Protokoll der Sitzung vom 14.06.2017

Zur Einhaltung des Sanierungspfades sind bis 2020 allerdings - und das wissen wir, glaube

ich, alle - noch weitere Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung notwendig. Der Stabilitätsrat erwartet hierzu auch im Herbst diesen Jahres weitere Vorschläge.

Diese Legislaturperiode, meine Damen und Herren, ist eine Periode des Umbruchs. Die Haushalte der Jahre 2018 und 2019 werden die letzten Haushalte sein, die unter dem von mir angesprochenen herkömmlichen Sanierungsbedingungen aufgestellt werden müssen. Die Konsolidierungsanstrengungen der letzten Jahre waren eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir dieses gute Ergebnis bei den Verhandlungen erreicht haben.

Unabweisbar ist aber auch, dass der Konsolidierungskurs der letzten Jahre und Jahrzehnte deutliche Spuren hinterlassen hat. Er hat dazu geführt, dass einige Bereiche der öffentlichen Verwaltung an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten. Dass wir - wie natürlich viele Großstädte und Kommunen Deutschlands - bei den Investitionen in die öffentliche Infrastruktur einen unübersehbaren Nachholbedarf haben und dass wir im Vergleich zu anderen Ländern, vor allen Dingen aber eben zu anderen Großstädten, mittlerweile in einigen Bereichen eine schlechtere Ausstattung haben, erfordert den Zusammenhalt heraus, notwendige Zukunftsentscheidungen und notwendige Investitionen mussten und müssen nach wie vor verzögert werden.

In dieser Periode des Umbruchs konzentrieren wir uns im Senat und in der Regierungskoalition deshalb darauf, gezielt gegenzusteuern, vor allen Dingen dort, wo die Nebenfolgen der Sanierung einerseits und die Auswirkungen des an sich ja durchaus positiven Wachstums andererseits in unseren beiden Städten die Funktionsfähigkeit unseres Gemeinwesens bedrohen. Als im letzten Sommer deutlich wurde, dass ein weiteres, punktuelles Nachsteuern beim Bürgerservice keine dauerhafte Verbesserung bringen wird, und zwar weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für die Beschäftigten, haben wir das Stadtamt grundlegend neu aufgestellt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als deutlich wurde, dass die Prognosen über die benötigten Kita- und Schulplätze von der Realität in rasanter Geschwindigkeit überholt werden, haben wir einen massiven Ausbau der Kindertagesbetreuung auf den Weg gebracht und die Schulplanung neu ausgerichtet. Mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 wollen wir nun Schwerpunkt setzen, mit denen gerade die sehr angespannte Situation in der frühkindlichen Bildung und im Schulbereich verbessert wird. Wir wissen, glaube ich, alle gemeinsam hier im Hause - und Sie haben es vielfach diskutiert,

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gerade auch gestern wieder in der Stadtbürgerschaft -, vor welch großen Herausforderungen die Lehrkräfte gerade in den Schulen schwieriger Standorte jeden Tag stehen. In diesem Zusammenhang möchte ich hier im Rahmen meiner Regierungserklärung Anerkennung für die ganz außerordentlichen Leistungen, die in den Kindertagesstätten und in den Schulen von den Erzieherinnen und Erziehern, von den Lehrerinnen und von den Lehrern, von den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gerade in diesen Zeiten erbracht werden, aussprechen. - Vielen, vielen Dank dafür!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, natürlich sind die Folgen des rasanten Bevölkerungszuwachs auf dem Wohnungsmarkt spürbar. Der Senat hat deshalb das generelle Ausbauziel von 1 400 Wohneinheiten um zusätzlich 2 000 Wohneinheiten erhöht und auch erreicht.

Natürlich haben wir auf die neue Sicherheitslage reagiert. Eine bessere Ausstattung der Polizei im Lande Bremen, die Erhöhung der Zielzahl, eine Polizeireform und ein umfangreiches sicherheitspolitisches Konzept sind die Antworten des Senats. Wenn wir auch im wirtschaftspolitischen Bereich in den vergangenen Monaten einige Unternehmensentscheidungen zur Kenntnis nehmen mussten, die uns nicht gefallen können - ob die der Genting Group, die die Lloyd Werft in Bremerhaven betreffen, oder die Entscheidung von Kellogg hier in Bremen -, dann verdeckt all das aber nicht die Tatsache, dass die bremische Wirtschaft insgesamt in guter Verfassung ist.

