Protocol of the Session on February 18, 2015

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Bremen ist bunt – gegen Hasspredigten und Diskriminierung von der Kanzel

Antrag (Entschließung) der Fraktion DIE LINKE vom 17. Februar 2015 (Neufassung der Drucksache 18/1742 vom 12. Februar 2015) (Drucksache 18/1754)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Bremen ist bunt – gegen Hasspredigten und Diskriminierung von der Kanzel“ lautet der Antrag, den wir heute vorlegen. Der Hintergrund ist folgender: Am 18. Januar hielt Pastor Olaf Latzel eine Predigt in der Martinikirche zum Thema „die Reinigung von fremden Göttern lernen“. Der theologische Bezugspunkt der Predigt ist eine Passage aus dem Alten Testament im Buch der Richter, in dem die Zerstörung der sogenannten heidnischen Kultstätte durch Gideon beschrieben wird. An diesem Beispiel will Herr Latzel zeigen, dass alle Versuche, die Gemeinsamkeiten der großen Religion in den Mittelpunkt eines interreligiösen Dialogs zu stellen, aus seiner Sicht falsch, verwerflich, ja sogar bekämpfenswert sind.

Ich habe mir diese Predigt angehört und muss sagen, dass es mir schwergefallen ist, diese 30 Minuten auszuhalten, denn die Predigt wurde nicht umsonst öffentlich bekannt für ihren aggressiven, aufwiegelnden und herabwürdigenden Tonfall. Es war die Rede von Umhauen, Verbrennen, Hacken, Schnitte ziehen. So müsse der bibeltreue Christ, wenn es darum gehe, die eigene Religion frei von den Einflüssen anderer Konfessionen zu halten, agieren.

Die katholischen Reliquien seien – laut des Pastors – „Dreck“, Buddha ein „fetter, alter Mann“ und das Zuckerfest „Blödsinn“. Das ist bekannt geworden.

Herr Latzel hielt diese Rede als Absage an den interreligiösen Dialog, als Widerspruch gegen die Ökumene. Insbesondere wetterte er gegen das sogenannte „House Of One“ und die interreligiösen Versuche, den Dialog aufzunehmen, auch in Bremen.

Ich vermute, dass Herr Latzel wusste, welche Wirkung diese Predigt in Zeiten von „Pegida“, AfD und religiösem Fundamentalismus anderer Religionen, über den wir hier auch oft diskutiert haben, haben würde.

Es ist auch befremdlich, dass Herr Latzel damit das Engagement der Bremischen Evangelischen Kirche bei der Aktion „Bremen ist bunt“ konterkariert. Herr Latzel und die Martini-Kirche fallen nicht zum ersten Mal mit erzkonservativen, reaktionären, sehr rech

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ten Inhalten auf. Es gab den Skandal um das Redeverbot von der Kanzel für eine weibliche Pastorin. Es gab Vorwürfe, dass Homosexuelle als „krank“ und „gestört“ dargestellt worden seien. Was mich in den letzten Tagen ziemlich erschüttert hat, war ein Satz in der „Frankfurter Rundschau“. Demnach sagte der Pastor auf Nachfrage, er habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, „dass in den vergangenen 50 Jahren in Deutschland mehr Menschen durch Abtreibung als früher durch den Holocaust gestorben seien.“ Das hat mich sehr erschüttert, weil es eine Relativierung des Holocausts darstellt, die eigentlich unverzeihlich und nicht hinzunehmen ist.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Mitglieder der Jüdischen Gemeinde haben übrigens schon öfter die Gleichsetzung mit dem Holocaust bemängelt. Ich möchte nicht auf die Vorwürfe von Eltern eingehen, die sich auf das Kindergartenfest beziehen, weil ich nicht weiß, ob sie beweisbar sind. Das ist mir an dieser Stelle auch egal. Aber wenn die „Frankfurter Rundschau“ schreibt: „Auf FR-Nachfrage sagte Herr Pastor Latzel“, muss man das als direkte Äußerung werten.

