Protocol of the Session on August 30, 2018

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rinnen und Nutzer wechseln und wir werden Kapazitätsprobleme haben. Das werden auch viele Fahrradfahrer und Fußgänger sein, was ich ehrlich gesagt, gar nicht haben möchte. Es stellt sich die Frage: Wenn wir das viele Geld hätten, was wir eigentlich mit dem Geld machen und wo die verkehrspolitische und Lenkungswirkung am besten ist?

Da sage ich: Ich glaube, wir erreichen das meiste im ÖPNV, wenn wir erst einmal Geld aus den anderen Systemen, nämlich dem Autoverkehr in den Bereich herüberholen, und indem wir sowohl in die Senkung der Preise investieren, als auch in die Qualität, denn das ist entscheidend. Ich kenne genug Leute, die sagen: Da könnt ihr mir Geld hinzugeben, ich steige trotzdem nicht in den ÖPNV ein. Die kann man nur bekommen, wenn man beides macht.

Das ist letztlich der Ansatz, den wir gut finden. Das muss eine soziale Komponente haben, darüber sind wir uns ja auch einig. Es kann nicht bedeuten, dass wir statt des StadtTickets ein 365-Euro-Ticket anbieten. Natürlich muss es eine soziale Komponente geben. Ich hätte DIE LINKE auch mehr verstanden, wenn sie mit dem Vorschlag herausgegangen wäre und gesagt hätte: Das Stadtticket für Hartz-4-Empfänger geben wir kostenlos. Damit kann ich umgehen, das hat eine Lenkungswirkung, die ich für vernünftig halte. Aber es für alle kostenlos zu vergeben, was ist das für eine soziale Lenkungswirkung? Die ist mir ganz persönlich noch nicht klar.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Unsere These ist ganz eindeutig, über das kostenlose Ticket kann man reden und ich finde die Debatte, auch gerade mit Nelson Janßen, der sich gut damit auskennt, sehr spannend.

Es verschlechtert aber, glaube ich, die Qualität und es ist sozial nicht ausgewogen und es ist nicht verkehrsträgergerecht. Gerade der Fuß- und Radverkehr muss stärker gefördert werden. Ich kann mir aber sehr gut einzelne Elemente vorstellen.

Wir sind als Grüne mit dem Vorschlag herausgegangen – das hat auch kein so großes Stöhnen hervorgerufen, wie es sonst der Fall war – die Parkhäuser zu verlegen. Wenn wir uns vorstellen, dass die Parkhäuser weiter am Rand der Innenstadt sind, dann ist die Frage, wie die Leute in die Innenstadt hinein kommen. Da kann ich mir so ein Element vorstellen, dass man ergänzend sagt: Da machen

wir kostenlosen ÖPNV, damit die Leute weiter in die Bremer Innenstadt kommen.

Aber das Entscheidende ist ganz klar: Wie bekommen wir das in dem System Verkehr insgesamt umgesteuert, wenn diese Ungerechtigkeit, die ich postuliert habe, mit den 156 Euro und den 9,30 Euro wirklich stimmt. Das heißt, wir glauben, dass es das Vernünftigste ist, erst einmal das Verkehrssystem insgesamt zu denken, deshalb haben wir das 365Euro-Ticket mit der sozialen Komponente vorgeschlagen. Das ist jetzt nicht irgendein Hirngespinst, sondern das funktioniert in Wien, das funktioniert auch in Österreich an anderen Stellen.

Deswegen glauben wir, dass es vernünftig ist, das miteinzubeziehen. Wir werben dafür, wenn man dafür eine Nahverkehrsabgabe oder was auch immer einführen will oder es steuerfinanziert, dass man dann den Umweltverbund mitdenkt. Ich möchte eben nicht, dass es Verdrängungen von Rad- und Fußverkehr auf den ÖPNV gibt.

(Glocke)

Sondern ich möchte, dass insgesamt der Umweltverbund sehr gestärkt wird und Autoverkehr möglichst nur noch dann benutzt wird, wenn es wirklich nötig ist. Wir wollen den Autoverkehr nicht abschaffen, aber wir wollen ihn reduzieren.

