Protokoll der Sitzung vom 10.09.2008

Als Erste hat das Wort die Abgeordnete Frau Cakici.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

mit meiner Rede beginne, möchte ich Ihnen heute noch etwas vorweg erzählen: Heute Mittag bekam ich einen Anruf, es war der türkische Botschafter aus Berlin, der unsere Initiative zum Einbürgerungstest und ihre Bedeutung für die Migrantinnen und Migranten in Deutschland lobte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle hatten während der Mittagspause die Möglichkeit zu testen, ob Sie den deutschen Pass bekommen würden, wenn Sie noch keinen hätten. Ich hoffe, dass Sie diese Chance genutzt haben, Ihre Kenntnisse unter Beweis zu stellen. Dann werden Sie auch festgestellt haben, dass der Einbürgerungstest anmaßend, diskriminierend und menschenverachtend ist. Der Test ist ein Instrument der Ausgrenzung und Auslese und muss deshalb abgelehnt und abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich begründe Ihnen das. Erstens: Der Einbürgerungstest signalisiert Menschen mit Migrationshintergrund Ablehnung. Er ist eine weitere Hürde auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft und löst ein fatales Signal aus. In Deutschland leben rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, 7 Millionen von ihnen sind von der politischen Teilhabe ausgeschlossen, weil sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Die Tendenz hin zu einer Festung Deutschland nimmt noch weiter zu. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Einbürgerungen um circa 40 Prozent zurückgegangen.

Dieser Trend wird sich durch die Einführung des Einbürgerungstests noch weiter verstärken. Man fragt sich, was damit bezweckt werden soll! Weder der Fachkräftemangel noch demografische Probleme können mit einer solchen Strategie bekämpft werden. Im Gegenteil, benötigte Fachkräfte werden abgeschreckt und Migrantinnen und Migranten werden auf ihre Funktion als steuerzahlende Arbeitskräfte allein nach dem wirtschaftspolitischen Bedarf reduziert.

Zweitens: Auch integrationspolitisch ist der Einbürgerungstest unbrauchbar, sogar schädlich. Einbürgerung ist weder Anfang noch Ende erfolgreicher Integration, sondern sie sollte ein zentrales Instrument sein. Einbürgerung verkörpert und ermöglicht die rechtliche Einbeziehung von Migrantinnen und Migranten, sie beschert ihnen nicht nur Pflichten, sondern sie gewährt ihnen vor allem Rechte. Diese Einbeziehung und Aufnahme in die Mitte der Gesellschaft erzeugt ein positives Gefühl der Zugehörigkeit.

Dass dieses positive Gefühl auch positive Effekte hat, zeigt der Integrationsbericht aus NordrheinWestfalen. Er belegt, dass eingebürgerte Migrantinnen und Migranten teilweise sogar erfolgreicher als deutsche Mitbürger sind. Zwar nehmen tendenziell eher Migranten mit hohem Bildungsniveau die deutsche Staatsbürgerschaft an, doch durch den Einbür

gerungstest werden die Migrantinnen und Migranten mit niedrigem Bildungsstand noch weiter ausgegrenzt und die migrantische Bildungselite bevorzugt.

Ich werde dies an einem Beispiel konkretisieren. Von der Pflicht des Einbürgerungstests sind einige Personengruppen befreit, dazu gehören diejenigen, die einen deutschen Schulabschluss haben. Ich frage mich ernsthaft, ob Innenminister Schäuble bedacht hat, dass 17,5 Prozent der hier lebenden nichtdeutschen Jugendlichen gar keinen Schulabschluss erreichen. Der Einbürgerungstest verlangt von den Migrantinnen und Migranten einen Wissensstand, den selbst kaum ein deutscher Bürger hat, offenbar nicht einmal die wissenschaftlichen Entwickler des Testes.

Sebastian Edathy, der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, hat 72 Fehler in dem Test festgestellt. Eigentlich müsste der Test in diesem Zustand ausgesetzt werden. Dass Innenminister Schäuble dazu nicht bereit ist, war zu erwarten, doch dass er sogar ablehnt, den Test zu überarbeiten, grenzt schon an Zynismus.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbst die Vereinten Nationen haben in ihrem Rassismusbericht den deutschen Einbürgerungstest kritisiert. Demokratie ist eine Gesellschaft, die ihre Zukunft miteinander gestaltet. Ein wirkliches Miteinander verträgt sich nicht mit Ausgrenzung. Das Einbürgerungsrecht darf nicht als Abschreckungsrecht gestaltet werden. So ist es aber leider mittlerweile, und der Einbürgerungstest trägt maßgeblich dazu bei.

Was wir gar nicht wollen, sind bürokratische Erschwernisse, vielleicht sogar mit Abschreckungscharakter, das sage nicht etwa ich, sondern Bürgermeister Böhrnsen. Wenn das so ist, dann frage ich mich, warum das Land Bremen bei der Innenministerkonferenz im Juni 2007 der Einführung des Einbürgerungstests zugestimmt hat.

