Protocol of the Session on May 8, 2019

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Fest steht jedenfalls, dass Deutschland nur einen Anteil von knapp zwei Prozent am weltweiten CO2Ausstoß hat. Der größte Emittent China bringt es dagegen auf knapp 30 Prozent, was wir schon vor einigen Monaten gehört haben. Der Beitrag der energetischen Gebäudesanierung zur globalen CO2-Reduktion ist deshalb minimal. Es ist daher zu verantworten und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch geboten, die streng gesetzlichen Regelungen für Neubauten im unteren Preissegment vorübergehend auszusetzen, um so die Wohnungsnot, die sozial schwache Menschen besonders hart trifft, zu bekämpfen.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Um die Neben- kosten in die Höhe zu treiben?)

Volle Zustimmung erfährt von uns die Forderung nach einer Senkung der Grunderwerbssteuer, die das Bauen ebenfalls verteuert und damit private Investitionen in den Wohnungsmarkt behindern. Es ist ein Unding, dass Bremen diese Steuer in etwas mehr als zehn Jahren um über 42 Prozent angehoben hat, um die öffentlichen Kassen zu füllen. So hat der nimmersatte Fiskus zum Wohnungsmangel im Land beigetragen, den die Mieter auszubaden haben und hatten. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, meine Damen und Herren.

Ebenfalls von der FDP kommt der Antrag zusätzlichen Wohnraum durch Dachaufstockungen zu schaffen. Auf das erhebliche Potential, das diese

Form der baulichen Nachverdichtung auch in Bremen bietet, hatten wir als Bürger in Wut in diesem Hause bereits im September 2017 hingewiesen. Leider ist diese Möglichkeit zur Linderung der Wohnungsnot vom Senat verpasst worden, obwohl sich mehr als 70 Prozent der dafür infrage kommenden Geschosswohnbauten im öffentlichen Besitz befinden.

In den letzten Jahren sind große Teile des Wohnungsbestandes der GEWOBA energetisch saniert worden. Diese Gelegenheit hätte man kostensparend für Geschosserweiterungen und Aufbauten nutzen können. Doch das wurde versäumt, was ebenfalls zur aktuellen Misere auf dem bremischen Wohnungsmarkt beiträgt.

Dieser Fehler muss rasch korrigiert werden, das Bauressort sollte überdies prüfen, ob neben Wohnhäusern auch öffentliche Gebäude für Dachaufstockungen geeignet sind oder wären. Sofern sich diese Objekte im kommunalen Besitz befinden, könnte Bremen dieses Potential als Bauherr gezielt für die Schaffung von Sozialwohnungen nutzen. Auch Gewerbebauten wie Parkhäuser, Supermärkte und Bürogebäude kämen für On-Top-Etagen in Betracht. Das Potential dürfte also noch größer sein, als die 28 000 zusätzlichen Wohneinheiten, die das Pestel-Institut in seiner Studie für Bremen errechnet hatte, weil sich diese Untersuchung allein mit der möglichen Aufstockung von Mehrfamilienhäusern befasst hatte.

Geschosserweiterungen bieten gegenüber Neubauten zahlreiche Vorteile. Sie sind ökologisch sinnvoll, weil das knappe Flächenangebot in Ballungsräumen optimal genutzt werden kann. Dieses Argument ist für Bremen in besonderer Weise zutreffend, weil sich die Stadt im Gegensatz zu anderen Kommunen nicht ins Umland ausdehnen kann, um neues Bauland zu erschließen.

Durch die Aufstockung bestehender Gebäude müssen keine Grünflächen versiegelt werden, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Außerdem sinken die Baukosten, weil weder ein Fundament gegossen werden muss, noch eine zusätzliche Infrastruktur mit Straßenkanälen und Versorgungsleitungen erforderlich ist.

Aufstockungen tragen auch zur Energieeinsparung bei, weil sie den Energiebedarf in der darunterliegenden Etage um circa 50 Prozent reduziert. Prof. Dr. Tichelmann von der TU Darmstadt, Mitautor der Pestel-Studie, bringt es auf den Punkt: Die bes

ten und günstigsten Grundstücke in Ballungszentren liegen auf den Dachflächen der Gebäude, die schon vorhanden sind.

