(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Im Gegensatz zu Ihnen haben wir Unterschriften gesammelt!)
Dieser Meinung sind Sie gefolgt, und heute nehmen wir das einfach einmal wieder vom Tisch. Danke schön!
Meine Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen, meiner Meinung nach haben Sie heute Ihr wahres Gesicht gezeigt. Zwar fordern Sie öffentlich mehr Demokratie, mehr Bürgerbeteiligung und ein neues Wahlrecht. Aber mit diesem Antrag haben Sie eigentlich ganz anderes Gedankengut dargestellt. Meine Damen und Herren, ich wiederhole, Sie haben Ihre Wurzeln verloren. Ich frage Sie: Ist das nun die neue Politik, mit der die Bürgerinnen und Bürger hier in diesem Lande rechnen müssen? Meiner Meinung nach sind Sie anscheinend an dem Ziel, das heißt Regierungsbeteiligung, orientiert. Das hatten Sie ja auch gerade angeschnitten. Wir, die Linke, sprechen uns ausdrücklich für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung aus!
Das muss von der CDU kommen! Bereits positives Erreichtes wollen Sie hier einfach vom Tisch wischen, einfach unglaublich! Meine Damen und Herren, Die Linke, wird selbstverständlich gegen diesen gemeinsamen Antrag stimmen und fordern zusätzlich nach Paragraf 57 Absatz 3 eine namentliche Abstimmung! – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, ja, das kann man so sagen, Herr Röwekamp! Herr Ehmke, die Gründe und Ihre Bedenken, die Sie vorhin geäußert haben, haben Sie doch schon vorher gewusst, als Sie für die Abschaffung der Fünfprozenthürde gewesen sind. Herr Müller, die Grünen haben nicht heute ihr wahres Gesicht gezeigt, dieses Gesicht hatten sie schon immer! Diese Koalition von SPD und ausgerechnet Bündnis 90/Die Grünen will also still und heimlich mit ihrem Dringlichkeitsantrag gegen ihre damaligen Versprechungen völlig undemokratisch und gegen den Willen vieler Bürgerinnen und Bürger die Wiedereinführung der Fünfprozentklausel in Bremerhaven rigoros durchpeitschen, koste es, was es wolle. Muss ich Sie denn schon wieder einmal daran erinnern, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht?
Meine Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen, ich kann mich noch sehr genau erinnern, wie Sie hier im Landtag mit großartigen Sprüchen und leeren Versprechungen von mehr Demokratie und mehr Bürgernähe gefaselt haben und wie Sie sich hier im Landtag noch nicht als Regierungspartei, sondern als sogenannte Opposition für die Abschaffung der Fünfprozenthürde in Bremerhaven starkgemacht haben. Daran kann ich mich noch sehr genau erinnern. Daran erkennt man eindeutig die Unehrlichkeit Ihrer politischen Aussagen, die Unehrlichkeit Ihrer Politik insgesamt. Meine Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen, dass Sie, ausgerechnet Sie, jetzt mit diesem Antrag einen Rückzieher machen, ist an Scheinheiligkeit, an Unehrlichkeit nicht mehr zu überbieten. Tatsache ist doch, kaum sind Sie an der Macht, werfen Sie Ihre Grundsätze skrupellos über den Haufen.
Meine Damen und Herren, es wurden allein in Bremerhaven weit über 9000 Unterschriften für die Abschaffung der Fünfprozenthürde mühevoll gesammelt. Hierfür meinen allerherzlichsten Dank an den Verein „Mehr Demokratie“ für seine mühevolle und uneigennützige Arbeit für wirklich mehr Demokratie!
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat der Verein nicht verdient, das ist ein super Verein, das hat er nicht ver- dient!)
Jetzt sage ich in aller Deutlichkeit, Ihr ach so hochgelobter Willy Brandt, SPD, hat einmal Ihren vielzitierten Spruch „Mehr Demokratie wagen“ gesagt, davon merke ich heute bei der SPD nicht mehr viel. Im Gegenteil, Sie alle haben große Angst vor mehr Demokratie, Sie alle haben große Angst vor dem Willen der Bürgerinnen und Bürger!