In einem ersten Schritt setzen wir uns aber dafür ein, Tickets für Auszubildende, Schülerinnen und Schüler zu senken, also tatsächlich die Ungerechtigkeiten und Unwuchten, die im System sind, in einem ersten Schritt zu beseitigen, um dann zum 365-Euro-Ticket zu gehen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Sprehe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie bereits eben schon angesprochen worden ist, ist das Ministerium auf Vorschlag der Bundesregierung an die Oberbürgermeister von Bonn, Mannheim, Essen, Reutlingen und Herrnberg herangetreten mit der Möglichkeit, einen Gratis-ÖPNV auszuloten. Diese fünf Städte waren von der Bundesregierung als LeadCities für die Tests von neuen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität benannt worden. Die Menschen sollten durch eine kostenfreie Beförderung in Bussen und Bahnen dazu gebracht werden, ihr Auto stehen zu lassen. Die Idee wurde von den

Städten geprüft und verworfen. Und warum? Allein aus Kostengründen.

Es ist nämlich als erste Maßnahme durch ein zu erwartendes erhöhtes Fahrgastaufkommen ein riesiger Ausbau des ÖPNV notwendig. Nur wenn die Qualität durch ausreichend Linien, Busse, Straßenbahnen und Taktfrequenzen vorliegt, kann ein massiv erhöhtes Fahrgastaufkommen angemessen befördert werden. Dies ist Voraussetzung dafür, dass ein kostenloser ÖPNV überhaupt angenommen wird, da kein Bürger und keine Bürgerin Interesse daran hat, in überfüllten Bussen von A nach B zu kommen, insbesondere wenn es kein flächendeckendes ÖPNV-Gebiet gibt.

Im Übrigen hat sich durch Umfragen gezeigt, dass nicht hauptsächlich die Autofahrer einen kostenfreien ÖPNV in Anspruch nehmen werden, sondern vermehrt Fußgänger und Radfahrer, und dies ist nun wirklich nicht im Sinne einer vernünftigen Klimapolitik.

(Beifall FDP)

Die Aussicht auf Zuschüsse des Bundes, die für einzelne Bevölkerungsgruppen genutzt werden können, ist sicherlich positiv, ändert aber nichts an der Tatsache, dass nach deren Ablauf eine Eigenfinanzierung erfolgen muss. Die Rücknahme von gewährten ÖPNV-Vergünstigungen ist gegenüber der Bevölkerung politisch nicht durchsetzbar und insgesamt auch der falsche Weg. Die Vergünstigungen bei Fahrpreisen müssen und werden ausfinanziert werden. Die Fraktion der SPD will dafür demnächst realistische und gegenfinanzierte Vorschläge vorstellen.

(Beifall SPD)

Viel wichtiger wäre eine massive und schnelle Bundesbeteiligung beim Straßenbahnausbau und bei den erhöhten Beschaffungskosten von E-Bussen, denn damit würden die Klimaziele tatsächlich schnell verbessert werden.

(Heiterkeit CDU – Abgeordneter Strohmann [CDU]: Das glauben Sie wohl selber nicht! – Zurufe Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP])

Ich glaube das schon. Sie wissen ganz genau, dass der Bund erst Zuschüsse gibt, wenn das Volumen tatsächlich 50 Millionen Euro erreicht. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass eine Straßenbahnlinie in die Überseestadt keinerlei Bundesmittel bekommen würde. Das muss man ehrlicher Weise sagen.

Solche Regularien müssen geändert werden, damit dieses möglich ist.

(Beifall SPD)

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE zu einer Bundesratsinitiative „Modellprojekte für den Einstieg in den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr“ besagt, dass Städte gefördert werden können, bei denen die Grenzwerte nicht überschritten sind. Dieses ist nach den neuesten Statistiken erfreulicherweise in Bremen nicht der Fall, der Grenzwert von Stickoxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wurde 2017 an den Messstellen eingehalten. Es gibt aber eine Vielzahl von Städten, die diese Schadstoffgrenze leider überschreiten. Ob und wann dann eine relativ saubere Stadt wie Bremen Modellstadt werden würde, steht meines Erachtens in den Sternen.

Aus den angesprochenen Gründen lehnt die Fraktion der SPD den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab, wird sich aber auch zukünftig für eine umfangreichere Finanzierung des ÖPNV einsetzen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Strohmann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Allen drei Vorrednern, muss ich sagen –

(Zuruf Abgeordnete Sprehe [SPD]: Rednerin!)

