Protokoll der Sitzung vom 23.02.2022

Auch die Ampel hat sich im Pflichtenheft des Koalitionsvertrages aufgeschrieben, dass sie diese sogar noch weiterentwickeln will. Also, die sind gerade eingerichtet und trotzdem soll das ausgebaut werden. Das halten wir für einen richtigen Weg. Es braucht noch deutlich mehr Aufklärungsarbeit, um Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu ermutigen, zu befähigen, Menschen mit Behinderungen einzustellen.

Ich will noch einmal versuchen, das in einem Satz auf den Punkt zu bringen: Ich habe geschildert, das Unterstützungssystem für Arbeitgeber wird aktuell deutlich ausgebaut, es braucht aber ergänzend auch ein schärferes Schwert in Sachen Ausgleichsabgabe, um eben allen Menschen, die das wollen, selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Magnus Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir reden über ein schwieriges Thema der Inklusion, denn – es ist schon angeklungen – im Kindergartenbereich, im Schulbereich und selbst in den Bereichen Ausbildung und Studium sind wir da schon viel weiter als auf dem Arbeitsmarkt.

Das kann uns nicht zufriedenstellen, denn wir wollen als Gesellschaft eine inklusive Gesellschaft sein. So, wie die Arbeit für Menschen ohne Beeinträchtigung einen Tag strukturiert, ihnen Wertschätzung gibt und ihnen auch die Möglichkeit gibt, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, ist es für Menschen mit Beeinträchtigungen genauso, dass sie diese Möglichkeiten suchen und brauchen, um an der Gesellschaft teilzuhaben.

Sie sehen, dass das eine wichtige Aufgabe ist, angesichts der Tatsache der hohen Arbeitslosigkeit in diesem Bereich. Ich will es noch einmal deutlicher machen: Wenn Sie mit Menschen mit Autismus zu tun haben, wie ich das ja ehrenamtlich tue, haben Sie die Situation, dass dort weit über 80, an die 90 Prozent der Menschen mit dieser Beeinträchtigung ohne Arbeit sind. Ich meine nicht ohne Arbeit

auf dem ersten Arbeitsmarkt, sondern ohne Arbeit, weil sie teilweise auch nicht in Werkstätten unterkommen.

Einige könnten arbeiten und angesichts des Fachkräftemangels fragt man sich dann schon, wie man sich das als Gesellschaft leistet, diese Menschen nicht zu beschäftigen. Wenn man weiß, wie händeringend die Firmen Fachkräfte suchen, fragt man sich, ist es denn alles eine Frage des Geldes, wie hier der Antrag suggeriert. Ich glaube nicht. Ich bin in mehreren Vorständen oder Aufsichtsgremien von Vereinen, die sich um Menschen mit Beeinträchtigungen kümmern und die selbst, trotzdem es überhaupt keine Schranken dafür gibt – wie auch, das wäre nicht denklogisch –, Menschen mit Beeinträchtigung zu beschäftigen, genau dieselben Schwierigkeiten haben wie ein Arbeitgeber, der in der freien Wirtschaft unterwegs ist und nicht gemeinnützig.

Das sind vielfältige Hürden, die es abzubauen gilt. Eine ist dabei auch die, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, die das von Geburt an sind, schwierig in den Beruf finden und auch Schwierigkeiten haben, erste Berufserfahrungen zu machen. Deswegen ist es gerade wichtig, hinzugehen und ihnen dort, wo sie unterrepräsentiert sind, die Möglichkeit zu geben, an Förderungen für Langzeitarbeitslose teilzunehmen. Warum ist das eigentlich nicht offen?

(Beifall FDP)

All diese Möglichkeiten müssen geschaffen werden, damit es möglich wird, dass sie teilhaben. Die Firmen, die das anders erledigen, haben teilweise einfach eine alte Belegschaft, bei der im Laufe der Beschäftigung eine Schwerbehinderung entstanden ist. Das ist ein gänzlich anderer Fall, ob ich jemanden weiterbeschäftige, den ich kenne, als jemanden neu einzustellen und ihm eine Chance in einem Berufsleben zu geben. Da müssen wir in der Tat bei der Beratung, beim Integrationsfachdienst, bei Inklusionsbetrieben nachlegen, aber auch bei der, ich nenne es immer „Auswilderung“ der Menschen mit Beeinträchtigung aus der Werkstatt, denn auch das ist nicht das, was wir als Ideal wollen.

