Ich finde es ist eine spannende Debatte. Ich finde auch, dass wir in vielen Punkten gar nicht so weit auseinanderliegen, und glaube, wir sind uns in der Analyse einig, dass im ÖPNV sich etwas verändert, dass in dem Bereich eine Aufbruchstimmung herrscht. Digitalisierung, eine ungerechte Finanzierung und eben auch autonomes Fahren, was die Verkehrsbetriebe dazu zwingt, sich weiterzuentwickeln von einem reinen Systemanbieter hin zu einem Mobilitätsdienstleister, sind echte Herausforderungen. Es geht um die Zukunft des öffentlichen Verkehrs, es geht um Daseinsvorsorge und um Teilhabe. Das dürfen wir nie dabei vergessen.
Jetzt stellt sich die grundsätzliche Frage: Ist ein verbilligtes oder gar freies ÖPNV-Angebot eine opportune Kompensation und geeignetes Instrument für unsere Luftreinhalteprobleme? Diese Frage muss man sich ja stellen, auch in Bezug auf das Geld, das man in dieses System investieren will. An welcher Stellschraube drehen wir, damit es besonders wirksam ist?
Eine Tarifstruktur sollte dabei natürlich sozial ausgewogen sein. Aber, ganz klar, Verkehrspolitik ist kein Ersatz für Sozialpolitik, das muss man auch sagen.
Über die Umverteilung rede ich gleich noch, denn für die Umverteilung besteht aufgrund der Ungerechtigkeit ein ganz gesteigerter Bedarf.
Es gibt letztlich zwei Fernziele, die formuliert worden sind. Von der FDP kam nichts, von der CDU kam auch nichts. Aber immerhin, DIE LINKE hat einen Vorschlag unterbreitet und gesagt, Fernziele sind erst einmal Verbilligung, Sondertarife, und dann folgt letztlich ein ticketloser ÖPNV als Ziel, wie es die Piraten auch einmal vertreten haben. Die SPD hat jetzt vorgeschlagen, auch ein interessanter Vorschlag, alle Personen unter 18 Jahren sollen kostenfrei fahren können. Jetzt frage ich mich, wenn man sich diese beiden Sachen nur sozialpolitisch anschaut, ist das sozialpolitisch wirklich die wirksame Maßnahme, sowohl das eine wie das andere? Da sage ich: Nein! Es gibt dazu sehr viel effektivere Instrumente. Was Herr Janßen gerade gefordert hat, den Preis für das Stadtticket massiv noch einmal zu senken, das wäre sozialpolitisch wirksam, ist aber verkehrspolitisch von seiner Relevanz nicht das wirkungsvollste Instrument.
Da gilt es, was Sie auch angesprochen haben, was ich richtig finde, mehr zu schauen, wie ich es denn schaffe, dass Menschen sagen, Autofahren ist doch nicht so gut, die anderen Angebote sind bequemer, sie sind schneller, ich muss nicht so viel zu Fuß gehen, ich muss nicht so viel warten. Was sind die Anreize dafür? Ist es nur der Preis? Dazu sage ich, Nein. Der Preis ist ein Instrument dabei, die Qualität und der Komfort sind vielleicht sehr viel wichtigere Argumente.
Genau! Darüber müssen wir jetzt aber wirklich reden, dass es auch um Qualität geht. Wir haben da ja schon selbst unser Konzept vorgestellt, und zwar ist das ein integriertes Konzept, das sich an einem Beispiel orientiert, wo es funktioniert hat, nämlich in Wien. In Wien haben wir ein 365-Euro-Ticket, das heißt, das ist deutlich gesenkt worden und hat auch eine Sozialkomponente. Wir haben aber auch gesagt, das reicht nicht, die Menschen steigen nicht massenhaft um, nur weil es preiswerter ist. Jetzt nehme ich dem Senator ein Beispiel weg, das er schon ein paarmal erwähnt hat, wer in seinem SUV sitzt, wird nicht davon überzeugt werden, mit dem ÖPNV zu fahren, nur weil es kostenlos oder ein bisschen günstiger ist. Da muss es mehr geben. Es muss auch in Qualität investiert werden.
Die dritte Sache, die damit zusammenhängt, neben dem Preis und neben der Verbesserung von Qualität und Komfort, ist natürlich der Parkraum. Solange es so billig und so bequem ist und zum Teil kostenfrei, in unserer Stadt sein Auto zu parken – –.
