Protocol of the Session on January 21, 2015

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Das ist eine Hierarchie des Todes und der Unfrei

heit, vor der sich ein friedlicher und zukunftsträchtiger Islam schützen muss. Er muss es von innen heraus tun und nicht von außen erzwungen, weder durch den Druck der Straße noch durch staatliche Übergriffe oder Ausgrenzungen. Das bedeutet, dass hier auch die Muslime in besonderer Verantwortung stehen, weil auch in deren Namen diese Gewalt, diese Gräu eltaten verübt werden. Es ist eine innerislamische Auseinandersetzung notwendig, eine Auseinander setzung, die Muslime in der Lehre suchen müssen.

Es ist eine Banalität, wenn Politiker sagen, der

Islam sei ein Teil von Deutschland. Es ist die Religion einer auch in Zukunft noch wachsenden Zahl von Menschen in diesem Land, in unserem Land. Daran ist nichts zu ändern. Wer versucht, die Integrationspolitik mit der Islamdebatte unter Druck zu setzen, spielt ein gefährliches Spiel. Deutschland ist die Heimat für weit über vier Millionen Muslime. Die Heimat der Menschen darf man nicht in Konflikt mit ihrem eigenen Glauben bringen, sonst sät man Unfrieden, Abwendung vom Staat und letztlich die Gewalt, die wir alle verhindern wollen.

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Dieser Angriff ist auch nicht zuletzt eine Attacke

auf uns Frauen. In dem Islam, den Taliban, IS und Al Kaida wollen, dürfen Frauen nicht singen, nicht tanzen, sie dürfen nicht allein außer Haus gehen, nicht Auto fahren, nicht reisen, nicht selbstständig für sich entscheiden, keinen Beruf ausüben, erst recht keine Politik und, was das Schlimmste ist, nicht lernen. Wenn ich mir die Männer mit ihrem erhobenen Finger auf Videos oder im Fernseher an schaue, dann sehe ich, sie wollen eine Gesellschaft, in der die Männer herrschen und die Frauen ihre Sklavinnen sind. Jedes Messer, jeder Schuss aus der Kalaschnikow, jede Bombe, egal wen sie auch trifft, sie treffen uns als Frauen.

(Beifall)

Es bleibt die Frage, warum sich in unserer Gesell

schaft junge Menschen zu gewalttätigem Islamismus hingezogen fühlen. Solange wir jungen deutschen Muslimen kein aufrichtiges Integrationsangebot machen, werden es Menschenfänger immer wieder schaffen, einige von ihnen auf ihre Seite zu ziehen und zu radikalisieren. Solange wir die muslimischen Gemeinden und Communities nicht als echte Partner annehmen, werden wir diese Radikalisierung nicht nachhaltig bekämpfen können.

Wir dürfen nicht dem Hass und der Feindseligkeit à

la Pegida nachgeben. Wir müssen vorleben, dass das Symbol dieser freien demokratischen Gesellschaft der Bleistift ist und nicht das Gewehr. Wir müssen an dem Traum einer friedlichen Einheit festhalten, für den in diesen Tagen die Solidarität steht. I have a dream, es ist kein utopischer Traum! Er ist machbar, aber wir alle, gleich welcher Religion, müssen gemeinsam an seiner Verwirklichung arbeiten. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Anhaltender Beifall)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Werner.

Sehr ge

ehrter Herr Präsident, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte über ein Zitat sprechen, das mich in der letzten Woche sehr verwundert und auch sehr beeindruckt hat: „Jetzt beginnt Mut wieder etwas zu kosten, im schlimmsten Fall das Leben.“ Das hat Matthias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer gesagt. Ich habe den Satz in der persönlichen Betroffenheit natürlich sofort verstan den und dann gedacht, der Satz ist so aktuell und so pauschal Unsinn, auch weil er Angst macht und weil er eine Selbstverständlichkeit dramatisiert, denn in den Jahresbilanzen von Reportern ohne Grenzen stehen jedes Jahr etwa 100 getötete Journalisten und Tausende bedrohte oder drangsalierte Journalisten. In Saudi Arabien wird gerade ein Blogger dafür mit Peitschenhieben malträtiert, dass er bloggt, was er