Der Einbürgerungstest sendet das falsche Signal aus und wird bedauerliche Folgen für die einbürgerungswilligen Migrantinnen und Migranten haben. Die Staatsbürgerschaft darf denen nicht vorenthalten werden, die hier geboren sind, die sich hier auf Dauer niedergelassen haben, und die hier ihre Heimat haben wollen.

Wir wollen mit dem vorliegenden Antrag allen Migrantinnen und Migranten unsere Solidarität und Ablehnung des Tests ausdrücken. Einige von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben mir auch schon öffentlich ihre Ablehnung des Tests erklärt, aber als Konsequenz muss eine Bundesratsinitiative folgen. Schließen Sie sich unserer Solidaritätsbekundung an, liebe Kolleginnen und Kollegen, und stimmen Sie in einer namentlichen Abstimmung unserem Antrag zur Ablehnung des Einbürgerungstests zu! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu den Ausführungen und zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE Stellung nehme, lassen Sie mich zuerst einige grundsätzliche inhaltliche Anmerkungen zum neu eingeführten Einbürgerungstest machen! Für uns Grüne ist Einbürgerung kein Schreckgespenst, für uns Grüne ist multikulti kein Schimpfwort, und für uns Grüne steht der Mensch und nicht dessen Nationalität im Vordergrund.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Die Entscheidung der Bundesregierung halten wir nach wie vor für ein falsches und fatales Zeichen gegenüber einbürgerungswilligen Menschen. Die Latte für die Einbürgerung wird noch einmal deutlich höher gelegt. Wir Grünen hätten uns mit der Zulassung von doppelten Staatsbürgerschaften eher eine zusätzliche Herabsetzung der Einbürgerungshürden vorstellen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Viel ist diskutiert worden, ganze Fernsehshows haben sich damit beschäftigt, wie deutsch man eigentlich selbst ist und wie falsch und missverständlich eigentlich viele Fragen formuliert wurden. Ich will hier gar nicht in die Details gehen, aber das Fazit, das einem zu ziehen übrig bleibt, ist, dass das Ziel der Bundesregierung nicht sein kann, zusätzliche Menschen für eine Einbürgerung zu gewinnen, sondern ganz deutlich die Hürden noch einmal höher zu setzen, damit bloß nicht irgendjemand auf den Gedanken kommt, sich in diesem Land einbürgern zu lassen.

Was soll eine Ausländerin oder ein Ausländer denn noch alles tun? Warum sinken denn die Einbürgerungszahlen in den letzten Jahren so deutlich? Eine Einbürgerungskampagne und ein Werben für unser Land wären angebrachter. Dieser Test in sich ist absolut überflüssig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Aber überflüssig ist auch Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der LINKEN. Es liegt nicht in der Hand des Senats der Freien Hansestadt Bremen, diesen Einbürgerungstest durchzuführen oder eben auch nicht. Auch kann der Innensenator nicht einfach einzelne Fragen aussortieren, sondern wir müssen hier geltendes Bundesrecht umsetzen. Eine Entscheidungskompetenz haben wir leider, das sage ich ganz

ausdrücklich, hier nicht. Hätten wir diese Kompetenz, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen versprechen, sähe das Verfahren deutlich anders aus. Da braucht es auch keine Hilfe der LINKEN. Die rot-grüne Regierung in Bremen steht für eine vernünftige Integrationspolitik.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aber der rot-grüne Senat wird sich nicht mit dem derzeitigen Status zufrieden geben – das ist auch noch einmal deutlich auf eine Kleine Anfrage Ihrer Fraktion geworden –, sondern der rot-grüne Senat hat sich schon mehrfach deutlich gegen diesen Einbürgerungstest geäußert, und er wird auch weiterhin deutlich machen, dass er mit dem gewählten Verfahren nicht einverstanden ist und dass wir auch die Qualität der Fragen in dieser Form nicht akzeptieren können, sondern in einem ganz kritischen Dialog mit dem Bundesinnenministerium im Rahmen der angekündigten Evaluation versuchen werden, zumindest alle zu kritisierenden Fragen aus diesem Test zu entfernen, denn – da gebe ich Ihnen recht – darin sind Dinge, die einfach nicht hineingehören.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Manchmal hilft aber auch ein Blick über den Tellerrand, um politische Anträge einordnen zu können. Berlin ist das Stichwort. Wissen Sie, wer dort regiert? Wissen Sie, welche Partei dort die Integrationssenatorin stellt? Richtig, DIE LINKE! Eben jene Partei, die unseren Grünen hier in Bremen vorwirft, Prinzipien über Bord zu werfen! Ihre Genossinnen und Genossen müssen genau wie wir hier diese bittere Pille schlucken, auch wenn Sie es vielleicht inhaltlich für falsch erachten. Allerdings, man liest ja auch viel. In einer Antwort des rot-roten Berliner Senats, den DIE LINKE ja nun maßgeblich mitträgt, wird auf eine Frage, wie der Senat den Einbürgerungstest findet, das Wort „sinnvoll“ verwandt.