Die Martini-Kirche ist aufgrund der äußerst liberalen Kirchenverfassung Teil der Evangelischen Kirche. In allen anderen Bundesländern würde sie vermutlich eher als evangelikale Freikirche gelten, die dann auch keine Kirchensteuern einziehen könnte.

So viel zum Rahmen und zur Vorgeschichte.

Wir beantragen heute, die Bürgerschaft möge eine Entschließung fassen, in der drei Dinge festgestellt werden:

Erstens. Die Bürgerschaft unterstützt den Protest und die Kritik der kirchlichen Beschäftigten und der BEK-Führung.

Zweitens. Die Bürgerschaft stellt sich gegen jegliche Art von religiösem Fundamentalismus. Hetzpredigten, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Antisemitismus und rassistisches Gedankengut bleiben in Bremen nicht unwidersprochen.

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Für einen vermeintlich religiös motivierten „Kampf der Kulturen“ gibt es in Bremen keinen Platz.

Drittens. Wir sagen, dass es zweierlei Maß nicht geben darf, wenn wir uns öffentlich dazu bekennen, religiösen Fundamentalismus und die damit verbundene Herabwürdigung in der gesellschaftlichen Debatte nicht zu wollen. Wir haben in der letzten Zeit hier im Haus gemeinsam mehrere Entschließungsanträge verabschiedet. Ich weiß, dass es in den Regierungsfraktionen und bei uns eine Debatte darüber

gab, inwieweit man sich in die Angelegenheit der Kirche einmischen dürfe beziehungsweise ob man das überhaupt tun solle. Auf das Zitat aus der „Frankfurter Rundschau“ habe ich bereits abgehoben. Aber es gab für uns einen weiteren Grund. Wir haben uns in den vergangenen Monaten oft mit Hetz- beziehungsweise Hasspredigten, also mit geistiger Brandstiftung, beschäftigt; dabei ging es um den radikalen Islam, den Salafismus. Wir hatten hier nach den fürchterlichen Anschlägen in Paris gegen „Charlie Hebdo“ eine Debatte, in der die Kollegin Mohammadzadeh eine hervorragende Rede zur Religionskritik gehalten hat.

(Beifall bei den LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Angesichts dessen, dass wir andauernd von allen möglichen Menschen in dieser Stadt erwarten, dass sie sich von irgendetwas distanzieren – insbesondere von Muslimen erwarten wir das –, finde ich es nur gerechtfertigt, dass die Menschen draußen in Bremen wissen, wie sich die Abgeordneten zu dieser Frage positionieren, wenn es um die, ich sage es einmal so, „Heimatreligion“ geht. Ich weiß, dass es nur um Äußerungen aus einem kleinen Teil der Bremischen Evangelischen Kirche geht. Aber auch diese dürfen nicht unwidersprochen bleiben.

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Dr. Korol.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 18. Januar 2015 predigte Pastor Olaf Latzel in der evangelischen SanktMartini-Kirche in Bremen-Mitte unter dem Titel „An Gideon die Reinigung von den fremden Göttern lernen“ über eine Passage aus dem Alten Testament. Diese Predigt wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Nun liegt uns dazu – wir haben es gerade gehört – ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor, Titel: „Bremen ist bunt – gegen Hasspredigten und Diskriminierung von der Kanzel“.

Wir BÜRGER IN WUT brachten ebenfalls einen Antrag dazu ein. Dessen Titel lautet: „Grundgesetz achten, Glaubens- und Bekenntnisfreiheit respektieren!“. Sein Inhalt:

„Die Bremische Bürgerschaft erklärt: Wir bekennen uns zu der in Artikel 4 Grundgesetz garantierten Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses.“

Wir hatten gehofft, dass DIE LINKE einer Verbindung beider Anträge zustimmt würde; das tat sie leider nicht.