denkt. Sprüche wie „Lügenpresse auf die Fresse“ gibt es auch in Deutschland nicht erst seit dem 7. Januar 2015. Lokalzeitungsbüros in Ostdeutschland werden schon seit Jahren mit Naziparolen beschmiert, terrorisiert und bedroht. Im vergangenen Herbst hat in Berlin ein Innensenator die Zuschüsse für das Maxim Gorki Theater kürzen oder streichen wollen, weil ihm da eine künstlerische Aktion politisch nicht gefallen hat.

Dass jeder Meinungen jederzeit quasi von überall

auf der Welt nach überall in die Welt senden kann, das stellt uns jetzt vor große Herausforderungen. Dass Journalisten und Künstler ihre Arbeit machen, sich etwas trauen, sich Gehör verschaffen und uns aufmerksam machen, dafür müssen wir dankbar sein, nicht mehr und nicht weniger! Freie Medien, freie Kunst, auch freie Religion, das sind die Räume und der Rahmen, in denen wir Angst begegnen können, sie abbauen und sie erträglich machen können. Durch Wissen, durch Fragen, durch Fantasie, durch Wollen und, wer will und wer kann, auch durch einen Glau ben und seinen Glauben. Wir können Freiheit nicht fordern oder beanspruchen, wir können Freiheit nur täglich machen.

Ich habe während der Terroranschläge an mei

ne Kindheit auf dem Höhepunkt des RAF-Terrors denken müssen, als ich große irrationale Angst vor Terroristen hatte, schon vor den Fahndungsfotos, und hinter jedem Polizisten in einem Kaufhaus oder auf dem Bahnsteig eigentlich schon einen Terroristen vermutete. Die Beschwichtigungen meiner Eltern konnten mich damals nicht richtig beruhigen. Was mich dann beruhigt hat, war, dass ich mit neun oder zehn Jahren angefangen habe, die Tageszeitung zu lesen, und darauf bestanden habe, abends im Fern sehen politische Sendungen zu sehen. Der Zugang zu Medien, zur einordnenden Erklärung, auch zu den Texten der Terroristen selbst, die man damals im Schwarzdruck noch im linken Buchladen unter der Theke kaufen musste, weil die Publikationen sehr umstritten waren, diese Medien haben mir irgendwann die Distanz genommen, aus der Angst eigentlich besteht. Sie haben mich beruhigt, weil ich verstehen konnte, weil ich einschätzen konnte.

Jetzt stehen seit zwei Wochen vor den Redaktionen

in Deutschland und in Europa wieder Polizisten. Der Schriftsteller Michel Houellebecq, der auf dem Titel der Charlie-Hebdo-Ausgabe am Tage des Anschlags karikiert war, musste vorgestern bei einer Lesung in Köln von der Polizei beschützt werden. Wenn Journa listen hier in Bremen und überall am 8. Januar 2015 angerufen wurden, um ihre Themen der letzten Zeit und ihre Privatadressen bei der Polizei zu notieren, dann können wir nicht sagen, das interessiert uns alles nicht, und dann können wir, glaube ich, auch nicht sagen, das ist eben einfach so. Wenn in Dresden Demonstrationen verboten werden, dann beschränkt das schon jetzt die Freiheit, die wir alle beschwö ren, die wir alle haben und die wir alle verteidigen.

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Wir können, glaube ich, alle nicht sagen, dass uns das nicht berührt, dass uns das keine Angst macht. Dagegen müssen wir uns wehren, und genau dazu brauchen wir die Freiheit der Worte und der Ge danken, freie Medien, freie Meinungen, freie Kunst, Glaubensfreiheit. Dazu brauchen wir auch ehrliche Sorge, dazu brauchen wir auch Angst.

