Protocol of the Session on March 22, 2012

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Ich eröffne die 17. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Medien.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Klasse 9 c der Oberschule Roter Sand aus Bremen-Woltmershausen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Zur Abwicklung der Tagesordnung wurden interfraktionelle Absprachen getroffen, die Sie dem Umdruck der Tagesordnung mit Stand von heute 9.00 Uhr entnehmen können. Diesem Umdruck können Sie auch den Eingang gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung entnehmen, bei dem interfraktionell vereinbart wurde, ihn nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen. Es handelt sich um den Tagesordnungspunkt 58, Ausstattung von Polizei und Justiz bei der Bearbeitung von Beziehungs- und Sexualdelikten sowie Stalking verbessern.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Finanzplan 2011 bis 2016 der Freien Hansestadt Bremen

Mitteilung des Senats vom 14. Februar 2012 (Drucksache 18/245)

Wir verbinden hiermit:

Haushaltsgesetze und Haushaltspläne der Freien Hansestadt Bremen für die Haushaltsjahre 2012 und 2013

Mitteilung des Senats vom 28. Februar 2012 (Drucksache 18/280) 1. Lesung

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Haushaltsentwürfe 2012 und 2013 ablehnen – Zukünftige Generationen durch geringere Kreditaufnahme entlasten und Haushaltsrisiken berücksichtigen

Antrag der Fraktion der CDU vom 20. März 2012 (Drucksache 18/318)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch darauf hinweisen, dass in diese Aussprache auch die Beratung des Stadthaushalts einbezogen werden soll.

Es ist verlängerte Redezeit vereinbart, sie beträgt für den jeweils ersten Redner einer Fraktion bis zu 20 Minuten; im Übrigen richtet sich die Redezeit nach der Geschäftsordnung.

Wir kommen zur ersten Lesung der aufgerufenen Gesetzesvorlagen.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute die Haushaltsentwürfe 2012 und 2013 des Landes und der Stadtgemeinde Bremen in erster Lesung. Das in den letzten Wochen und Monaten erstellte Zahlenwerk umfasst rund 3 000 Seiten und wiegt 8,5 Kilogramm. Leichter, aber inhaltlich genauso gewichtig, wird das Haushaltspaket, wenn Sie mit der entsprechenden CD arbeiten, was wir Ihnen aus Baumschutzgründen empfehlen. Nach der zweiten Lesung werden wir den Haushalt als maschinenlesbaren Datensatz veröffentlichen, sodass man dann auch immer im laufenden Haushaltsjahr sehen kann, was man wissen möchte.

Mein Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Finanzressort sowie allen Beteiligten in den anderen Ressorts, die mit großem Engagement das Zahlenwerk aufbereitet, vorbereitet und transparent dargestellt haben. Dort oben sitzt Herr Meyer, Ihnen als Referatsleiter und Herrn Dr. Winters als Abteilungsleiter aus meinem Haus einen ganz besonderen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Haushaltsentwürfe 2012 und 2013 sind ein Beleg für nachhaltige Finanzpolitik in Zeiten der Haushaltsnotlage. Wir setzen den erfolgreich eingeschlagenen Konsolidierungskurs fort. Die Rahmendaten erfüllen die Vorgaben der Schuldenbremse im Sinne einer generationengerechten Haushaltspolitik. Bremen ist im Jahr 2011 erfolgreich in den Konsolidierungspfad gestartet. Die positive Einnahmenentwicklung und der konsequente Sparkurs, beide gemeinsam machten es möglich. Es gab mehr Steuereinahmen und weniger Zinsausgaben als geplant; das verführte uns nicht zu höheren Ausgaben, sondern wurde fast vollständig zur Senkung der Nettokreditaufnahme genutzt.

Die Ausgaben für Land und Stadtgemeinde in diesem Jahr betragen 4,3 Milliarden Euro und im Jahr 2013 sind es 4,4 Milliarden Euro. Das Finanzierungsdefizit, das 2010 noch 1,2 Milliarden Euro betrug, wird auf 783 Millionen Euro im Jahr 2012 und weiter auf 703 Millionen Euro im Jahr 2013 gesenkt. Trotz aller Anstrengung wird nach wie vor die laut Landesverfassung zulässige Kreditaufnahmegrenze überschritten. Der Staatsgerichtshof hat dies mit Blick auf die extreme Haushaltsnotlage und den vereinbarten Konsolidierungspfad für verfassungskonform erklärt.

Wir unterschreiten wie im Jahr 2011 deutlich das maximal zulässige strukturelle Defizit. Damit wir in

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den kommenden Jahren nicht vor unlösbare Probleme gestellt werden, schöpfen wir den vorhandenen Spielraum erneut nicht komplett aus. Der Puffer ist sinnvoll, da jeder Haushalt Risiken beinhaltet, die wir gegenwärtig nur abschätzen können.

