Protokoll der Sitzung vom 20.06.2006

(Beifall bei der FDP – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Sehr vernünftig!)

Herr Fraktionsvorsitzender, Ihr „Sehr vernünftig!“ kam etwas zu früh; denn das ist lediglich ein Detail. Es reicht beim besten Willen nicht aus. Ich sage sehr deutlich – auch um ein Beispiel aus dem Fußball zu verwenden –: Es ist genauso wie bei der Fußball-WM. Sie befinden sich noch in der Vorrunde, nirgendwo anders. Sie sind weder im Achtelfinale noch im Viertelfinale und schon gar nicht im Endspiel.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD:Er tut so, als wäre er schon Weltmeister!)

Die FDP-Fraktion hätte es deshalb gern gesehen, wenn diese Regierungserklärung dazu genutzt worden wäre,um ein hessisches Energiekonzept darzustellen, durch das die hessische Wirtschaft und die hessischen Verbraucher in gleicher Weise geschützt werden. Dazu ist mehr notwendig als administratives Handeln bei den Netzdurchleitungsgebühren und der Preisprüfung.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg.Michael Bod- denberg (CDU))

Ich weiche nicht aus, indem ich auf die OPEC zu sprechen komme; denn ich weiß, dass unsere Möglichkeiten, die dortige Politik zu beeinflussen, relativ gering sind – wenn überhaupt welche bestehen. Ich teile auch Herrn Dr. Rhiels Analyse, wonach die Liberalisierung des Strommarktes – im Gegensatz z. B. zum Telekommunikationsmarkt – nicht unbedingt eine wesentliche Verbesserung für die Verbraucher gebracht hat.Anstelle eines florierenden Marktes haben wir Oligopolstrukturen mit all ihren negativen Folgen. Ich wiederhole, dass wir uns in der Analyse einig sind.

Verehrter Herr Dr. Rhiel, eines muss ich allerdings sagen: Wenn man sich die Strompreise etwas genauer ansieht, stellt man fest, dass man über einen Sachverhalt nicht so lapidar hinweggehen kann, wie Sie das getan haben, indem Sie sagten, die staatlichen Lasten, die gefordert würden, seien unter anderem die Ursache für die hohen Strompreise. Wenn die Höhe des Strompreises heute zu 40 % auf politische Forderungen zurückzuführen ist,muss man auch einmal Ross und Reiter nennen. Welche sind das denn? Es sind Folgende: das Erneuerbare-EnergienGesetz, das Kraft-Wärme-Koppelungs-Gesetz, die Stromsteuer,die Ökosteuer und – verehrter Herr Generalsekretär – die Mehrwertsteuer.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg.Michael Bod- denberg (CDU))

Machen Sie es sich bitte nicht so einfach, indem Sie sagen, das sei eine Altlast von Rot-Grün. Ich habe nicht gehört, dass die große Koalition etwas im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien oder der Ökosteuer machen will.

(Beifall bei der FDP)

Das heißt, Sie tragen in gleicher Weise die Verantwortung dafür, dass wir beim Energiepreis heute staatliche Lasten in Höhe von 40 % haben. Herr Generalsekretär, nur zur Erinnerung: 1998 waren es 28 %.

Es ist geradezu schön, dass Sie sich auch darüber freuen können. Die 3 % Mehrwertsteuer kommt auf den Preis, und Sie profitieren von dem,was Sie den Bürgern über die erhöhte Mehrwertsteuer via Stromkosten abziehen. Das ist die Realität.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Insofern ist diese Argumentation nicht ganz ehrlich.

Nun will ich zu dem Beitrag kommen, Herr Minister Rhiel, was das Problem der Behandlung hessischer Stromerzeugungsunternehmen anbelangt. Es ist so, Sie haben es in der Regierungserklärung dargestellt, dass in der Vergangenheit zwischen 6 und 7 % – ich rede von Preisprüfung und nicht von Nutzungsentgelt – beantragt worden sind und im Schnitt eine Erhöhung von 3,3 % herausgekommen ist. Sie stellen dar, Sie hätten bis zum heutigen Zeitpunkt 50 Anträge nicht genehmigt. Verehrter Herr Minister Rhiel, diese Aussage stimmt so nicht.