Die individuelle Entscheidung für das, was sie wem

mit ihren Wörtern und Bildern zumuten und antun, treffen Journalisten und Künstler selbst. Das macht ihre Arbeit so wertvoll für die Demokratie, die sich immer wieder selbst Grenzen suchen und setzen muss. Heinrich Böll hat gesagt: „Die Kunst braucht keine Freiheit, sie ist Freiheit. Freiheit geben kann ihr keiner; kein Staat, keine Stadt, keine Gesellschaft kann sich etwas darauf einbilden, ihr das zu geben oder gegeben zu haben, was sie von Natur ist: frei!

Gegebene Freiheit ist für sie keine, nur die, die sie

hat, ist, oder sich nimmt. Wenn sie Grenzen über schreitet – nach wessen Meinung ist ganz und gar gleichgültig –, wenn sie zu weit geht, dann merkt sie’s schon: Es wird auf sie geschossen. Wie weit sie gehen darf oder hätte gehen dürfen, kann ihr ohnehin vorher niemand sagen, sie muss also zu weit gehen, um herauszufinden, wie weit sie gehen darf.“ Im Jahr 1966 hat er dies zur Eröffnung des Theaters in Wuppertal gesagt.

Man muss auch islamophobische Bücher schrei

ben dürfen, lästern, pöbeln und schimpfen dürfen. Jeder, der das macht, muss die Kritik daran und den Widerstand dagegen ertragen. Wir brauchen in der Kunst und im Journalismus das Laute, das Böse, das Fremde und die Neugier darauf. Wir könnten es uns sonst nicht einmal vorstellen, und es wäre wirklich fatal, wenn wir das Böse gar nicht sehen und erken nen könnten. Der katholische französisch-deutsche Philosoph Rémi Brague hat dazu gerade gesagt: „Kein Glaube verdient Respekt, auch meiner nicht. Überzeugungen sind Dinge, Respekt kann es nur für Menschen geben.“ – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Dr. Korol.

Herr Präsident, meine Da

men und Herren! In Paris wurden vor zwei Wochen Mitglieder der Redaktion eines Satiremagazins aus politischen Gründen ermordet. In Paris wurden vor zwei Wochen Kunden und Verkäufer eines jüdischen Supermarktes und nebenbei Polizisten ermordet und auch das aus politischen und religiösen Gründen.

Kann es dafür politische und religiöse Gründe

geben? Nein! Wir haben scharf zwischen Gründen, Rechfertigungen und Ausreden zu unterscheiden. Das gilt auch für all solche Morde und Massenmorde in aller Welt, von denen meine Kolleginnen Frau Vogt und Frau Dr. Mohammadzadeh sprachen. Das alles

ist unfassbar. Ich reagiere in einem ersten Anlauf mit dem Hinweis auf das Ideal des Christentums: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, liebe deine Feinde.“ Das ist nie erreichbar, bleibt aber ein Ideal.

Ich reagiere mit den Worten von Heinrich Heine

darauf, er war Jude, Deutscher, Franzose, Weltbürger, Intellektueller, Demokrat und Flüchtling – Zitat –:

„Die alten, bösen Lieder, die Träume schlimm

und arg, die lasst uns jetzt begraben, holt einen großen Sarg. Hinein leg ich gar Manches, doch sag ich noch nicht was; der Sarg muß sein viel größer wies Heidelberger Faß. Und holt eine Totenbahre, von Brettern fest und dick: auch muß sie sein noch länger als wie zu Mainz die Brück. Und holt mir auch zwölf Riesen, die müssen noch stärker sein als wie der heilige Christoph im Dom zu Köln am Rhein.

Die sollen den Sarg forttragen und senken ins

Meer hinab, denn solchem großen Sarge gebührt ein großes Grab. Wißt ihr, warum der Sarg wohl so groß und schwer mag sein? Ich legt auch meine Liebe und meinen Schmerz hinein.“ – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der BIW)

Als nächste Rednerin hat das