Ja, schauen Sie doch einmal hin, der Großteil dieser Stadt ist unbewirtschaftet, das Auto steht 23 Stunden und 30 Minuten am Tag in der Gegend herum und wird nicht bewegt, das ist keine sinnvolle Gestaltung des öffentlichen Raumes.
Wir haben eine Ungerechtigkeit im System. Da sind wir auch einer Meinung, die ist sogar noch stärker, als wenn man nur auf diese Zahlen schaut, weil es auch eine volkswirtschaftliche Komponente bei den unterschiedlichen Verkehrsarten gibt. Die Studie aus Kassel kommt in etwa zu dem Urteil, die
Kommunen subventionieren den Autoverkehr dreimal so stark wie den ÖPNV. Wiederum der Fußverkehr und der Radverkehr bekommen nur einen kleinen Bruchteil davon. Ich war bei einem Vortrag in Rostock, von den 1,1 Milliarden Euro, die dort in den Verkehrsbereich fließen, waren genau acht Millionen Euro in 15 Jahren für den Radverkehr und 60 Millionen Euro für den Fußverkehr. Dieses Ungleichgewicht gilt es aufzubrechen. Wir müssen eine Gerechtigkeit in dieses System hineinbekommen, und dafür müssen wir schauen, wie wir auch mehr Geld in das System einfließen lassen. Das heißt für mich ganz eindeutig, wir müssen im Sinne einer Verkehrsträgergerechtigkeit die Finanzierung umsteuern.
Da ist viel debattiert worden. Es wird jetzt eine Nahverkehrsabgabe vorgeschlagen. Das ist eine Sache, um neues Geld in das System einzubringen, davon bin ich kein Fan.
Ich glaube, diejenigen, die der Gesellschaft volkswirtschaftlich am meisten nutzen, sind tatsächlich die Menschen, die mit dem Rad und zu Fuß unterwegs sind. Ich glaube, der Rad- und Fußverkehr muss im gleichen Maße oder vielleicht sogar noch ein bisschen mehr gefördert werden, als der öffentliche Nahverkehr, dann gelingt eine Verkehrswende, und dann werden wir wirklich den Umweltverbund insgesamt auch als multimodales System wirksam fördern können. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine Große Anfrage der LINKE mit 30 Fragen, die vom Senat ausführlich beantwortet wurde, von A wie Ausgleichszahlungen bis Z wie Zuschuss. Dafür meinen herzlichen Dank an Senat und Verkehrsressort. Wie meine Vorredner auch schon, kann ich im Rahmen dieser Debatte nur auf einige wenige Einzelheiten der Antwort eingehen. Wie bei der gestern in der Stadtbürgerschaft debattierten Großen Anfrage der FDP ähneln sich teilweise die Fragen von Erträgen bis zum Verlustausgleich.
Der Senat sieht einen Zusammenhang zwischen verfügbarem Haushaltseinkommen und Mobilität durch ÖPNV-Nutzung. Ehrlich gesagt, verwundert mich das nicht. Es stellt sich aber besonders die Frage, wie schaffen wir es, mehr Menschen für den ÖPNV zu begeistern, damit sie ihr Auto stehen lassen. Niedrigere Ticketpreise sind nicht das alleinige Entscheidungskriterium für eine höhere ÖPNV-Nutzung. Sie reichen nicht aus, mehr Menschen für Bus und Bahn zu begeistern. Wichtiger sind, ob, wie und wann ein Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Das gilt besonders auch für Pendler aus den niedersächsischen Umlandgemeinden, da besonders diese Gruppe das Auto als Verkehrsmittel bevorzugt. Eine Verbesserung der Angebote wie Kurzstrecken- oder Einwohnerticket in Osterholz beziehungsweise Weyhe steigern die Attraktivität des ÖPNV.
Letzteres wird ab 1. Oktober für zwei Jahre in Weyhe eingeführt. Übrigens eine Idee des Weyher Bürgermeisters und zukünftigem Abgeordneten in der Bremischen Bürgerschaft, Andreas Bovenschulte.