Der Wille von weit mehr als 9000 Bremerhavener Bürgerinnen und Bürgern ist klar, der Wille des Vereins „Mehr Demokratie“ ist klar. Diese klaren und eindeutigen Aussagen und der Wille der Bürgerinnen und Bürger sind uneingeschränkt zu respektierten. Aus diesem Grund lehne ich den respektlosen, durchschaubaren und undemokratischen Dringlichkeitsantrag ausgerechnet von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Interesse von wirklich mehr Demokratie und zum Wohl der Bremerhavener Wählerinnen und Wähler ab, die da diesen Antrag unterschrieben haben. Ich rate Ihnen dringend, endlich die Bürgerinteressen wirklich ernst zu nehmen, sie zu respektieren und danach zu handeln! Machen Sie als sogenannte demokratische Partei endlich Schluss mit der groben Missachtung des Bürgerwillens, reden Sie hier nicht nur über Demokratie, sondern handeln Sie auch danach!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Man kann sich ja nicht immer aussuchen, nach wem man in diesem Haus spricht, aber eines lassen Sie mich sagen, lieber Herr Tittmann, ich möchte nicht wissen, wie es um die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an unserem demokratischen Gemeinwesen aussehen würde, wenn Sie hier etwas zu sagen hätten.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, auch die Liberalen sind sehr erstaunt über den Dringlichkeitsantrag der Koalitionsfraktionen. Bisher sind wir immer davon ausgegangen, dass es insbesondere den Grünen mit der Stärkung von Mitwirkungsrechten der Bürgerinnen und Bürger wirklich ernst ist, und so habe ich auch den Redebeitrag des Kollegen Dr. Kuhn bei der Einsetzung des bestehenden Ausschusses verstanden. Bisher, muss man sagen, hatte ich zumindest auch
keine Zweifel daran, dass Sie das auch wirklich ernst meinen. Der Wunsch und die Bereitschaft der Bevölkerung nämlich, sich aktiv für das Gemeinwesen einzusetzen und an seiner Ausgestaltung mitzuwirken, sind doch ziemlich ungebrochen groß. Das sieht man ja auch an der Beteiligung an Initiativen und Ähnlichem mehr, gerade auch im Bereich der Volksgesetzgebung, wo wir ja auch Verbesserungen gemeinsam schaffen wollen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, im zuständigen Ausschuss der Bremischen Bürgerschaft wird ja gerade über diese Fragen sehr detailliert beraten, und hier geht es um die Etablierung von direktdemokratischen Instrumenten, die die Mitwirkung von Bürgerinnen und Bürgern an politischen Entscheidungen ermöglichen beziehungsweise erheblich verbessern sollen. Auch die Grünen haben sich daran aktiv und intensiv beteiligt. Ich muss schon sagen, es ist sehr enttäuschend, dass sie sich in der Koalition offenbar nicht durchsetzen konnten, und die Rede ihres Fraktionsvorsitzenden war hier ja auch sehr ehrlich, erschreckend ehrlich, fand ich, dass es nämlich ein Geben und Nehmen ist.
Nur das genau, denke ich, verstehen Bürgerinnen und Bürger bei solch elementaren Fragen dann eben manchmal auch nicht.
Da müssten Sie aus unserer Sicht schon zumindest einmal ein inhaltliches Argument bringen, das sind Sie uns hier heute weitgehend schuldig geblieben. Der hier zur Abstimmung stehende Dringlichkeitsantrag macht bisherige grüne Politik zum Thema Bürgerbeteiligung nun vollständig unglaubwürdig. Ich weiß nicht, warum Sie sich dieses Themas so einfach und schlank hier entledigen. Ich muss Ihnen sagen, das finde ich schon ziemlich armselig, aber nun gut, das müssen Sie selbst wissen.
In einigen Punkten will ich das kurz skizzieren: Wir fragen uns, warum die Eile? Kurz vor der Sommerpause soll nun diese Änderung des Wahlgesetzes hier ziemlich unauffällig über die Bühne gebracht werden.
