Protokoll der Sitzung vom 20.06.2006

Herr Rhiel, dazu hatten Sie reichlich Gelegenheit, als Sie in der ÜWAG saßen – aber da war nichts davon zu hören, gar nichts.

(Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Aber wir wissen, dass gewisse amnesische Züge ein wichtiges Kriterium sind, um Mitglied einer CDU-Landesregierung zu werden.

(Michael Boddenberg (CDU): Fahren Sie auch im ÖPNV?)

Es soll Menschen geben, denen wäre ein solcher parteipolitischer Gesinnungswandel zumindest peinlich oder erklärungsbedürftig, aber die Schamgrenzen der CDU-Politiker sind ja relativ hoch.

Halten wir also fest: Sie machen Ihren Job als Wirtschaftsminister, indem Sie geltendes Recht anwenden. Aber wie Sie das tun,das trägt schon die aus anderen Verfahren hinreichend bekannten Züge – Herr Posch hat das ausführlich erläutert –: Es gibt großes Mediengetöse, gepaart mit handwerklicher Unfähigkeit und führt zu größtmöglicher Verunsicherung aller Beteiligten.

Das erinnert mich fatal an das Gewürge, das Sie mit dem Sparkassengesetz betreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Dr. Alois Rhiel: Die Verbraucher sehen das aber anders!)

Ihr Job ist es, die Anträge der Stromunternehmen zu prüfen.Bis heute ist nicht klar,ob Sie das überhaupt getan haben. Nach welchen Kriterien wollen Sie das getan haben? Im September 2005 wurden diese Anträge gestellt. Herr Posch hat es gesagt: Bis heute ist kein einziger davon rechtsgültig beschieden.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Deshalb klagen inzwischen die ersten Unternehmen. Im Dezember 2005 haben Sie die Ankündigung der Ablehnung versandt. Im Januar hieß es, die ersten Bescheide werden in Kürze versandt. Im April hieß es: im Mai. Im Mai hieß es: im Juni. Im Juni kam eine Presseerklärung, nach der zwei Drittel der Anträge geprüft seien. Man könnte meinen, Sie haben null Ahnung von dem, was in Ihrem Ministerium eigentlich vor sich geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Ich kann den Stapel Ihrer Presseerklärungen hoch halten, die seit dem 18.12.2005 verkünden, alles werde abgelehnt, es gebe eine Strompreissenkung von 10 %.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Das nenne ich: Ankündigungspopulismus statt Taten. Da wird viel erzählt und wenig gehandelt. Bisher ist noch nichts davon Wirklichkeit geworden, was dort auf viel Papier gedruckt worden ist.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Das sehen die Verbrau- cher aber anders!)

Ja, leider lassen sich die Verbraucher von Ihnen für dumm verschaukeln.

(Zurufe des Ministers Dr.Alois Rhiel und des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sind Sie nicht Mitglied dieser Hessischen Landesregierung, die immer auf kurze Genehmigungszeiten setzt? Sie aber kriegen das nicht hin – weder sachlich fundiert,schon gar nicht begründet –, und damit lassen Sie die kommunalen Energieversorger im Regen stehen, die seit einem halben Jahr keinerlei Planungssicherheit haben.

(Clemens Reif (CDU): Die Armen!)

Nun will ich den kommunalen Stromversorgern keinen Heiligenschein aufsetzen, auch die wollen ihr Schäflein ins Trockene bringen.Aber dass sie seit einem halben Jahr nicht mehr planen können, das ist – das sollten Sie, Herr Reif, als Unternehmer wissen – eine Zumutung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daran hängen auch etliche kommunale Aufgaben.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Schwimmbäder, Sportstätten, Kulturförderung – die wissen genauso wenig, wie es weitergehen wird. Außerdem fördern die kleinen Energieversorger auch Innovation. Als Wirtschaftsminister sollten Sie eine Antwort darauf haben, wie das nun weitergehen könnte.

Inhaltlich kann man die Frage stellen, ob man diese Förderung will. Darüber kann man diskutieren. Dazu aber habe ich von Ihnen nichts gehört. Stattdessen stellen Sie sich hier vorne hin und sagen, Sie wollen keine Quersubventionierung durch private und kommunale Träger mehr haben, Sie wollen über die Quersubventionierung keine Zahlungen mehr für Sport, Kultur und Schwimmbäder.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Zulasten des Sozial- staats!)