Eine Idee, resultierend aus dem Jobticket, die bei erfolgreichem Verlauf sicherlich auf viele weitere Gemeinden oder anderen Organisationen ausgeweitet werden kann. Ziel ist es, wie gesagt, möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom ÖPNV zu überzeugen, und dies in Bremen und Niedersachsen.
Erfreulich ist, dass der Senat erkannt hat, dass im Vergleich ein VBN-Einzelticket im Gegensatz zu den Zeitkarten relativ hoch im Preis liegt. Ich bin auf das Ergebnis der zugesagten Prüfung der BSAG mit einem möglichen Verzicht einer weiteren Kostensteigerung beim Einzelticket gespannt. Dies wäre ein erster und wichtiger Schritt für einen attraktiven ÖPNV.
Die SPD fordert in diesem Zusammenhang beim BOB-Ticket eine Preisdeckung auf ein Mehrmonatsticket. Diese Deckelung gibt es bisher nur pro Tag. Das heißt, bei beliebig vielen Fahrten wird höchstens der Tagespreis berechnet. Dass dies nicht für den gesamten Monat möglich ist, kann ich nicht nachvollziehen.
Auf die Anfrage zurückzukommen: Im Weiteren wurde vom Senat errechnet, dass eine Reduzierung des Einzeltickets auf 2,50 Euro, ein Jahresticket von 365 Euro und ein Stadtticket von 25 Euro einen Fehlbetrag von 18 Millionen Euro ergeben würde. Dieser Betrag müsste von Bremen an den VBN gezahlt werden, mit Bremerhaven zusammen, wie eben schon gesagt, 22 Millionen Euro. Das ist ein großer Betrag.
Interessant ist auch, dass sich DIE LINKEN den SPD-Vorschlag, freier ÖPNV für Kinder und Jugendliche, durch diese Anfrage beantworten lassen. Ja, er kostet zwölf Millionen Euro pro Jahr. Bei der Finanzierung müssen Prioritäten gesetzt werden. Ich bin der Auffassung, dass ein richtiger Einstieg für Fahrpreisermäßigungen dieses ist. Viele Privathaushalte können davon partizipieren.
Ich bin schon gespannt auf die Summen, die die ÖPNV-Vorschläge der LINKEN kosten. Schließlich haben sie einen insgesamt kostenfreien ÖPNV gefordert. Wie bereits ausgeführt, müssen für qualitative und quantitative Ausbaumaßnahmen dort noch weitere Beträge zur Verfügung gestellt werden. Die LINKE hält einen ticketlosen abgabe- und steuerfinanzierten ÖPNV für die effektivste Maßnahme für eine klimaverträgliche Verkehrspolitik. Im Prinzip ist das richtig. Aber soll Bremen als Insel dieses favorisieren? Sollen die Bremer Bürger und Bürgerinnen ihre niedersächsischen Nachbarn mitfinanzieren? Was ist bereits jetzt schon mit klimafreundlichen Fußgängern und Radfahrern? Lassen sie sich nicht dazu hinreißen, auch den kostenlosen ÖPNV zu nutzen und verursachen damit wiederum eine schlechtere Klimabilanz?
Hier gibt es noch großen Gesprächsbedarf. Und letztlich sind für die weitere Diskussion, wie bereits am Anfang gesagt, die Senatsantworten eine gute Grundlage, um weitere Entscheidungen für einen attraktiven und bezahlbaren ÖPNV zu treffen. Auf den Antrag der LINKEN zurückkommend noch einmal: Wir beantragen die Überweisung an die Bau- und Verkehrsdeputation, wie eben schon gesagt, es ist fraglich, ob das tatsächlich gute Ausgleichsleistungen sind. Der Verzicht auf Preiserhöhungen, das klingt im ersten Moment sehr gut, aber, wie gesagt, Preiserhöhungen betreffen auch unsere niedersächsischen Nachbarn, und wir Bremer finanzieren das letztendlich mit. Ich gehe davon aus, dass wir in der Deputation darüber noch eine größere Diskussion führen. In einem sind wir uns auf jeden Fall einig: Es muss ein attraktiver und
bezahlbarer ÖPNV in Bremen sein. Deswegen beantragen wir die Überweisung an die Bau- beziehungsweise Verkehrsdeputation. - Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte jetzt genauso in den Chor mit eingreifen, und die CDU-Fraktion fordert den EinzelticketPreis auf 2,45 Euro und Jugendlichenticket auf 18,5 Jahre.
