Protokoll der Sitzung vom 08.05.2019

Ein weiterer Punkt, der uns Freien Demokraten wichtig ist, ist das Gymnasium. Das Gymnasium wird in Bremen systematisch benachteiligt. Obwohl der Bedarf vorhanden ist, wird kein neues Gymnasium gegründet. Wir sehen in Bremen-Nord und im Bremer Westen einen Bedarf, aber der Senat interessiert sich im Moment scheinbar nicht wirklich dafür. Deutlich wird diese Tatsache auch, und deswegen haben wir es noch einmal angesprochen, bei den größeren Klassengrößen im Gymnasium. Während in einer Oberschule 25 Kinder in einer Klasse sind, sind es am Gymnasium 30 Kinder. Dabei würden auch Gymnasiastinnen und Gymnasiasten von einer niedrigeren Klassengröße profitieren, gerade weil dort auch das Lernniveau noch höher ist.

(Zuruf Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grü- nen] – Zurufe [SPD])

Wenn man allein die zusätzlichen fünf Kinder pro Klasse nimmt, dann wird der zusätzliche Bedarf an Bremer Gymnasien deutlich.

Ich will noch einen dritten Punkt ansprechen. Was uns komplett fehlt, ist das Thema Privatschulen. Privatschulen oder Schulen in freier Trägerschaft gehören in Bremen traditionell in unsere bunte Schullandschaft. Es gibt so viele, unter anderem das Ökumenische Gymnasium, die Freie Evangelische Bekenntnisschule, die St.-Johannis-Schule

und viele weitere, und sie sind eine Bereicherung in der Schullandschaft.

(Beifall FDP)

Sie sind eine wichtige Säule in der Bremer Schullandschaft und die bestehenden Privatschulen verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung. Wir möchten sie stärken, gerade weil sie Dinge anders machen als die staatlichen Schulen und neue Ansätze in das bremische Schulsystem einbringen. Daher braucht es aus unserer Sicht zum einen endlich eine faire Finanzierung und zum anderen ist es wichtig, dass auch Neugründungen von Privatschulen einfacher umzusetzen sind.

(Beifall FDP)

Auch wünschen wir uns einen transparenteren Umgang. So gibt es noch einige freie Stipendienplätze, die an begabte und lernhungrige Kinder vergeben werden könnten. Bildung ist wichtig und bei vielen Wahlprogrammen der Parteien hier im Parlament kommt Bildung ganz am Anfang. So gesehen ist es schön, zu sehen, dass wir uns einig sind, dass sich in der Bildung etwas ändern muss und gerade auch zugunsten der Qualität. Bildung ist für jede einzelne Bürgerin und für jeden einzelnen Bürger der Schlüssel für ein erfolgreiches und selbstbestimmtes Leben und wir würden uns auch wünschen, dass Familien sich nicht mehr gegen den Standort Bremen entscheiden, weil die Bildung hier so schlecht ist, sondern Bildung ist für unsere Gesellschaft wichtig. Gut gebildete Bürgerinnen und Bürger sind für uns, für eine gemeinsame Zukunft und für den Standort wichtig.

Es ist an der Zeit, dass wir in Bremen dieser Bedeutung der Bildung in unserem politischen Handeln auch tatsächlich gerecht werden. Es ist uns eigentlich egal, ob mit Bildungskonsens oder ohne, sondern wir wünschen uns, dass jedes Kind die beste Bildung in seinem oder ihrem Leben erfährt, denn man hat immer nur einmal die Chance dazu. – Vielen Dank!

(Beifall FDP – Zuruf Abgeordnete Böschen [SPD])

Als nächste Rednerin hat Senatorin Dr. Bogedan das Wort.

Es gibt bislang keine weiteren Wortmeldungen. Bitte sehr, Frau Dr. Bogedan!

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bildungsforscher John Hattie hat in seiner viel zitierten Studie schlüssig nachgewiesen, dass die Schulstruktur nur sehr geringe Auswirkungen auf den Bildungserfolg hat. Deshalb, und so glaube ich, sind wir uns hier im Hause weitestgehend einig, darf der verbissene Kampf um die richtige Schulstruktur nicht mehr weiter fortgesetzt werden. Ich bin sehr dankbar, dass der Konsens genau diesen Geist trägt.

(Beifall SPD)

Er ist damit gut für die Schulen und gut für die Schülerinnen und Schüler im Lande Bremen und ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die das möglich gemacht haben. PISA, TIMSS und IGLU oder auch die IQB-Studien haben den bildungspolitischen Diskurs der letzten Jahre verändert. Medien und Stiftungen überschwemmen allerdings mittlerweile den Markt mit eigenen Studien – wir haben gerade wieder eine zitiert bekommen –, die nicht immer wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Einzelne Studienleiter empfehlen dabei öffentlichkeitswirksam und salopp bildungspolitische Maßnahmen, die ehrlich gesagt bei genauerer Betrachtung stärker durch ihre Enkelkinder als durch die Studienergebnisse geprägt sind, so auch der letzte Redebeitrag.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Frau Steiner hat noch keine Enkelkinder!)

