Protokoll der Sitzung vom 06.10.2006

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Rhiel, wenn Sie das wirklich alles ernst meinen – dass Sie die Sparkassen weiterentwickeln wollen, dass Sie sie stärken wollen –, dann müssten Sie eigentlich so konsequent sein und Ihren Gesetzentwurf zurückziehen.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Wir warten darauf, dass die anderen uns überholen! Immer mehr Betonköpfe!)

Ich glaube auch, die FDP würde sich dem dann anschließen und ihren Entwurf zurückziehen. Dann wäre den hessischen Sparkassen am meisten geholfen.

Meine Damen und Herren, die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe von CDU und FDP schwächen die Sparkassen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

weil beide Gesetzentwürfe die bewährten Strukturen des Sparkassenwesens infrage stellen. Diese sind: kommunale Trägerschaft, Versorgung gerade des Klein- und Mittelstandes mit Darlehen, Finanzdienstleistungen und die regionale Anbindung.

Meine Damen und Herren, ich werde mich jetzt bei meinen Ausführungen im Wesentlichen auf den Entwurf der Landesregierung beschränken. Kollege Posch, Ihr Entwurf ist lediglich ein Aufguss von dem, was wir schon kannten.Diese Debatte haben wir schon vor längerer Zeit in diesem Hause geführt.

Die IHK Kassel hat in ihrer letzten Vollversammlung nochmals einen dringenden Appell an die Hessische Landesregierung gerichtet. Ich zitiere aus einer Resolution der IHK Kassel, beschlossen auf der letzten Vollversammlung:

(Michael Boddenberg (CDU): Hat Herr Böhmer da auch vorgetragen?)

Mit Blick auf die herausragende Bedeutung der Sparkassen gerade in eher ländlichen Regionen appelliert die IHK Kassel an die politischen Entscheidungsträger in Hessen,bei den geplanten Änderungen des Hessischen Sparkassengesetzes die regionalwirtschaftliche und mittelstandspolitische Bedeutung der regionalen Sparkassen in den Mittelpunkt zu stellen.

Zu den Plänen der Landesregierung ist dann auf der Vollversammlung Folgendes beschlossen worden:

Die geplante Handelbarkeit von Stammkapital wird aber von den mittelständischen Unternehmen mit der Befürchtung verknüpft, dass dadurch der Konzernbildung und der ausschließlichen Shareholdervalue-Orientierung Vorschub geleistet wird.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU):Ach du liebe Zeit!)

Ein Rückzug aus der Fläche werde gerade die in Nordhessen zahlreich vertretenen kleinen und mittleren Unternehmen und auch die Existenzgründer besonders betreffen.

Meine Damen und Herren, die IHK in Kassel hat recht mit dem, was sie beschlossen hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gerhard Bö- kel (SPD))

Herr Dr. Rhiel, das sind für Ihren Gesetzentwurf gleich mehrere Ohrfeigen. Sie wollen die Sparkassen vor Ort stärken. Die IHK in Kassel sagt: Wir befürchten den

Rückzug aus der Fläche, wenn dieser Gesetzentwurf so umgesetzt wird.

(Michael Boddenberg (CDU):Was sagen eigentlich die anderen?)

Herr Dr. Rhiel will die wichtige Mittelstandsförderung der Sparkassen stärken. Die IHK in Kassel stellt fest:

Dieser Entwurf schwächt viele kleine und mittlere Unternehmen. Es ist wieder einmal der Mittelstand in Hessen, das Rückgrat der hessischen Wirtschaft, der von dieser Landesregierung nicht ernst genommen wird und der dieser Landesregierung schlechte Noten erteilt.

(Beifall bei der SPD – Minister Dr. Alois Rhiel: Es geht deutlich aufwärts mit dem Mittelstand! – Mi- chael Boddenberg (CDU): Das waren aber deutliche Worte, Herr Kollege!)

Mit dieser Politik, die die Interessen des Mittelstandes ignoriert, gefährdet die Landesregierung Arbeitsplätze in Hessen im Mittelstand und bei den Sparkassen.

Meine Damen und Herren, wir stehen zur kommunalen Trägerschaft der Sparkassen. Herr Dr. Rhiel, nun behaupten Sie, dass diese erhalten bleiben soll und allenfalls ein Verkauf an die Landesbank oder andere Sparkassen erlaubt ist. Die Möglichkeiten zur Bildung von Stammkapital macht die Sparkassen grundsätzlich veräußerbar.

Meine Damen und Herren, die angespannte Finanzsituation der Landkreise, der einzelnen Kommunen weckt doch die Begehrlichkeiten.Wer kann so lebensfremd sein und das ignorieren? Hier werden Begehrlichkeiten geweckt, denen auch mancher Kämmerer eventuell nicht widerstehen könnte.Auch die Beschränkung auf die Sparkassenfamilie würde den Sparkassen ihren ureigensten kommunalen Charakter nehmen und innerhalb der kommunalen Familie zu einer Ungleichbehandlung führen.