Bei Ihrem dritten Punkt habe ich, ehrlich gesagt, Fragezeichen. Natürlich ist die Werkstatt Bremen ökonomisch auch darauf angewiesen, dass sie die Gelder von Mercedes bekommt und dass Mercedes diese Menschen beschäftigt und dass die das auch auf die Ausgleichsabgabe anrechnen können, weil

das ein ökonomischer Anreiz für Mercedes sein kann. So ist das in der Tat. In der Tat ist es natürlich auch so, dass eine Ausgleichsabgabe wie jede Abgabe ein Aufwand ist und als Aufwand gebucht wird. Ich weiß nicht, wie das am Ende steuerlich anders als ein Aufwand in einem Unternehmen behandelt werden soll.

Der letzte Punkt ist: Ja, wer null Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigt, den kann ich auch nicht mehr verstehen. Da bin ich bei dem, was die Ampel im Bund vereinbart hat. Dass wir es generell erhöhen, können wir in Bremen im Moment nicht vermitteln, angesichts der Tatsache, dass wir die Gelder, die beim Ausgleichsamt sind, nicht ausgeben können. Wieso ist das denn gerechtfertigt? Ist es allein dieser einfache ökonomische Ansatz, „Mehr Strafe, dann werden sie schon handeln!“?

Ich habe, glaube ich, deutlich gemacht, dass es weit komplexer ist. Die anderen Möglichkeiten, wie man da agieren kann, hat ja Frau Pfeiffer auch dankenswerterweise angesprochen. Insofern lehnen wir den Antrag ab. Es ist nicht so einfach: höhere Ausgleichsabgabe, mehr Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Deswegen bleiben wir bei dem, was in der Ampel vereinbart ist: Wer null macht, muss mehr zahlen. Wir bleiben nicht dabei, dass man es generell erhöht. Dafür ist in Bremen die Rechtfertigung nicht da. Dann sollten wir endlich besser werden, das Geld einzusetzen, denn jeder Mensch mit Beeinträchtigungen mehr, den wir beschäftigen, ist einer, dem wir ein gutes Leben ermöglichen, weil er selbstbestimmter und teilhabender leben kann, und das ist unser aller Ziel. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Thomas Pörschke.

Frau Präsidentin! Noch einmal herzlichen Dank, in dem Antragsentwurf, Pardon, in dem Antrag, nicht dem Entwurf, den Entwurf haben wir vorher diskutiert, in dem Antrag ist, das hat Herr Zimmer erwähnt, eine Person als prominenter Fürsprecher genannt worden, nämlich der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, der Kollege Jürgen Dusel. Seine Vorgängerin ist ebenfalls Fürsprecherin einer merklichen Erhöhung. Verena Bentele vertritt heute einen der größten Sozialverbände in die

ser Republik, und sie ist auch deshalb eine besondere Frau, weil sie als erste Frau ins Amt einer Behindertenbeauftragten kam, wenn ich das so formulieren darf, die selbst behindert ist.

Warum erwähne ich das an dieser Stelle? Warum erwähne ich das hier persönlich? Weil ich um einen Perspektivenwechsel mit Ihnen ringen will. Es klingt so oft durch: Wir und die anderen, die Unternehmer und die Behinderten. Ich kann auf das Gesetz verweisen und sagen: Auch schwerbehinderte Arbeitgeber werden auf die Quote angerechnet. Das wäre die juristische Antwort. Ich kann auch noch mal in Bezug auf meine beiden Vorredner sagen: Im Gesetz steht bei diesem Paragraphen nichts von Strafe. Es gibt Straftatbestände bei Verstößen gegen das SGB IX. Das ist, wenn sie vorsätzlich handeln und sie diskriminieren et cetera.