(Beifall SPD)

Wir haben hohe Zahlen beim Wirtschaftswachstum, der Wirtschaftsstandort ist stark. Im letzten Jahr sind 8 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Bremen entstanden. Das sind Dinge für die Zukunft, und die wollen wir halten, an denen halten wir fest. Wir wollen sie mit einer ordentlichen Flächenpolitik, mit einer innovationsorientierten Wirtschaftspolitik, auch einer Arbeitsmarktpolitik, die dringend notwendig ist, weil wir mittlerweile selbst auf unserem Arbeitsmarkt im Bereich der Hochqualifizierten Engpässe haben, weiterentwickeln. Wir müssen aber auch weiter etwas dafür tun, stärker etwas dafür tun, die so schreckliche Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen und um jungen Menschen, die viel zu lange einen Ausbildungsplatz suchen, eine Perspektive zu geben. Deshalb hat der Senat das Arbeitsmarktprogramm LAZLO auf den Weg gebracht.

Er hat damit 500 Langzeitarbeitslosen eine Perspektive gegeben. Er hat die Jugendberufsagentur auf den Weg gebracht. Meine Damen und Herren, mit der Unterstützung der Bundesmittel tun wir, was wir können.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe - und das ist jetzt der Blick in die Zukunft - das Thema des Umbruchs angesprochen, ein Umbruch, der immer mit Unsicherheiten verbunden ist, aber eben auch mit Perspektiven. Wir müssen darauf reagieren, und wir müssen vorausschauend planen. Wir müssen in allen Politikbereichen nachhaltig handeln. Bei jeder Entscheidung gilt es zu beachten, welche Auswirkungen damit für die Zukunft entstehen. Als Küstenland wissen wir, dass, was wir jetzt beim Umweltschutz versäumen, wird später beim Deichschutz teuer bezahlt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir können aber nach vorn schauen. Wir haben mit den 400 Millionen Euro die Chance, die wir ab 2020 in dem von mir ja schon in vergangenen Regierungserklärungen angesprochenen Dreiklang einsetzen können. Wir werden sie einsetzen, um ab 2020 die Schuldenbremse einzuhalten und keine neuen Kredite mehr aufzunehmen, den Schuldenabbau - wie wir es zugesagt haben - zu beginnen und die Wirtschafts- und die Finanzkraft unseres Landes zu stärken.

Ich will an dieser Stelle vorwegschicken, dass mich die Opposition in den Debatten, die ich in den vergangenen Wochen und die wir auch hier geführt haben, nicht überzeugt hat. Während DIE LINKE im Ergebnis zwar einen Schritt in die richtige Richtung macht, fordert sie im gleichen Atemzug, der Senat müsse nun umgehend alle Anstrengungen zur Konsolidierung der Finanzen einstellen. Für die FDP ist wiederum die Neuregelung der Finanzbeziehungen ein fauler Kompromiss. Sie wirft dem Senat Ausgabenexzesse vor, um dann mit einer Vielzahl von Forderungen 300 Millionen Euro mit der Gießkanne über das Land auszuschütten.

Die CDU erklärt schließlich - meines Erachtens in Verkennung der Lage, die auch andere Länder bei uns anerkennen -, dass die insgesamt 400 Millionen Euro in die Schuldentilgung fließen müssten. Während das erklärt wird, wird gleichzeitig durch CDU-Fachpolitiker eine ganze Reihe von Mehrausgaben in Millionenhöhe gefordert. Meine Damen und Herren, so kann es nicht funktionieren.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

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Für unser Land ist weder eine 100-prozentige Schuldentilgung noch eine 100-prozentige Verausgabung der Mittel, noch eine Investitionspolitik mit der Gießkanne gut. Der Senat hält eine solche Politik der Extreme für nicht tragfähig. Sie schadet, aus welcher Richtung sie auch immer kommt, unserem Land und seinen Städten Bremen und Bremerhaven. Wir brauchen hingegen eine breite Verständigung und eine ordentliche Diskussion darüber, auf welche Art und Weise wir ab 2020 den Weg der Stärkung, des Zusammenhalts, des konsequenten Schuldenabbaus und natürlich der Politik für wachsende Städte und ein wachsendes Land gehen wollen. Es ist ein gemeinsamer Plan für Bremens Zukunft ab 2020 notwendig.