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Worum geht es in dem Antrag der LINKEN? Er fordert, kurz gesagt, dass Bremen sich gegen Hetzpredigten wehre, gleich welcher Konfession. Die Bremische Bürgerschaft, so der Antrag, solle sich von allen Versuchen distanzieren, „unter dem Deckmantel von Predigt und Schriftauslegung Hass gegen Anders- und Nichtgläubige zu verbreiten.“ Wir BÜRGER IN WUT sehen das nicht anders.

Nach diesen humanistischen Ansprüchen an die Welt in hehren Worten wird die Fraktion DIE LINKE konkret. Nun schießt sie gegen die oben erwähnte Predigt von Pastor Latzel. Sie müsse für ihn Konsequenzen haben.

Nein! Für uns ist die Predigt Latzels keine Hetzpredigt, sondern absolut diskutabel. Von einzelnen Passagen, die auf deutliche Kritik gestoßen sind, hat sich Latzel inzwischen distanziert. Wir BÜRGER IN WUT überlassen es dem Pastor, der Kirche und den Gläubigen, daraus Konsequenzen zu ziehen. Wir distanzieren uns von allen Versuchen der Politik, unter dem Deckmantel von angemaßter Predigt- und Schriftauslegung gegen Geistliche, gleich welcher Religion, zu agitieren. Eben in dieser Gefahr sehen wir die LINKEN durch ihren Antrag und dadurch, dass sie unter den Beschäftigten der Bremischen Evangelischen Kirche Unfrieden stiften.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Haben Sie die Neufassung gelesen?)

Sie sind ja gleich noch einmal dran, Frau Vogt.

Ich rufe in Erinnerung, wie das Erste Gebot im Alten Testament lautet: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Jede der drei monotheistischen Weltreligionen – Judentum, Christentum, Islam – erhebt einen Alleinvertretungsanspruch in Bezug auf göttliche Wahrheiten. Nur auf dieser Basis ist der Toleranzgedanke der Aufklärung sinnvoll. Nur so bekommt Lessings „Nathan der Weise“ revolutionären Charakter. Deswegen ist Ökumene harte Arbeit. Nichts anderes sagte Pastor Latzel.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein! Er hat etwas anderes gesagt!)

Die Zeitschrift „Junge Freiheit“ vom 30. Januar 2015 zitiert ihn mit folgenden Sätzen:

„Es gibt nur einen wahren Gott. Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben. Das ist Sünde. Das darf nicht sein. Davon müssen wir uns reinigen. Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“

Das ist zweifellos starker Tobak. Solche Aussagen von der Kanzel sind selten geworden. Deswegen sind sie nicht a priori falsch. Kirchensprecherin Jeanette Querfurt verurteilte sie dennoch als nicht mit dem evangelischen Glauben übereinstimmend. „Hier wird Hass gepredigt!“, sagte sie.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Recht hat sie!)

Die Kategorie der Liebe ist nützlich, aber nicht die des Hasses. Wir sind bunt. Latzels Predigt ist ein Farbtupfer unter vielen.

Bremen diskutiert über eine Predigt. Das gab es meines Wissens zuletzt, als der Jesuitenpater Johannes Leppich nicht nur in Kirchen, sondern auch auf Plätzen und in Zirkussen predigte. Ich erlebte ihn in Sankt Johann Mitte der Sechzigerjahre – vor der Tür; die Kirche war überfüllt.

Diesem Prediger widmete der katholische Sender „Domradio“ vorgestern eine Sendung. Darüber hieß es im Programmheft: „,Christliche Etappenspießer und religiöse Blindschleichen‘ waren noch gemäßigte Ausdrücke, mit denen Pater Leppich in seinen Predigten in den Fünfzigern und Sechzigern arbeitete.“ Er war der „Star unter den Predigern“. „Er hatte Erfolg: Seine gesamte Zuhörerschar aus damaliger Zeit wird auf circa 15 Millionen Menschen geschätzt.“

Auch über den inkriminierten Pastor Latzel lässt sich sagen, was „Domradio“ über Pater Leppich schrieb: „Er legte dem Volk die Bibel aus und mit seiner Art und Weise nahe ans Herz.“