(Widerspruch des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Nein, sie stimmt so nicht. Sie haben bis zum heutigen Zeitpunkt nicht einen einzigen rechtsmittelfähigen Bescheid erlassen. Sie haben den Leuten lediglich mitgeteilt, dass Sie das nicht genehmigen wollen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob Sie das wollen oder nicht – ich habe als Liberaler ein anderes Verständnis.

(Beifall bei der FDP)

Wenn heute ein Bürger einen Antrag stellt und die Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind, dann bekommt er einen Bescheid. Dagegen kann er klagen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ein Antrag gestellt wird und sogar noch in der Weise gestellt wird, dass man sagt: „Wir wissen, dass es noch Unwägbarkeiten gibt, beispielsweise bei der Frage des Netznutzungsentgeltes“, dann erlasse ich gleichwohl einen Bescheid und nehme einen Vorbehalt, eine Auflage, eine Nebenbestimmung oder Ähnliches auf, damit der Antragsteller wenigstens etwas hat, wogegen er sich zur Wehr setzen kann. Sie haben bis zum heutigen Zeitpunkt allen Antragstellern nicht die Möglichkeit gegeben, eine gerichtliche Prüfung Ihrer Entscheidung herbeizuführen.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Margaretha Hölldobler-Heumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Das haben Sie bis zum heutigen Zeitpunkt nicht getan. Es ist Usus und völlig normal, anders zu verfahren.Wenn Sie sich heute hierhin stellen und sagen: „Wir haben 50 Anträge abgelehnt“, dann wird assoziiert: Ich habe das sogar 50-mal rechtmäßig getan. – Meine Damen und Herren, deswegen sage ich: Sie sind in der Vorrunde. Sie sind noch nicht einmal nach der zweiten Halbzeit. Es gibt nicht eine einzige gerichtliche Entscheidung.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Mit großer Wirkung! – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Verehrter Herr Dr. Rhiel, Sie haben darüber hinaus Folgendes gemacht.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Verwaltungsgericht Gie- ßen!)

Ja, Verwaltungsgericht Gießen. Sie wissen ganz genau, dass das ein Eilverfahren gewesen ist. Man hat versucht, Sie im Eilverfahren zu verpflichten, zu bescheiden.

(Michael Boddenberg (CDU): Haben Sie auch die Begründung des Urteils gelesen?)

Ich will hier keine Belehrungen geben. Es muss jeder selbst wissen, ob er einen solchen Antrag stellt. Dass dem Antrag nicht unbedingt Erfolg beschieden sein konnte, war nach meiner Einschätzung ziemlich durchsichtig.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Sie haben es bis heute unterlassen, eine einzige Entscheidung zu treffen, geschweige denn hat eine gerichtliche Entscheidung das in der Hauptsache bestätigen können. Es gibt nur die Entscheidung Vattenfall. Ich komme auf das zurück,was der Kollege Frankenberger gesagt hat;das ist richtig.Wenn hier die Netzregulierungsbehörde zu dem Ergebnis kommt, dass eine solche Steigerung nicht vertretbar ist, dann wird das von uns in vollem Umfang getragen. Es wird auch Auswirkungen auf die künftigen Bescheide haben.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich diese Kritik am Verfahren äußere, bedeutet das nicht, dass wir die Position der Energieunternehmen ohne weiteres übernehmen. Aber Unternehmen haben, wie jeder Bürger,einen Anspruch darauf,so schnell wie möglich einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu bekommen.