Die Ausgleichsabgabe hat der Gesetzgeber begründet. Wo soll der Ausgleich geschaffen werden? Es sollen nämlich die Unternehmen, die sich der alltäglichen Herausforderung stellen, mit Menschen mit Behinderungen umzugehen, die zum Teil sehr hohe Anforderungen an den Arbeitsprozess, an die Ausstattung des Arbeitsplatzes haben können, dafür eine Entschädigung in der Form erhalten, dass andere, die das nicht in diesem Umfang tun, bei der finanziellen Ausgestaltung genau dieser Arbeitsplätze helfen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der Ausgleich bei dieser Abgabe. Das möchte ich Sie bitten nicht zu vergessen.

Ich möchte zumindest bei den Fraktionen der CDU und der FDP dafür werben, dass sie sich heute der Stimme enthalten. Vermutlich werden sie es nicht tun, weil die innerfraktionellen Absprachen vorher andere waren. Warum begründe ich die Enthaltung? Erstens, weil wir in dem heutigen Antrag Prüfaufträge formuliert haben und weil wir uns für eine merkliche Erhöhung ausgesprochen haben. Ich betone noch einmal: Wir haben dort keine Zahl genannt. Das, was der Bund bei etwaigen Änderungen des SGB IX vorantreibt, wird uns ja über den Bundesrat unter Umständen dann doch wieder berühren.

Deshalb mein Appell heute: Setzen Sie auf die richtigen Signale! Wenn Sie das im Detail noch nicht überzeugen mag, wenn die Richtung zur verbesserten Inklusion aber stimmt, dann enthalten Sie sich heute der Stimme. Eine Zurückweisung würde ich zumindest für traurig und sehr bedenklich halten.

Ich bleibe dabei: Wir haben immer noch ein Problem der Stigmatisierung, was es Leuten schwierig macht, in Firmen die Frage der Behinderung anzusprechen. Ich bin großgeworden mit drei Fragen oder mit drei Slogans, ich kannte noch aus meiner Schulzeit den Spruch „Du Spasti!“. Ich bin Spastiker, das habe ich erst später durch einen Bundeswehrarzt erfahren. Auf die Frage „Bist du behindert?“ kann ich heute lachend antworten: „Ja, Sie vermutlich nicht, weil Sie auf meinem Sitzplatz im Zug sitzen. Können wir tauschen?“

(Beifall SPD)

Das gibt mitunter hochinteressante Diskussionen, weil ich dann merke, dass mein Gegenüber ein völlig anderes Bild von Behinderung hat, nämlich nicht die Person, die eloquent auftrifft, die redegewandt ist, die zu widersprechen vermag. Behinderung wird häufig mit starken geistigen Beeinträchtigungen gleichgesetzt, mit körperlichen Merkmalen, die weithin sichtbar sind, Deformationen et cetera. Ich sage jetzt in Anführungsstrichen: „Ich habe das Glück, Sie sehen das nur, wenn ich gehe, wie ich dann wackle und wenn ich stolpere und so weiter.“ Damit komme ich schon irgendwie klar.

Das erwähne ich auch deshalb, weil das Gesetz, über das wir heute reden, sich auf schwerbehinderte Personen bezieht. Das sind Personen mit einem Grad ab 50 Prozent, das sind in dieser Republik, meine sehr verehrten Damen und Herren, 7,6 Millionen Menschen, etwa neun Prozent der Bevölkerung. Darum mein dringender Appell: Versuchen Sie, eine neue Perspektive in diese Debatte einzuführen!

An die Damen und Herren der FDP und der CDU, die ich ja in ihrem sozialen Engagement überaus schätze, das wissen die Angesprochenen auch, die Frage: Ist nicht heute vielleicht doch die Stimmenthaltung das richtige Zeichen? – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Olaf Zimmer.

Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete! Frau Grönert, vielen Dank, dass Sie mich noch einmal darauf hingewiesen haben, dass auch Unternehmer Menschen sind. Nicht dass wir das vergessen hätten, aber es ist ja trotzdem ganz sinnvoll, das hier auch noch einmal zu sagen. Wobei der Druck, den ein

Unternehmen spürt, wenn es 320 Euro oder 360 Euro aktuell dafür zahlen muss, dass es schwerbehinderte Menschen nicht einstellt und der Druck, den ein Mensch empfindet, der von 430 Euro im Monat leben muss, den finde ich schon noch unterschiedlich. Das finde ich nicht unbedingt vergleichbar.