Es wird Zeit, dass dieses brachliegende Potential endlich auch in Bremen konsequent erschlossen wird. Wer in Bremen neuen Wohnraum mit möglichst geringem Flächenverbrauch schaffen will, der wird auch am Thema Hochhäuser in absehbarer Zeit nicht mehr vorbeikommen; denn dieser Gebäudetyp bietet viel nutzbaren Raum im Verhältnis zur Baufläche. Dabei geht es natürlich nicht um die seelenlosen Wohnsilos der 1960er und 1970er Jahre, die als Bausünden gestartet wurden und im Laufe der Zeit oft genug zu sozialen Brennpunkten verkommen sind. Uns geht es um moderne, schlanke und begrünte Hochhäuser im Öko-Design, die so einen Beitrag zu Umwelt und Klimaschutz leisten können.

Durch ein differenziertes Wohnungsangebot für verschiedene Einkommensgruppen ergänzt durch ein intelligentes Miet- und Quartiermanagement, kann auch in Hochhäusern eine ausgewogene soziale Durchmischung der Bewohnerschaft erreicht werden. Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn der Platz beschränkt ist, dann muss man in die Höhe und nicht in die Breite bauen.

Aus diesem Grund stehen wir auch der Forderung kritisch gegenüber, in größerem Umfang Bauland für Einfamilienhäuser auszuweisen. Der Pro-KopfFlächenverbrauch ist vergleichsweise hoch, was die Zerstörung von öffentlichen Grünflächen begünstigt, die Bremen aber braucht, um für die Menschen lebenswert zu bleiben.

Wie gesagt, die Stadt der Zukunft muss in die Höhe wachsen. Das gilt für Bremen und Bremerhaven in besonderer Weise wegen der besonderen Lage unseres Landes. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall BIW)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Buchholz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Ich bin Richard von Weizsäcker dafür persönlich sehr dankbar, dass er am 40. Jahrestag dieses Thema aufgegriffen und für eine Wendung in der Nachkriegsgeschichtsdeutung gesorgt hat. Ich bin darüber hinaus sehr dankbar dafür, ich ganz persönlich, dass ich mein Leben in der längsten Friedenszeit, die es in

Deutschland überhaupt gegeben hat, leben durfte und darf.

(Beifall FDP, SPD)

Ich glaube allemal, dass es sich lohnt, das zu verteidigen, denn am 8. Mai 1945 lag fast alles in der Bremer Innenstadt in Trümmern, Deutschland lag in Trümmern. Diejenigen, die das alles zu verantworten hatten, haben sich versteckt, haben Möglichkeiten gesucht, um sich mit Geld und Gütern neue Existenzen zu schaffen, die ihnen eigentlich nicht zustanden und vieles mehr.

Aber zurück zur Wirklichkeit, zurück zur Debatte die wir heute Nachmittag über die sogenannte Baupolitik führen. Ich möchte mit einem Zitat beginnen. Nicht mit dem von Herrn Tschöpe, sondern mit einem anderen, ich zitiere: „Der Senat verfolgt die Strategie, Bremen als wachsende Stadt zu positionieren.“ Der derzeit wachsende Bedarf an zielgerechtem, modernem und leistbarem Wohnraum auf der Nachfrageseite, und der vorhandene Wohnungsmarkt und die Bautätigkeiten auf der Angebotsseite werden diesem Leitbild nicht gerecht.

(Beifall FDP)

Die Bautätigkeiten in Bremen und Bremerhaven haben angezogen, das ist wahr, eine richtige Entspannung am Markt ist jedoch noch nicht zu sehen. Diese hohe Nachfrage nach Wohnraum in Bremen, unter anderem für Familien, und die noch zu wenig dynamische Bautätigkeit sowie eine verfehlte prozyklische Baupolitik, obwohl die manchmal nicht zu verhindern ist, tragen dazu bei, dass die Baukosten in die Höhe schießen. Bezahlbarer Wohnraum ist heute auch für den Mittelstand kaum noch leistbar, in Bremen vielleicht sehr viel eher als in manchen Städten südlich der Mainlinie. Dies gilt sowohl für Mietwohnungen wie auch für das Wohneigentum. Gerade moderne Neubauten sind schlichtweg zu teuer und kaum noch leistbar, beziehungsweise nur so lange finanzierbar, bis die europäische Zinspolitik wieder anzieht. Wann das aber sein wird, wissen wir nicht.

