Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Bei diesen drei Punkten,die ich vorangestellt habe,dürfen wir eines nicht vergessen. – Es wäre gut, wenn alle zuhören würden.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind doch heute nicht beim Bauernverband! Die Sitzung des Bauernverbandes war gestern!)

Zu dieser Natur gehört als ein Teil von ihr auch der Mensch. Das wird hier meines Erachtens immer außer Acht gelassen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, am 17. Mai hat die Landesregierung dem Parlament einen Entwurf zur Novellierung des Hessischen Naturschutzgesetzes vorgelegt. Die Novellierung verfolgte damals – so hat es zumindest der Minister dargestellt – drei Ziele: Erstens. Das Bundesnaturschutzgesetz soll in hessisches Recht umgesetzt werden. Zweitens. Erfordernisse des europäischen Naturschutzrechts werden in den Entwurf eingebracht, siehe FFH und Natura 2000. Drittens. Die Landesregierung will mit dem Gesetz Vorschläge zur Verwaltungsvereinfachung und zu mehr Bürgerfreundlichkeit – so hat es Minister Dietzel gesagt – machen und den kooperativen Ansatz stärken.

Die ersten beiden Ziele, denke ich, sind unstrittig.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nein, sie sind strittig!)

Das dritte Ziel

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Auch das!)

ist meines Erachtens schlecht umgesetzt. Die Kernpunkte zu der Verwaltungsvereinfachung im Naturschutzrecht sollten dem ersten Entwurf zufolge so vorgestellt sein: Wegfall der Landschaftspläne, Streichung von Naturschutzgebieten, Wegfall der Streuobstwiesen aus den gesetzlich geschützten Biotopen, Wegfall der sogenannten positiven Eingriffsliste.

Die FDP hat diese Veränderungen mitgetragen. Sie steht dazu, wohl wissend, dass sie vor allem bei den Naturschutzverbänden – diese Diskussionen haben wir auch geführt – auf heftigen Protest stoßen. Denn wir waren und sind der Auffassung, dass Überregulierungen dem Naturschutz nicht helfen, sondern abgebaut werden müssen.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Das passt! – Heike Hofmann (SPD):Das ist keine Überregulierung!)

Wir sind der Auffassung, dass der Naturschutz bürgerfreundlicher sein muss,damit er von den Bürgern auch akzeptiert wird. Dann wird er auch nichts von seiner Qualität einbüßen.

Bei der Anhörung,die am 6.September stattgefunden hat, wurde die Diskussion erwartungsgemäß hauptsächlich über die Themen Landschaftsschutzgebiete, Positivliste und Streuobstwiesen geführt. Die Diskussion verlief aufseiten der Anzuhörenden sehr kontrovers.Das Meinungsspektrum war sehr breit auseinandergefächert.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Die Anhörung war vernichtend! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Niemand fand den Entwurf gut!)

Dann kam etwas, was ich nicht richtig verstanden habe: Weil die CDU anscheinend Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen hatte, wurde all das zurückgezogen, sozusagen mit einem Fallrückzieher. Frau Kollegin, vielleicht kommt von diesem Fallrückzieher auch die Halskrause her.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, na, na! – Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zu stark gebremst!)

Das Thema Streuobstwiesen wurde und wird – ich gebe es zu – in unserer Fraktion wie auch in unserer Partei sehr strittig diskutiert. Dennoch haben wir uns in der Fraktion

durchgerungen, bei einer einheitlichen Linie zu bleiben, weil wir der Auffassung sind, dass die Streuobstwiesen nach der vorgeschlagenen Formulierung nicht schutzlos gestellt worden wären.

(Beifall bei der FDP – Ursula Hammann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Urwitz der FDP! – FrankPeter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur weil der Kollege lieber Bier als Apfelwein trinkt!)

Das ist deutlich, denn sie wären nach § 31 auch künftig, nach der Eintrittsregelung, geschützt gewesen. Das hat Frau Kollegin Apel in ihrer Rede zur ersten Lesung hier vorgetragen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen muss es noch lange nicht stimmen! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Wir bleiben bei der 1 : 1-Umsetzung von europäischem Recht mit möglichst wenig Bürokratie.

(Gernot Grumbach (SPD): Das stimmt auch nicht! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, seien Sie nicht so unentschieden, nicht 1 : 1!)

Das sollte an dieser Stelle oberste Maxime sein, wenn wir überall über die Entbürokratisierung reden.