Jetzt, nachdem der Bundestag und der Bundesrat beschlossen haben, ist die Verlässlichkeit gegeben und die Zeit ist reif dafür, aber erst jetzt ist die Zeit reif dafür, dass wir darüber reden. Deshalb habe ich gemeinsam mit Bürgermeisterin Linnert dem Senat einen Vorschlag unterbreitet, um zusammen mit dem Magistrat Bremerhaven sowie wichtigen gesellschaftlichen Akteuren und unter Einbeziehung externer Experten die Eckpunkte und Grundlagen für ein Zukunftsprogramm für unser Land zu erarbeiten. Diesen Vorschlag hat der Senat gestern beschlossen und die Einrichtung der Kommission „Zukunft Bremen“ auf den Weg gebracht.

Ich habe klar die Ziele benannt, um die es geht: Schuldenabbau, Zusammenhalt, die Wirtschafts- und Finanzkraft stärken. Dafür brauchen wir wirtschaftliche Infrastrukturen, die leistungsfähig sind, eine nachhaltige, ökologisch ,familienfreundliche Stadtentwicklung sowie qualifizierte Fachkräfte und gut ausgebildete Menschen. Nur so werden wir die wachsende Städte auf der einen Seite und den gesellschaftlichen Zusammenhang halten können.

Das Ganze, meine Damen und Herren, stellen wir auf drei Säulen. Erstens, eine leistungsfähige Infrastruktur ist die Basis für die Entwicklung insgesamt. Ohne eine funktionierende Infrastruktur können weitergehende Wachstumsstrategien nicht erfolgreich sein. Wir werden uns deshalb sehr intensiv damit auseinandersetzen, wie wir im nächsten Jahrzehnt die Verkehrswege und Gewerbeflächen, den öffentlichen Nahverkehr, die Elektromobilität, aber natürlich auch die digitale Infrastruktur unseres Landes gezielt weiterentwickeln können. Dabei kommt dem Wissenschaftsbereich mit seiner Innovationsfähigkeit unseres Landes und qualifizierten Beschäftigungsmöglichkeiten eine besondere Rolle zu.

Wir werden zudem darüber diskutieren, wie wir unsere bestehenden Infrastrukturen auch an

die sich verändernden Bedürfnisse der Menschen und der Wirtschaft anzupassen haben.

Zweitens, wir brauchen für eine gute Zukunftsentwicklung attraktive Städte und eine hohe Lebensqualität. Die positive Einwohnerentwicklung der letzten Jahre ist sowohl für das wirtschaftliche Wachstum als auch für die finanziellen Perspektiven des Landes zentral. Aus diesem Grund ist das die zweite Säule, die wir vertieft beraten und zu der wir Vorschläge machen werden.

Wir werden klären, wie wir nachhaltig ein ausreichendes Wohnraumangebot für alle schaffen und eine dem Bevölkerungswachstum qualitativ wie quantitativ entsprechende gute, soziale Infrastruktur entwickeln, wie wir die gesundheitliche Versorgung und die kulturellen Angebote stärken und wie wir auch dafür sorgen, dass die ja gerade jüngst so heftig diskutierte sportliche Infrastruktur zukunftsfähig aufgestellt ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dabei ist es dem Senat wichtig, dass alle Menschen - unabhängig von Einkommen, Herkunft oder Beeinträchtigungen - in unseren Städten am Leben teilhaben können.

(Beifall SPD)

Eine wichtige Frage - und das ist hier in der Vergangenheit häufig kritisiert worden - wird natürlich sein, wie wir die erhebliche Armut in unseren beiden Städten wirksamer bekämpfen können. Wir müssen dafür Quartiere und Nachbarschaften weiterentwickeln. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Integration der zu uns geflüchteten Menschen, die vor Ort gestaltet werden muss und die vor Ort erfolgt.

Die dritte Säule und das dritte ganz wesentliche Zukunftsfeld sieht der Senat im Bereich der Qualifizierung als entscheidende Ressource für die Zukunft unseres Landes. Bremen und Bremerhaven haben - darüber wird viel diskutiert, aber an dieser Stelle ist es, glaube ich, sehr klar und anerkannt - in der wissenschaftlichen Bildung und in der beruflichen Bildung und Ausbildung eine hohe Anerkennung und einen hohen Ruf mit guter Qualität.