Nein, 18,5. Dann kann ja immer noch DIE LINKE auf 19 und Sie dann auf 20 oder 21 gehen. Was will ich damit sagen?
Genau, Herr Buhlert, das ist nämlich mein Problem. Wir können uns jetzt hier gegenseitig noch Zahlen zurufen. Ich glaube, dass der Ansatz, den wir hatten und jetzt ja auch gemeinsam mit der LINKEN den Antrag gestellt haben, dass wir unbedingt eine Anhörung zur Entwicklung der Ticketpreise brauchen. Ich glaube, es ist unabdinglich, dass man wirklich auch anhand von Zahlen und Statistiken einmal Zahlenmaterial gemeinsam erarbeitet, so, wie zum Beispiel beim Verkehrsentwicklungsplan, das war ja auch ein Prozess, bei dem wir alle gegenseitig voneinander gelernt haben. Ich glaube, so etwas ist hier auch notwendig, sonst überbieten wir uns in die eine oder in die andere Richtung.
Dann will ich einmal zu dem Thema Fahrpreiserhöhung grundsätzlich etwas sagen. Anhand der Statistiken nach der Antwort auf die Anfrage der LINKEN hat sich eigentlich gezeigt, dass es bei den laufenden Preiserhöhungen keinen massiven Fahrgastschwund bei den Einzeltickets gegeben hat. Trotzdem sind 2,80 Euro schon eine Menge Geld. Aber ich weiß nicht, ob 2,50, 2,70 oder 2,80 Euro – ich sehe da nicht so den gravierenden Unterschied für Leute, die ein Einzelticket einmal kaufen, die einmal spontan mit der Bahn oder dem Bus fahren. Denen glaube ich, ist das nicht hilfreich.
Was ich noch einmal erwähnen möchte: das Wiener Modell. Das wird ja sehr gerne jetzt von Herrn Saxe auch immer wieder in die Diskussion gebracht. Ich
wiederhole mich da auch schon. Wir haben das letztens bei der Podiumsdiskussion gesagt: Dieses Wiener Modell basiert auf einer massiven Erweiterung der Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs, dass man den Bürgerinnen und Bürgern in Wien auch die Möglichkeit gegeben hat, allumfänglich von A nach B zu kommen. Und die Parkraumbewirtschaftung natürlich, klar, um ihnen dann eine Möglichkeit zu geben, zu fahren. Das ist ja genau das, was die CDU seit Monaten, seit Jahren sagt. Das habe ich bei dieser Diskussion gesagt. Wir können über das Wiener Modell das oder das diskutieren, wir müssen an erster Stelle Infrastruktur schaffen. Und das hatten wir gestern schon in der Diskussion: Da muss man hier als Bürger leider völliges Versagen feststellen.
Und eines hat das Wiener Modell auch noch gezeigt, was jetzt ein bisschen widersprüchlich zu dieser Diskussion von einigen Parteien ist. Man hat die Einzeltickets auch massiv erhöht. Das hatte natürlich einen Grund. Die haben ganz andere Tourismuszahlen. Dann hat man gesagt, das Einzelticket wird teurer, und wer das Jahresticket nimmt, bekommt ein preiswerteres Angebot. Das kann man ja so auch machen. Nur dann ist die Diskussion, die wir gerade bezüglich des Einzeltickets führen, irgendwie gerade schief.
Also: Wir können mit dem Antrag, wir können auch damit leben, den zu überweisen, ihn vielleicht auch in diese Anhörung zu integrieren, weil die ersten Bauchschmerzen, die auch Frau Sprehe hier schon genannt hat, haben wir auch. Inwieweit wir als Bremen, als Bundesland jetzt niedersächsische Zahler dann noch subventionieren müssen, weil, wir subventionieren ja teilweise schon die Infrastruktur im niedersächsischen Raum, was wir gern machen, weil wir uns als Oberzentrum verstehen. Das dann aber noch zusätzlich zu machen, halte ich auch für äußerst problematisch. Dann kann ich alle nur bitten, lasst uns ein vernünftiges Gesamtpaket schnüren, weil jeder seine Klientel bedienen möchte. Das wird, glaube ich, nicht funktionieren, denn dann werden wir andere soziale Schieflagen und Ungerechtigkeiten erzeugen.