Herr Dr. Rhiel, Sie haben in Ihrer Rede die Frankfurter Sparkasse erwähnt.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Die Landesbank kann doch nicht alle Sparkassen erwerben. Das Beispiel der Frankfurter Sparkasse wird nicht beliebig wiederholbar sein.

(Beifall bei der SPD)

Tatsache ist doch, dass ein möglicher Erwerb von Sparkassen durch die Landesbank – wenn sie diese denn erwirbt; sie kann nicht alle erwerben – zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der hessischen Sparkassenfamilie führt. Welches Interesse sollten denn die Sparkassen, die nicht gekauft werden, daran haben, dass die Landesbank quasi andere Institute aufkauft und sie dies eventuell noch mitbezahlen müssten? Ich sage Ihnen: Die anderen Sparkassen haben daran kein Interesse. Sie können es auch nicht haben.

(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Sie müssen nicht zustimmen!)

Herr Rhiel sagt,dass mit diesem Gesetz jegliche Optionen und Freiräume eröffnet werden sollen.

(Axel Wintermeyer und Gottfried Milde (Gries- heim) (CDU): Dr. Rhiel!)

Ja, ich habe es gelernt, Herr Kollege Milde: Herr Dr. Rhiel, so viel Zeit muss sein.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister Dr. Rhiel, Geburtstagskind; das macht das Gesetz auch nicht besser!)

Also, wenn es denn sein soll: Herr Minister Dr. Rhiel, Geburtstagskind, damit die CDU-Fraktion auch zufrieden ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Rhiel, das ist eine Beruhigungspille, die aber nicht überzeugend ist. Ich glaube, selbst Sie sind nicht so weltfremd, dass Sie der Meinung sind: Das sind lediglich Optionen, aber diese braucht keiner wahrzunehmen.

Meine Damen und Herren, die Tatsachen werden anders sein. Es ist klar: Den Sparkassen wird mit der Option, diese veräußern zu können, ihr besonderer Status innerhalb der Bankenlandschaft genommen. Mit diesem Gesetz werden die Sparkassen faktisch Gegenstand der Haushaltskonsolidierungen der Kommunen. Der Druck auf die Kommunen – angesichts der klammen Finanzen – wird steigen. Das wissen Sie doch auch. Sparkassen, die veräußert werden, sind keine Sparkassen im klassischen Sinne mehr. Käufer kaufen doch nicht aus Nächstenliebe, sondern Käufer wollen vor allen Dingen Renditen.

(Michael Boddenberg (CDU): So was, das ist ja ein Ding!)

Sparkassen sind aber – ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Rendite – nicht mehr Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge.Wenn sich die Sparkassen stärker an der Rendite orientieren müssen, dann bedeutet das das Ende oder zumindest starke Einschränkungen für die betroffenen Sparkassen und deren Engagement im sozialen, sportlichen und auch kulturellen Bereich vor Ort.

(Michael Boddenberg (CDU): Sehen Sie da keinen Widerspruch, Herr Kollege?)

Meine Damen und Herren, Sie nehmen es in Kauf, dass viele soziale und kulturelle Initiativen vor Ort, die oft nur durch das Sponsoring der Sparkassen überleben können, ihre Arbeit einstellen oder einschränken müssen.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Das ist vorletztes Jahrhundert!)

Das nehmen Sie ganz bewusst in Kauf und stellen damit den gesetzlichen Auftrag der Sparkassen, nicht nur Erträge zu erwirtschaften, sondern auch Maßnahmen des Gemeinnutzes durchzuführen, infrage. Wir wollen das nicht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Herr Boddenberg, da hören Sie es einmal!)

Der ausschließliche Blick auf die Rendite wird auch dazu führen, dass die eine oder andere Filiale in der Fläche unter ganz anderen Gesichtspunkten bewertet werden wird, als das bis heute geschehen ist. – Herr Dr. Rhiel, so stärkt man aber keine Sparkassen vor Ort.

Ich möchte nun auf Europa eingehen. Herr Dr. Rhiel, Sie befinden sich angeblich im Einklang mit dem zuständigen EU-Kommissar McCreevy.

(Gerhard Bökel (SPD): Dazu hat Herr Posch schon etwas gesagt!)

Zur Klarstellung: Es war nicht Herr Kollege Kahl, der gesagt hat, das, was Sie hier vorgetragen haben, entspräche nicht der Wahrheit. Es war die Pressestelle des EU-Kommissars, die diese Pressemitteilung herausgegeben hat.