Dann erwähnen Sie die Buslinien. Was ich da gelesen habe,ging mir über die Hutschnur. Sie stellen sich hierhin, retten dem Bürger 3 c im Monat, bravo – aber wissen Sie, wer die Zeche der Busausschreibungen gezahlt hat? Das sind die Familien der Busfahrer; denn bei deren Löhnen wurde das eingespart.

Wir sind durchaus für Ausschreibungen,wenn das zu Qualitätsverbesserungen führt; wenn das aber letztendlich allein auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird,

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

dann ist das wirklich das schlechteste Beispiel und zeigt, wie krude Ihre Argumentation an dieser Stelle ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Dann müssen Sie auch sagen, Sie wollen, dass die Kommunen zukünftig hier Steuern zahlen, statt andere Aufgaben zu subventionieren,und diese Steuern gehen an Bund und Länder. Wenn man sich aber dazu äußern wollte, müsste man einen Plan haben. So kennen wir Sie als Wirtschaftsminister: vorpreschen, die Presse mit verwirrenden Informationen eindecken – und Ratlosigkeit zurücklassen. Keine Pläne, geschweige denn Pläne, die zu Ende gedacht sind, oder Handlungen, die abgeschlossen sind. Zögern, zaudern, vollmundige Ankündigungen – Hauptsache, es steht etwas in der Presse.

Bei den Grundgedanken sind wir uns ja einig.

(Michael Boddenberg (CDU): Das behaupten alle andauernd!)

Ich habe es vorhin schon einmal gesagt: Natürlich wollten wir als GRÜNE schon immer Transparenz bei den Strompreisen – nicht nur bei den Strompreisen, sondern wir

wollen auch eine Kennzeichnung, wir wollen wissen, woher der Strom kommt.

(Axel Wintermeyer (CDU): Wie wollen Sie das denn machen? Strom ist doch keine Materie!)

Wir wollen Wahlfreiheit für die Verbraucher. Wir finden die freie Wahl der Stromanbieter, die jetzt möglich ist, Klasse – denn dann kann man endlich auf Atomstrom verzichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollten eine Bundesnetzagentur – Sie wollten, dass die Länder mitmischen. Wie glorreich das ist, das dürfen Sie jetzt selbst feststellen. Sie werden sehen, dass wir Recht hatten. Sie wollen sich hier jubelnd für die Kostensenkungen feiern lassen, die angedacht waren. Dabei muss man sagen: Nach Ihrer Rede hat nicht einmal die halbe CDU-Fraktion geklatscht, mit Feiern war da nicht viel.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Die Reduzierungen bei den Strompreisen haben sich in dem Moment abgezeichnet, als die EU beschlossen hatte, dass es dort eine neue Gesetzesgrundlage geben muss. Das ist also durchaus nicht die Erfindung des Ministers Rhiel.

Wir alle wissen, die Netzentgelte sind viel zu hoch. Die großen Unternehmen haben 45 Millionen c eingenommen und 25 Millionen c ausgegeben.

(Clemens Reif (CDU): Was hätten Sie denn gemacht?)

Sie jammern auf einem hohen Niveau.Aber wir haben die Sorge, dass die Basis, auf der sich die öffentlichen und die kommunalen Träger bewegen, brüchiger wird. Dann muss man Antworten haben.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Wir haben Sorgen, dass die Kleinen wegfallen und am Schluss nur noch die Monopolisten übrig sind.

(Clemens Reif (CDU): Sie wollen die Preise erhöhen!)

Aus der Zeit Rhiels als Oberbürgermeister stammt die Idee, dass sich kommunale Unternehmen so genannte strategische Partner suchen. Nun raten Sie einmal, an wen er gedacht hat. Die Stadt Fulda zog sich die Thüga an Land, bekanntermaßen eine Tochter der E.ON. So viel zum Wettbewerb und zur Monopolisierung. Von daher geht bei den kommunalen Energieversorgern die Angst um, dass sie geschwächt werden sollen,

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))