Das stimmt. Dennoch haben die seriösen Studien nach Jahrzehnten freihändiger oder auch weltanschaulich geführter Auseinandersetzungen in der Bildungspolitik den Blick auf das konzentriert, was meines Erachtens in den Mittelpunkt gehört, nämlich die Frage: Was können Schülerinnen und Schüler? Deshalb ist es wichtig, dass wir uns im Lande Bremen zusätzliche Erkenntnisse darüber verschaffen, was Schülerinnen und Schüler können, und in den letzten Jahren daran gearbeitet haben, eine Kultur des Hinschauens zu entwickeln.

(Beifall SPD)

Mit LALE 5, klingt ganz sexy, heißt Lernausgangslagenerhebung in der Klasse 5, wurde 2018 erstmalig ein neues Instrument in der fünften Klasse eingeführt. Diejenigen, die 2018 in der fünften Klasse waren, werden wir mit LALE 7 dann im Schuljahr 2019/2020 auch in der siebten Klasse untersucht. VERA, entgegen allem, was hier heute behauptet worden ist, wird ab dem Schuljahr 2019/2020 verpflichtend sogar in zwei Fächern durchgeführt, also

gestärkt und weiterentwickelt. Wir brauchen diese Daten, denn gute Bildung geht nur durch guten Unterricht. Während also die Schulstruktur einen eher nachrangigen Einfluss auf den Bildungserfolg hat, ist laut der vorhin zitierten Hattie-Studie die Qualität des Unterrichts vielfach bedeutender.

Dafür brauchen die Schulen aber Impulse und Angebote, zum Beispiel durch eine ausgeweitete Schulentwicklungsbegleitung, wie wir sie nun etabliert haben, die den Schulen als Partner Verbesserungshinweise geben kann, oder auch durch ein besseres Schulmonitoring, was wir mit den Schulporträts in einem ersten Schritt bereits durchgeführt haben. Dort werden für jede Schule relevante Leistungsdaten über Vergleichsarbeiten, Schulabbrecherzahlen, die soziale Lage, Unterrichtsausfall, Schulabschlüsse, Personalversorgung zusammengetragen und im Gespräch der Schule zurückgespiegelt. Diese Instrumente zielen nicht auf öffentliche Rankings, sondern liefern den Schulen Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten und bringen den innerschulischen Diskurs über die eigene Schul- und Unterrichtsqualität in Gang.

Der vorliegende Konsens definiert nun Rahmenbedingungen, die in den Schulen und bei den Lehrkräften Zeit, Raum und Kraft verschaffen, diesen Diskurs zu führen und in diesen Prozess einzutreten. Die Steigerung der Bildungsausgaben auf das Niveau der beiden anderen Stadtstaaten würde auf Basis der letzten Destatis-Auswertung, die auf Zahlen von 2016 beruht, ein Plus von 200 Millionen Euro pro Jahr bedeuten. Ein erster Schritt, die Lücke zu schließen, ist in den letzten Jahren erfolgt. Wir konnten die Ausgaben pro Kopf seit 2017 für Schülerinnen und Schüler um über 500 Euro steigern, gemessen am letzten Controlling-Bericht, seit 2015 sogar weit über 700 Euro pro Kopf.

Schulen in schwieriger Lage profitieren besonders von diesen Mehrausgaben, und damit sind wir auch an diesen Schulen, lieber Herr Dr. vom Bruch, der Hundertprozentversorgung schon einen Schritt näher gekommen. Wir sind an diesen Schulen zum Teil schon bei einer 101- oder 102-prozentigen Versorgung. Das heißt auch, dass dieses Ziel keines ist, das in eine weite Ferne gerückt ist, was hier im Konsens formuliert ist, sondern eines ist, das in realistischer und greifbarer Nähe für die Schulen liegt. Tatsächlich ist dann aber die große Herausforderung, auch die notwendigen Fachkräfte zu organisieren. Deshalb will ich noch einmal ganz deutlich sagen, Bildungserfolge und Chancengleichheit fördert man nicht mit einem einfachen „Viel hilft viel“ oder, wenn ich nach rechts blicke,

mit einem Rückgriff auf die bildungspolitischen Instrumente des letzten oder gar vorletzten Jahrhunderts.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Ich weiß gar nicht, wie Sie auf das vorletzte Jahrhundert kom- men! – Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Leben Sie das auch?)