(Beifall DIE LINKE)

Etwas anderes, was ich noch ansprechen möchte, ist: Wenn wir die Ausgleichsabgabe erheben oder erhöhen wollen, dann muss man sich natürlich auch fragen, was denn eigentlich mit dem Geld passiert. Es ist ja schließlich ein Ding, mehr Geld in ein System hineinzustecken, ein anderes ist es, das dann auch im Sinne der Erfinderin für die Betroffenen auszugeben. Da ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar, dass, wie im vergangenen Jahr, zur Abfederung der Pandemiefolgen die Ausgleichsabgabe an das Sondersystem der Behindertenwerkstätten fließt.

Das AVIB, das Amt für Versorgung und Integration Bremen, das die Ausgleichsabgabe verwaltet, das auch durch die Ausgleichsabgabe finanziert wird, zahlte in den letzten zwei Jahren stolze 1,6 Millionen Euro zur Kompensierung der Pandemiefolgen an die Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Das entspricht ungefähr zehn Prozent. Das, werte Kolleg:innen, ist ein Unding, denn die Mittel der Ausgleichsabgabe sind dafür gedacht, die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben zu fördern und ganz ausdrücklich nicht dafür, aussondernde, exklusive Arbeitsplätze zu erhalten.

Um das klar zu sagen: Natürlich ist es sinnvoll gewesen, in den Zeiten der Pandemie die Werkstätten zu unterstützen und sie am Leben zu erhalten, aber eben nicht mit den Mitteln der Ausgleichsabgabe.

Eine andere Frage in diesem Zusammenhang ist die nach den Rücklagen, die das AVIB anlegt und die sich mittlerweile in größerer Millionenhöhe bewegen, da sie jährlich ansteigen. Geld aus der Ausgleichsabgabe, das gedacht ist, um Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, ihnen ein Leben in Selbstbestimmung zu ermöglichen, liegt hier Jahr um Jahr auf der „hohen Kante“. Da haben wir Fragebedarf.

Wir setzen uns mit diesem Antrag dafür ein, dass die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention erfüllt werden, dass Menschen mit Behinderung eine Chance haben, ihr Recht auf Teilhabe

auch auf dem Arbeitsmarkt umzusetzen, ein Recht, das unteilbar ist. In diesem Sinne hoffe ich sehr, dass Sie, werte Kolleg:innen, uns in unserem Anliegen breit unterstützen und hier und heute mit der Zustimmung zu diesem Antrag ein Zeichen setzen, ein Zeichen, welches in Richtung inklusive Gesellschaft zeigt. – Besten Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Sigrid Grönert.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, Herr Zimmer, dass man auch ohne eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe in Richtung einer inklusiven Gesellschaft weitergehen kann. Davon werden wir uns ganz gewiss nicht verabschieden. Bremen steht mit Blick auf die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen im ersten Arbeitsmarkt gar nicht so schlecht da, zumal der öffentliche Dienst seine Quote mehr als erfüllt. Es gibt in Bremen bereits einige gute Initiativen, um behinderte Menschen und Arbeitgeber zusammenzubringen, aber da ist noch Luft nach oben. Der richtige Weg muss sein, diese vorrangig zu verstärken, auszubauen und zu entkomplizieren.

Behinderte Menschen haben auch heute noch zu oft das Gefühl, dass sie im Dschungel der Zuständigkeiten zerrissen werden. Es wird erst recht kompliziert, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht in demselben Bundesland gemeldet und die Zuständigkeiten deshalb noch zusätzlich verworren sind. Es gibt eben in der Praxis noch so unendlich viel zu verbessern.

