Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

gemeinen Armut, zugegebenermaßen ein besonders bedrückender, weil der Mensch im letzten Teil seiner Lebenszeit individuell nur ganz wenig Hoffnung haben kann, aus dieser Situation noch einmal heraus zukommen. Wenn ich als jüngerer Mensch in Armut lebe, habe ich die Chance, meine Lebenssituation durch Bildung oder sonstige Maßnahmen doch noch zu ändern. Bin ich Rentner, habe ich diese Chance meist nicht.

Von Altersarmut betroffene Menschen müssen bis

an ihr Lebensende erhebliche Einschränkungen in Kauf nehmen. Bereits Miete und laufende Kosten verschlingen den Großteil des zur Verfügung stehen den Geldes. Scham ist für viele Betroffene alltäglich. Sie ziehen sich oft auch sozial zurück und drohen zu vereinsamen. Nach außen hin wird oftmals eine Fassade der Normalität vorgespielt.

Auch die Wirkungen der Altersarmut auf die Ge

sundheit der betroffenen Personen darf man nicht vernachlässigen. Sie werden eher krank als finan ziell besser ausgestattete alte Menschen. Ärmere Menschen sterben im Durchschnitt früher. Unter den ärmeren älteren Personen finden sich häufig chro nische Krankheiten. Es kann sich ein regelrechter Teufelskreis aus Armut und Krankheit entwickeln. Durch das Erleben der schlechten finanziellen Situati on und der sozialen Wirkungen kann es zu Störungen, zum Beispiel Depressionen und psychosomatische Erkrankungen, kommen. Im Alter weniger Geld zu haben bedeutet vor allen Dingen weniger Gesundheit und weniger soziale Teilhabe.

Klar ist, dass Altersarmut eine Folge gebrochener

Erwerbsbiografien, persönlicher Schicksalsschläge und von Beschäftigung mit geringem Verdienst ist. Nur wer ziemlich lückenlos am Erwerbsleben mit Verdienstmöglichkeiten in ausreichender Höhe und damit verbundener Renteneinzahlung teilnimmt, bekommt im Alter eine auskömmliche Rente. Frau en haben überdurchschnittlich häufig zu geringe Renten. Das ist bekannt und zeigt sich auch in den statistischen Daten in der Antwort des Senats.

Grundsätzlich erreichen Frauen deutlich geringere

Renten als Männer. Diese Renten reichen oft nicht einmal zur Existenzsicherung. Frauen verdienen nicht nur pro Stunde weniger, sondern der Erwerbs umfang, das heißt die bezahlte Arbeit von Frauen ist geringer, sowohl in Wochenstunden als auch in Lebensarbeitszeit. Sie beziehen weniger Lohn und haben weniger Erwerbsarbeitszeit als Männer. Das

führt am Ende zu einer geringeren Rente. An diesem Punkt muss unbedingt angesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen Anreize und müssen Rahmenbe

dingungen dafür schaffen, dass Frauen anders mehr arbeiten können, und zwar nicht nur in Minijobs, sondern in bezahlbarer sozialversicherungspflichti ger Teilzeit- oder Vollzeitarbeit, damit am Ende ein ordentliches Einkommen entsteht und folglich eine ordentliche Rente herauskommt.

Der Zusammenhang zwischen den Anstrengungen

im Leben und bei der Erwerbs- und Familienarbeit findet sich nur äußerst vermittelt, wenn überhaupt in der Rente wieder. Glücklich kann sich schätzen, wer in der richtigen Firma ohne Insolvenzgefahr lange beschäftigt war.

Bremen stellt sich mit einer Vielzahl von Aktivitä

ten dem Thema Armut. Ich nenne das Bündnis für Teilhabe, den Armutsausschuss und den Armuts- und Reichtumsbericht mit den abgeleiteten Maßnahmen. Ziel ist es insbesondere, Frauen eine verstärkte Er werbsteilhabe zu organisieren und Erwerbslosen den Wiedereinstieg in das Erwerbsleben zu ermöglichen.

Ich möchte hier nicht alle dazu dienlichen Instru

mente, Projekte und Fördertöpfe aufzählen. Insoweit tut Bremen schon sehr viel. Wir untersuchen gerade, ob wir bei unseren Aktivitäten noch etwas besser oder zielführender machen können. Dafür gibt es auch den Armutsausschuss. Klar ist aber auch, Bremen hat nicht die Mittel, um Menschen materiell wohl habender zu machen. Bremen hat schlicht nicht die Instrumente, um Reichtum gerechter zu verteilen. Auf der Landesebene spielt sich da nichts ab.

Um es ganz deutlich zu sagen, wir organisieren

Teilhabe, wo wir nur können, auch für ärmere ältere Menschen. Begegnungsstätten, städtische Mobi lität, aufsuchende Altenarbeit sind dafür wichtige Stichworte.

Auf der Bundesebene hat die SPD als einen Schritt

in die richtige Richtung die frühere abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung, die Rente ab 63 Jahren und eine verbesserte Erwerbsminderungsrente für Men schen, die zukünftig aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeitsfähig sind, durchgesetzt. Das sind natürlich neben der Einführung eines Mindestlohns wichtige Maßnahmen, um der Altersarmut entge genzutreten.