Eine breit aufgestellte Finanzierung ist jedoch auch essenziell für die Schaffung von Wohnraum. Die Herstellung von bezahlbarem Wohnraum ist auch in Bremen unbedingt anzustreben. Dies ist jedoch nur bedingt möglich. Die Baukosten und die Baunebenkosten steigen, unter anderem durch die verfehlte Baupolitik, zumindest beurteilen wir es so, weiter stark an und machen den Wohnraum teuer. Hier gilt es anzusetzen. Es bedarf eines Abbaus von

Bürokratie, von Hemmnissen und die Kostentreiber müssen eingedämmt oder, besser noch, eliminiert werden.

Die Angebots- und Nachfrageentwicklung am Wohnungs- und Immobilienmarkt klafft weiter auseinander. Dieser Fehlentwicklung muss durch eine zielgruppenorientierte Baupolitik und Bauaktivitäten entgegengesteuert werden. Steigende Anforderungen an den Wohnungsbau und, wie bereits gesagt, eine verfehlte Wohnungsmarktpolitik auch auf Bundesebene, lassen die Kosten stetig steigen. Wohnungsmarktexperten gehen davon aus, dass diese stringenten Anforderungen und Auflagen über 50 Prozent der Kostensteigerung ausmachen. Allein die Energieeinsparverordnung und das EEG hatten seit dem Jahr 2000 für einen Anstieg der Baukosten um etwa 19 Prozent gesorgt. Sehr hohe Standards werden durch eine Fülle von Bauvorschriften de jure erzwungen. Auf der anderen Seite werden Standards durch Industrienormen de facto auferlegt.

Es ist also zu hinterfragen, ob eine bestimmte Wärmedämmung vorgeschrieben werden muss oder ob es nicht längst Alternativen gibt. Und ja, die gibt es. Dazu jedoch gleich.

Die Grunderwerbsteuer stieg seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 in Bremen von 3,5 auf 5 Prozent. Das Grunderwerbsteueraufkommen stieg bundesweit von fünf auf fast 13 Milliarden Euro im Jahre 2017. Die Grunderwerbsteuer stieg seit dem Jahr 2009 zudem deutlich stärker, als die gesamten Steuereinnahmen. Die gestiegene Steuerlast schreckt zum einen Käufer ab und auf der anderen Seite hemmt die Steuer den Vermögensaufbau und belastet den Neubau von Wohneigentum. Generell muss über die Grunderwerbsteuer als solches nachgedacht oder diskutiert werden, da sie aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip und auch nicht der fiskalischen Äquivalenz entspricht.

(Beifall FDP)

Grund der Erhebung ist das fiskalische Interesse der Öffentlichen Hand im Zusammenhang mit der geltenden Schuldenbremse und den Fehlanreizen des Länderfinanzausgleichs. Die Grunderwerbsteuer ist eine Transaktionssteuer und ist somit auch nicht unproblematisch, da sie ein Hemmnis für Transaktionen und somit für Investitionsentscheidungen darstellt. Kumulative Effekte sind ebenfalls nicht auszuschließen

(Glocke – Abgeordneter Gottschalk [SPD] meldet sich für eine Zwischenfrage.)

tut mir leid, ich muss auf die Zeit achten –,

beispielsweise wenn das Grundstück während des Bauvorhabens den Eigentümer wechselt, zum Beispiel von einem Investor an einen Bauträger und jeder Neubau wird doppelt belastet, zum einen durch die Grunderwerbsteuer und zum anderen durch die Mehrwertsteuer für die Bauarbeiten.

Doch nun zu den Alternativen und da müssen wir gar nicht so weit fahren: Ein Blick zu unseren Nachbarn, den Niederlanden. Hier wird vorgemacht, wie die Baukosten und Baunebenkosten reduziert werden können beziehungsweise nur moderat ansteigen. Was ist die Magie der Holländer? Es sind die technologieoffenen Baunormen und eine deutlich geringere Grunderwerbsteuer. Also eigentlich keine Magie.

Gerade die technologieoffenen Baunormen sind ein wichtiger Ansatzpunkt. Hier gilt es ein weiteres Mal, die Landesbauordnung zu überprüfen und zu novellieren, und dabei die nicht benötigten Anforderungen zu streichen. Wichtig ist dabei, dass technologieoffene Baunormen geschaffen werden, welche zwar Ziele formulieren, jedoch keine konkreten Vorgaben machen, wie diese Ziele erreicht werden. Dadurch können nicht nur die Kosten gesenkt, sondern auch Innovationspotenziale in der Bauwirtschaft ausgeschöpft werden. Bei der Digitalisierung gibt es auch noch Potenziale, die bisher noch nicht vollumfänglich eingesetzt und umgesetzt wurden. Hier ist als Beispiel das Grundbuchamt anzuführen. Dort können durch eine vollständige Digitalisierung weitere Kosten für die Bauherren eingespart werden.

