondern fortzusetzen. Das ist die Hauptkritik der CDU-Fraktion am vorliegenden Entwurf des Haushalts.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt in dieser Zahl 38 823 Licht und Schatten. Der Schatten ist, dass 38 823 Menschen in Bremen und Bremerhaven und ihre Familien und Angehörigen keinen Arbeitsplatz haben und nicht von ihrem eigenen Einkommen leben können. Es gibt aber auch gute Nachrichten, die diese Zahl beinhaltet. Vor einem Jahr beispielsweise waren es noch rund 10 Prozent mehr, sowohl bei der Gesamtzahl der Arbeitslosen als auch bei der Zahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren. Dies zeigt doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die großen sozialen Unwuchten in unserem Land nur dadurch beseitigt werden können, dass die Regierung alles daran setzt, Arbeitsplätze zu schaffen und Menschen in die Lage zu versetzen, von ihrem eigenen Einkommen zu leben. Das ist und bleibt die wichtigste Aufgabe Bremer Politik!

(Beifall bei der CDU)

Dort sind in den letzten Jahren zahlreiche Anstrengungen unternommen worden, mit viel Geld, das gebe ich an dieser Stelle zu, aber auch nur deswegen mit viel Geld, weil über viele Jahre vorher der dringend notwendige Strukturwandel in Bremen und Bremerhaven verschlafen worden ist.

Bremen und Bremerhaven hatten einen Nachholbedarf an Investitionen,

(Beifall bei der CDU)

um in die Lage versetzt zu werden, Schritt zu halten mit der Entwicklung im Bund und in anderen Ländern. Meine große Sorge und die große Sorge der CDU-Fraktion ist, dass durch den Stillstand dieser Regierung in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik eben genau ein solcher Rückschritt wieder erreicht wird, den wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten teuer bezahlen müssen, wenn wir den Strukturwandel nicht weiter aktiv in die Hand nehmen in den beiden Städten unseres Landes.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb und nur deshalb halten wir es für unverzichtbar, dass auch weiter in die wirtschaftliche Prosperität unserer Häfen, unserer Raumfahrtindustrie, unserer Automobilindustrie, in die lebhafte Entwicklung, in den Mittelstand in Bremen und Bremerhaven investiert wird. Dort entstehen die Arbeitsplätze, dort wird das Einkommen der Menschen generiert und nicht im Staatshaushalt! Das ist die Auffassung der CDU-Bürgerschaftsfraktion, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Genauso ist es!)

Deswegen müssen Investitionen angeregt werden! Wir halten es für völlig unvertretbar, dass in den nächsten beiden Jahren, nach den großen Expansionsschritten, die wir in der Entwicklung insbesondere des stadtbremischen Überseehafengebietes in Bremerhaven unternommen haben, jeweils null Euro investiert werden soll in die Leistungsfähigkeit unserer Häfen. Sie gefährden mit diesen beiden Nullrunden zahlreiche Arbeitsplätze in Bremen und Bremerhaven, meine Damen und Herren, und das finde ich fahrlässig!

(Beifall bei der CDU – Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Fal- sche Zahl! Die Nullrunde ist eine Lüge!)

Diese Zahl von 38 823 arbeitslosen Menschen macht aber weiteren Handlungsbedarf in unserem Haushalt erforderlich – 38 823 ist eine richtige Zahl, Herr Dr. Güldner! –, macht weitere Handlungserfordernisse in unserem Haushalt sichtbar. Erstens müsste sich, wenn sich die Arbeitslosigkeit verringert, natürlich auch die Anzahl derjenigen, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, reduzieren. Gleichwohl schreibt diese Regierung kritiklos die Fallzahlen und die Höhe der Sozialausgaben der vergangenen Jahre fort. Sozial scheint für diese Regierung zu sein, möglichst viel Geld zu verteilen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD-Fraktion und vom Bündnis 90/Die Grünen, es ist nicht sozial, möglichst viel Geld zu verteilen, es ist sozial, dafür zu sorgen, dass die Menschen mit möglichst wenig staatlichem Geld auskommen und ihr Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich führen können!

(Beifall bei der CDU)

Das ist die große Aufgabe von Politik. Deswegen sage ich, die Schwerpunktsetzung in die Alimentation sozialer Armut in Bremen und Bremerhaven ist eine falsche Schwerpunktsetzung! Wir wollen den Menschen Arbeit geben.

(Beifall bei der CDU)

Das ist die Aufgabe, die die Politik in den nächsten Jahren beschreibt.