Meine Damen und Herren, es geht in dieser Regierungserklärung und in der Pressekampagne der Vergangenheit munter durcheinander. Ich möchte einmal unterscheiden. Es geht zum einen um die Preisprüfung, und es geht zum anderen um die Netzdurchleitungskosten. Bei den Netzdurchleitungskosten – das ist der Grund, warum wir diesen Antrag eingebracht haben – geht es auch um die Frage, wo sich in Deutschland die Standorte befinden. Denn die Entfernung zwischen Energieerzeugung und -verbrauch führt dazu, dass wir erhebliche Netzverluste haben. Deswegen bin ich der Meinung, es wäre höchste Eisenbahn für die Landesregierung, mit den Energieversorgungsunternehmen und den Energie produzierenden Unternehmen in einen Dialog einzutreten, wie man sicherstellen kann, dass Energie in Deutschland in Zukunft nicht nur in Süd- oder Norddeutschland, sondern auch in Hessen produziert werden kann.

(Beifall bei der FDP)

Sie kennen die Problematik von Biblis. Darauf will ich jetzt im Einzelnen nicht eingehen. Das war schon häufig Gegenstand der Diskussion im Hessischen Landtag.Aber wir haben auch Staudinger. Sie wissen, dass die Existenz von Staudinger keineswegs gesichert ist.

Meine Damen und Herren, verehrter Herr Minister Rhiel,wo ist eine Konzeption? Wann hat ein Gespräch mit Energieversorgern stattgefunden,wo man einmal darüber nachdenkt: Kann man Kraftwerkstandorte in Hessen realisieren,um den Netzdurchleitungsverlust und damit letztendlich die Netzdurchleitungsgebühren zu reduzieren?

(Beifall bei der FDP)

Es geht in diesem Zusammenhang um diese Frage. Es kann nicht sein, dass wir uns ausschließlich auf die administrativen Möglichkeiten bei den Netznutzungsgebühren und der Preiskontrolle zurückziehen. Deswegen halten wir Liberale es für notwendig, ein solches Konzept unter

Einbringung der produzierenden Unternehmen und der Energieversorger zu erarbeiten, um langfristig ein Konzept zu haben, das dazu beiträgt, die Kosten zu reduzieren und damit eine günstigere Preisgestaltung zu gewährleisten.

Sehr verehrter Herr Dr. Rhiel, ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie die Energiepolitik zu einer Grundsatzerklärung genutzt haben.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Eine Achillesferse!)

Dazu muss ich ehrlich sagen: Ihre Grundsatzerklärung findet sich in diesem konkreten Fall Ihres Verwaltungshandelns nicht wieder.Verehrter Herr Minister Rhiel, sehen Sie, Sie haben gesagt – da wäre es interessant, wenn Sie mir das einmal erklären könnten –, Sie vertreten eine ordoliberale Position in Abgrenzung zum Neoliberalismus. Als ich das gelesen habe – herzlichen Dank, dass ich das früher bekommen habe –, habe ich doch einmal im „Brockhaus“ nachgesehen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das war doch nicht nötig, das muss ein Liberaler so wissen!)

Ja,aber wenn man jemand anderem etwas beweisen will, muss man es manchmal schwarz auf weiß haben, und es darf nicht der eigene Sermon sein. Im „Brockhaus“ steht unter Ordoliberalismus ein Pfeil: siehe Neoliberalismus.

(Beifall bei der FDP – Heiterkeit des Abg. Jörg- Uwe Hahn (FDP) – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Das ist noch kein Beweis, wirklich nicht! – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Nein, es ist kein Beweis. Aber es wird noch interessanter, Herr Fraktionsvorsitzender. Ich möchte das zum Anlass nehmen, den Begriff des Neoliberalismus hier etwas näher vor diesem Hintergrund zu definieren, dass er kein Neoliberaler, sondern ein Ordoliberaler ist. Ich weiß immer noch nicht, was er damit meint.

(Beifall bei der FDP)

Da heißt es: Neoliberalismus ist „erstmals 1939 für eine Konferenz...“ entworfen worden. Dann werden die Wissenschaftler genannt. Er ist eine