Wir brauchen natürlich ein Konzept der Weiterentwicklung und müssen unser Konzept für die Universität und für die Hochschulen weiterentwickeln. In der frühkindlichen und schulischen Ausbildung müssen wir verstärkt Anstrengungen unternehmen - gerade im nächsten Jahrzehnt -, um die Situation zu verbessern. Das wissen wir alle, und davor können wir unsere

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Augen nicht verschließen. Bildung und Ausbildung sind ein Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und Aufstieg, meine Damen und Herren. Das steht für uns im Mittelpunkt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Diese drei Säulen sind die zentralen Aufgaben, denen wir uns in der Zukunftskommission widmen wollen. Der Kommission werden alle Senatsmitglieder sowie der Oberbürgermeister von Bremerhaven angehören. Ich selbst werde als Präsident des Senats den Vorsitz übernehmen. Der Kommission sind die drei genannten Perspektivgruppen zu den zentralen Bereichen sowie eine ressortübergreifende Steuerungsrunde für den Gesamtprozess zugeordnet.

Entscheidend ist, nicht im eigenen Saft zu schmoren, sondern über einen Zukunftsrat eine enge Einbindung gesellschaftlicher Akteure und externer Expertinnen und Experten sicherzustellen. Der Senat wird hierzu zur Konstituierung der Perspektivegruppen entsprechende Vorschläge machen. Schon jetzt haben wir für den Zukunftsrat Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, die Hochschulen, die Umwelt- und Wohlfahrtsverbände sowie eine ganze Reihe weiterer Akteure der Zivilgesellschaft benannt. Selbstverständlich - und das will ich ausdrücklich sagen - ist die Bremische Bürgerschaft, sind die Abgeordneten, sind die Fraktionen eingeladen, sich in diesen Prozess in geeigneter Weise einzubringen. Kommission und Zukunftsrat sollen nach den Sommerferien ihre Arbeit aufnehmen. Das ist auch angesichts des engen Zeitrahmens, den wir innerhalb dieser Legislaturperiode noch haben, dringend geboten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der neuen Sanierungshilfe haben wir ab 2020 die Möglichkeit, die Schuldenbremse einzuhalten, in die Schuldentilgung einzutreten sowie gezielte Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes vorzunehmen. Bis dahin liegt aber noch eine Wegstrecke vor uns.

Die Anstrengungen zur Konsolidierung unserer Haushalte müssen fortgesetzt werden. Wir müssen den Übergang bis 2020 gestalten. Das wird schwierig. Gleichzeitig müssen und werden wir zusätzliche Herausforderungen, wie in der Kindertagesbetreuung und im Schulbereich, bewältigen. Das wird für die Aufstellung der Haushalte für 2018 und 2019 eine besondere Herausforderung, die Sie hier in der Bürgerschaft in diesem Jahr noch intensiv beschäftigen wird. Ich bin sicher, meine Damen und Herren, dass sich die Anstrengungen, die wir für die Zukunftssicherung unseres Landes noch unternehmen werden und unternehmen müssen,

auszahlen werden. Ich hoffe dabei auf die Unterstützung dieses Hauses.

Die Grundlage für die Zukunft unseres Landes ist gelegt. In dem Zusammenhang will ich darauf zurückkommen, dass ich zu Beginn meiner Ausführungen das Linzer Diplom angesprochen habe, das eine entscheidende Bedeutung für die Selbstständigkeit Bremens besitzt.

In dem Lied, das hier am 1. Juni auf dem Marktplatz gesungen worden ist, heißt es: „Und so wurde hart verhandelt, stets die Freiheit im Visier“. Das passt schon recht gut zur erreichten Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Die Freiheit Bremens, stets im Visier zu haben, ist - ich nehme das gern auf - sowieso die Grundlage für diese Koalition und für diesen Senat.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Ich dachte für Koaliti- onsverhandlungen!)

Es wird darüber hinaus aber auch die Leitlinie für die vor uns liegenden Beratungen der Zukunftskommission sein.

In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Arbeit für unseren Zwei-Städte-Staat. - Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)