(Unruhe bei der LINKEN)

Also, mit anderen Worten, um es ganz deutlich zu sagen, hier in Bremen sind wir diejenigen, die die Prinzipien über Bord werfen, und in Berlin sagt der rot-rote Senat, der Einbürgerungstest ist sinnvoll. Das verstehe da draußen, wer will!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ihr Auftreten hier ist insofern scheinheilig: In Bremen also Prinzipienverrat, in Berlin sinnvoll. Auf der einen Seite spricht DIE LINKE gern von Integration, auf der anderen Seite, glaube ich, haben wir noch

alle den Begriff von Fremdarbeitern im Kopf. Meine Damen und Herren, das nennt man bei den Indianern „mit gespaltener Zunge reden“. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Krümpfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute zum Antrag der Fraktion DIE LINKE, die da fordert, den Einbürgerungstest abzulehnen. Am 1. September dieses Jahres wurde die vom Bundesminister des Innern erlassene Einbürgerungstestverordnung in Kraft gesetzt und führte damit den bundeseinheitlichen Einbürgerungstest ein. Dieses Verfahren soll nach circa zwei Jahren evaluiert werden. Hier geht es um eine erweiterte Ausführung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, die aussagt, dass es künftig für den Einbürgerungsanspruch unter anderem Voraussetzung ist, dass Bewerberinnen und Bewerber über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensführung in Deutschland verfügen müssen.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle soll noch einmal deutlich gesagt werden, dass nicht alle Einbürgerungswilligen diesen Test durchführen müssen. Wie schon gesagt, wird unter anderem auch geregelt, dass Personen mit einem Schulabschluss, wenn dieser hier erworben wurde, vom Test ausgenommen sind.

Wir haben in der letzten Woche eine Menge unterschiedlicher Beiträge hierzu in den Medien verfolgen können. In verschiedenen Tageszeitungen und Magazinen wurde ausführlich darüber berichtet, und dort wurde der Test mit kritischen Anmerkungen versehen. Im ARD-Programm konnten wir die kontroverse Diskussion „hart aber fair“ verfolgen, und in der Showsendung „Wie deutsch bist du wirklich?“ mit Reinhold Beckmann konnten wir gemeinsam mit verschiedenen Gruppen unserer Gesellschaft diesen Test ausprobieren. Haben Sie mitgemacht? Haben Sie alle 24 Fragen richtig beantwortet?

Wenn Sie sich mit den 300 bundeseinheitlichen und den 10 länderspezifischen Fragen einmal richtig auseinandersetzen, werden Sie mit Sicherheit festgestellt haben, dass auch nicht jede und jeder Deutsche alle Fragen richtig beantworten könnte. Wer jedoch clever ist, lernt diese einfach auswendig! Sehr geehrte Damen und Herren, ist das das Ziel von Integrationspolitik? Ich habe da meine Zweifel.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Der Test in seiner jetzigen Form wird von uns scharf kritisiert. Er weist viele Mängel auf, zum Beispiel

solche Fragen, die das Wissen abfragen, aber vollkommen irrelevant für die Einbürgerung erscheinen. An der Entwicklung der Inhalte dieser Tests waren die Länder im Übrigen nicht beteiligt.

Wir als SPD-Bürgerschaftsfraktion werden deshalb einen kritischen Blick auf die Umsetzung des Einbürgerungstests haben und die Evaluationsergebnisse genau betrachten. Wichtig im Zuge der Integration in unsere Gesellschaft ist uns, dass die sprachliche Kompetenz und der Spracherwerb deutlich verbessert wird und dass zusätzliche Hürden hierzu abgebaut werden. Ich meine damit, dass der Zugang zu den Sprachkursen auf verschiedene Individualitäten Rücksicht nehmen muss und einen Kostenrahmen nicht überschreiten sollte, welcher eine Ausgrenzung schon vorprogrammieren würde.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nur wer sich wirklich sprachlich in unserer Gesellschaft auseinandersetzen möchte, ist in der Lage, selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln. Wir als SPD-Fraktion fordern, dass die Umsetzung des vom Senat vorgelegten Integrationskonzeptes mit seinen Leitlinien nach „Fördern und Fordern“ der Jahre 2007 bis 2011 von allen Beteiligten konstruktiv begleitet wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die hier formulierten Leitbilder und Handlungsziele müssen nicht nur von den Migrantinnen und Migranten, sondern von allen Bürgerinnen und Bürgern umgesetzt und gelebt werden.