(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Vor Weihnach- ten wäre auch eilig! – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Haben Sie verstanden, was wir gesagt haben?)
Der Kollege Ehmke hat ja schon das Zitat „heimlich, still und leise“ vom Verein „Mehr Demokratie“ be
nannt, wir stehen voll dahinter, auch aus unserer Sicht ist das völlig unnötig, diesen Antrag jetzt hier einzubringen. Er konterkariert, das merken Sie doch selbst, Ihre eigene Politik, die bisher ja vielleicht bei manchen sogar noch ganz gut angekommen ist in diesem Bereich, nämlich mehr Bürgerbeteiligung zu wollen. Das steht doch dem diametral entgegen, was Sie eigentlich wollen. Zutreffend, wie ich meine, hat „Mehr Demokratie“ dies auch gerügt, und dem schließen wir uns an.
Das, was die Regierungsfraktionen hier machen, ist nicht in Ordnung, das Verhalten, das die Grünen in ihren Oppositionszeiten zu Recht aufs Schärfste kritisiert haben, wenden sie nun selbst, seitdem sie in der Regierung sind, genauso an. Ich muss Ihnen sagen, das finden wir schon etwas merkwürdig, dass Sie so schnell in die Regierung hineingefunden haben und sich alle negativen Angewohnheiten einer Koalitionsfraktion hier angewöhnt haben.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die rot-grüne Koalition meidet die politische Auseinandersetzung in den zuständigen Gremien und versucht, unter Missachtung der Rechte der Opposition einmal mehr mit ihrer Mehrheit ihrer Auffassung hier zur Durchsetzung zu verhelfen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie haben die falsche Rede! Ha- ben Sie verstanden, dass wir Überweisung in den Wahlrechtsausschuss beantragt ha- ben?)
Wir können gern noch darüber sprechen. Nur, die Frage ist, warum haben Sie denn nicht am Anfang erst einmal den Hinweis gegeben, dass Sie dies auch wollen? Ich finde, Sie hätten das sehr gut und klar am Anfang sagen können, dass Sie das unter Reform des Wahlrechts verstehen.
Nein, im letzten Jahr haben Sie dazu ganz anders gesprochen, da haben Sie auch ganz andere Themen benannt!
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber dass wir in die Gremien über- weisen, haben Sie verstanden?)
Das haben wir verstanden, und dem werden wir genauso wenig zustimmen wie dem Antrag in der Sache selbst.
Zum Beispiel hätten Sie vor zwei Wochen die Möglichkeit gehabt, auch mit „Mehr Demokratie e. V.“ über dieses Thema zu sprechen. Die Veranstaltung haben Sie abgewartet, und dann sind Sie hier mit diesem Vorschlag aufgewartet. Ich will auch ganz klar sagen, ich möchte noch einmal an das erinnern, was das Bundesverfassungsgericht am 13. Februar zur Fünfprozentklausel in Schleswig-Holstein wirklich gesagt hat. Da stellt der zweite Senat unmissverständlich fest, die Fünfprozentklausel im schleswig-holsteinischen Kommunalwahlgesetz bewirkt ein Ungleichgewicht der Wählerstimmen! Das ist die Hauptaussage dieses Urteils gewesen und nichts anderes. Sie können hier nicht das Gegenteil behaupten.
Die Stimmen werden hinsichtlich ihres Erfolgswertes ungleich behandelt, je nachdem, ob die Stimme für eine Partei abgegeben wird, die mehr als fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, oder für eine Partei, die an der Fünfprozentsperrklausel gescheitert ist. Auch nimmt das Gericht Bezug auf Erfahrungen in anderen Bundesländern, und es stellt fest: „Schwerwiegende Störungen der Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen auch ohne Fünfprozentsperrklausel sind nicht benannt.“ Das sind eigentlich die Inhalte dieses Urteils, und diese Verdrehung, die Sie hier versuchen, finde ich nun absolut daneben. Das Urteil besagt das Gegenteil von dem, was Sie hier zu unterstellen versuchen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die ganze Literatur spricht von der Unterscheidung zwischen Flächenstaaten und Stadtstaaten! Haben Sie das gelesen?)