Wie immer, wenn man in die Zukunft sehen soll, gibt es eine Reihe von Schätzunsicherheiten und Risiken. Auf eine Anzahl von beeinflussenden Faktoren hat Bremen aber nur begrenzten Einfluss. Ich nenne an dieser Stelle nur zwei Stichworte, die Zinsentwicklung und die Sozialleistungen, beide sind wichtige Faktoren angesichts der jährlich eingeplanten Summen von 700 Millionen Euro für Sozialleistungen und über 600 Millionen Euro für Zinsen.

Der Senat ist sich seiner Verantwortung für die hier lebenden und arbeitenden Menschen sowie gegenüber künftigen Generationen bewusst. Nur wenn wir die Verschuldung in den Griff bekommen, hinterlassen wir einen handlungsfähigen Staat.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Vieles Wünschenswerte ist daher nicht finanzierbar. Wir müssen ständig zwischen Forderungen nach staatlicher Leistung und notwendiger Haushaltskonsolidierung abwägen.

Bei allem Sparzwang haben wir auch diesmal durch Umschichtungen im Haushalt die politische Schwerpunktsetzung der letzten Jahre für Kindergärten und Schulen fortgesetzt. Für die Jahre 2012 und 2013 stehen zusätzliche Schwerpunktmittel in Höhe von 37 Millionen Euro zur Verfügung. Ein Kraftakt, den alle Ressorts solidarisch schultern! Mit diesem Geld verbessern wir die Startchancen unserer Kinder und Jugendlichen und fördern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Zentrum stehen der Ausbau der Kindertagesbetreuung, die Sprachförderung und das ganztägige Lernen.

Lassen Sie mich kurz einige Beispiele auflisten, die konkret umgesetzt werden! Die bestehenden 18 Ganztagsgrundschulen erhalten mehr Lehrerstunden. Zwei weitere Ganztagsgrundschulen in gebundener Form werden pro Jahr eingerichtet. Zehn offene Ganztagsgrundschulen werden im kommenden Schuljahr starten, und nach der Auswertung der gemachten Erfahrungen werden weitere im Schuljahr 2013/2014 folgen.

Wir werden den Rechtsanspruch auf Betreuung der unter dreijährigen Kinder selbstverständlich erfüllen. Sollten die geplanten Plätze für 35 Prozent der Kinder nicht ausreichen, werden wir nachbessern. 600 Halbtagsplätze für Drei- bis Sechsjährige in den Kindergärten werden auf sechs Stunden aufgestockt, und 500 Plätze in den Kitas werden in Ganztagsplätze von sechs auf acht Stunden umgewandelt. Die Mittel für die organisatorische und administrative Arbeit der Elternvereine werden insgesamt um 1,1 Millionen Euro aufgestockt. Die Sprachförderung wird ausgebaut, und

die Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kindertagesheime werden verbessert.

Die individuelle Förderung und gute Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen ist uns wichtig im Interesse der jungen Menschen, die gute Startchancen ins Berufsleben verdienen, und im Interesse des Wirtschaftsstandorts Bremen. Wir brauchen qualifizierte Nachwuchskräfte in der Wirtschaft und in der Verwaltung. Bremen hat noch nie so viel Geld für Kindertagesheime und Schulen ausgegeben, wie es in den Jahren 2012 und 2013 geplant ist. Im Jahr 2007 hat Bremen 82,1 Millionen Euro für die Kindertagesbetreuung ausgegeben, im Jahr 2013 werden es 146,2 Millionen Euro sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Für die Schulen haben wir im Jahr 2007 rund 416 Millionen Euro ausgegeben, im Jahr 2013 werden es 488,7 Millionen Euro sein.

Das Thema soziale Gerechtigkeit erschöpft sich für uns nicht in dem gerade skizzierten Schwerpunktprogramm. Dazu gehören zum Beispiel auch der Erhalt des StadtTickets, die Finanzierung der Quartiersmanager sowie die WiN-Projektmittel in der bisherigen Größenordnung. Mit vergleichsweise kleinen Summen wird damit die Wohn- und Lebensqualität in benachteiligten Quartieren unter breiter Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner verbessert.

Der vorliegende Haushaltsentwurf stellt strukturpolitisch erforderliche Investitionen in die Wirtschaftskraft sicher. Die Investitionseckwerte von rund 460 Millionen Euro pro Jahr ermöglichen es auch künftig, wichtige Projekte in Wirtschaft und Wissenschaft zu fördern, unsere Häfen zu entwickeln und bedarfsgerecht Gewerbegebiete zu erschließen. Der Ausbau des ÖPNV wird ebenso abgesichert wie Investitionen zur CO2-Reduktion und die Fortführung des Küstenschutzprogramms. So werden beispielsweise mit zehn Millionen Euro im Jahr 2012 und 17,5 Millionen Euro im Jahr 2013 die Deiche und Außenanlagen gesichert. In dem Haushalt 2012 sind 40 Millionen Euro für die Sanierung und Instandsetzung des bremischen Immobilienbestands eingeplant, selbstverständlich auch durch das Bemühen geprägt, damit Energiekosten einzusparen, und fast die Hälfte geht in Schulinvestitionen.