Rednerinnen und Redner, ich habe den Plural benutzt, aber okay – ja wenn man keine Inhalte hat, muss man über solche Formalien stolpern. Frau Sprehe, Sie haben den Vogel abgeschossen. Ich wollte jetzt eigentlich sagen, liebe Freunde von Rot-Rot-Grün: Bevor wir über kostenlosen, vergünstigten oder sonst etwas, oder das Wiener-Modell diskutieren, müssen wir erst einmal vernünftig ausgebauten öffentlichen Nahverkehr haben, und dafür haben Sie die letzten 13 Jahre nichts gemacht.

(Beifall CDU, BIW)

Das muss man sagen. Ja, Frau Dr. Müller, den letzten Verkehrssenator, unter dem Straßenbahnen gebaut wurden, hat die CDU gestellt.

(Zuruf Bündnis 90/Die Grünen: Oh! – Beifall CDU, FDP)

Das ist einfach so, also erzählen Sie mir hier jetzt nichts. Frau Sprehe, Sie haben trotzdem nochmal einen darauf gesetzt.

(Abgeordnete Sprehe [SPD]: Das mache ich doch immer!)

Erstens meine ich zu wissen, dass wir in Berlin eine Koalition zwischen CDU und SPD haben. Ich weiß ja nicht, ob Sie jetzt schon abgespalten sind. Jetzt die Bundesregierung ins Spiel zu bringen, finde ich schon ziemlich eigenartig und dann noch die Forderung der Finanzierung – –. Wenn wir für Infrastruktur Geld investieren, dann sollte es betriebswirtschaftlich ansatzweise vernünftig sein, deswegen sind die Formalien wichtig. Das hat übrigens nichts mit Regierung zu tun, sondern vom Bundesrechnungshof wird verlangt, dass es eine Kalkulation gibt. In Bremen ist das egal, das Geld wäre da. Sie geben es nicht aus, weil Sie es nicht hinbekommen.

Jetzt zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ich finde das schön, das hört sich immer gut an. Ich wäre theoretisch dafür, aber das kommt mir immer so ein bisschen vor wie das Versprechen auf den Kommunismus: Das ist das Paradies, jeder bekommt das, was er benötigt und nimmt auch nur das, was er benötigt.

(Beifall BIW)

Der Weg dahin ist ein bisschen schwieriger, da müssen wir den Sozialismus zwischenschalten, bis wir dann zum Kommunismus kommen. Der wird dann ziemlich übel.

(Zurufe)

Genauso ist es das auch bei Ihnen. Bei all diesen Forderungen, die alle verständlich sind, haben Sie eines vergessen: Die Menschen, die sind halt so, wie sie sind. Da muss man auch darauf achten. Wir haben im Grunde genommen den öffentlichen Nahverkehr gar nicht ausgebaut, deswegen würde dieses Pilotprojekt – selbst wenn wir sagen, das finden wir gut und die Bundesregierung sagt: Wir geben euch noch einmal 30 Millionen Euro dazu, dass würde das Defizit einigermaßen ausgleichen – so nicht funktionieren. Deswegen glaube ich, ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wichtig, da müssen wir die eine oder andere Bürgerinitiative sanft überzeugen. Das ist das erste.

Das zweite, würde ich sagen, ist, Angebote zu schaffen, um den Familien und den Kindern und Jugendlichen einen Einstieg zu geben. Und da bin ich voll auf Ihrer Seite, wir werden ja die Anhörung machen. Ich glaube, dass es sozial unverträglich ist, für ein Schülerticket 47 Euro, einmal unabhängig davon – –. Also die Millionärskinder, glaube ich, die organisieren das anders. Für eine ganz normale Familie mit einem relativ guten Einkommen ist es schwierig, wenn bei der Erstklässlerin oder dem Erstklässler die Mutter oder der Vater das Kind zur Schule begleiten, denen wir dann mal eben über 120 Euro, 130 Euro im Monat zusätzlich – –. Ich glaube schon, dass Mutti dann manchmal sagt: Dann fahren wir lieber mit dem Auto.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Kurze Beine, kurze Wege!)

Ja, sehen Sie, leben Sie in Ihrer Welt weiter, Frau Sprehe, in Bremen-Nord, da ist die Welt vielleicht ein bisschen anders. Es gibt auch Schulen, wo das so ist.

(Zurufe)

Ja, ja, bei Ihnen vielleicht. Dann finde ich es immer sehr eigenartig, diese Subventionsverrechnung. Das mag ja theoretisch an den Zahlen so sein.