Zusammengefasst lauten unsere Forderungen zu den vorliegenden Anträgen: Wir Freien Demokraten setzen uns zum einen für eine Novellierung der Landesbauordnung ein, die nicht benötigte und kostentreibende Bauanforderungen streicht und dafür nur noch Zielwerte vorgibt. Auf Bundesebene bedarf es einer Überprüfung der relevanten Standards und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Normung eine Überprüfung der DIN-Norm 267. Wir setzen uns für eine Musterbauordnung nach niederländischem Vorbild ein, die weniger planwirtschaftliche Elemente enthält. Auf Landesebene muss zudem die Grunderwerbsteuer auf ein investitionsfreundliches Niveau herabgesetzt werden, mindestens wieder auf das Niveau das in Bayern vorherrscht, sagen wir einmal 3,5

Prozent. Generell sollte sich Bremen als Impulsgeber für eine ökonomisch gerechte Grunderwerbsteuer einsetzen, welche es den Bundesländern unter anderem ermöglicht, einen Freibetrag einzuführen.

Noch ein Wort zur Dachaufstockung: Wir Freien Demokraten kommen mit einem Vorschlag, der zusätzlichen Wohnraum schaffen kann: Der Ausbau von Dachgeschossen. Aufstockungen von Bestandsbauten können in Bremen durchaus zu neuen Wohnungen führen, ohne dass neue Flächen versiegelt werden. Zudem kann eine Dachaufstockung im Bestand zu einer besseren sozialen Durchmischung in den Quartieren führen und diese in der Außen- und Innenwirkung attraktiver gestalten.

(Beifall FDP)

Die Dachaufstockungen bieten sich als herausragendes Instrument zur Nachverdichtung an. Die Vorteile einer sukzessiven und qualitativ hochwertigen Aufstockung und einer damit im Zusammenhang stehenden nachhaltigen Quartiersplanung liegen für uns auf der Hand: Es entsteht neuer Wohnraum, es kann zu einer besseren sozialen Durchmischung und damit mehr Lebensqualität in den Quartieren führen, die Quartiere werden aufgewertet, es wird eine weitere Flächenversiegelung vermieden, der Erhalt von Grünflächen, Natur und Artenschutz, – das gilt übrigens auch für das Rennbahngelände – könnte ein weiterer Pluspunkt sein, die Reduzierung der Energiekosten durch die Erhöhung der Energieeffizienz des gesamten Gebäudes, insbesondere bei den in den 1960er und 1970er Jahren erstellten Bauten, da die Aufstockung nach neuesten energetischen Standards erfolgt

(Glocke)

sowie die Einsparung der Grundstückskosten gegenüber Neubauten.

Frau Präsidentin, ich schließe damit den ersten Teil. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bücking.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine

der wichtigsten Tugenden eines neuen Abgeordneten ist Geduld. Seit vier Jahren sitze ich hier unter Ihnen, in der vorletzten Bank und lerne, dass man bis zur bitteren Neige zuhören muss. Das gilt für die einzelnen Reden, das gilt aber auch ein wenig für die politischen Prozesse, über die wir hier zu verhandeln haben.

Ich möchte die Perspektive wechseln, aber nicht über den 8. Mai und auch nicht über die anderen wichtigen Jahrestage reden, sondern mit Ihnen gemeinsam anschauen, was eigentlich in dieser Legislaturperiode auf dem Feld des Bauens in der Stadt passiert ist. Bisher geht es im Kern wohl darum, dass wir eine Generaldebatte über die Entwicklung unserer Baupolitik führen, uns Verbesserungsvorschläge von den verschiedenen im Wettbewerb stehenden Parteien anhören.

Diejenigen unter Ihnen, die in der Baudeputation sind, wissen, wir verabschieden in jeder Sitzung im Minimum ein Dutzend Bebauungspläne. Das sind ein paar hundert im Jahr und es sind, ich weiß nicht wie viele in den vier Jahren gewesen. Das ist eine echte Größenordnung, hinter jedem dieser Bebauungspläne steckt eine enorme Verwaltungsanstrengung, eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen örtlichen Verhältnissen, unendliche Debatten mit den lokalen Initiativen und sofern es vorhabenbezogene Bebauungspläne sind, mit den jeweiligen Investoren das angemessene Volumen zu finden.