Wenn man das wollte, würde das nicht einmal am Geld scheitern, denn die benötigten finanziellen Mittel sind schon durch die Ausgleichsabgabe in der jetzigen Höhe ausreichend vorhanden, ich würde sogar sagen, überreichlich vorhanden. Es scheitert leider daran, dass keiner die Themen so richtig anpackt und die Abläufe unkomplizierter und zielgerichteter strukturiert.

Vorhin habe ich noch einen weiteren, aus meiner Sicht nicht unwichtigen Punkt gegen eine deutliche Erhöhung der Ausgleichsabgabe angekündigt, Frau Pfeiffer hat das eben auch schon kurz aufgegriffen. Ja, es gab im Jahr 2019, also vor Corona, in Deutschland gut 157 000 arbeitslose Menschen mit Behinderung. Inzwischen, jetzt nach oder während Corona, liegt die Zahl wieder etwas höher. Diesen

157 000 Arbeitslosen standen im Jahr 2019 insgesamt um die 300 000 nicht durch behinderte Menschen besetzte Pflichtarbeitsplätze gegenüber, für die die Ausgleichsabgabe bezahlt werden musste. Wenn nun alle 157 000 arbeitslosen, schwerbehinderten Menschen einen Arbeitsplatz gefunden hätten, dann müssten Arbeitgeber die Ausgleichsabgabe trotzdem nach wie vor für gut 140 000 Pflichtarbeitsplätze, ich sage es einmal, als Strafe dafür bezahlen, dass sie keinen behinderten Menschen mehr einstellen können, weil es keinen mehr einzustellen gibt. Das ist jetzt etwas vereinfacht dargestellt, weil wir eine gewisse Auswahl an Arbeitsplätzen brauchen, auch das hat Frau Pfeiffer schon angedeutet, ähnlich wie bei Ausbildungsplätzen. Es reicht ja nicht, man muss sich auch entscheiden können, welchen Beruf man wählen möchte.

Es gibt auch Menschen in den Werkstätten, die einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt möchten, die nicht bei den Arbeitslosen gemeldet sind, und auch noch andere. Trotzdem wäre das doch nicht gerecht. Wir sind sicher Lichtjahre von solch einem Szenario entfernt, aber man sollte es zumindest bedenken, wenn man die Ausgleichsabgabe deutlich erhöhen und zusätzlich noch weitere finanzielle Nachteile einbauen will, oder wenn man, wie es einige in anderen Bundesländern fordern, die Quote sogar von fünf auf sechs oder eben sieben Prozent erhöhen will. Das haben Sie in Bremen jetzt nicht gefordert, aber andere Kollegen, auch aus Ihrer Partei, tun das.

Die Ausgleichsabgabe ist in ihrer jetzigen Form schon seit einigen Jahren durch ein Gerichtsurteil gesichert, aber ob das bei gravierenden Erhöhungen wieder so ausginge, wäre noch festzustellen. Sie haben keine Summe genannt, Herr Pörschke hat darauf hingewiesen, aber Sie haben trotzdem von deutlichen Erhöhungen gesprochen. Ich war nicht in Ihren Besprechungen dabei und weiß nicht, was Sie sich unter „deutlich“ vorstellen, aber „deutlich“ klingt eher bedrohlich, klingt nicht nach wenig.

Ich kenne zudem, das möchte ich Ihnen in dieser Debatte auch nicht vorenthalten, Arbeitgeber, die wirklich gewillt sind, freie Stellen mit einem behinderten Menschen zu besetzen, aber sie erhalten überhaupt keine passenden Bewerbungen. Diese Arbeitgeber werden auch niemanden finden, wenn sie Ihnen das Bußgeld für eine nicht erfüllte Quote erhöhen. Was sie brauchen, wäre sicherlich ein bisschen mehr Hilfestellung und auch Ansprache.

Zuletzt noch zu den schwarzen Schafen, die anscheinend leider mehr werden – das finde ich auch bedenklich –, die überhaupt keine behinderte Person einstellen wollen und lieber die Ausgleichsabgabe zahlen. Wollen Sie dafür tatsächlich im Kollektiv alle bemühten Arbeitgeber mitbestrafen, selbst wenn sie für ihre Arbeitsplätze niemanden finden können?