Was genauso wichtig ist, ist, dass wir den Menschen, die in Bremen und Bremerhaven wohnen, Arbeit verschaffen. Sie kürzen bei den Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose. Das führt dazu, dass, wenn der konjunkturelle Aufschwung in Deutschland weitergeht, was wir alle hoffen, und dass, wenn Bremen und Bremerhaven teilhaben können an diesem konjunkturellen Aufschwung, die Arbeitsplätze, die in Bremen und Bremerhaven neu entstehen, eben nicht von unseren Landeskindern in Anspruch genommen

werden können, sondern, wie es sich in den letzten Monaten schon gezeigt hat, zunehmend von Menschen, die von außerhalb Bremens kommen, eingenommen werden. Wir wollen, dass Bremer und Bremerhavener in ihren eigenen beiden Städten wieder Arbeit finden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Das beseitigt die sozialen Unwuchten in unseren beiden Städten. Deswegen kann man über die Verstärkungsmittel, die Sie einsetzen im Sozialbereich, viel miteinander reden. Wir werden das nachher ja in den einzelnen Runden auch noch im Einzelnen erörtern und debattieren. Ich will es nur an einem kleinen Beispiel deutlich machen, weil Sie ja immer wieder versuchen, den Eindruck zu erwecken, die CDUFraktion würde die Sozialausgaben als Steinbruch sozusagen von Haushaltskonsolidierung begreifen.

Ich will in dem Zusammenhang nur darauf hinweisen, dass Herr Staatsrat a. D. Dr. Knigge, der viele Jahre die Sozialpolitik in Bremen und Bremerhaven begleitet hat, übrigens für die SPD-Fraktion, auch viele gute Debattenvorbereitungen getroffen hat, zu dem Ergebnis kommt, dass eben gerade nicht die Große Koalition eine soziale Kälte ausgebreitet hat, sondern die Große Koalition eine Neubestimmung vorgenommen hat in der Sozialpolitik, die wieder zu mehr Eigenverantwortung und Stärkung von Eigeninitiative und zu weniger staatlicher Alimentation geführt hat, meine Damen und Herren. Das war der Weg der Großen Koalition, und der war richtig! Unsere große Sorge ist, dass Sie diesen Weg jetzt wieder verlassen werden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. D r. S i e l i n g [SPD])

Ich will Ihnen dazu ein Beispiel nennen, Herr Dr. Sieling! Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal beim Verein „Rückenwind“ in Bremerhaven gewesen sind. Das ist ein gemeinnütziger Verein, der Kindern, die zu Hause nicht ordnungsgemäß mit Essen versorgt werden, ein kostenloses Mittagessen zur Verfügung stellt. Das ist ein Problem, das Sie aufgreifen wollen als Koalition, aber aus unserer Sicht ordnungspolitisch völlig falsch aufgreifen. Ich will das einmal sagen: Die Einrichtung wird besucht von 15 bis 40 Kindern. Im Land Bremen, sage ich einmal, sind es vielleicht 200 oder 250 Kinder, deren Eltern nicht dafür sorgen, dass die Kinder jeden Tag ein warmes Mittagessen bekommen, meine Damen und Herren!

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Die Möglichkeit geben!)

Sie wollen jetzt allen 2000 Kindern, die zurzeit nicht an einem staatlichen Mittagessen teilnehmen und so

ziale Transferleistungen bekommen, ein kostenloses Mittagessen geben, und das, obwohl die überwältigend große Mehrheit der Eltern dieser Kinder für ihre Kinder und das Wohlergehen ihrer Kinder und das Essen der Kinder selbst sorgt. Das ist der falsche Ansatz. Allen etwas zu geben, weil es einigen fehlt, ist keine Sozialpolitik!

(Beifall bei der CDU)

Denen zu helfen, denen etwas fehlt, das ist wirklich begriffene und verstandene Sozialpolitik, und das ist die Politik der Union. Wir wollen, dass Kinder keinen Hunger leiden müssen, wir wollen denen helfen, die von ihren Eltern nicht richtig versorgt sind, aber wir wollen kein flächendeckendes kostenloses Mittagessen. Das ist Aufgabe der Eltern, und viele Eltern nehmen diese Aufgabe sehr ernst und sehr gewissenhaft wahr, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. D r. S i e l i n g [SPD])

Das ist die Wahrheit unserer unterschiedlichen Politikansätze! Sie wollen verteilen, und wir wollen helfen. Das ist der unterschiedliche Ansatz in der Sozialpolitik. Das hat mit sozialer Kälte nichts zu tun, Herr Dr. Sieling!