Wir haben aber in dem Bereich der Altenversorgung

strukturelle Probleme in unserem System, die große Gerechtigkeits- und Fairnessfragen aufwerfen. Wir müssen uns für die Zukunft genau ansehen, inwie weit unsere Versorgungssysteme für alte Menschen noch dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung entsprechen.

(Glocke)

Gerecht bedeutet auch, dass Menschen, die in

ihrem Leben weniger Glück und Erfolg bezüglich ihrer berufliche Karriere haben, die Solidarität derje nigen verdienen, die diesbezüglich mehr Glück und Erfolg hatten. Das ist für den ersten Teil vielleicht erst einmal ausreichend, denn ich habe die Glocke dezent läuten hören. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat

das Wort der Abgeordnete Schmidtmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche heute zur Großen Anfrage der LINKEN „Altersarmut in Bremen und Bremerhaven“. Ich habe Zahlen, die ein bisschen älter sind, im Jahr 2013 ist die Zahl der Grundsicherungsempfänger um 7,4 Prozent gestiegen. Damals waren in Deutschland eine halbe Million Menschen abhängig von der Grundsicherung im Alter, das entspricht im Schnitt 3 Prozent. Ich muss Sie auch ein wenig mit Zahlen langweilen.

Wir sprechen immer über Grundsicherung, das

möchte ich auch noch einmal erklären, Grundsi cherung ist eigentlich ein anderes Wort für das, was wir früher unter Sozialhilfe oder ein bisschen abgewandelt unter Hartz IV kannten, das absolute Existenzminimum. Ich würde sagen, das ist noch unter dem Existenzminimum.

In Bremen gab es Ende des Jahres 2013 circa 14 500

Mitbürgerinnen und Mitbürger, die die Grundsi cherung im Alter erhielten, 5,9 Prozent der Bremer Rentnerinnen und Rentner, 5 Prozent Männer und 6,6 Prozent Frauen. Nur in Hamburg liegt zu diesem Zeitpunkt die Zahl der Grundsicherungsempfänger ein wenig höher, nämlich bei 6,8 Prozent, in Berlin ist die Quote knapp unter der in Bremen. Das zeigt auch, dass es eine besondere Aufgabe für die Stadtstaaten ist, sich dieser Aufgabe anzunehmen.

Warum ist gerade in unserer Stadt die Zahl so

hoch? Frau Vogt hat schon darüber gesprochen und mein Kollege Herr Möhle auch, in Bremen leben sehr viele Alleinerziehende, das hatten Sie angesprochen, diese Gruppe hat ein sehr hohes Armutsrisiko. Gut und besser verdienende Bremer Mitbürger ziehen in den Speckgürtel, das ist auch ein Grund, die einkommensschwachen Gruppen verbleiben bei uns in der Stadt, weil sie die kurzen Wege und die gute Infrastruktur schätzen. Außerdem haben wir einen verhältnismäßig hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, auch hier ist das durch schnittliche Armutsrisiko höher, das hatten Sie auch schon gesagt, Frau Vogt. In Bremen arbeitet ein hoher Anteil von Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Minijobs oder im Niedriglohnbereich, auch hier ist das Armutsrisiko sehr viel höher.

Noch beängstigender als diese Zahlen im Zusam

menhang mit dem Ist-Zustand von drei Prozent in Deutschland ist der Trend. Wohlfahrtsverbände und auch wir Grünen rechnen damit, dass der Anteil der Grundsicherungsbezieher unter den Rentnern schon in fünf Jahren im zweistelligen Prozentbe reich Bereich liegen wird. Hier rollt in der Tat ein gesellschaftliches Problem auf uns zu, das ist auch von meinen Vorrednern so gesehen worden.

Wir haben zwei grundsätzliche Probleme in der

Alterssicherung, so ist meine Einschätzung. Das Niveau der gesetzlichen Rente sinkt, und die priva te Altersversorgung kann diese Rentenlücke nicht schließen. In der Konsequenz können viele Menschen ihren einmal erreichten Lebensstandard im Alter kaum aufrechterhalten. Somit droht für immer mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger die Altersarmut, immer mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger werden sich im Alter in der Grundsicherung wiederfinden.

Zur Bewältigung dieses Problems brauchen wir

mindestens eine zweigleisige Antwort. Das Rentent niveau muss dringend stabilisiert werden, hierfür müssen wir Einnahmen verbessern und die gesetz liche Rente auf breite Füße stellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eine schrittweise Einführung der Bürgerversi

cherung in der Rente, in die jeder einzahlt, kann eine Lösung sein. Alle sollen einzahlen, das heißt in diesem Fall alle Selbstständigen, auch die so genannten Solo-Selbstständigen. Das ist nämlich ein richtiges Problem, die meisten zahlen nicht ein und sind nachher trotzdem in der Grundsicherung, fühlen sich als Unternehmer und denken, dass sie diese Art von Vorsorge nicht zu treffen brauchen. Ich bin auch der Meinung, dass die Beamten für diese Bürgerversicherung herangezogen werden müssen. Ich sage das ganz bewusst, ich bin selbst Beamter, ich finde, dass alle solidarisch zu zahlen haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Es darf auf keinen Fall eine Flucht aus dieser neuen

Bürgerversicherung geben, die Schweiz macht uns das eigentlich sehr gut vor. Sie hat ein dreistufiges Rentensystem, es ist aber so gut wie nicht möglich, sich aus diesem System zu verabschieden, es muss eingezahlt werden.

Weiter müssen wir die Riester-Rente vom Kopf auf