Von enormer Bedeutung ist der geplante Offshore-Terminal in Bremerhaven. Mit ihm wird die Seestadt ihre Position als Zentrum für Windenergieanlagenproduktion und -logistik weiter etablieren. Das Projekt ist der Schlüssel zur Ansiedlung weiterer Betriebe aus dem Bereich Windenergie. Für die schwerlastfähige Anbindung des Terminals stehen 8,7 Millionen Euro bereit. Ein weiteres wichtiges Investitionsprojekt ist die grundlegende Sanierung der Stromund Wasserversorgung auf der Bürgerweide.

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Über 20 Millionen Euro investieren wir in zahlreiche IT-Projekte. Sie helfen, die Verwaltungsaufgaben mit weniger Personal zu erledigen. Mittel- und langfristig werden so Kosten gesenkt und künftige Haushalte entlastet. Möglich werden diese Investitionen auch, weil wir ein 50-Millionen-Euro-Programm zum Umbau von Verwaltung und Infrastruktur beschlossen haben, 30 Millionen Euro für Maßnahmen im Jahr 2012 und 20 Millionen für Maßnahmen im Jahr 2013. Diese Investitionen entlasten uns in den Folgejahren. Gut ein Viertel des Gesamtetats, rund 1,2 Milliarden Euro, ist jährlich für Personalkosten eingeplant. Angesichts der Größenordnung wird deutlich, dass dieser Ausgabenblock nicht von Einsparungen ausgenommen werden kann. Mit den Eckwertbeschlüssen hat der Senat die Beschäftigungszielzahlen für die Jahre 2012 und 2013 festgelegt. Dabei wurden alle Bereiche mit differenzierten Quoten einbezogen. Die höchste Belastung kommt auf die senatorischen Dienststellen beziehungsweise internen Dienstleistungen mit einer Einsparquote von 2,6 Prozent pro Jahr zu. Die niedrigste Absenkung gilt mit 1,2 Prozent für die Lehrer und die Polizei. Wir wissen, dass der Personalabbau in einigen Bereichen an seine Grenzen stößt, deshalb wurde für die Polizei und den Bildungs- und Justizbereich eine flexible Regelung vereinbart. Damit keine Stellen abgebaut werden müssen, können die Einsparungen auch durch strukturell wirkende Maßnahmen innerhalb der Ressorts erbracht werden. Für die Polizei und den Schulbereich wurden bereits Kompensationsmaßnahmen ergriffen, die stabile Personalzahlen im Jahr 2012 ermöglichen, für das Jahr 2013 steht die Konkretisierung noch aus. Bis sie vorliegt, sind die Anschläge für das Jahr 2013 teilweise gesperrt. In einem Kontrakt mit der Senatorin für Bildung werden zusätzliche Mittel für die Aufbauphase der Inklusion bereitgestellt. Von den insgesamt rund 200 jährlich einzusparenden Stellen wird rund die Hälfte durch strukturelle Ersatzmaßnahmen abgedeckt. So wurde beschlossen, die Lebensarbeitszeit für Beamte auf 67 Jahre und für Vollzugsbedienstete auf 62 Jahre zu erhöhen. Der Senat wird sich weiter mit dem Thema Eigenbeteiligung von Polizei- und Feuerwehrbeamten bei der freiwilligen Heilfürsorge befassen. Ein Schritt, den die Länder Niedersachsen, Hamburg, SchleswigHolstein und Brandenburg bereits vollzogen haben! In einem Haushaltsnotlageland wie Bremen ist die schwierige Balance zwischen Sparzwang und Dienstleistungsqualität eine Daueraufgabe. Ich danke allen Beschäftigten, die mit ihrem Engagement dazu beitragen, auch unter schwierigen Rahmenbedingungen eine serviceorientierte Verwaltung zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir müssen auf aktuelle Herausforderungen mit einem flexiblen Personaleinsatz schnell reagieren kön

nen. Die eingeleiteten Maßnahmen zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität sind dafür ein gutes Beispiel.

Noch eine Bemerkung zu den aktuell stattfindenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst! Im Haushalt ist eine Personalkostensteigerung von 0,9 Prozent pro Jahr vorgesehen. In den letzten Jahren hat Bremen die darüber hinausgehenden Tarifsteigerungen durch weitere Personaleinsparungen erbracht. Da wir davon ausgehen, dass es einen Zusammenhang zwischen der guten Konjunkturlage und die Höhe der Tarifabschlüsse gibt, plant der Senat für die Jahre 2012 und 2013 ausnahmsweise eine Erhöhung der Personalausgaben über den bisherigen Haushaltsansatz hinaus, soweit dies bei den aktuell prognostizierten Steuereinnahmen möglich und vertretbar ist.