(Beifall bei der CDU)

Ich bin der festen Überzeugung, dass das Geld, dass Sie für das kostenlose Mittagessen auch der von ihren Eltern nicht vernachlässigten Kinder ausgeben, dass dieses Geld zusätzlich in der Bildung investiert wesentlich besser angelegt wäre. Eine Ganztagsschule mehr, meine Damen und Herren, in einem sozial benachteiligten Stadtteil würde den Kindern eine größere Zukunftschance eröffnen als ein kostenloses Mittagessen in einer staatlichen Betreuungseinrichtung. Das sind unsere Aufgabe und unsere Auffassung in der CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Nicht Aufgabe, das ist Zynismus!)

Womit wir bei einem weiteren Thema sind, an dem wir glauben, dass die rot-grüne Regierung einen völlig fehlgeleiteten Weg in der künftigen Regierungspolitik geht, die Bildungspolitik! Sie haben sich in der Koalition darauf verständigt, und den Haushaltsplänen ist es auch zu entnehmen, dass Sie die Kinder immer länger verpflichtend gemeinsam unterrichten wollen. Ich halte das für den falschen Weg! Wir werden in dem Unterausschuss der Bildungsdeputation noch sehr lebhaft darüber zu streiten haben.

Ich sage Ihnen ganz deutlich heute: Die Kinder, insbesondere aus sozial benachteiligten Familien, ha

ben nur dann eine Chance auf einen ihren Begabungen und Leistungen entsprechenden Bildungsabschluss, wenn sie nicht gleichgesetzt werden mit allen anderen Kindern, sondern wenn ihre individuellen Begabungen und Neigungen erkannt und auch gefördert werden. Das geht eben nur in einem gegliederten Schulsystem

(Beifall bei der CDU)

und nicht in einer einheitlichen Gesamtschule, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Deswegen wird die CDU-Fraktion diese Rückkehr in die Bildungspolitik der siebziger Jahre, die zu dem schlechten Abschneiden unserer Schülerinnen und Schüler in Vergleichsuntersuchungen, aber eben auch dazu geführt hat, dass es Bremer Kindern aus sozial benachteiligten Familien wesentlich schlechter geht als den Kindern in den Ländern, in denen es noch gegliederte Schulsysteme gibt, nicht unterstützen. Die gleichmacherische Gesamtschule ist keine Antwort auf die sozialen Probleme von Kindern in unserem Land!

(Beifall bei der CDU)

Ein gegliedertes Schulsystem ist die richtige Antwort! Deswegen sagen wir: Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten sehr intensiv auch öffentlich darauf hinweisen, dass die CDU-Fraktion die Partei, die parlamentarische Kraft ist, die weiterhin auf eine begabungsgerechte, nicht gleichmacherische, den einzelnen Fähigkeiten entsprechende Bildungspolitik Wert legt. Weil Kinder unterschiedlich sind, muss Schule eben auch unterschiedlich sein, man kann sie nicht alle in einen Klassenraum einsperren und gemeinsam unterrichten. Das führt nicht zu gerechten Bildungschancen.

(Beifall bei der CDU)

Insoweit will ich an dieser Stelle allerdings auch sagen, dass wir den Kurs der rot-grünen Regierung, einen Schwerpunkt in der Bildungspolitik zu setzen, nachhaltig unterstützen. Wir haben bereits auch in unserer Regierungszeit gemeinsam mit den Sozialdemokraten festgelegt, dass jede frei werdende Lehrerstelle wiederbesetzt werden muss. Wir sind der festen Auffassung, dass der demografische Wandel, die zurückgehenden Schülerzahlen die Chance dafür bieten, bei kontinuierlichen Bildungsausgaben in die Zukunft der Kinder durch kleinere Klassen, individuellere Förderung, zusätzliche Bildungsangebote, mehr Unterricht zu schaffen. Das ist der richtige Weg! Den gestalten wir konstruktiv mit, meine Damen und Herren, aber nicht den Weg in die gleichmacherische Gesamtschule.

Ich will abschließend in dieser ersten Runde sagen, dass unsere Kernkritik darauf zielt, dass diese Koa

lition von Rot-Grün den Weg für Wirtschaftsstabilität und Wachstum und damit für die Schaffung von Arbeitsplätzen in unserem Bundesland verlässt. Sie vergibt damit die einmalige Chance, dass wir endlich die Rendite auf das bekommen, was wir in den letzten zwölf Jahren investiert haben. Die sprudelnden Steuermehreinnahmen sind doch noch nicht das Ergebnis von Resignation, sondern sie sind das Ergebnis von Prosperität und einer erfolgreichen Sanierungsstrategie der Großen Koalition in den letzten zwölf Jahren, meine Damen und Herren!