Das können Sie wahrlich nicht bestreiten, denn damals waren weder der Bildungserfolg noch die Chancengleichheit besser als heute. Deutlich will ich aber sagen, dass die Unterstellung, die immer gemacht wird, Bremen hätte sich vom Leistungsprinzip verabschiedet und das unter einer SPD-geführten Regierung, absoluter Unfug ist. Es ist absolute sozialdemokratische Überzeugung, dass nur, wer Leistung fordert, die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit fördert. In einer Leistungsgesellschaft hängt der Erfolg derjenigen, die kein Vermögen und keine Beziehungen geerbt haben, ausschließlich von Bildung und Leistungsbereitschaft ab.

(Beifall SPD – Abgeordnete Steiner [FDP]: Da wa- ren Sie ja nicht so erfolgreich in den vergangenen Jahre!)

Kinder aus bildungsnahen Familien werden darauf gut vorbereitet. Ihre Eltern organisieren herausfordernde Sport- und Kulturangebote, Gesellschaftsspiele, Ausflüge und vermitteln eine hohe Wertschätzung für Bildung. Kinder aus bildungsfernen Familien bekommen weniger Rückenwind, wenn es darum geht, an sich selbst hohe Maßstäbe anzulegen, sich zu konzentrieren, sich hohe Ziele zu setzen und sich zu fordern. Sie sind darauf angewiesen, dass die Schule diese Aufgabe mit übernimmt. Dafür haben wir in den letzten Jahren die Grundlagen für eine solche leistungsfördernde Politik gelegt. Im Rahmen der sogenannten kooperativen Steuerung ist es gelungen, eine Umsetzungsbereitschaft für eine solche leistungsfördernde Politik in den Schulen zu etablieren.

Wir haben die finanzielle Ausstattung und die Schüler-Lehrer-Relation verbessert. Wir haben die Ausbildung ausgeweitet, um auch die notwendigen Fachkräfte zu haben, und wir haben die Übergänge zwischen Kita und Grundschule und zwischen Grundschule und weiterführender Schule verbessert und flüssiger gemacht. Dabei ist der Fachkräftemangel derzeit das größte Problem. Der Deputation haben wir deshalb in einer Vielfalt von

Maßnahmen und Angeboten vorstellt, wie wir diesem Fachkräftemangel Herr werden wollen, und zuletzt auch eine detaillierte Analyse vorgelegt, in der deutlich wird, in welchen Bereichen wir unsere Fachkräfte benötigen. Ein Großteil der Maßnahmen im neuen Konsens hängt daher nicht nur allein von der Bereitstellung finanzieller Ressourcen ab, sondern auch von der Sicherung der nötigen Fachkräfte.

Ich bin trotzdem sehr dankbar, dass sich das Parlament heute dieser Konsensverabredung der Parteien angenommen hat und sich somit der Haushaltsgesetzgeber diese Verabredung der Parteien zu eigen macht. Sie sichern damit Kontinuität und Stabilität in den Rahmenbedingungen, ohne gleichzeitig ein „Weiter so!“ zu sagen. Denn mit den genannten Maßnahmen im Konsens wird es möglich, den bereiteten Weg für eine positive schulische und unterrichtliche Entwicklung weiter fortzuführen und die Erfahrungen und die Verfahren, die wir zur Umsetzung in den letzten Jahren etabliert haben, tatsächlich auch umzusetzen.

Die wissenschaftliche Evaluation, die Grundlage für die Fortführung des Schulkonsenses war, hat bestätigt: Es ist ein guter Rahmen geschaffen worden. Allerdings sind Nachbesserungen in der Ausstattung notwendig. Die Evaluatoren haben den Rahmen als zukunfts- und modernisierungsoffen beschrieben und uns als Auftrag gegeben, die schulische und unterrichtliche Arbeit in den Strukturen zielgerichtet weiterzuentwickeln, weiterzuentwickeln und nicht zurückzuentwickeln. Mehr ist meines Erachtens zum FDP-Antrag nicht zu sagen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich jedenfalls freue mich sehr darauf, mit voller Kraft die Ziele des Konsenses in der Zukunft zu verwirklichen, sie zügig umzusetzen und der Bürgerschaft dann den geforderten Bericht vorzulegen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktionen CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen und DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/2151 abstimmen.

Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, Abgeordneter Patrick Öztürk [SPD, frakti- onslos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen FDP, BIW, Abgeordneter Schäfer [LKR], Abgeordneter Tassis [AfD])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Nun lasse ich über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/2173 abstimmen.

Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür FDP, Abgeordneter Schäfer [LKR], Abge- ordneter Tassis [AfD])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, BIW, Abgeordneter Patrick Öztürk [SPD, fraktionslos])