Aus anderer Sicht spricht noch ein weiterer Punkt für den Schutz der Streuobstwiesen. Cross Compliance, ein Programm der Europäischen Union, stellt ausdrücklich fest, dass Landschaftselemente auch in Zukunft erhalten werden müssen. So wird keiner ein Interesse daran oder die Möglichkeit dazu haben, Landschaftselemente wie die Streuobstwiesen zu verändern oder zu beseitigen.

(Beifall bei der FDP – Ursula Hammann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das glauben aber auch nur Sie, Herr Heidel!)

Das ist nicht möglich und muss damit nicht durch einen besonderen Schutz verhindert werden.

Der CDU-Änderungsantrag enthält für den Biotopschutz eine Art Zwitterregelung, nach dem Motto:Wenn die Beeinträchtigungen der Biotope ausgeglichen werden können oder Maßnahmen in unmittelbarer Nähe – was auch immer das bedeutet – aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls notwendig sind, dann können wieder Hochstämme – es fehlt nur noch die Höhe: 2,75 m – gepflanzt werden. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Naturschutz, der reglementiert, der nichts der freien Natur überlässt, sondern der mit Paragrafen alles festschreiben will. Das ist nicht Naturschutz, wie die FDP ihn sich vorstellt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glaube ich! Sie stellen sich Naturschutz überhaupt nicht vor!)

Im Gegensatz zu anderen Fraktionen in diesem Hause haben wir Vertrauen in die Menschen.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen, dass der Naturschutz in den Köpfen der Menschen ist und nicht in Paragrafen festgeschrieben wird. Die Menschen müssen den Naturschutz leben. Sie müssen die Verantwortung für ihre Natur übernehmen. Hier wundert mich die CDU-Fraktion ein wenig. In anderen Bereichen stellt sie die kommunale Verantwortung groß heraus.

Sie sagt: Wir müssen kommunalisieren, weil die Verantwortung vor Ort getragen werden muss, z. B. im Veterinärwesen – mit all seinen Problemen.

Nur bei den Streuobstwiesen und beim Naturschutz muss man es staatlich reglementieren. Das können die vor Ort nicht. – Ich meine, das ist der falsche Ansatz;

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

denn der Naturschutz stößt zunehmend auf Zuspruch bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort,wenn er ihnen vernünftig erklärt wird und wenn wir diesen Naturschutz gemeinsam wollen.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist die Verantwortung für die Kommunen etwas sehr Wichtiges. Wir geben ihr den Vorrang gegenüber dem, was jetzt mit dem Änderungsantrag der CDU wieder angedacht wird.

Ich will nichts zur Wiedereinführung der Positivliste sagen, weil wir in diesem Saal schon geklärt hatten, dass das auch über Ordnungsrecht zu regeln ist, weswegen wir die Positivliste gar nicht brauchen. Das wird man in den Protokollen des Hessischen Landtags wiederfinden. Das brauche ich nicht mehr zu erwähnen.

Meine Damen und Herren, Zustimmung signalisiere ich selbstverständlich zu dem Teil des Änderungsantrags, was die Pflegepläne für bestehende Naturschutzgebiete betrifft. Das haben wir schon unter Minister Bökel diskutiert. Es ist nicht das Ausweisen eines Naturschutzgebietes, sondern dazu gehören anschließend auch die Pflege und die Unterhaltung der Naturschutzgebiete.

(Beifall bei der FDP)

Das Thema Naturparke muss geregelt werden. Hier kann man sagen, dass jeder Naturpark seine eigene Reglementierung finden soll, wie er es denn halten will. Ich halte das nicht für richtig. Es sollte versucht werden, zumindest in den Regionalplänen festzuschreiben, wie man mit den Naturparken umgeht.

(Beifall bei der FDP)

Das könnte auch die Bereiche Geoparke und Nationalparke einbeziehen und somit einen Kritikpunkt der Fraktion der GRÜNEN aufgreifen.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das geht gegen das Bundesnaturschutzgesetz!)

Diesem Obrigkeitsdenken,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ach, Herr Kollege, Obrigkeitsdenken! Lieber Obrigkeitsdenken als gar kein Denken!)

das mit dem Änderungsantrag der CDU auf den Weg gebracht worden ist, stellen wir entgegen, dass die Kommunen in weiten Teilen schon viel weiter sind, dass die Bürgerinnen und Bürgern viel weiter sind. Das zeigt das wachsende Interesse an der Natur. Wir erleben zunehmend, wie sich Bürgerinnen und Bürger für die Natur engagieren, und das ist gut so. Das wollen wir auch alle.

Meine Damen und Herren, deshalb ist der Änderungsantrag der CDU überflüssig. Ich bitte Sie darum, unserem Änderungsantrag zuzustimmen,der diesen Antrag wieder zurücknimmt.